Autor: Gabriele Quardt

Condor vs. Lufthansa – über den Wolken…

Condor vs. Lufthansa – über den Wolken…

… muss die Freiheit wohl grenzenlos sein – so singt jedenfalls Reinhard Mey. Das sieht Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager allerdings anders und schaut daher erneut der Lufthansa genauer unter die Flügel.
Angesichts sinkender Passagierzahlen in der Corona-Krise ringen die Airlines um eine bessere Auslastung ihrer Flugzeuge. Dass das Beihilfenrecht bei diesem Kampf ein hilfreiches Instrument sein kann, hat bereits die Vergangenheit gezeigt. Aber auch in der Krise wird mit harten Bandagen gekämpft wie jüngst die Klagen von Ryanair  gegen die Corona-Beihilfen von Wettbewerbern vor dem Gericht der Europäischen Union gezeigt haben. Zu groß ist die Angst vor dem Einfluss staatlicher Mittel auf den Wettbewerb im Luftverkehr – wenn sie denn einem Konkurrenten gewährt werden. Das zeigt aktuell auch das Duell zwischen Lufthansa und Condor.

Die Player

Die Lufthansa ist ein weltweit operierender Luftverkehrskonzern mit über 500 Tochterunternehmen und Beteiligungen. Dazu gehörten u.a. Austrian Airlines, Brussels Airlines, Swiss, Eurowings – um nur einige zu nennen. Der Höhenflug der Fluggesellschaft wurde mit Ausbruch der Corona-Pandemie jäh gestoppt. Sinkende Passagierzahlen sorgten für einen Umsatzrückgang von über 50% auf 13,6 Mrd. € in 2020 – 2019 waren es noch 36,4 Mrd. €. Mit Hilfe staatlicher Unterstützung konnte die Lufthansa wieder durchstarten: Nach zähem Ringen hat die Kommission am 25. Juni 2020 staatliche Beihilfen zugunsten der Lufthansa genehmigt. Teil des Pakets war dabei vor allem eine 20%ige staatliche Beteiligung über den WSF. Um die Auswirkungen der Beihilfe auf den Wettbewerb abzufedern, hat die Kommission die Genehmigung auf Grundlage des Temporary Frameworks mit einer Reihe von Auflagen verbunden: u.a. Vergütungsbeschränkungen für Vorstand und Management, Abgabe von Slots.
Auch der Fluggesellschaft Condor ist das Beihilfenrecht nicht fremd. Die Airline war Teil der seit September 2019 in Insolvenz befindlichen Thomas Cook Group. Nach Eröffnung dieses Insolvenzverfahrens geriet auch die Condor in Liquiditätsschwierigkeiten. Ein KfW-Darlehen iHv. 380 Mio. € (verbürgt durch den Bund und das Land Hessen) wurde von der Kommission am 14. Oktober 2019 als Rettungsbeihilfe genehmigt (Staatliche Beihilfe SA.55394). Der geplante Verkauf an die polnische Fluggesellschaft LOT scheiterte jedoch aufgrund Corona-bedingter eigener Schwierigkeiten des potentiellen Käufers. Auch hier musste der Staat wieder helfen. Am 27. April 2020 genehmigte die Kommission ein weiteres (staatlich verbürgtes) Darlehen der KfW iHv. 550 Mio. € auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 b AEUV als Ausgleich für den Corona-bedingten Schaden der Airline (Staatliche Beihilfe SA. 56867).

Was bisher geschah

1. Akt

Condor hält die mit der Genehmigung der Beihilfen verbundenen Auflagen der Lufthansa nicht für ausreichend um Auswirkungen auf den Wettbewerb zu verhindern. Daher hat die Fluggesellschaft am 12. Februar 2021 Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der Kommission beim Gericht der Europäischen Union eingelegt (Rs. T-87/21).

2. Akt

Die Antwort der Lufthansa war deutlich. Sie kündigte ein sog. „Special Prorate Agreement“ mit der Condor. Als Begründung wird die Fokussierung auf das Feriengeschäft genannt. Die Lufthansatochter Eurowings-Discover wird ab Sommer 2021 eigene Langstreckenflüge anbieten und dabei mit dem Angebot der Condor in Wettbewerb gehen. Dann benötigte diese die Anschlussflüge der Lufthansa.
Das „Special Prorate Agreement“ hat die Condor bislang in die Lage versetzt, ihre Langstreckenflüge von Frankfurt inklusive Zubringerflüge der Lufthansa anzubieten. Das Risiko von Verspätungen der Feeder-Flights lag dabei bei der Lufthansa. Nun steht die Condor ab 1. Juni voraussichtlich ohne die Lufthansa-Anschlüsse da. Umsteigeverbindungen mit wechselnden Fluggesellschaften lassen sich insbesondere durch Reiseveranstaltung insgesamt schwerer vermarkten, die Kombination von Lufthansa und Condor ist für viele Reisende dabei immer noch ein Zeichen von „Zuverlässigkeit“. Der Rat der Lufthansa, die Passagiere zukünftig für einen Flug ab Frankfurt in die Bahn zu setzen, ist aus Sicht von Condor keine wirkliche Alternative.

3. Akt

Gegen das Vorgehen der Lufthansa legte Condor beim Kartellamt Beschwerde ein. Das Kartellamt kommt zu der vorläufigen Einschätzung, dass an der Beschwerde was dran ist, da die Lufthansa mit der Kündigung des Vertrages möglicherweise ihre marktbeherrschende Stellung in ungebührlicher Weise ausnutze. Auch wenn noch kein abschließender Beschluss des Kartellamts vorliegt, rudert die Lufthansa nach Presseinformationen zurück. Die Fortführung der Verträge erscheint daher derzeit nicht ausgeschlossen.

4. Akt

Die EU-Kommission tritt auf. Den Medien ist zu entnehmen, dass die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager über das Verhalten der Lufthansa „not amused“ gewesen sein soll. Bestehe doch die Gefahr, dass die Beihilfen zu wettbewerbswidrigem Verhalten genutzt würden. Aber das war nicht der einzige Stein des Anstoßes: Die Lufthansa hatte außerdem 25 Mio. € an Gläubiger einer Hybridanleihe gezahlt, ohne die Kommission darüber vorab zu informieren. Diese Zahlung sei notwendig gewesen, um den Finanzmarkt nicht zu verunsichern – erklärt Lufthansa. Verunsichert wurde durch dieses Vorgehen jedoch die Wettbewerbskommissarin, weil die Lufthansa damit gegen Auflagen der Genehmigung verstoßen hat. Gläubiger und Aktionäre dürfen nach dem Temporary Framework bis zum endgültigen Ausstieg des Staates aus der Rekapitalisierung grundsätzlich nicht bedient werden. Neben dem Verbot Boni an die Geschäftsführung zu gewähren soll damit ein Anreiz gesetzt werden, die Anteile, die der Staat mit seiner Beteiligung an dem Beihilfenempfänger übernommen hat, schnellstmöglich wieder zu zurück zu kaufen.

Finale

Ein Finale ist bisher noch nicht in Sicht, die weitere Handlung nur zu erahnen. Es ist einiges Porzellan zerschlagen worden, dass von den deutschen Behörden zusammenzukehren ist. Es werden Fragen von der Kommission gestellt, die unangenehm werden könnten. Können diese von deutscher Seite nicht zufriedenstellend beantwortet werden, droht der Lufthansa schlimmstenfalls die Rückforderung der Beihilfen. Um das zu verhindern, wird das, was auf beihilferechtlicher Ebene nicht geklärt werden kann auf politischer Ebene zu verhandeln sein. Allerdings hat es Frau Vestager in der Vergangenheit auch schon mit größeren Playern aufgenommen und wird daher nicht davor zurückschrecken, der Lufthansa zu zeigen, dass auch über den Wolken die Freiheit nicht grenzenlos ist, sondern auch dort das Beihilfenrecht gilt.

Das EEG 2021 – warten auf eine Genehmigung der EU-Kommission

Das EEG 2021 – warten auf eine Genehmigung der EU-Kommission

Am 1. April 2000 trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft. In den vergangenen 20 Jahren standen das Gesetz und seine Reformen regelmäßig auf der Agenda von Kommission und Unionsgerichten.

Auch das EEG 2021 liegt wieder auf dem Tisch der Kommission. Dieses Mal allerdings nicht, weil die Kommission der Frage nachgehen muss, ob überhaupt eine Beihilfe vorliegt. Dieses Mal geht die Bundesregierung proaktiv vom Vorliegen einer Beihilfe aus und bittet um Genehmigung einzelner Maßnahmen auf Grundlage der Energie- und Umweltleitlinien.
Gültig ist das EEG 2021 bereits seit dem Tag seines Inkrafttretens am 1. Januar 2021. Einige Regelungen können jedoch erst nach der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission zur Anwendung kommen:

  • Förderung alter Windanlagen, die das Ende der 20-jährigen Förderdauer erreicht haben
    Die geplante Anschlussförderung ist auch nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums beihilferelevant und muss von der Kommission zunächst genehmigt werden. Bis dahin können diese Anlagen von der Marktdurchleitung für kleine Solaranlagen unter 100 KW Gebrauch machen. Die Förderung wird nach Erteilung der Genehmigung dann verrechnet. Die Förderung von kleinen Solaranalgen unter 100 KW ist aus Sicht der Bundesregierung beihilfefrei möglich, da der in diesen Anlagen erzeugte Strom von den Netzbetreibern zu Marktkonditionen durchgeleitet wird.
  • Anlagen in der Festvergütung
    Bis zu einer beihilferechtlichen Genehmigung erhalten diese Anlagen eine Vergütung nach dem beihilferechtlich genehmigten EEG 2017 (die Genehmigung wurde verlängert). Die im Anschluss an die Genehmigung erfolgende Förderung auf Grundlage vom EEG 2021 wird mit der Förderung auf Grundlage des EEG 2017 verrechnet.
  • Besondere Ausgleichsregelungen
    Auch hier ist eine beihilferechtliche Genehmigung erforderlich, damit eine Förderung gewährt werden kann. Diese betrifft insbesondere stromintensive Unternehmen. Die entsprechenden Bescheide erteilt auch hier wieder das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) aufgrund der Antragsverfahren 2020. Die erlassenen Bescheide werden regulär und ohne Vorbehalt zum 1. Januar 2021 wirksam.

Fazit
Wieder einmal muss sich das EEG einer Beihilfekontrolle unterziehen. Liegt eine Beihilfe vor – und davon geht die Bundesregierung aus – darf diese gem. Art 108 Abs. 3 AEUV erst nach Erlass einer Genehmigung durch die Kommission gewährt werden. Ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot führt nach der Rechtsprechung des BGH zur Nichtigkeit des der Gewährung zugrundeliegenden Vertrages bzw. zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Einen Vertrauensschutz räumt die Rechtsprechung der Unionsgerichte dem betroffenen Unternehmen nur sehr eingeschränkt – und grundsätzlich überhaupt nicht unter Bezugnahme auf nationales Recht – ein. Daher tut Deutschland gut daran, die Förderung derzeit nur mit gebremsten Schaum durchzuführen. Der Erlass von unzähligen Rückforderungsbescheiden – zuletzt im Zusammenhang mit dem StromNEV – ist allen Beteiligten noch in unguter Erinnerung. Es bleibt zu hoffen, dass der Schwebezustand für alle Beteiligte ein baldiges Ende finden wird – hoffentlich dieses Mal ohne einen Umweg über Luxemburg…

Zuviel Kohle für die Kohle? – Ein zäher Weg bis zum Kohleausstieg

Zuviel Kohle für die Kohle? – Ein zäher Weg bis zum Kohleausstieg

Die Kommission hat am 2. März 2021 das förmliche Prüfverfahren über die geplanten Entschädigungszahlungen für die vorzeitige Stilllegung der Braunkohlekraftwerke eröffnet.

Dabei geht es wieder einmal um viel Geld: Insgesamt plant die Bundesregierung den beiden Betreibern der Braunkohlekraftwerke – RWE und LEAG – mit 4,35 Mrd € unter die Arme zu greifen, damit diese ihre Kraftwerke vorzeitig vom Netz nehmen. Die Kommission meldet jedoch Bedenken an. Die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens kam dabei nicht wirklich überraschend. Bereits im November 2020 hat die Kommission die staatliche Finanzierung des Ausstiegs aus der Steinkohleverstromung genehmigt (s. dazu Blogbeitrag vom 22. Dezember 2020) und darauf hingewiesen, sich die Braunkohleverstromung noch einmal genauer anschauen zu wollen.

Geplant sind derzeit Entschädigungszahlungen an die Betreibergesellschaften sowohl für den durch die Schließung verursachten entgangenen Gewinn als auch für zusätzliche Tagebaufolgekosten, die durch die verfrühte Schließung entstehen sollen. Aus Sicht der Kommission geht es um die Frage, ob die Entschädigungszahlungen auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt sind. Dabei handelt es sich um einen Prüfungspunkt, der Inhalt jeder beihilferechtlichen Überprüfung ist, vor dem Hintergrund, den Wettbewerb nicht übermäßig zu belasten. Bei der Überprüfung des Ausstiegs hatte die Kommission die Einhaltung des Mindestmaßgebots bejaht. Im Unterschied zur Steinkohle wurde beim Braunkohleausstieg aufgrund der geringeren Zahl der Marktteilnehmer die Höhe der Entschädigung nicht in einem wettbewerblichen Verfahren ermittelt, sondern zwischen der Bundesregierung und den Betreiber aus verhandelt. Das Verhandlungsergebnis nimmt die Kommission nun genauer unter die Lupe und meldet bereit Zweifel an der übermittelten Berechnungsgrundlage für die Schadenshöhe an.

Fazit:

Der Weg aus der Kohleverstromung ist in vielerlei Hinsicht kein leichter. Weder für die betroffenen Regionen noch für die Betreiber der Kraftwerke. Vor dem Hintergrund des Green-Deals als aktuellem Lieblingskind der Kommission, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung aus beihilferechtlichen Gründen scheitern wird. Interessant ist jedoch, welchen Preis der Steuerzahler dafür bezahlen muss. Mit einem Brief an die Kommission hat Client-Earth bereits Zweifel an der Transparenz der Vertragsverhandlung und insbesondere an der Höhe der Entschädigungszahlungen angemeldet. Im Übrigen weist Client-Earth auch darauf hin, dass der Kohleausstieg in anderen Mitgliedstaaten auch ohne staatliche Unterstützung funktioniere.

Beihilfen für Messen und Kongresse und Novemberbeihilfen – Genehmigungen der Kommission

Beihilfen für Messen und Kongresse und Novemberbeihilfen – Genehmigungen der Kommission

Die Kommission hat in der vergangenen Woche zwei wichtige Corona-Regeln für Deutschland genehmigt: Zum einen die sogenannte „Bundesregelung Novemberhilfe Extra“ und zum anderen die Regelung „Bunderahmenregelung Beihilfen für Messen“. Beide Regelungen haben gemeinsam, dass die Kommission sie auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2b AEUV genehmigt hat.

Bundesregelung „Novemberhilfen Extra“ (SA.60045 (2021/N) 

Bereits am 22. November 2020 hatte die Kommission die sog. Novemberhilfen auf Grundlage des Temporary Frameworks genehmigt (SA.59289). Im Rahmen dieser Regelung kann denjenigen Unternehmen, Selbstständigen, Vereinen und Einrichtungen eine Unterstützung bereitgestellt werden, die ihren Geschäftsbetrieb aufgrund der staatlich verhängten Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie vorübergehend einstellen mussten. Aufgrund dieser Rahmenregelung ist es Deutschland möglich, die sog. „Novemberhilfen“ und die „Novemberhilfen plus“ zu gewähren. Mit den Beihilfen können Unternehmen 70 % (Kleinst- und Kleinunternehmen 90%) ihrer in den Monaten März bis November 2020 nicht durch Einnahmen gedeckten Fixkosten bestreiten. Die Unterstützung für den Monat November darf dabei höchstens 75 % des Umsatzes in diesem Monat betragen. Generell ist die Unterstützung auf höchstens 3 Mio. Euro je Unternehmen begrenzt. Bis maximal 4 Mio. € pro Unternehmen können die Beihilfen mit Hilfe einer Förderung aus der Bundesregelung Kleinbeihilfen aufgestockt werden.Nunmehr hat die Kommission ein weiteres Paket von insgesamt 12 Mrd. € für die sog. „Novemberhilfen Extra“ genehmigt. Auf Grundlage dieser Regelung haben Unternehmen aus allen Branchen Anspruch auf Ersatz für Corona-bedingten Schäden, die ihnen durch die von der Bundesregierung im März und April sowie im November und Dezember 2020 zur Eindämmung der Pandemie verhängten Beschränkungen entstanden sind. Die Entschädigung erfolgt in Form direkter Zuschüsse für bis zu 100 % der in diesen Zeiträumen entstandenen Einbußen oder 75 % des Umsatzes in den Vergleichsmonaten November und Dezember 2019. Entscheidend ist, welcher Betrag niedriger ist.

„Bunderahmenregelung Beihilfen für Messen“ SA.59173 
Auf Grundlage dieses insgesamt 642 Mio. € umfassenden Programms können Unternehmen der Messe- und Kongressbranche eine Ausgleichsmöglichkeit für Corona-bedingte Schäden erhalten. Antragsberechtigt sind Eigentümer und Betreiber von Messen und Kongressinfrastrukturen sowie zwischengeschalteten Unternehmen, die Messen und Kongressinfrastrukturen vom Eigentümer an Dritte vermieten. Vielfachen mussten Messen Kongresse aufgrund von Corona-Eindämmungsmaßnahmen der Bundesländer abgesagt werden. Diese Branche ist besonders von diesen Einschränkungen betroffen, da einzelne Messen und Kongresse immer zu wiederkehrenden Terminen im jährlichen oder zweijährlichen Rhythmus stattfinden. Daher gibt es in diesem Sektor keinen sog. „Catch-up-Effekt“, das bedeutet, dass ausgefallene Veranstaltungen nicht nachgeholt werden können.
Auf Grundlage dieser Beihilferegelung können bis zu 100% des entgangenen Gewinns in der Zeit vom 1. März bis 31. Dezember 2020 ausgeglichen werden, wenn der erlittene Gewinnausfall nachweislich auf die Eindämmungsmaßnahmen zurückgeführt werden kann. Der Schaden wird dabei als Differenz zwischen dem durchschnittlichen Betriebsgewinn im Referenzzeitraum (vom 1. März bis 31. Dezember) in den Jahren 2018 und 2019 und dem tatsächlichen Gewinn im gleichen Zeitraum im Jahr 2020 berechnet. Ein Anspruch kann nicht Begünstigter für Zeiträume beansprucht werden, in denen in dem jeweiligen Bundesland keine Verbote für die Durchführung von Messen und Kongresse bestanden. Betreffen die Eindämmungsregeln die Durchführung von Großveranstaltungen können Verluste, die sich aus einer geringeren als der noch zulässigen Teilnehmerzahl ergeben (z. B. aufgrund einer allgemeinen Zurückhaltung der Menschen, solche Veranstaltungen zu besuchen), nicht ausgeglichen werden, da sie nicht auf staatliche Maßnahmen zurückzuführen sind.

Bundesregelung Rekapitalisierung

Bundesregelung Rekapitalisierung

Am 1.12.2020 hat die Kommission die „Bundesregelung für Rekapitalisierungsmaßnahmen und nachrangiges Fremdkapital“ genehmigt. Diese Regelung ergänzt die Unterstützung, die Unternehmen aus dem ebenfalls genehmigten Wirtschaftsstabilisierungfonds erhalten können, mit dem Vorteil, dass von dieser neuen Regelung auch staatliche Unternehmen profitieren können.

Die „Bundesregelung für Rekapitalisierungsmaßnahmen“ enthält die Möglichkeit, Finanzierungsinstrumente in Form von Vorzugsbeteiligungen, hybriden Finanzinstrumente (Stille Beteiligungen, Nachrangdarlehen oder sonstige hybride Finanzinstrumente) und Beteiligungen mit Vollstimmrecht zu gewähren. Entsprechend den Vorgaben des Temporary Frameworks ist die Gewährung dieser Maßnahmen an die Erfüllung strenger Auflagen (u.a. Verbot der Boni-Gewährung auf Geschäftsleitungsebene) sowie Transparenz- und Berichtspflichten geknüpft. Die Gewährung dieser Maßnahmen ist bis zum 30.09.2021 möglich.

Auf Grundlage dieser Bundesregelung können die o.g. Maßnahmen bis zu einem Betrag von 250 Mio. € durchgeführt werden. Übersteigen die Finanzinstrumente diesen Betrag, müssen die Maßnahmen bei der Kommission notifiziert werden. Diese Schwelle betrifft ausschließlich Rekapitalisierungsmaßnahmen. Anderweitige Beihilfen (z.B. Zuschüsse nach der Bundesrahmenregelung Flugplätze) sind bei der Bestimmung der Notifizierungsschwelle grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Es sei denn, mit der Aufspaltung einzelner Maßnahmen soll diese Schwelle bewusst umgangen werden.

Bei der Durchführung der Rekapitaliserungsmaßnahmen ist außerdem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Höchstgrenze ist die Wiederherstellung der Kapitalstruktur Ende 2019. Bei der Bestimmung der Verhältnismäßigkeit sind auch andere gewährte Corona-Beihilfen zu berücksichtigen (z. B. Zuschüsse auf Grundlage der Bundesrahmenregelung Flugplätze). Beträgt z. B. das Delta zur Wiederherstellung der Kapitalstruktur zwischen Ende 2019 und Ende 2021 400 Mio. € und wurden bereits ein Zuschuss über 50 Mio. € gewährt, kann die Rekapitalisierung nur noch einen Umfang von 350 Mio. € betragen um verhältnismäßig zu sein.

Im Hinblick auf die Gewährung von Nachrangdarlehen und das Verhältnis zur „Bundesregelung für niedrigverzinsliche Darlehen 2020“ gilt folgendes: Von der „Bundesregelung für Rekapitalisierungsmaßnahmen und nachrangiges Fremdkapital“ sind Nachrangdarlehen für Großunternehmen erfasst, die eine Höhe von zwei Drittel der jährlichen Lohnsumme und 8,4 % des Gesamtumsatzes im Jahr 2019 übersteigen. Unterhalb dieser Schwelle bleibt die „Bundesregelung für niedrigverzinsliche Darlehen 2020“ anwendbar.
Rekapitalisierungsmaßnahmen dürfen nur als ultima ratio gewährt werden, wenn horizontale Maßnahmen zur Liquiditätsdeckung scheitern – also andere Programme nicht ausreichen, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Dabei muss die Wiederherstellung der Kreditfähigkeit im Hinblick auf das Allgemeinwohl geboten sein. Das ist der Fall, wenn die Bestandsgefährdung des Unternehmens erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt in der Region oder darüber hinaus hätte. Das begünstigte Unternehmen darf zum 31.12.2019 kein Unternehmen in Schwierigkeiten gewesen sein.

Für Vorzugbeteiligung, stille Beteiligung, Nachrangdarlehen und sonstige hybride

Die Gewährung von Rekapitalisierungsmaßnahmen wird regelmäßig mit folgenden Bedingungen verbunden:
– Organmitglieder und Geschäftsleiter dürfen unter Einbeziehung von etwaigen Konzernbezügen Boni, andere variable oder vergleichbare Vergütungsbestandteile nicht gewährt werden. Auch Sonderzahlungen in Form von Gratifikationen oder andere gesonderte Vergütungen neben dem Festgehalt, die in das freie Ermessen des Unternehmens gestellt sind und rechtlich nicht gebotene Abfindungen sind verboten.
– Solange nicht 75 % der Maßnahmen zurückgeführt sind, darf kein Mitglied der Geschäftsleitung des Unternehmens eine Gesamtvergütung erhalten, die über die Grundvergütung zum 31.12.2019 hinausgeht. Diese bildet auch die Obergrenze für nachträglich eingetretene Mitglieder der Geschäftsleitung.
– Verbot der Dividendenausschüttung
– Veröffentlichung von Informationen über die Verwendung der erhaltenen Beihilfen (alle 12 Monate) und inwieweit die Beihilfen im Einklang mit den EU-Zielen und den Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten hinsichtlich des ökologischen und digitalen Wandels verwendet wurden. Diese Verpflichtung besteht auch bereits beim WSF

Die Erfüllung der Auflagen muss in den Jahresabschluss mit einem Extraauftrag für den Abschlussprüfer aufgenommen und geprüft werden.

Beendigung der Rekapitalisierungsmaßnahmen
Ziel ist es die staatliche Corona-Beteiligung so schnell wie möglich zu beenden. Grundsätzlich sollen Rekapitalisierungsmaßnahmen daher innerhalb von sieben Jahren (für nicht börsennotierte Unternehmen) nach Gewährung beendet werden. Allerspätestens aber nach 10 Jahren – Ausnahmen u.a. bei negativen Auswirkungen der Beendigung der Rekapitalisierung auf die Gesamtwirtschaft sind aber möglich.

Ist der Staat einziger Anteilseigner, gelten für den Exit folgende Voraussetzungen:

– Kann zwei Jahre nach Gewährung der COVID-19-Rekapitalisierung durch ein unabhängiges Wertgutachten ein positiver Marktwert belegt werden, wird davon ausgegangen „dass der Staat ausgestiegen ist“. Ein zusätzlicher Veräußerungsakt ist nicht erforderlich.
– Liegt der Marktpreis aber unter dem in Rn. 63 des Temporary Framework festgelegten Mindestpreis, gelten die Auflagen ab dem Zeitpunkt der Gewährung für vier Jahre.
– Das Unternehmen ist verpflichtet, der beihilfegewährenden Stelle spätestens zwölf Monat nach Gewährung der Rekapitalisierungsmaßnahme eine Strategie für die Beendigung der Rekapitalisierungsmaßnahme vorzulegen.
– Wenn nach Ablauf von sechs Jahren seit der Gewährung das Gesamtvolumen der Rekapitalisierung nicht auf einen Wert von 15 % des Eigenkapitals zurückgeführt wurde, muss das Unternehmen einen Umstrukturierungsplan nach den Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten vorgelegt werden.

Beteiligungen mit privaten Investoren
Die Bundesregelung für Rekapitalisierungsmaßnahmen enthält folgende neue Regelung:
– War die Gebietskörperschaft, die die beihilfegebende Stelle errichtet hat, bereits vor der Rekapitalisierung Anteilseignerin, und
– erfolgt die Zuführung neuen Kapitals durch die beihilfegebende Stelle zu gleichen Konditionen wie durch private Investoren, und
– ist die private Beteiligung erheblich (mindestens 30 % des neuzugeführten Kapitals), und
– stellt die Zuführung neuen Kapitals durch die beihilfegebende Stelle aufgrund der besonderen Umstände eine Beihilfe dar, gelten folgende Voraussetzungen:
– Auflagen im Hinblick auf die Vergütung der Geschäftsführung und das Übernahmeverbot sind auf 3 Jahre befristet.
– Das Dividendenverbot wird für den Inhaber neue Anteile aufgehoben.
– Die Voraussetzungen für den staatlichen Exit sind nicht zu beachten
– Bestimmte Berichtspflichten entfallen oder werden zeitlich begrenzt.

Groundhog Day*: Die Frage der Klagebefugnis bei Wettbewerberklagen – Urteil des VG Berlin vom 27.11.2020 (VG 26 K 215.19)

Groundhog Day*: Die Frage der Klagebefugnis bei Wettbewerberklagen – Urteil des VG Berlin vom 27.11.2020 (VG 26 K 215.19)

Seit vielen Jahren beschäftigt die Durchsetzung des EU-Beihilfenrechts neben der EU-Kommission und den Unionsgerichten auch nationale Gerichte im Rahmen von Wettbewerbsbeschwerden. Die Frage der Klagebefugnis ist dabei offensichtlich trotz grundlegender Entscheidungen des BVerwG und des BGH ein Thema, mit dem sich deutsche Gerichte nach wie vor schwertun.

Das belegt eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (26 K 215.19 vom 27. November 2020), in dem es um die Klagebefugnis in einem zweistufigen Förderverfahren für den Breitbandausbau ging.

Der Fall lässt sich vereinfacht wie folgt zusammenfassen: Die Beklagte wurde vom zuständigen Bundesministerium mit der Durchführung des Förderprogramms im Rahmen einer von der Europäischen Kommission genehmigten Rahmenregelung zum Aufbau einer Next Generation Access (NGA)-Breitbandversorgung beliehen. Dementsprechend gewährte die Beklagte der beigeladenen Gebietskörperschaft (Landkreis) einen Zuschuss in Höhe von 6 Mio. Euro und erließ einen entsprechenden Förderbescheid. Nachdem der Landkreis ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt und ein Telekommunikationsunternehmen (TK-Unternehmen) ausgewählt hatte, schloss er nach dem Erlass des Förderbescheids einen Kooperationsvertrag mit dem TK-Unternehmen und verpflichtete sich zur Weiterreichung des Zuschusses; der Zuschuss war nach den einschlägigen Förderbestimmungen vollständig weiterzugeben. Die Klägerin erhob Widerspruch, den die Beklagte mit der Begründung zurückwies, er sei unzulässig. Damit kommen wir zu dem Urteil des VG Berlin, in dem die Klägerin – eine (potentielle) Wettbewerberin des TK-Unternehmens – bei Gericht die Aufhebung des Bescheides des Beklagten beantragte. Das VG Berlin wies die Klage als unzulässig ab, da die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt sei.

Das Gericht stellte in seiner Begründung zunächst klar, dass etwaige anderweitige Möglichkeiten der Rechtsverfolgung das klägerische Rechtsschutzinteresse nicht in Frage stellen würden (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 23). Das Gericht folgte zudem der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV unmittelbar anwendbar sei und auch Wettbewerber schütze (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 26). Gleichwohl verneinte es die Klagebefugnis, da kein Wettbewerbsverhältnis zwischen Landkreis und Klägerin bestünde, was es aber als entscheidend ansah (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 27). Unerheblich war dagegen für das Gericht, dass zwischen der Klägerin mit dem ausgewählten TK-Unternehmen eine Wettbewerbssituation bestand, und es führte dazu aus, dass der Förderbescheid nicht dem TK-Unternehmen, sondern dem Landkreis eine Beihilfe gewähre (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 27). Der dagegen gerichtete Einwand, dass der Landkreis nur eine zwischengeschaltete Stelle zum Durchreichen der Fördermittel sei, drang nicht durch (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 28, 32). So konnte der Hinweis auf die jüngste Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union etwa in Sachen Germanwings (T-716/17, Urteil vom 20.05.2020) das Gericht nicht überzeugen. Dort hatte das EU-Gericht ausgeführt, dass es sich bei einer staatlichen Beihilfe der autonomen Region Sardinien, welche über einen öffentlichen Flughafenbetreiber an eine Fluglinie ausgereicht wurden, um Mittel der Region handelte und nicht um solche des öffentlichen Unternehmens (was dann zu anderen Prüfungsmaßstäben hätte führen können), da dieses nur eine zwischengeschaltete Stelle ohne ausreichenden eigenen Spielraum und ohne eigenen Vorteil sei (T-716/17, Urteil vom 20. Mai 2020, Rn. 75 f.). Das Verwaltungsgericht hielt die Ausführungen für nicht maßgeblich, da die Frage der staatlichen Herkunft nicht entscheidend für die Begründung der Klagebefugnis sei (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 32).

Insgesamt ist das Gericht offenbar der Auffassung, dass der Landkreis eine eigene Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV erhalten habe und Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV im Hinblick auf diese Beihilfe zwar die Wettbewerber der Gebietskörperschaft, aber nicht die des TK-Unternehmens schützen würden. Damit würde die Klägerin nicht in den Schutzbereich der Norm fallen und nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht klagebefugt sein. Dieses Unterfangen wirft naturgemäß Fragen aus Sicht des EU-Beihilfenrechts auf. Insbesondere wird man sich die Frage stellen müssen, ob überhaupt eine Beihilfe zugunsten der Gebietskörperschaft vorliegt:

Dem EU-Beihilfenrecht sind Konstellationen nun nicht fremd, in denen es zur Gewährung unter Zuhilfenahme eines Dritten kommt. Bereits die Mitteilung der Kommission über den Begriff der staatlichen Beihilfe aus dem Jahr 2016 gibt wertvolle Anhaltspunkte. Diese hält zunächst grundsätzlich fest, dass ein Vorteil auch anderen Unternehmen als denjenigen gewährt werden kann, denen unmittelbar staatliche Mittel zugeführt werden und führt weiter aus, dass Vehikel zur Vorteilsübertragung nicht Beihilfenempfänger sind, sofern der Vorteil nicht bei ihnen verbleibt (Rn. 115 und Fn. 179 dazu). Auch spricht die Bekanntmachung davon, dass mittelbar eine Begünstigung besteht, wenn die Maßnahme so konzi¬piert ist, dass sie ihre sekundären Wirkungen auf bestimmbare (nicht bestimmte!) Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen lenkt (Rn. 116). Auf die Bestimmung des Empfängers kommt es dagegen nicht an, womit auch unerheblich ist, ob das TK-Unternehmen im Förderbescheid erwähnt wird oder nicht (anders offenbar VG Berlin, Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19-, juris, Rn. 29). All dieses deutet eher darauf hin, dass keine Beihilfe zugunsten der Gebietskörperschaft vorliegt und es damit nicht entscheidend ist, wer deren Wettbewerber sind.

Auch die Rechtsprechung zielt in diese Richtung. In Germanwings (T-716/17, Urteil vom 20.05.2020) hatte Sardinien ein Förderprogramm für den Tourismus aufgesetzt (um die Nebensaison anzukurbeln). Danach konnten die lokalen Flughäfen der Insel Fördermittel abrufen und sie ausgewählten Fluggesellschaften zur Verfügung stellen, damit diese ihre Flugverbindungen zur Insel bewerben, und zudem wurde die Beförderung subventioniert. Streitig war, ob es sich um Beihilfen zugunsten der Flughäfen und/oder um Beihilfen zugunsten der Fluggesellschaften handelte. Die Kommission gelangte im Sommer 2016 zu dem Schluss, dass keine Beihilfen zugunsten der Flughafenbetreiber vorlagen (Europäische Kommission, SA33983, Beschluss vom 29.07.2016, Rn. 394 ff.), und das Gericht der Europäischen Union stützte diese These. Es führte aus, dass die Flughafenbetreiber nur als zwischengeschaltete Stelle tätig gewesen seien und dass es daher nur auf das Verhältnis vom italienischem Staat als Beihilfengeber und den Fluglinien als Beihilfenempfänger ankomme (T-716/17, Urteil vom 20. Mai 2020, Rn. 75 f. und 140 – Germanwings). Überträgt man die Wertungen auf den obigen Fall, so läge wohl nur eine Beihilfe an das TK-Unternehmen vor, da die Gebietskörperschaft den Zuschuss gemäß den Vorgaben des Förderprogramms gänzlich weitergereicht hat. Dann aber wären die Wettbewerber des TK-Unternehmens bei einer vorzeitigen Gewährung dieser Beihilfe geschützt.

Doch nicht nur EU-rechtlich wirft die Entscheidung Fragen auf. So lehnte das Verwaltungsgericht einen Zusammenhang zwischen Förderbescheid und möglicher Rechtsverletzung aus Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV ab, da der Bescheid nicht an das TK-Unternehmen, sondern an die Gebietskörperschaft gerichtet war (VG Berlin, Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19, juris, Rn. 33). Obgleich die Gewährung der Beihilfe an ein TK-Unternehmen durch eine Gebietskörperschaft regelmäßig die Folge des Förderbescheids sein dürfte, konnte das Gericht keinen ausreichenden Kausalzusammenhang erkennen. Mit anderen Worten sei die Rechtsverletzung nicht „durch“ den Verwaltungsakt erfolgt (VG Berlin, Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris Rn. 27, 29), wie es § 42 Abs. 2 VwGO vorsieht.

Wir werden den Ausgang des Verfahrens beobachten!

*Groundhog day ist der Originaltitel einer US-amerikanischen Filmkomödie aus den 90’er Jahren, die in Deutschland unter dem Titel “Und täglich grüßt das Murmeltier” lief.

5. Überarbeitung des Temporary Frameworks

5. Überarbeitung des Temporary Frameworks

Am 28. Januar hat die Kommission die nunmehr 5. Überarbeitung des Temporary Frameworks beschlossen. Über die Verlängerung der Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2021 betrifft diese insbesondere die Erhöhung der Obergrenzen einzelner Beihilfemaßnahmen sowie die Möglichkeit der Umwandlung bereits gewährter rückzahlbarer Instrumente in direkte Zuschüsse.

Anhebung der Beihilfeobergrenzen
Aufgrund der fortschreitenden Eindämmungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und der damit verbundenen Beschränkungen wirtschaftlicher Aktivitäten hat die Kommission im Rahmen der 5. Überarbeitung des Temporary Frameworks die Obergrenzen einzelner Beihilfemaßnahmen angehoben:

• Die in Deutschland als „Kleinbeihilfen“ bekannten Liquiditätshilfen für Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft können nunmehr bis zu einem Betrag iHv. 1,8 Mio. EUR je Unternehmen gewährt werden, bisher waren es 800.000 €.
• Die bisherige Obergrenze für Unternehmen der Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse iHv. 100.000 € wird auf 225.000 € angehoben.
• Für Unternehmen des Fischerei- und Aquakultursektors erfolgt eine Erhöhung von 120.000 € auf nunmehr 270.000 € je Unternehmen.
• Wie bisher können diese Beihilfen über einen Zeitraum von drei Geschäftsjahren mit De-minimis-Beihilfen von bis zu 200.000 € je Unternehmen (bis zu 30.000 € je Unternehmen des Fischerei- und Aquakultursektors / bis zu 25.000 € je Unternehmen des Agrarsektors) kombiniert werden, soweit die Voraussetzungen der jeweiligen De-minimis-Regelung erfüllt sind.
• Ebenfalls erhöht wird die Obergrenze der sog. „Fixkostenbeihilfen“. Für Unternehmen, die im Förderzeitraum im Vergleich zum selben Zeitraum 2019 Umsatzeinbußen von mindestens 30 % hatten, kann nunmehr ein Ausgleich für nicht durch Erlöse gedeckte Fixkosten bis zu 10 Mio. € je Unternehmen (zuvor 3 Mio. €) bezahlt werden.

Ein Antrag auf Anpassung der entsprechenden deutschen Regeln muss bei der Kommission noch erfolgen.

Umwandlung rückzahlbarer Instrumente in direkte Zuschüsse
Der Temporary Framework eröffnet den Mitgliedstaaten als neues Instrument die Möglichkeit, bereits auf der Grundlage des Befristeten Rahmens gewährte rückzahlbare Instrumente (z. B. Garantien, Darlehen, rückzahlbare Vorschüsse) bis zum 31. Dezember 2022 in andere Beihilfeformen wie direkte Zuschüsse umzuwandeln. Zu beachten sind dabei die neuen Obergrenzen der begrenzten Beihilfebeträge (1,8 Mio. € für Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, 225.000 € für Unternehmen der landwirtschaftlichen Primärerzeugung, 270.000 € je Unternehmen des Fischerei- und Aquakultursektors), die dabei grundsätzlich nicht überschritten werden sollten. Ziel ist es damit Anreize für die Mitgliedstaaten zu schaffen, vorrangig Beihilfen in Form rückzahlbarer Instrumente zu wählen.

Verlängerung der vorübergehenden Streichung aller Länder aus dem Verzeichnis der Staaten mit „marktfähigen Risiken“
Die zurzeit bis zum 30. Juni 2021 geltende vorübergehende Streichung aller Länder aus dem Verzeichnis der Staaten mit „marktfähigen Risiken“ im Anhang der Mitteilung über die kurzfristige Exportkreditversicherung wurde bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.

 

 

Geänderte Bundesrahmenregelung Beihilfen für Flugplätze

Geänderte Bundesrahmenregelung Beihilfen für Flugplätze

Bereits am 3. Dezember 2020 hat die Europäische Kommission die „Geänderte Bundesrahmenregelung Beihilfen für Flugplätze“ genehmigt und die Anwendung der Bundesrahmenregelung bis zum 30. Juni 2021 verlängert.

Die überarbeitete Bundesrahmenregelung Flugplätze verweist – wie auch bereits die Vorgängerversion – insbesondere auf die Anwendung weiterer auf Grundlage des Temporary Framework genehmigter Programme, wie die „Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“, die „Bundesregelung Bürgschaften 2020“ sowie die „Bundesregelung Beihilfen für niedrigverzinsliche Darlehen 2020“. Neu ist der Verweis auf die „Bundesregelung Fixkosten 2020“. Bei einem Mindestumsatzeinbruch von 30 % kann eine Fixkostenhilfe mit einer Beihilfeintensität von maximal 70 % beantragt werden. Die Höchstgrenze betrug bislang 3 Mio. €.

Vor dem Hintergrund der nunmehr 5. Änderung des Temporary Frameworks und der darin enthaltenen Verlängerung der Gewährung aller unter dem befristeten Rahmen möglichen Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2021 ist auch von einer entsprechenden Verlängerung der Antragsfrist in den deutschen Regelungen auszugehen. Gleiches gilt auch für die Anpassung des Betrags für Kleinbeihilfen auf 1,8 Mio. € pro Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und die Anhebung des Deckels für Fixkosten von 3 Mio. € auf 10 Mio. €.

Die Bundesrahmenregelung ermöglicht den Flughäfen darüber hinaus den Ausgleich von COVID-19 bedingten Schäden in Form von Zuschüssen. Grundlage dafür ist Art. 107 Abs. 2b AEUV. Die Antragsfrist für den Schadensausgleich wird ebenfalls bis zum 31. März 2021 verlängert. Der Zeitraum für den Schadensausgleich bleibt jedoch in der überarbeiteten Regelung jedoch unverändert und bezieht sich nur auf den Zeitrahmen vom 4. März bis 30. Juni 2020. Die Kommission vertritt bislang im Einzelfall den Ansatz, dass ein streckenbezogener Ausgleich auch über diesen Zeitraum hinaus nach Art. 107 Abs. 2b AEUV genehmigungsfähig ist. Das zeigt auch aktuell der Beschluss der Kommission zugunsten von „Altitalia“ (Staatliche Beihilfe SA 59188). In diesem Verfahren hat die Kommission Beihilfen in Höhe von 73 Mio. € zugunsten der italienischen Fluggesellschaft genehmigt, die damit für die Einbußen entschädigt werden soll, die sie infolge der COVID-19 Pandemie zwischen dem 16. Juni und dem 31. Oktober 2020 auf 19 Strecken erlitten hat. Vor dem Hintergrund des aktuellen Beförderungsverbots aus Ländern mit Virus-Mutationen („Virusvarianten-Gebiete“) dürfen Fluggesellschaften derzeit keine Personen nach Deutschland befördern. Ein Ausgleich des Schadens bei Fluggesellschaften aber auch bei Flughäfen aufgrund Wegfalls dieser Strecken müsste im Einzelfall belegt werden, eine Genehmigung nach Art. 107 Abs. 2 b AEUV erscheint aber durchaus möglich.

Sinkflug der TUI vorerst gestoppt!

Sinkflug der TUI vorerst gestoppt!

Aufgrund der Reisebeschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ist die TUI als einer der größten Reiseveranstalter Deutschlands in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Zur Überbrückung des Liquiditätsengpasses hat Deutschland erneut ein 1,25 Milliarden € schweres Rekapitalisierungspaket geschnürt.

Mit Beschluss vom 4. Januar 2021 hat die Kommission diese Maßnahmen unter SA.59812  auf Grundlage des Temporary Frameworks genehmigt. In diesem Fall war eine Einzelfallentscheidung erforderlich, da Rekapitalisierungsmaßnahmen über 250 Mio. € von der Kommission einzeln zu prüfen sind.

TUI ist nicht nur einer der größten Reiseveranstalter in Deutschland, sondern betreibt über verschiedene Tochtergesellschaften u.a. TUI-Hotels, Kreuzfahrtschiffe, Fluggesellschaften, sowie Reisebüros. Diese Branchen haben alle seit dem ersten Lockdown im März vergangenen Jahres erheblich unter den Eindämmungsmaßnahmen und Reisebeschränkungen zu leiden. Daher hatte Deutschland TUI bereits im März und August 2020 auf Grundlage der genehmigten Beihilferegelungen SA.59433, SA.56814 und SA.56863, geändert durch SA.58021 unterstützt. Die Kredite der KfW umfassten dabei fast 3 Mrd. €, doch diese reichten nicht aus, den Sinkflug des angeschlagenen Konzerns zu verhindern. Der Presse war zu entnehmen, dass das Unternehmen ohne weitere staatliche Unterstützung spätestens Ostern vor dem Aus steht und damit mehr als 70.000 Arbeitsplätze – davon 10.000 in Deutschland – gefährdet seien.

Insgesamt hat die Kommission nun einen Betrag iHv. 1,25 Mrd. € genehmigt. Die Rekapitalisierung umfasst dabei eine stille Beteiligung iHv. 420 Mio. €, die in Eigenkapital von TUI umgewandelt werden kann. Darüber hinaus eine nicht wandelbare stille Beteiligung von bis zu 680 Mio. € (400 Mio. € dieses Betrags werden nur bereitgestellt, wenn die geplanten Garantien im Umfang von 400 Mio. € nicht von den Ländern oder vom Bund gestellt werden) und eine wandelbare Optionsanleihe mit einem Volumen von 150 Mio. €. Außerdem verlängert die KfW ein Darlehen von 500 Mio. € aus dem KfW-Corona-Hilfe-Programm von März 2021 bis Juli 2022. Darüber hinaus wird der TUI ein besicherter Kreditrahmen im Umfang von 200 Mio. € von der KfW und anderen Geschäftsbanken bereitgestellt.

Positiv hat die Kommission bewertet, dass sich an der Finanzierung auch ein Privatinvestor mit bis zu 500 Mio. € beteiligen wird.

Die staatlichen Rekapitalisierungsmaßnahmen sind dabei mit erheblichen Auflagen auf Grundlage des Temporary Frameworks verbunden. So muss TUI 12 Monate nach Gewährung der Beihilfe eine glaubwürdige Ausstiegsstrategie vorlegen, wenn es der Gesellschaft nicht gelungen ist, die staatliche Beteiligung bis dahin auf unter 25 % zu senken. Bereits im Rahmen der Notifizierung war ein Geschäftsplan bis 2025 vorzulegen, damit die Kommission die Auswirkungen der Rekapitalisierungsmaßnahmen beurteilen konnte. Wenn es nicht gelingt die staatliche Intervention sechs Jahre nach der Durchführung der Rekapitalisierungsmaßnahmen unter 25 % zu senken, droht die Umstrukturierung.

Darüber hinaus gilt für das Management eine strikte Begrenzung der Vergütung, einschließlich eines Verbots der Bonuszahlungen bis zu einer Rückzahlung von mindestens 75 % der Rekapitalisierung. Bis zur vollständigen Rückzahlung der Rekapitalisierung dürfen weder TUI noch die Tochtergesellschaften Dividenden ausschütten.

Um eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden, darf die staatliche Unterstützung integrierten Unternehmen nicht zur Verfügung gestellt werden, soweit sich diese bereits am 31. Dezember 2019 in Schwierigkeiten befanden. Bis zur Ablösung von 75 % des Rekapitalisierungsinstruments besteht außerdem ein Beteiligungsverbot von mehr als 10 % an Unternehmen, die im selben Geschäftsfeld tätig sind.

TUI ist außerdem verpflichtet im Rahmen der Transparenz- und Berichtspflichten Informationen über die Verwendung der erhaltenen Beihilfen zu veröffentlichen.

Fazit
Nach der Lufthansa  muss nun ein weiterer großer Player mit deutschen Steuergeldern vor den Folgen der Corona-Pandemie gerettet werden. Der Ausbruch von COVID-19 dürfte die TUI insbesondere nach der grad überstandenen Thomas-Cook Insolvenz im Herbst 2019 hart getroffen haben. Hinzu kommt, dass das große TUI-Kreuzfahrtschiff mit seinen vielfältigen Beteiligungen in der Reisebranche zu schwerfällig ist, um kurzfristig den Kurs zu ändern.

Nun hat der Staat also das dritte Mal aushelfen müssen. In der Presse wird dies häufig mit dem Versäumnis der Bundesregierung begründet, die keine ausreichende rechtliche Grundlage für die Absicherung von Kundengeldern durch Reiseveranstalter gschaffen habe. Bei der TUI hatten Kunden Hunderte Millionen Euro für Reisen an- oder vorausbezahlt. Der Konzern hat aber nicht die volle Summe versichert, sondern lediglich 110 Millionen Euro. So sieht es das deutsche Recht auch vor. Bei einer Pleite der TUI könnte es deshalb dazu kommen, dass die Bundesregierung den Kunden das Geld zurückzahlen muss. Dies ist offenbar ein Grund dafür, dass sie nun finanzielle Risiken des Konzerns übernimmt.
Die Frage ist, wie lange wird das Geld dieses Mal reichen? Das hängt zum einen von der Entwicklung der Pandemie ab, zum anderen sicherlich auch davon, wie sich die Branche insgesamt zukünftig aufstellt.

Die Kommission gelangt zu dem Ergebnis, dass die Rekapitalisierungsmaßnahmen notwendig, angemessen und verhältnismäßig sind. Darüber hinaus habe TUI auf den Märkten, auf denen die Gesellschaft tätig ist, keine überwiegende Marktmacht. Andere Player auf dem Markt sehen die staatliche Beteiligung bei ihrem Wettbewerber jedoch eher kritisch. So hat z.B. Alltours die Krise bislang nur mit Kurzarbeitergeld aber ohne weitere staatliche Unterstützung überlebt. Andere Reiseanbieter mussten mit Kleinbeihilfen oder jetzt ggf. mit dem 70 %igen Fixkostenausgleich auskommen. Derzeit sollen rund 20 % der Reiseveranstalter insolvenzgefährdet sein.

Auch wenn die Kommission eine Beihilfe als notwendig und verhältnismäßig genehmigt, zeigen die staatlichen Maßnahmen in jedem Fall Auswirkungen auf den Markt. Das ist ein grundsätzliches Problem, das mit der Gewährung von Beihilfen verbunden ist. Aus Sicht des Beihilfenempfängers mögen die harten Auflagen, die mit der Durchführung von staatlichen Rekapitalisierungsmaßnahmen verbunden sind, schmerzhaft sein und halten bislang auch viele Unternehmen davon ab, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zum Schutz des Wettbewerbs – auch nach dem hoffentlich baldigen Ende der Corona-bedingten Restriktionen – erscheinen sie jedoch notwendig, wie das Beispiel TUI zeigt.

Fazit

Nach der Lufthansa  muss nun ein weiterer großer Player mit deutschen Steuergeldern vor den Folgen der Corona-Pandemie gerettet werden. Der Ausbruch von COVID-19 dürfte die TUI insbesondere nach der grad überstandenen Thomas-Cook Insolvenz im Herbst 2019 hart getroffen haben. Hinzu kommt, dass das große TUI-Kreuzfahrtschiff mit seinen vielfältigen Beteiligungen in der Reisebranche zu schwerfällig ist, um kurzfristig den Kurs zu ändern.

Nun hat der Staat also das dritte Mal aushelfen müssen. In der Presse wird dies häufig mit dem Versäumnis der Bundesregierung begründet, die keine ausreichende rechtliche Grundlage für die Absicherung von Kundengeldern durch Reiseveranstalter geschaffen habe. Bei der TUI hatten Kunden Hunderte Millionen Euro für Reisen an- oder vorausbezahlt. Der Konzern hat aber nicht die volle Summe versichert, sondern lediglich 110 Millionen Euro. So sieht es das deutsche Recht auch vor. Bei einer Pleite der TUI könnte es deshalb dazu kommen, dass die Bundesregierung den Kunden das Geld zurückzahlen muss. Dies ist offenbar ein Grund dafür, dass sie nun finanzielle Risiken des Konzerns übernimmt.
Die Frage ist, wie lange wird das Geld dieses Mal reichen? Das hängt zum einen von der Entwicklung der Pandemie ab, zum anderen sicherlich auch davon, wie sich die Branche insgesamt zukünftig aufstellt.

Die Kommission gelangt zu dem Ergebnis, dass die Rekapitalisierungsmaßnahmen notwendig, angemessen und verhältnismäßig sind. Darüber hinaus habe TUI auf den Märkten, auf denen die Gesellschaft tätig ist, keine überwiegende Marktmacht. Andere Player auf dem Markt sehen die staatliche Beteiligung bei ihrem Wettbewerber jedoch eher kritisch. So hat z.B. Alltours die Krise bislang nur mit Kurzarbeitergeld aber ohne weitere staatliche Unterstützung überlebt. Andere Reiseanbieter mussten mit Kleinbeihilfen oder jetzt ggf. mit dem 70 %igen Fixkostenausgleich auskommen. Derzeit sollen rund 20 % der Reiseveranstalter insolvenzgefährdet sein.

Auch wenn die Kommission eine Beihilfe als notwendig und verhältnismäßig genehmigt, zeigen die staatlichen Maßnahmen in jedem Fall Auswirkungen auf den Markt. Das ist ein grundsätzliches Problem, das mit der Gewährung von Beihilfen verbunden ist. Aus Sicht des Beihilfenempfängers mögen die harten Auflagen, die mit der Durchführung von staatlichen Rekapitalisierungsmaßnahmen verbunden sind, schmerzhaft sein und halten bislang auch viele Unternehmen davon ab, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zum Schutz des Wettbewerbs – auch nach dem hoffentlich baldigen Ende der Corona-bedingten Restriktionen – erscheinen sie jedoch notwendig, wie das Beispiel TUI zeigt.

Ausstieg aus der Steinkohleverstromung bis Ende 2038 beihilferechtlich gesichert

Ausstieg aus der Steinkohleverstromung bis Ende 2038 beihilferechtlich gesichert

Die EU-Kommission hat am 25.November 2020 weite Teile des deutschen Kohleausstiegsgesetzes, beihilferechtlich genehmigt. Mit Hilfe staatlicher Entschädigungszahlungen an die Betreiber von Steinkohleanlagen ist der Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland bis 2038 damit gesichert.

Das Kohleausstiegsgesetz aus dem Sommer 2020 bildet die Grundlage für die Stilllegung der Kohlekraftwerke bis spätestens 2038. Der Kohleausstieg ist damit nicht nur ein Meilenstein in der Energiewende. Er wird darüber hinaus auch den CO2-Ausstieg erheblich reduzieren und trägt damit nicht unwesentlich zur Erreichung der Klimaziele bei.

Mithilfe einer im Rahmen von Ausschreibungen gewährten Stilllegungsprämie (Steinkohlezuschlag) wird Deutschland die frühzeitige Stilllegung von Steinkohlekraftwerken fördern. Die besten Bieter werden von der Energieregulierungsbehörde auf der Grundlage transparenter Zuschlagskriterien ausgewählt. Dieser Mechanismus soll mit Blick auf die Energieversorgungsicherheit in Deutschland eine geordnete Stilllegung der Kohlekraftwerke ermöglichen, ohne die Energieversorgung zu gefährden.

Diesen Entschädigungsmechanismus hat die Kommission beihilferechtlich unter die Lupe genommen. Offengelassen hat sie dabei die Frage, ob es sich bei dem Steinkohlezuschlag um eine Beihilfe handelt, hat diese aber auf Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit c AEUVE genehmigt. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass mit der Durchführung der wettbewerbsorientierten Ausschreibungsverfahren sichergestellt wird, dass die Entschädigung auf das erforderliche Minimum beschränkt wird. Da der Beitrag der Maßnahme zu den EU-Umwelt- und Klimaschutzzielen eindeutig schwerer wiegt als etwaige beihilfebedingte Verfälschungen von Wettbewerb und Handel, hatte die Kommission bei der Genehmigung keine Bedenken. Der Beschluss wird, nachdem alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, auf der Internetseite der Generaldirektion Wettbewerb unter der Fallnummer SA.58181 abrufbar sein.

Die Genehmigung kommt damit rechtzeitig vor dem Zuschlagstermin der ersten Ausschreibungsrunde im Dezember. Die erste von der Bundesnetzagentur (BNetzA) im Sommer durchgeführte Ausschreibung kann damit wie geplant beendet und der Zuschlag erteilt werden. Die BNetzA wird zwischen 2020 und 2023 insgesamt sieben Ausschreibungen für die Stilllegung von Steinkohlekraftwerken und kleine Braunkohlekraftwerken (unter 150 MW) veröffentlichen. Die für 2027 geplante letzte Ausschreibung muss nach dem Beschluss der Kommission jedoch entfallen. Die Kommission ist der Ansicht, dass zu diesem Zeitpunkt aufgrund der dann bereits erfolgten Stilllegungen kein ausreichendes Wettbewerbsniveau mehr für die Ausschreibung gewährleistet werden kann. Damit steigt der Druck auf die Betreiber. Denn wenn nicht genügend Anlagen über Ausschreibungen vom Netz gehen, werden diese per Gesetz abgeschaltet.

Nicht Teil der Genehmigung ist die Entschädigung für Braunkohlekraftwerke. Die Kommission plant in diesem Zusammenhang die Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens. Anders als bei der Steinkohle ist bei der Braunkohle aufgrund der geringen Anzahl von Marktteilnehmern keine wettbewerbliche Ermittlung der Entschädigungen über eine Ausschreibung möglich. Vielmehr ist eine Verhandlungslösung mit Entschädigungszahlungen und der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit den betroffenen Unternehmen vorgesehen. Mit einer solchen Vereinbarung würden die Betreiber im Gegenzug für die Kompensation auf Klagen gegen das vorzeitige Abschalten verzichten. Diese Regelung wird sich die Kommission aus beihilferechtlicher Sicht noch genauer anschauen.

Aus Sicht der Bundesregierung ist die Entschädigung für die Steinkohlestilllegung ein wichtiges Signal, um Planungssicherheit für alle Beteiligte zu schaffen. Stadtwerke als Betreiber von Steinkohlekraftwerken haben jedoch bereits Kritik angemeldet. Sie sehen die Gefahr, dass die von ihnen aufgrund des politischen Willens der Beteiligten in den vergangenen Jahren zum Teil in erheblichem Umfang durchgeführten Investitionen im Rahmen der Ausschreibungsverfahren nicht abgedeckt werden und sehen erhebliche Verluste auf sich zukommen. Gleichzeitig werden Investitionen in CO2-neutrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) für die Stromversorgung notwendig. Das Bundeswirtschaftsministerium geht in seinem Monitoring Bericht zur Versorgungssicherheit davon aus, dass in Deutschland bis 2030 insgesamt 17 Gigawatt KWK-Anlagen auf der Basis von Gas gebaut werden müssen.

 

Co-Autorin: Anna Lazarova, Referendarin bei Müller-Wrede & Partner

Verlängerung des Temporary Framework und Rekapitalisierung staatlicher Unternehmen

Verlängerung des Temporary Framework und Rekapitalisierung staatlicher Unternehmen

Bereits am 13. Oktober 2020 hat die EU-Kommission die nunmehr 4. Änderung des „Temporary Framework“ veröffentlicht. Inhaltlich geht es dabei insbesondere um die Verlängerung der Frist für die Anwendung sowie die Aufnahme weiterer Beihilfemaßnahmen in den Katalog des befristeten Rahmens.

Verlängerung der Geltungsdauer

Aufgrund des Fortdauerns der COVID-19 Pandemie und ihrer Folgen für die Wirtschaft hat die Kommission die Anwendung für alle Beihilfemaßnahmen des „Temporary Framework“ bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Auf Grundlage der Neuerungen dürfen Rekapitalisierungsmaßnahmen – deren Gewährung ja bislang schon bis zum 30. Juni 2021 möglich war –  nunmehr sogar bis zum 30. September 2021 durchgeführt werden. Damit wird Mitgliedstaaten, die von diesem komplexen Instrument bislang noch keinen Gebrauch gemacht haben, der Ausbau von Rekapitalierungsregelungn in 2021 noch ermöglicht.

Rekapitalisierungsmaßnahmen

Bereits in der 3. Änderung des „Temporary Framework“ hatte die Kommission auf Drängen der Mitgliedstaaten das Instrument der Rekapitalisierung aufgenommen. Hintergrund war, dass Bürgschaften, Darlehen und Kleinbeihilfen in vielen Fällen nicht mehr ausreichten, den Lockdown-bedingten Eigenkapitalverzehr in einigen Branchen auszugleichen. Damit können Mitgliedstaaten nun als “ultima ratio“ Rekapitalisierungen durchführen und nachrangiges Fremdkapital gewähren. Für Deutschland hat die Kommission den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WFS) auf dieser Grundlage am 8.7.2020 genehmigt.

Bislang waren jedoch im „Temporary Framework“ nur die Voraussetzungen für staatliche Rekapitalisierungsmaßnahmen zugunsten privater Unternehmen geregelt und genehmigt worden, wie z.B. die staatlichen Maßnahmen zugunsten der Lufthansa. Insgesamt hat die Kommission bis Ende Oktober bereits 15 Maßnahmen genehmigt, bei denen es zumindest auch um Rekapitalisierungen ging. Diese Regelungen ließen sich bislang jedoch nicht ohne weiteres auf eine COVID-19 Rekapitalisierung von Unternehmen übertragen, an denen der Staat bereits vor Durchführung der COVID-19 Rekapitalisierung beteiligt war. Dies galt insbesondere für die Ausgestaltung des Ausstiegsszenarios des Staates aus den „staatlichen COVID-Shares“. Die nunmehr aufgenommene 4. Änderung des „Temporary Framework“ führt endlich zu mehr Klarheit in diesem Zusammenhang. Dies gilt sowohl für Unternehmen, die ausschließlich in staatlicher Hand sind als auch für den Fall, dass das begünstigte Unternehmen neben dem staatlichen auch private Gesellschafter hat:

Ausstieg für den Fall, dass der Staat der einzige bestehende Anteilseigner ist

Der „Ausstieg“ des Staates aus der Rekapitalisierung öffentlicher Unternehmen kann auch ohne einen Verkauf an einen Dritten unter folgenden Voraussetzungen „fingiert“ werden, wenn:

  • der Mitgliedstaat der einzige Anteilseigener des Unternehmens ist und
  • mindestens zwei Jahre seit Durchführung der Rekapitalisierung vergangen sind und
  • durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten ein positiver Marktwert attestiert wird. Dabei erfolgt ein Wertvergleich vor und nach Durchführung der COVID-19 Eigenkapitalerhöhungsmaßnahmen.

Unterschreitet der durch die Bewertung festgestellte positive Marktwert jedoch den maßgeblichen Mindestpreis (Rn. 63 TF) für einen Rückkauf der Kapitalbeteiligung, so gelten die „Governance-Regelungen“ in Abschnitt 3.11.6 TF für weitere vier Jahre. Das bedeutet, der Beihilfenempfänger darf u.a. nicht mit der CORONA-bedingten staatlichen Beteiligung werben, ist bei dem Erwerb neuer Beteiligung beschränkt, darf keine Dividenden ausschütten und die Mitglieder der Geschäftsleitung dürfen neben der Grundvergütung keine variable Vergütung oder Boni erhalten.

Ausstieg für den Fall, dass der Staat einer von mehreren bestehenden Anteilseignern ist

  • Für den vom Mitgliedstaat bereits vor der COVID-19 Rekapitalisierung gehaltenen Kapitalanteil am Unternehmen, kann der „Exit“ unter den gleichen Bedingungen „fingiert“ werden, wie für den o.g. Fall, wenn der Mitgliedstaat alleiniger Anteilseigner wäre (Rn. 64 a TF).
  • Für den verbleibenden Teil des COVID-19 Eigenkapitals ist ein Rückkauf oder Verkauf der weiteren staatlichen Kapitalbeteiligungen an Dritte im Wege eines offenen, diskriminierungs- und bedingungsfreien Bietverfahrens oder über die Börse erforderlich.
  • Soweit der Staat einen erheblichen Teil seiner Kapitalbeteiligungen im Wege eines wettbewerblichen Verfahrens an Dritte verkauft, kann dieses Ergebnis als „Bewertung einer unabhängigen Einrichtung“ gleichgestellt werden.

Gewährung von Unterstützungsleistungen für ungedeckte Fixkosten

Um die Verschlechterung der Kapitalausstattung von Unternehmen zu verhindern und die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen, wurden darüber hinaus Regelungen für die Gewährung von Unterstützungsleistungen für ungedeckte Fixkosten für Unternehmen eingeführt, deren Geschäftstätigkeit CORONA-bedingt ausgesetzt oder eingeschränkt werden musste. Voraussetzung für die Gewährung dieser Beihilfe ist, dass die Unternehmen im beihilfefähigen Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2021 Umsatzeinbußen von mindestens 30% im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum erlitten haben. Nicht umfasst sind Unternehmen, die sich am 31. Dezember 2019 bereits in Schwierigkeiten im Sinne der AGVO befanden. Abweichend davon können für kleine und Kleinstunternehmen Beihilfen gewährt werden, sofern sie nicht Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sind und bislang keine Rettungsbeihilfe erhalten haben.

Unter ungedeckten Fixkosten versteht die Kommission die Fixkosten, die einem Unternehmen während des beihilfefähigen Zeitraums entstanden sind und die im selben Zeitraum entstehen und nicht durch Gewinne oder anderen Quellen gedeckt sind. Beihilfen zur Deckung von ungedeckten Fixkosten dürfen maximal 70% des ungedeckten Anteils der Fixkosten betragen, für Kleinst-und Kleinunternehmen können sie bis auf 90% des ungedeckten Anteils der Fixkosten erhöht werden. Die Maximalhöhe darf jedoch je Unternehmen 3 Mio. Euro nicht übersteigen.

Verlängerung der vorübergehenden Streichung aller Länder aus dem Verzeichnis der Staaten mit marktfähigen Risiken im Exportverzeichnis

Zudem wurde es festgelegt, dass die vorübergehende Streichung aller Staaten im Anhang der Mitteilung über die kurzfristige Exportkreditversicherung bis zum 30 Juni 2021 verlängert wird.

Fazit

Mit den aktuellen Änderungen des Temporary Framework stellt die Kommissionen nun den Mitgliedstaaten ein neues Rezept aus, mit dem diese das Leiden ihrer kränkelnden Wirtschaft mildern können. Bislang hat die Kommission – Stand Ende Oktober 2020 – insgesamt für alle Mitgliedstaaten ein Budget iHv. rund 3.000 Milliarden € genehmigt. Deutschland steht dabei mit einem Betrag von rund 96 Milliarden an der Spitze aller Mitgliedstaaten.

Ein Ende des Finanzbedarfs aus staatlichen Mitteln ist nicht in Sicht. Dies insbesondere deshalb, da die Insolvenzantragspflicht zwar für den Fall der Überschuldung bereits Anfang Oktober erneut bis zum 31. Dezember 2020 ausgesetzt worden ist, eine weitere Verlängerung dieser Frist aus Gründen des Gläubigerschutzes derzeit aber kontrovers diskutiert wird. Das bedeutet, dass Deutschland die Insolvenzwelle noch vor sich herschiebt, für deren Abmilderung weitere Beihilfeinstrumente erforderlich werden dürften.

Spannend bleibt jedoch derzeit die Frage, inwieweit Deutschland eine Bundesregelung zur Rekapitalisierung öffentlicher Unternehmen erlassen wird oder den Anwendungsbereich des WSF für diese Unternehmen öffnet. Einige Unternehmen dürften dort jedenfalls schon in der Warteschlange stehen.

 

Co-Autorin: Anna Lazarova, Referendarin bei Müller-Wrede & Partner

Kongress- und Hotelzentrum Ingolstadt – lokaler Sachverhalt und Ausschluss der Begünstigung bei Abgabe nur eines Angebots

Kongress- und Hotelzentrum Ingolstadt – lokaler Sachverhalt und Ausschluss der Begünstigung bei Abgabe nur eines Angebots

Die staatliche Finanzierung von Bau und Betrieb öffentlicher Kongresszentren, Multifunktions- und Veranstaltungshallen steht bereits seit einigen Jahren im beihilferechtlichen Prüfungsfokus der Kommission.

Trotz Einführung des Artikels 55 AGVO sind Mitgliedstaaten weiterhin verpflichtet, diese Projekte bei der Kommission einzeln anzumelden, soweit der Schwellenwert überschritten wird.

Regelmäßig sind es aber nicht Notifizierungen, die derartige Verfahren nach Brüssel bringen, sondern vielmehr Beschwerden von Konkurrenten, die sich an die Kommission wenden. So auch im Fall des Kongresshotels Ingolstadt, in dem die Kommission bereits am 28.04.2020 über die Beschwerde des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes zu entscheiden hatten (Staatliche Beihilfe SA.485882).

Im Ergebnis hat die Kommission die Beschwerde jedoch abgewiesen und die Maßnahmen nicht als Beihilfe gem. Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft.

Zum Hintergrund

Die Stadt Ingolstadt beschloss auf einem ehemaligen Gießereigelände zwei selbstständige nebeneinanderstehende Grundstücke für ein Hotel und ein Kongresszentrum zu errichten. Die Stadt veräußerte in Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung das eine Grundstück an die KHI Immobilien GmbH, für den Betrieb eines Hotels. Die KHI verpachtete das Hotel an den künftigen Hotelbetreiber Maritim. Für den Betrieb des von dem stadteigenen Unternehmen IFG zu errichtenden Kongresszentrums (CC-IN) auf dem Nachbargrundstück wurde ein Pachtvertrag öffentlich ausgeschrieben. Als einzige von ursprünglich 14 Interessenten gab die Maritim-Gruppe ein Angebot ab und erhielt den Zuschlag für den Betrieb des CC-IN. Die Beschwerdeführerin bemängelte, dass die künftige Betreiberin des Hotels, die auch das Kongresszentrum betreiben sollte, durch diese Kombination einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Interessenten erhalten habe. Sie sah darin u.a. eine beihilferelevante Begünstigung verbunden mit nachteiligen Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel.

Beschluss der Kommission vom 28.04.2020 – Ausschluss der Handelsbeeinträchtigung

Mit diesem Beschluss schließt die Kommission an ihre seit 2015 manifestierte Beschlusspraxis im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Handelsbeeinträchtigung bei rein lokalen Sachverhalten an (z.B. das Tatbestandsmerkmal der Handelsbeeinträchtigung – die sieben Zwerge auf dem Weg nach Luxemburg).

Die Kommission hält damit an ihrem Ansatz fest, dass staatliche Maßnahmen mit ausschließlich lokaler Auswirkungen nicht geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Die konkrete Untersuchung der Handelsbeeinträchtigung erfolgt auch in diesem Fall anhand von drei Prüfungskriterien:

Als Erstes ist zu untersuchen, ob der Beihilfeempfänger Waren oder Dienstleistungen nur in einem geografisch begrenzten Gebiet in einem Mitgliedstaat anbietet. Zweitens ist zu prüfen, ob er durch dieses Angebot Kunden aus anderen Mitgliedstaaten gewinnen kann. Und als Drittes stellt sich die Frage, inwieweit davon auszugehen ist, dass die Maßnahme mehr als nur marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen oder die Niederlassung von Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten haben wird.

Interessant ist, dass die Kommission bei der Prüfung dieser drei Kriterien unmittelbaren Bezug auf den Beschluss in dem Verfahren „Kongresszentrum Hamburg“ nimmt und mit den Unterschiedlichkeiten beider Veranstaltungshallen argumentiert (CCH, Beschluss der Kommission vom 07.04.2017, SA. 42545). Dort hatte die Kommission nur für den örtlich kulturellen Teil der Veranstaltungen die Auswirkungen auf den Handel verneint, für den internationalen Teil der Veranstaltungen jedoch bejaht.

Die Kommission stellte als Erstes fest, dass das CC-IN in Ingolstadt mit seiner Nutzfläche von 6000 qm im Verhältnis zum Hamburger CCH mit einer dreimal größeren Nutzfläche von 18000 qm, verbunden mit einer entsprechend größeren Anzahl von Sitzplätzen, Veranstaltungs- und Ausstellungsräumen über eine deutliche geringere Kapazität verfügt.

Auch angesichts der geografischen Lage und des Einzugsgebiets sei das CC-IN laut Kommission eindeutig als lokales Vorhaben zu qualifizieren. Berücksichtigt wurden dabei auch, das Ingolstadt insgesamt kleiner ist als Hamburg und auch weniger Einwohner hat.  Entscheidender für die Frage der Handelsbeeinträchtigung dürfte dabei die Tatsache gewesen sein, dass sich die im CC-In durchgeführten Veranstaltungen hauptsächlich an lokale Kundengruppen richten. Die Kommission geht in ihrem Beschluss davon aus, dass in erster Linie vor Ort ansässige Unternehmen die Räumlichkeiten nutzen werden. Dies leitet die Kommission aus einer Übersicht über die im Jahr 2019 durchgeführten Veranstaltungen ab.

Zu guter Letzt stellt die Kommission bei einem Vergleich mit dem nationalen Markt fest, dass die Auswirkung der Tätigkeiten des CC-IN auf den Markt für Kongresse insgesamt zu vernachlässigen sei.  Die Auswertung der Daten von Kongresszentren und Kongresshotels in Deutschland und in der Umgebung der Stadt Ingolstadt habe gezeigt, dass die Mehrheit der Veranstaltungsteilnehmer in Deutschland nicht international sei. Der Anteil internationaler Teilnehmer in Deutschland in den letzten 10 Jahren liege bei unter 10%. Die Stadt Ingolstadt sei dabei nur ein unbedeutender Akteur auf dem internationalen Konferenzmarkt.

Ausschluss der Begünstigung

Der Beschluss der Kommission zum CC-IN ist jedoch über den Ausschluss der Handelsbeeinträchtigung hinaus noch aus einem weiteren Grund von besonderem Interesse. So hat die Kommission die Begünstigung des Betreibers des CC-IN ausgeschlossen, obwohl dieser im Rahmen eines Bieterverfahrens nur als einziger Bieter ein Angebot abgegeben hatte. Zwar führt die die Kommission aus, dass das Ausschreibungsverfahren allein nicht geeignet sei, die Marktüblichkeit der Pacht nachzuweisen. Sie verweist dabei auf Randnummer 93 der Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe  , wonach bei Abgabe nur eines Angebots im Rahmen eines Bieterverfahrens in der Regel davon auszugehen sei, dass dieses nicht dem Marktpreis entspreche. Ausnahmen sieht die Kommission dabei jedoch in dem Fall, „dass bei der Ausgestaltung des Verfahrens besonders strenge Vorkehrungen getroffen wurden, um echten und wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten, und nicht offensichtlich ist, dass nur ein einziger Wirtschaftsbeteiligter in der Lage sein dürfte, ein glaubwürdiges Angebot einzureichen oder sich die Behörden durch zusätzliche Maßnahmen vergewissern, dass das Ergebnis dem Marktpreis entspricht.“

Die Kommission sieht hier die Marktüblichkeit durch einen Vergleich mit der Pacht anderer Betreiber von Konferenzzentren in derselben Region als nachgewiesen. Aus dem Vergleich ergäbe sich, dass die von Maritim zu zahlende Pacht am oberen Ende der Bandbreite der Vergleichs-Pachtzahlungen liege und die Pacht der Betreiber in der Region sogar teilweise niedriger sei. Mit diesem Argument schließt die Kommission daher das Vorliegen einer beihilferelevanten Begünstigung aus.

Fazit

Mit diesem Beschluss schließt die Kommission erneut an ihre aus den „Sieben Zwergen“ bekannte Beschlusspraxis an. Insbesondere der Vergleich zu dem Verfahren CCH ist dabei für den Praktiker sehr hilfreich, Abgrenzungskriterien für die Frage der Handelsbeeinträchtigung im Zusammenhang mit Veranstaltungshallen zu entwickeln.

Auch mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, bei Abgabe nur eines Angebots ein Benchmarking als Beleg für den Marktpreis vorzulegen, ist in der Praxis sehr hilfreich und wohl auch auf den Fall der „Inhouse-Vergabe“ übertragbar. Dennoch sollte sehr wohl bei der Auswahl von Vergleichsprojekte darauf geachtet werden, dass diese nicht ebenfalls durch Beihilfen finanziert wurden und konkret auch vergleichbar sind, um die nötige Akzeptanz bei der Kommission zu erreichen. Wie auch im Fall des CC-In sollte sich außerdem der konkrete Wert dabei nicht am unteren Ende der ermittelten Range befinden, sondern eher im mittleren Bereich.

Co-Autorin: Anna Lazarova, Referendarin bei Müller-Wrede & Partner

Neues zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds

Neues zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds

Am 27.03.2020 haben Bundestag und Bundesrat die Errichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zur Überwindung der Liquiditätskrise der Realwirtschaft in der COVID-19 Krise verabschiedet. Die Kommission hat den WSF am 8.07.2020 beihilferechtlich genehmigt. Nach der Veröffentlichung der Rechtsverordnungen zur Durchführung des WFStG im Bundesgesetzblatt am 7.10.2020 sind nun alle Voraussetzungen für den Vollzug des WSF erfüllt.

Wer kann Mittel aus dem WSF bekommen?

Ziel des mit 600 Mio. € ausgestatteten WSF ist die Stabilisierung der Corona-gebeutelten Wirtschaft. Mittel aus dem WSF können dabei branchenübergreifend große Unternehmen der Realwirtschaft beantragen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt in Deutschland hätte. Außerdem muss das Unternehmen zum 1. Januar 2020 zwei der folgenden Voraussetzungen erfüllen:

  • Eine Bilanzsumme von mehr als 43 Mio. €
  • Mehr als 50 Mio. € Umsatz
  • Mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt

Antragsteller dürfen außerdem zum 31.12.2019 kein Unternehmen in Schwierigkeiten gewesen sein.

Unter Umständen erhalten auch kleinere Unternehmen Mittel aus dem WSF, wenn diese in einem der in § 55 Außenwirtschaftsverordnung (z.B. kritische Infrastrukturen) genannten Sektoren tätig sind oder eine vergleichbare Bedeutung für die Sicherheit oder die Wirtschaft  haben.

Das WStFG finden Sie hier.

Gibt es Antragsfristen?

Die Gewährung von Garantien erfolgt bis zum 31.12.2020 – ein Antrag sollte spätestens ein Monat vorher gestellt werden. Allerdings wird derzeit eine Verlängerung der Frist vor dem Hintergrund der allgemeinen Fristverlängerung im Temporary Framework diskutiert. Rekapitalisierungsmaßnahmen müssen bis zum 30.06.2021 beantragt werden, die Entscheidung erfolgt bis 31.12.2021.

Welche Maßnahmen gibt es unter dem WSF?

Der WSF sieht zwei grundsätzliche Stabilisierungsinstrumente vor, die auch kombiniert genutzt werden können: Zum einen Garantien des Bundes zur Absicherung von Krediten einschließlich Kreditlinien sowie für Anleihen und Kapitalmarktprodukte im Fremdkapitalbereich. Die Deckung kann maximal 90% des Ausfalls aus der Hauptforderung zuzüglich Zinsen betragen.

Zum anderen Rekapitalisierungen zur direkten Stärkung des Eigenkapitals. Dazu gehören u.a. der Erwerb von nachrangigen Schuldtiteln, Hybridanleihen und stillen Beteiligungen sowie der Erwerb von Anteilen an Unternehmen.

Garantien sind dabei vorrangig zu gewähren. Rekapitalisierungsmaßnahmen kommen in Betracht, wenn bei krisenbedingtem Verlust von Eigenkapital die Zufuhr von Nachrangkapital oder Eigenkapital erforderlich ist, um die Kreditfähigkeit wiederherzustellen. Das ist insbesondere der Fall, wenn Unternehmen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Mittel am Markt aufzunehmen.

Bis zu einem Gesamtvolumen der Maßnahmen von 100 Mio. € gelten standardisierte Konditionen. Für volumenmäßig größere Maßnahmen finden sich individuelle Vorgaben im WStFG und in der Durchführungsverordnung. Rekapitalisierungsmaßnahmen über 250 Mio. € sind  einzeln bei der Kommission anzumelden.

WSF-Durchführungsverordnung

Die Durchführungsverordnung regelt die Ausgestaltung der verschiedenen Stabilisierungsmaßnahmen – zum Beispiel Höhe der Garantieübernahme, Vergütung der staatlichen Maßnahmen und den Ausstieg des WSF aus den Beteiligungen.

Garantien sind – so sieht es der Temporary Framework vor – bei einer Laufzeit über den 31. 12.2020 hinaus – in ihrer Höhe begrenzt: Entweder auf das doppelte der Lohnsumme oder auf 25% des Gesamtumsatzes – beides bezogen auf 2019. Die Garantiesumme bei einer Laufzeit bis zum 31.12.2020 kann höher sein. Die Verbindlichkeiten für die die Garantie übernommen werden soll, müssen mindestens 5 Mio. € betragen.

Die Rekapitalisierungsmaßnahmen sollen nach sechs Jahren beendet werden. Ein Verkauf der staatlichen COVID-Shares kann dabei an einen Dritten (zum Marktpreis) erfolgen. Auch ein Rückkauf durch das betroffene Unternehmen selbst ist jedoch möglich. Entscheidend ist dabei die strategisch absehbare Rückführung der staatlichen Beteiligung. Ziel der Rekapitalisierung ist ja keine dauerhafte Verstaatlichung. Liegt diese nach Ablauf von sechs bzw. sieben Jahren (bei KMU und nicht börsennotierten Unternehmen) nicht unterhalb von 15%, ist ein Umstrukturierungsplan nach den Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten zu erstellen. Spätestens nach 10 Jahren sind die Stabilisierungsmaßnahmen aber zu beenden – auch hier sind aber Ausnahmen möglich.

Darüber hinaus legt die Durchführungsverordnung fest, dass die Verwaltung des WSF der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH übertragen wird. Bei der Finanzagentur handelt es sich um den zentralen staatlichen Finanzierungsdienstleister des Bundes, dem die Kreditaufnehmen und das Schuldenmanagement des Landes obliegt. Diese schließt auch mit den Unternehmen die konkreten Verträge über die Maßnahmen nach §§ 21, 22 WStFG.

Die Gewährung von Maßnahmen aus dem Portfolio des WSF ist stets an strenge Bedingungen und Auflagen geknüpft, die von dem begünstigen Unternehmen einzuhalten sind. Dazu gehören z.B. der Ausschluss von Boni-Zahlungen an Organmitglieder und Geschäftsleiter sowie Ausschüttungs- und Dividendenverbote für die Laufzeit der Stabilisierungsmaßnahmen.  Um Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch Rekapitalisierungsmaßnahmen zu verhindern, dürfen ihre Empfänger außerdem u.a. nicht mit dem Erhalt der staatlichen Unterstützung werben und keine Beteiligungen von mehr als 10% an anderen Unternehmen in ihrem Geschäftsfeld eingehen. Verfügt das Unternehmen über eine beträchtliche Marktmacht und übersteigt die Rekapitalisierungsmaßnahme 250 Mio. €, sind weitere Bedingung zur Verhinderung der Wettbewerbsbeeinträchtigung festzulegen. Diese Bedingungen können insbesondere strukturelle oder verhaltensbezogene Verpflichtungen sein. Der WSF kann diesbezüglich Verpflichtungen der geschäftsführenden Organe fordern, die festgelegten Auflagen zu erfüllen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann Vertragsstrafen, die Kündigung des Vertrages oder Schadensersatzansprüchen nach sich ziehen.

Verordnung zur Verwaltung des WSF und zur Übertragung von Aufgaben auf die KfW

Inhalt dieser Verordnung ist insbesondere die Abgrenzung der Zuständigkeiten der beteiligten Entscheidungsorgane. Ansprechpartner für die Prüfung ist grundsätzlich immer das BMWi und ebenfalls auch zuständig für die Prüfung der Anträge. Die konkrete Entscheidung erfolgt in Abhängigkeit von Höhe und Art der Maßnahmen.

So ist der „WSF-Ausschuss“ für Entscheidungen über Garantien ab 500 Mio. € und Rekapitalisierungsmaßnahmen ab 200 Mio. € zuständig. Der „WSF-Ausschuss“ ist ein interministerieller Ausschuss unter Leitung von Dr. Jörg Kukies, Staatsekretär im BMF. Besetzt ist der Ausschuss mit Vertretern unterschiedlicher Bundesministerien, Vertretern der KfW als beratende Mitglieder sowie der Finanzagentur.

Der „WSF-Ausschuss“ kann auch Entscheidungen über andere Fälle an sich ziehen und darüber entscheiden, ob Unternehmen, die nicht die o.g. Größenkriterien erfüllen über eine Ausnahmeregel dennoch Mittel aus dem WSF zur Verfügung gestellt werden können.

BMWi und BMF sind im Einvernehmen für Garantien in Höhe von 100 bis 500 Millionen Euro sowie für Rekapitalisierungen bis 200 Millionen Euro zuständig.

Die KfW befasst sich mit  Garantien bis zu einem Volumen von bis zu 100 Mio. € und übernimmt im Fall von Rekapitalisierungsmaßnahmen die Beteiligungsführungsführung für den Bund.

Falls sowohl eine Garantie als auch eine Rekapitalisierung beantragt wird, richtet sich die Entscheidungsebene nach dem beantragten Gesamtvolumen. Bei einem etwaigen Auseinanderfallen der zuständigen Entscheidungsebenen für die beiden Instrumente kann das für die Rekapitalisierung zuständige Gremium die Entscheidung an sich ziehen.

WSF-Kostenverordnung

Inhalt dieser Verordnung ist die Regelung der Übernahme der bei den Entscheidungsorganen aufgrund der Antragsbearbeitung entstandenen Kosten durch den Antragsteller.

Fazit

Zeitlich passend zur aktuellen Entwicklung der Corona-Pandemie können nun insbesondere große Unternehmen sowie Unternehmen mit systemischer Bedeutung die Instrumente des WSF in Anspruch nehmen. Die komplexe Ausgestaltung – vor allem die Einbindung unterschiedlicher Entscheidungsorgane – dürfte wohl der Grund für die zeitliche Verzögerung des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung gewesen sein. Eine zeitnahe Anpassung an die aktuellen Verlängerungsregelungen des Temporary Frameworks erscheint jedoch insbesondere für die Garantien dringend erforderlich, die bislang nur bis zum 31.12.20 gewährt werden können.

Insbesondere Rekapitalisierungsmaßnahmen sind – entsprechend den Vorgaben des Temporary Frameworks – nur als ultima ratio für den Fall gedacht, in dem keine alternativen Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Im Übrigen dürften Unternehmen jedoch die Maßnahmen des WSF auch aufgrund der strengen Auflagen und Bedingungen tatsächlich nur als ultima ratio in Anspruch nehmen wollen.

Auch wenn öffentliche Unternehmen nicht ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des WSF ausgeschlossen sind, führt der ultima ratio-Ansatz tatsächlich wohl zu einem Ausschluss dieser Unternehmen. Es bleibt daher zu hoffen, dass eine entsprechende Regelung auch für Unternehmen mit staatlichen Gesellschaftern zeitnah in Kraft tritt. Mit der Aufnahme der Exit-Strategie für Corona-bedingte staatliche Beteiligungen an öffentlichen Unternehmen hat die Kommission ja in der aktuellen Version des Temporary Frameworks bereits vorgelegt.

Bundesrahmenregelung Flugplätze – Corona-Beihilfen für deutsche Flughäfen

Bundesrahmenregelung Flugplätze – Corona-Beihilfen für deutsche Flughäfen

Am 11. August 2020 hat die Kommission die Bundesrahmenregelung Flugplätze genehmigt (Staatliche Beihilfe SA.57644). Auf Grundlage dieses Beihilfeprogramms wird die Förderung insbesondere staatlicher Flughäfen erheblich erleichtert.

Hintergrund

Die Mitteilung der Kommission zur vorübergehenden Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen in der EU vom 16. März 2020 und die Eindämmungsmaßnahmen der Länder zur Verhinderung der Ausbreitung von Corona haben den Flugverkehr während der Corona-Krise weitestgehend zum Erliegen gebracht. In Deutschland ist der gewerbliche Luftverkehr im April im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 98% zurückgegangen. Von einer wirklichen Erholung kann auch aktuell noch nicht gesprochen werden – insbesondere vor dem Hintergrund ansteigender Infektionszahlen und damit verbunden auch neuer innereuropäischer Reisewarnungen.

Nicht nur die Fluggesellschaften haben unter dem Rückgang der Passagierzahlen zu leiden. Auch die Flughäfen haben aufgrund von reduzierten Einnahmen aus Flugentgelten und aus dem Non-Aviation-Bereich erhebliche Erlösausfälle zu verbuchen. Unabhängig davon hatten die Flughäfen eine wichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge im Zusammenhang mit dem Vorhalten der Infrastruktur für die Durchführung von Krankentransporten sowie Fracht- und Rückholflügen.

Mit der auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 b und Abs. 3 b AEUV basierenden Bundesrahmenregelung Flugplätze haben nunmehr insbesondere auch Flughäfen mit staatlichen Gesellschaftern die Möglichkeit, Beihilfen zu bekommen.

Wer ist antragsberechtigt?

Antragsberechtigt sind alle Betreiber von Flughäfen,die Corona-bedingte Erlösausfälle haben und am 31. Dezember 2019 kein Unternehmen in Schwierigkeiten waren. Anträge müssen bis zum 30. September 2020 gestellt werden.

In welcher Form können Beihilfen gewährt werden?

Auf Grundlage der Entscheidung der EU-Kommission können Beihilfen in Form von Zuschüssen, Darlehen, Bürgschaften oder Steuervorteilen gewährt werden. Rekapitalisierungsmaßnahmen sind nicht vorgesehen.

Zuschüsse können zur Liquiditätssicherung bis zu einem Betrag iHv. 800.000,- € auf Grundlage der „Bundesregelung Kleinbeihilfen“ gewährt werden.

Der Corona-bedingte Schaden kann für den Zeitraum vom 4. März bis zum 30. Juni 2020 bis zu 100% ausgeglichen werden. Dafür ist eine Vergleichsrechnung mit der entsprechenden Periode im Vorjahr vorzunehmen. Bei der Differenz sind jedoch ersparte Aufwendungen z.B. aufgrund von eingesparten Personal- und Kraftstoffkosten zu berücksichtigen. Die Zahlung von Dividenden und variablen Vergütungen sind ausgeschlossen.

Darlehen können auf Grundlage der „Bunderegelung Beihilfen für niedrigverzinsliche Darlehen 2020“ gewährt werden. Bürgschaften auf Grundlage der „Bundesregelung Bürgschaften 2020“. Ebenfalls möglich sind Steuer- und Gebührenstundungen sowie weitere Steuermaßnahmen.

Eine Kombination der Maßnahmen – insbesondere eine Verbindung des Zuschusses für den Zeitraum 4. März bis 30. Juni mit weiteren Maßnahmen für den nachfolgenden Zeitraum sind möglich.

Bundesrahmenregelung Öffentlicher Personennahverkehr – Corona-Beihilfen für deutsche Verkehrsbetriebe

Bundesrahmenregelung Öffentlicher Personennahverkehr – Corona-Beihilfen für deutsche Verkehrsbetriebe

Am 8. Juli 2020 genehmigte die Kommission die Bundesrahmenregelung Öffentlicher Personennahverkehr (Staatliche Beihilfe SA.57675). Auf Grundlage dieses über 6 Milliarden umfassenden Programms können Corona-geschädigte Unternehmen des ÖPNV einen Ausgleich erhalten.

Hintergrund

Die Eindämmungsmaßnahmen der Länder zur Verhinderung der Ausbreitung von Corona haben zur phasenweisen bundesweiten Einstellung des Schulbetriebs geführt. Verbunden mit dem Übergang zum Homeoffice in vielen Betrieben reduzierte sich der Pendlerverkehr durchschnittlich zwischen 70-90% im Vergleich zur Vorjahresperiode. Die Aufrechterhaltung des ÖPNV war jedoch insbesondere für den Erhalt der Mobilität von Menschen, die keinen Zugang zu alternativen Verkehrsmitteln haben und auch für Beschäftigte in Gesundheitsberufen erforderlich. Die Liquiditätssituation wird durch zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Infektionsprävention – insbesondere eine verbesserte Reinigung von Fahrzeugen, die Bereitstellung von Desinfektionsmaterial, Schutzausrüstung für das Personal etc. – zusätzlich belastet. In vielen Fällen übersteigt daher der notwendige Finanzbedarf das Defizit, das auf Grundlage einer ex-ante Vereinbarung zur Ausgleichsleistung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DawI) basiert.

Wer ist antragsberechtigt?

Antragsberechtigt nach der Bundesrahmenregelung ÖPNV sind öffentliche und private Verkehrsunternehmen in Deutschland, soweit sie eine entsprechende Genehmigung für Personenbeförderung haben und einen Corona-bedingten Schaden nachweisen können. Eine Antragstellung ist bis zum 30. September 2020 möglich.

In welcher Form können Beihilfen gewährt werden?

Die Beihilfen werden in Form von Zuschüssen durch Länder oder Gemeinden gewährt. Dabei erfolgt die Ausgleichszahlung zum Teil über die sogenannten “Regionalisierungsmittel”. Das geschätzte Gesamtbudget der Regelung beläuft sich auf ca. 6,1 Mrd. EUR. Der Corona-bedingte Schaden kann für einen Zeitraum vom 1. März bis zum 31. August 2020 ausgeglichen werden.

Dafür ist eine Vergleichsrechnung mit der entsprechenden Periode im Vorjahr vorzunehmen, bei der Differenz sind jedoch ersparte Aufwendungen z.B. aufgrund von eingesparten Personal- und Kraftstoffkosten zu berücksichtigen. Sind die Vorjahreszahlen nicht verfügbar, kann auch auf die Planzahlen für 2020 zurückgegriffen werden. Ein Schadensausgleich ist dabei bis zu 100% möglich. Nach der Genehmigung der EU-Kommission dürfen die im Rahmen dieser Regelung gewährten Beihilfen nicht mit anderen Beihilfen für die gleichen beihilfefähigen Kosten kumuliert werden, wenn damit der Gesamtbetrag des Schadens überschritten wird.

Empfehlung der Kommission, Unternehmen mit Verbindungen zu Steueroasen keine finanzielle Unterstützung zu gewähren

Empfehlung der Kommission, Unternehmen mit Verbindungen zu Steueroasen keine finanzielle Unterstützung zu gewähren

Die Europäische Kommission empfiehlt Mitgliedstaaten, zukünftig Unternehmen mit Verbindungen zu Ländern, die auf der EU-Liste der nicht kooperativen Steuergebiete stehen, keine finanzielle Unterstützung zu gewähren. Beschränkungen sollten auch für Unternehmen gelten, die wegen schwerer Finanzverbrechen wie zum Beispiel wegen Finanzbetrug, Korruption, Nichtzahlung von Steuer- und Sozialversicherungsverpflichtungen verurteilt wurden.

Mit diesen Leitlinien will die Kommission den Mitgliedstaaten Möglichkeiten aufzeigen, um den Missbrauch öffentlicher Mittel zu verhindern und die Schutzmaßnahmen gegen Steuermissbrauch in der gesamten EU im Einklang mit den EU-Rechtsvorschriften zu stärken. Durch die Koordinierung der Beschränkungen der finanziellen Unterstützung würden die Mitgliedstaaten auch Diskrepanzen und Verzerrungen im Binnenmarkt verhindern.

Wie der Pressemitteilung der Kommission vom 14.07.2020 zu entnehmen ist, ist es für Margrethe Vestager – die für Wettbewerbspolitik zuständige geschäftsführende Vizepräsidentin der Kommission – nicht hinnehmbar, dass Unternehmen, die öffentliche Unterstützungen insbesondere in der Corona-Krise erhalten, Steuervermeidungspraktiken in Steueroasen betreiben. Dies sei ein Missbrauch der nationalen und EU-Haushalte auf Kosten der Steuerzahler und der Systeme der sozialen Sicherheit.

Die Kommission berücksichtigt in ihrer Empfehlung, dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, über die Gewährung finanzieller Unterstützung im Einklang mit dem EU-Beihilfenrecht zu entscheiden. Insbesondere aufgrund des COVID-19 -Ausbruchs seien erhebliche finanzielle Anstrengungen auf nationaler und europäischer Ebene erforderlich, um Unternehmen mit Liquidität und Kapital auszustatten und Arbeitsplätze und Lieferketten zu sichern und die Forschung voranzutreiben. Mit ihrer Empfehlung an die Mitgliedstaaten möchte die Kommission verhindern, dass staatliche Mittel für Steuerbetrug, Steuerhinterziehung, Steuervermeidung oder Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verwendet werden. Unternehmen, die Verbindungen zu Staaten haben, die auf der EU-Liste der nicht kooperativen Steuergebiete stehen (z. B. wenn eine Gesellschaft steuerlich in einem solchen Land ansässig ist) sollten daher zukünftig keine öffentliche Unterstützung durch die Mitgliedstaaten erhalten. Derzeit befinden sich zwölf Länder und Gebiete auf dieser Liste: die Amerikanischen Jungferninseln, Amerikanisch-Samoa, Fidschi, Guam, die Kaimaninseln, Oman, Palau, Panama, Samoa, die Seychellen, Trinidad und Tobago sowie Vanuatu.

Ausnahmen sollten jedoch in bestimmten Fällen zulässig sein, z.B. wenn Unternehmen nachweisen können, dass sie in dem Mitgliedstaat für einen bestimmten Zeitraum (z. B. die letzten drei Jahre) angemessene Steuern entrichtet haben oder wenn sie in dem aufgeführten Land eine echte wirtschaftliche Präsenz haben. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten außerdem, geeignete Sanktionen einzuführen, um falsche Angaben der Antragsteller zu ahnden. Sie möchte von den Mitgliedstaaten über die konkreten Maßnahmen informiert werden und wird innerhalb von drei Jahren einen Bericht über die Auswirkungen dieser Empfehlung veröffentlichen.

Anmerkung

Aufgrund ihrer fehlenden Zuständigkeit für Steuerangelegenheiten der Mitgliedstaaten kann die Kommission nur die Empfehlung an die Mitgliedstaaten aussprechen, entsprechende Maßnahmen im nationalen Recht zu erlassen. Gerade in Corona-Zeiten, in denen die Staaten Fördermittel quasi mit der Gießkanne über dem Land verteilen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil der Mittel missbräuchlich verwendet wird. Daher erscheint es sinnvoll den Mitgliedstaaten – über die bereits im nationalen Recht vorhandenen Regelungen – eine Orientierungshilfe an die Hand zu geben, um das Missbrauchsrisiko transparent und möglichst einheitlich einzudämmen.

Das globale Tätigkeiten von Unternehmen vor dem Hintergrund der Steueroptimierung insbesondere im Zusammenhang mit Rekapitalisierungsmaßnahmen in der Corona-Krise eine Rollen spielen, hat bereits das Beihilfeverfahren Lufthansa gezeigt. Lufthansa hatte Ende Mai eine Liste ihrer Tochtergesellschaften in Steuerparadiesen veröffentlicht. Dazu gehören Tochtergesellschaften in Panama, Guam und auf den Kaimaninseln. Das Unternehmen betonte aber, es handele sich bei allen Niederlassungen um Firmen mit einem operativen Geschäftsbetrieb, etwa die Catering-Firma Sky Chefs de Panama. Diese Thematik dürfte wohl zukünftig auch in anderen Beihilfeverfahren eine Rolle spielen.

Beihilferegelungen gehen in die Verlängerung!

Beihilferegelungen gehen in die Verlängerung!

Bereits im Januar 2019 schlug die Kommission vor, einige Beihilferegelungen über das Jahresende 2020 hinaus zu verlängern. Gleichzeitig leitete sie den  sog. „Fitness-Check“ über die Anwendung einzelner Vorschriften ein.

Am 2. Juli 2020 hat die EU-Kommission nun diese geplante Verlängerung dieser Beihilferegelungen beschlossen. Damit wird auch über 2020 hinaus Rechtssicherheit und Transparenz bei der Anwendung der Beihilfevorschriften gewährleistet. Gleichzeitig hat die Kommission damit Zeit gewonnen, die Aktualisierungen der Vorschriften auf Grundlage des laufenden „Fitness-Checks“ vorzubereiten und bei der anstehenden Überarbeitung auch die Vorgaben des „Green deal“ und der „Digitalen Agenda“ zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen hat die Kommission auch die Gelegenheit genutzt, um einige Vorschriften gezielt auf die Bedürfnisse der Unternehmen in der Corona-Krise anzupassen.

Verlängerung der Geltung der AGVO und der de-minimis Verordnung

Auf Grundlage der Verordnung (EU) 2020/972 vom 2. Juli 2020 hat die Kommission die Geltungsdauer der de-mimis-Verordnung und der AGVO um drei Jahre bis zum 31.12.2023 festgelegt. Inhaltlich hat sie folgende Änderungen vorgenommen:

  • Mitgliedstaaten, die Beihilferegelungen auf Grundlage der AGVO verlängern möchten, werden aufgefordert, der Kommission eine aktualisierte Kurzbeschreibung der Maßnahme zu übermitteln.
  • Auf der Grundlage des Kapitels III Abschnitte 1 (ausgenommen Artikel 15), 2, 3, 4, 7 (ausgenommen Artikel 44) oder 10 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 eingeführte Regelungen, deren durchschnittliche jährliche Mittelausstattung 150 Mio. EUR übersteigt, die durch einen Kommissionsbeschluss länger als sechs Monate freigestellt wurden und die der betreffende Mitgliedstaat über den 31. Dezember 2020 hinaus verlängern möchte, sind bis zum 31. Dezember 2023 freigestellt, sofern der betreffende Mitgliedstaat der Kommission die aktualisierte Kurzbeschreibung übermittelt und im Einklang mit dem von der Kommission genehmigten Evaluierungsplan einen abschließenden Evaluierungsbericht vorgelegt hat.
  • Angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Folgen des COVID-19 Ausbruchs übernimmt die Kommission die aktuelle Begriffsbestimmung von Unternehmen in Schwierigkeiten aus dem „Temporary Framework“ auch für die AGVO: Unternehmen, die am 31. Dezember nicht in Schwierigkeiten waren und erst später in Schwierigkeiten geraten sind, können damit bis zum 30. Juni 2021 auf Grundlage der AGVO freigestellte Beihilfen erhalten.
  • Muss ein Unternehmen aufgrund des Corona-Ausbruchs Personal abbauen, soll das nicht als technischer Verstoß gegen die Verpflichtungen gelten, die es im Gegenzug zum Erhalt von Regionalbeihilfen in Bezug auf Standortverlagerungen eingegangen ist. Diese Ausnahmeregelung soll vom 1. Januar 2020 bis zum 30. Juni 2021 gelten.

Verlängerung der Geltung von sieben Leitlinien für staatliche Beihilfen

Bis zum 31. Dezember 2021 wird die Anwendung der Regionalleitlinien (Verlängerung der nationalen Fördergebietskarte muss bis September 2020 bei der Kommission beantragt und von dieser genehmigt werden), der Energie- und Umweltschutzleitlinien  (Anpassung der Berechnungsmethoden zum Erhalt der Förderfähigkeit von Unternehmen, bei Corona-bedingtem Rückgang der Strompreise), der Risikokapitalleitlinien, der IPCEI-Mitteilung, des FuEuI-Rahmens sowie der Mitteilung für kurzfristige Exportversicherung verlängert. Die Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien bleiben bis zum 31. Dezember 2023 anwendbar.

Auch für diese Rechtstexte erfolgt eine allgemeine Anpassung des Begriffs des Unternehmens in Schwierigkeiten wie in der AGVO und im „Temporary Framework“ (Mitteilung der Kommission vom 08.07.2020 (2020/C 224/02) ).

DawI de-minimis-Verordnung

Parallel dazu hat die Kommission vorgeschlagen, die DawI de-minimis-Verordnung – die nicht Teil des “Fitness-Checks” ist, aber ansonsten auch am 31. Dezember 2020 ausläuft – um drei Jahre zu verlängern (die Konsultation läuft noch bis zum 3. August 2020). In diesem Zusammenhang schlägt die Kommission auch eine Anpassung dieser Verordnung vor, damit Unternehmen, die aufgrund des Ausbruchs des Coronavirus’ in Schwierigkeiten geraten sind, für einen begrenzten Zeitraum auf Grundlage der DawI de-minimis- Verordnung gefördert werden können.

Anmerkung

Die Verlängerungen und Anpassungen – insbesondere an den Begriff des Unternehmens in Schwierigkeiten aus dem Temporary Framework – sind zielführend und hilfreich. Neben den Sonderregelungen der Kommission zur wirtschaftlichen und finanziellen Unterstützung von Unternehmen im Rahmen der Corona-Krise bleiben damit auch andere Regelungen weiterhin anwendbar. Unabhängig von der bislang rückläufigen Entwicklung der Corona-Krise sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in vielen Branchen noch längst nicht behoben. Daher ist es norwendig, für deren Finanzierung auch auf die üblichen Beihilfeinstrumente zurückgreifen zu können und damit vielleicht den ersten Schritt in die „neue beihilferechtliche Normalität“ zu gehen.

Co-Autor: Jasper Meyer, Referendar bei Müller-Wrede & Partner

Vergaberecht bei Zuwendungen

Vergaberecht bei Zuwendungen

Das öffentliche Vergaberecht ist bereits für sich genommen eine Herausforderung. Verkompliziert wird das Ganze, wenn der Zuwendungsgeber das Vergaberecht aus Gründen der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung in den Zuwendungsbescheid integriert und damit den Zuwendungsempfänger zur Anwendung der Vergabevorschriften verpflichtet. Man spricht dann vom sog. Zuwendungsvergaberecht.

Diesem komplexen Thema haben sich eine Reihe von Autoren in einem jüngst in der Schriftenreihe des forum vergabe e.V. erschienen Buchs unter dem Titel „Vergaberecht bei Zuwendungen“ angenommen. Ich wäre wahrscheinlich gar nicht auf das Buch aufmerksam geworden, wenn nicht zwei meiner Kolleginnen von Müller-Wrede & Partner daran mitgewirkt hätten. Dr. Melanie Plauth und Julia Lipinsky haben zusammen zwei Beiträge in diesem Buch veröffentlicht, die ich wirklich – wie im Übrigen auch die anderen Kapitel –  für sehr lesenswert halte.

Verpflichtet der Zuwendungsgeber den Zuwendungsempfänger auf Grundlage der Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheids zur Anwendung des Zuwendungsrechts, beschreiben die beiden Autorinnen, welche Rechtsfolgen sich aus dieser Verpflichtung für den Zuwendungsempfänger ergeben. Dr. Melanie Plauth und Julia Lipinsky befassen sich außerdem mit der Überlagerung des Zuwendungsrechts durch das EU-Recht. Die besondere Rolle des EU-Beihilfenrechts in der Praxis – nicht nur aber insbesondere bei der Kofinanzierung aus den EU-Fonds – fassen die Autorinnen wie folgt zusammen: „Zielsetzung des EU-Beihilfenrechts ist es, Wettbewerbsverfälschungen durch staatliche Begünstigungen zu unterbinden und für einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt ohne Subventionswettläufe und mit einem ‘level playing field’ für die dort tätigen Unternehmen zu sorgen“. Aufgrund der unmittelbaren Anwendung des beihilferechtlichen Durchführungsverbots des Art. 108 Abs. 3 AEUV sind die Beihilfevorschriften auch für jeden Zuwendungsgeber zu beachten.

Beiden Autorinnen gelingt es in ihren Beiträgen, die Themen auf den Punkt zu bringen und bestehende Problemfragen auf das Wesentliche zu beschränken. Damit bleiben die Beiträge gut lesbar.

Daneben enthalten alle Kapitel optisch besonders hervorgehobene Praktiker-Hinweise, die noch einmal auf die wichtigsten Punkte aus Praktikersicht aufmerksam machen. Aus meiner Sicht ein empfehlenswertes Werk, dass sowohl Einsteiger als auch erfahrene Praktiker auf dem Weg durch das Bermuda-Dreieck zwischen Vergabe-, Zuwendungs- und Beihilferecht unterstützt.

Ein besonderer Dank gilt daher Michael Pilarski, der selber als Autor mitgeschrieben hat, aber gleichzeitig als Herausgeber erheblich zu den ausgewählten Themen und der guten Struktur des Buchs beigetragen haben dürfte.

Freie Fahrt für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds

Freie Fahrt für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds

Bereits am 27. März 2020 haben Bundestag und Bundesrat die Errichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds beschlossen. Am 8. Juli 2020 hat die Kommission den WSF nun genehmigt.

Der WSF dient der Stabilisierung von Unternehmen der Realwirtschaft, die in Folge der Corona-Pandemie unverschuldet in Schwierigkeiten geraten sind und für die andere Hilfsmaßnahmen nicht greifen oder nicht ausreichen. Grundlage für die Genehmigung durch die EU-Kommission war die dritte Änderung des Temporary Frameworks ein hoher Preis für staatliches Kapital, die den beihilferechtlichen Instrumentenkasten in der Corona-Krise um die Alternativen von Eigenkapitalinstrumenten und Bereitstellung von Hybridkapital erweitert hat.

Nach Genehmigung der Kommission können nun Rekapitalisierungsmaßnahmen des WSF bis zu einem Volumen von 250 Mio. EUR ohne eine Einzelfallnotifizierung durchgeführt werden. Darüber hinausgehende Beträge wird sich die Kommission weiterhin anschauen. Bundeswirtschaftsminister Altmaier hofft mit diesem Instrument „insbesondere größeren Unternehmen, Familienunternehmen und Mittelständlern noch besser durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie [zu] helfen.“

Der WSF ist mit einem Gesamtvolumen iHv. bis zu 600 Milliarden EUR ausgestattet um langfristige volkswirtschaftliche und soziale Folgen der Pandemie abzuwenden. Bis zu 400 Milliarden Euro sind für die Absicherung von Verbindlichkeiten durch Garantien des Bundes vorgesehen. Für die Stärkung von Eigenkapital sieht der WSF weitere 100 Milliarden EUR vor. Für das KfW-Sonderprogramm verbleiben weitere 100 Milliarden EUR.

Anmerkung

Der WSF sieht Rekapitalisierungsmaßnahmen nur als Ultima Ratio vor – also für den Fall, dass andere Maßnahmen wie z.B. Darlehen nicht mehr greifen, um den Liquiditätsengpass Corona-gebeutelter Unternehmen zu überwinden. Ein aktuelles Beispiel ist die Lufthansa AG. Der Preis für die staatliche Beteiligung ist im Einzelfall sehr hoch und betrifft dabei u.a. sowohl die Boni der Geschäftsführung als auch die Dividendenausschüttung. Geplant ist dabei, dass die staatliche Beteiligung nach einigen Jahren wieder verkauft wird und das Unternehmen wie Phoenix aus der Asche aufsteigt. Der Fall Commerzbank als fast schon fossiles Überbleibsel der Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt jedoch, dass ein solcher Ausstieg – soll er auch noch mit Gewinn erfolgen – in der Praxis schwer umzusetzen ist. Daher bleibt abzuwarten, wie viele Unternehmen in der Krise überhaupt von diesem Instrument Gebrauch machen und wie schnell der Ausstieg des Staats sich dann tatsächlich realisieren lässt.

Die für die Antragsbearbeitung und -entscheidungen erforderlichen Rechtsverordnungen zum WSF werden in Kürze veröffentlicht.

Was lange währt…Genehmigung staatlicher Beihilfen zugunsten der Lufthansa

Was lange währt…Genehmigung staatlicher Beihilfen zugunsten der Lufthansa

Nach zähem Ringen – nicht nur mit der Kommission – hat diese nun am 25. Juni 2020 die Rekapitalisierungsmaßnahmen zugunsten der Lufthansa AG genehmigt.

Mit der Genehmigung der Beihilfen zugunsten der Lufthansa AG hat die Kommission im Rahmen der Corona-Krise zum vierten Mal staatliche Maßnahmen zugunsten von Luftverkehrsgesellschaften genehmigt. Der Luftverkehrssektor gehört aufgrund der Reisebeschränkungen und Abstandsregeln zu einer der am schwersten durch den COVID-19-Ausbruch betroffenen Branchen. Auch die aktuell gelebte Rückkehr zur „neuen Normalität“ führt nicht zu einer signifikanten Verbesserung der Situation von Flughäfen und Fluggesellschaften. Als Vorschlag für beihilferechtliche Lösungen hatte die Kommission bereits vor einigen Wochen ein Arbeitspapier mit einem Überblick über die beihilferechtlichen Finanzierungsmöglichkeiten des Luftverkehrssektors veröffentlicht. 

Als eine der ersten Genehmigungen betrifft die Beihilfe zugunsten der Lufthansa AG jedoch ein Instrument, dass erst im Rahmen der zweiten Überarbeitung Einlass in den Temporary Framework gefunden hat: Beihilfen in Form von Rekapitalisierungsmaßnahmen

Die Rekapitalisierungsmaßnahme zugunsten der Lufthansa AG ist dabei Teil eines größeren Unterstützungspakets, das auch eine staatliche Bürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 3 Mrd. EUR umfasst, das Deutschland  als Einzelbeihilfe im Rahmen der durch die Kommission vom 22. März 2020 genehmigten deutschen Regelung gewähren wird.

Die Rekapitalisierung zugunsten der Lufthansa AG setzt sich dabei aus folgenden Einzelmaßnahmen zusammen:

  • Beteiligung von 300 Mio. EUR durch Zeichnung neuer Aktien durch den Staat – entspricht ca. 20% des Grundkapitals der Lufthansa AG
  • 4,7 Mrd. EUR Stille Einlagen mit den Merkmalen eines nicht konvertierbaren Eigenkapitalinstruments
  • eine Stille Einlage in Höhe von 1 Mrd. EUR mit den Merkmalen eines Wandelschuldinstruments
  • Die Rekapitalisierung wird aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanziert, einem von Deutschland eingerichteten Sonderfonds zur finanziellen Unterstützung deutscher Unternehmen, die vom Coronavirus-Ausbruch betroffen sind.

Die Rekapitalisierung wird aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) finanziert, einem von Deutschland eingerichteten Sonderfonds zur finanziellen Unterstützung deutscher Unternehmen, die vom Coronavirus-Ausbruch betroffen sind. Der WSF wurde zwar bereits notifiziert, eine Genehmigung liegt bisher jedoch noch nicht vor. Unabhängig von einer genehmigten Regelung, wäre eine Einzelmaßnahme in dieser Höhe auch weiterhin einzeln anzumelden.

Für die Rekapitalisierungsmaßnahmen, über die seit Wochen nicht zuletzt auch in der Aktionärsversammlung verhandelt wurde, muss die Lufthansa AG in vielfacher Hinsicht einen hohen Preis zahlen.

Der Staat erhält zum einen eine angemessene Vergütung für die Investition, und es gibt zusätzliche Mechanismen, um Anreize für die Lufthansa AG zu schaffen, die Beteiligung des Staates und die stillen Einlagen zurückzukaufen. An den geplanten Ausstieg aus der staatlichen Beteiligung sind zum anderen Bedingungen geknüpft: Deutschland hat einen von der Lufthansa AG entwickelten Geschäftsplan vorgelegt, auf dessen Grundlage bis 2026 sowohl das Darlehen als auch die Rekapitalisierungsinstrumente abgelöst werden sollen. Deutschland verpflichtete sich ferner, innerhalb von zwölf Monaten nach Gewährung der Beihilfe eine glaubwürdige Ausstiegsstrategie auszuarbeiten, es sei denn, die Staatliche Intervention wird bis dahin unter die Höhe von 25% des Eigenkapitals gesenkt. Wenn sechs Jahre nach Erhalt der Rekapitalisierungsbeihilfe der Austritt des Staates nicht erfolgt sein sollte, ist der Kommission ein Umstrukturierungsplan vorzulegen.

Bis zum vollständigen Ausstieg des Staates darf die Lufthansa AG keine Dividenden ausschütten. Solange nicht mindestens 75% der Rekapitalisierung zurückgekauft worden sind, gilt eine strikte Begrenzung der Vergütung des Managements, einschließlich eines Verbots von Bonuszahlungen. Diese Bedingungen zielen auch darauf ab, Anreize für die Luftverkehrsgesellschaft zu schaffen, die dem Staat gehörenden Aktien zu kaufen, sobald die wirtschaftliche Lage dies zulässt.

Um sicherzustellen, dass die Lufthansa AG nicht übermäßig in den Genuss der Rekapitalisierungsbeihilfe des Staates zum Nachteil des fairen Wettbewerbs im Binnenmarkt kommt, kann sie die Beihilfe nicht zur Unterstützung der wirtschaftlichen Tätigkeiten integrierter Unternehmen verwenden, die sich vor dem 31. Dezember 2019 in finanziellen Schwierigkeiten befanden. Darüber hinaus wird die Fluggesellschaft bis zur Einlösung von mindestens 75% der Rekapitalisierung grundsätzlich daran gehindert, eine Beteiligung von mehr als 10% an Wettbewerbern oder anderen Wirtschaftsteilnehmern derselben Branche zu erwerben.

Da Lufthansa von einer Rekapitalisierung über 250 Mio. EUR profitiert und über eine bedeutende Marktmacht verfügt, sind zusätzliche Auflagen als Ausgleich für eine potentielle Wettbewerbsbeeinträchtigung zu erfüllen. Vor dem Ausbruch des Coronavirus’ waren die Drehkreuze München und Frankfurt überlastet, so dass Lande- und Startzeiten Mangelware waren. Daher sind im Einklang mit den Anforderungen des Temporary Frameworks zusätzliche Maßnahmen zur Wahrung eines wirksamen Wettbewerbs erforderlich. Diese bestehen in der Veräußerung von bis zu 24 Landerechten pro Tag an den Drehkreuzflughäfen Frankfurt und München sowie aus den damit verbundenen zusätzlichen Vermögenswerten, um konkurrierenden Luftfahrtunternehmen die Gründung einer Basis von bis zu vier Flugzeugen an jedem dieser Flughäfen zu ermöglichen. Diese Maßnahmen würden einen tragfähigen Zugang oder eine Ausweitung der Tätigkeiten anderer Fluggesellschaften auf diesen Flughäfen zum Nutzen der Verbraucher und einen wirksamen Wettbewerb ermöglichen.

Die Slots sollen im Rahmen eines Bieterverfahrens zugeteilt und nur von einem europäischen Wettbewerber übernommen werden, der selbst keine wesentliche staatliche Rekapitalisierung aufgrund der Corona-Pandemie erhalten habe. Profiteure dürften daher Ryanair und  Easyjet sein: Ryanair fliegt zwar Frankfurt an, ist aber bislang in München nicht vertreten. Bei Easyjet ist es genau andersherum. Daher dürfte auch davon auszugehen sein, dass Ryanair seine geplante Beschwerde gegen die Lufthansa-Beihilfen noch einmal überdenkt.

Nicht zuletzt die Vorgaben des Ausstiegsszenarios und insbesondere die mit der Genehmigung verbundenen Auflagen zeigen, dass für jedes Unternehmen die Inanspruchnahme der Rekapitalisierungsmaßnahmen wirklich nur die ultima ratio sein dürfte, die in ihrer Schärfe die betroffenen Unternehmen auch weit über die Corona-Krise hinaus begleiten werden.