Nach zähem Ringen – nicht nur mit der Kommission – hat diese nun am 25. Juni 2020 die Rekapitalisierungsmaßnahmen zugunsten der Lufthansa AG genehmigt.
Mit der Genehmigung der Beihilfen zugunsten der Lufthansa AG hat die Kommission im Rahmen der Corona-Krise zum vierten Mal staatliche Maßnahmen zugunsten von Luftverkehrsgesellschaften genehmigt. Der Luftverkehrssektor gehört aufgrund der Reisebeschränkungen und Abstandsregeln zu einer der am schwersten durch den COVID-19-Ausbruch betroffenen Branchen. Auch die aktuell gelebte Rückkehr zur „neuen Normalität“ führt nicht zu einer signifikanten Verbesserung der Situation von Flughäfen und Fluggesellschaften. Als Vorschlag für beihilferechtliche Lösungen hatte die Kommission bereits vor einigen Wochen ein Arbeitspapier mit einem Überblick über die beihilferechtlichen Finanzierungsmöglichkeiten des Luftverkehrssektors veröffentlicht.
Als eine der ersten Genehmigungen betrifft die Beihilfe zugunsten der Lufthansa AG jedoch ein Instrument, dass erst im Rahmen der zweiten Überarbeitung Einlass in den Temporary Framework gefunden hat: Beihilfen in Form von Rekapitalisierungsmaßnahmen.
Die Rekapitalisierungsmaßnahme zugunsten der Lufthansa AG ist dabei Teil eines größeren Unterstützungspakets, das auch eine staatliche Bürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 3 Mrd. EUR umfasst, das Deutschland als Einzelbeihilfe im Rahmen der durch die Kommission vom 22. März 2020 genehmigten deutschen Regelung gewähren wird.
Die Rekapitalisierung zugunsten der Lufthansa AG setzt sich dabei aus folgenden Einzelmaßnahmen zusammen:
- Beteiligung von 300 Mio. EUR durch Zeichnung neuer Aktien durch den Staat – entspricht ca. 20% des Grundkapitals der Lufthansa AG
- 4,7 Mrd. EUR Stille Einlagen mit den Merkmalen eines nicht konvertierbaren Eigenkapitalinstruments
- eine Stille Einlage in Höhe von 1 Mrd. EUR mit den Merkmalen eines Wandelschuldinstruments
- Die Rekapitalisierung wird aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanziert, einem von Deutschland eingerichteten Sonderfonds zur finanziellen Unterstützung deutscher Unternehmen, die vom Coronavirus-Ausbruch betroffen sind.
Die Rekapitalisierung wird aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) finanziert, einem von Deutschland eingerichteten Sonderfonds zur finanziellen Unterstützung deutscher Unternehmen, die vom Coronavirus-Ausbruch betroffen sind. Der WSF wurde zwar bereits notifiziert, eine Genehmigung liegt bisher jedoch noch nicht vor. Unabhängig von einer genehmigten Regelung, wäre eine Einzelmaßnahme in dieser Höhe auch weiterhin einzeln anzumelden.
Für die Rekapitalisierungsmaßnahmen, über die seit Wochen nicht zuletzt auch in der Aktionärsversammlung verhandelt wurde, muss die Lufthansa AG in vielfacher Hinsicht einen hohen Preis zahlen.
Der Staat erhält zum einen eine angemessene Vergütung für die Investition, und es gibt zusätzliche Mechanismen, um Anreize für die Lufthansa AG zu schaffen, die Beteiligung des Staates und die stillen Einlagen zurückzukaufen. An den geplanten Ausstieg aus der staatlichen Beteiligung sind zum anderen Bedingungen geknüpft: Deutschland hat einen von der Lufthansa AG entwickelten Geschäftsplan vorgelegt, auf dessen Grundlage bis 2026 sowohl das Darlehen als auch die Rekapitalisierungsinstrumente abgelöst werden sollen. Deutschland verpflichtete sich ferner, innerhalb von zwölf Monaten nach Gewährung der Beihilfe eine glaubwürdige Ausstiegsstrategie auszuarbeiten, es sei denn, die Staatliche Intervention wird bis dahin unter die Höhe von 25% des Eigenkapitals gesenkt. Wenn sechs Jahre nach Erhalt der Rekapitalisierungsbeihilfe der Austritt des Staates nicht erfolgt sein sollte, ist der Kommission ein Umstrukturierungsplan vorzulegen.
Bis zum vollständigen Ausstieg des Staates darf die Lufthansa AG keine Dividenden ausschütten. Solange nicht mindestens 75% der Rekapitalisierung zurückgekauft worden sind, gilt eine strikte Begrenzung der Vergütung des Managements, einschließlich eines Verbots von Bonuszahlungen. Diese Bedingungen zielen auch darauf ab, Anreize für die Luftverkehrsgesellschaft zu schaffen, die dem Staat gehörenden Aktien zu kaufen, sobald die wirtschaftliche Lage dies zulässt.
Um sicherzustellen, dass die Lufthansa AG nicht übermäßig in den Genuss der Rekapitalisierungsbeihilfe des Staates zum Nachteil des fairen Wettbewerbs im Binnenmarkt kommt, kann sie die Beihilfe nicht zur Unterstützung der wirtschaftlichen Tätigkeiten integrierter Unternehmen verwenden, die sich vor dem 31. Dezember 2019 in finanziellen Schwierigkeiten befanden. Darüber hinaus wird die Fluggesellschaft bis zur Einlösung von mindestens 75% der Rekapitalisierung grundsätzlich daran gehindert, eine Beteiligung von mehr als 10% an Wettbewerbern oder anderen Wirtschaftsteilnehmern derselben Branche zu erwerben.
Da Lufthansa von einer Rekapitalisierung über 250 Mio. EUR profitiert und über eine bedeutende Marktmacht verfügt, sind zusätzliche Auflagen als Ausgleich für eine potentielle Wettbewerbsbeeinträchtigung zu erfüllen. Vor dem Ausbruch des Coronavirus‘ waren die Drehkreuze München und Frankfurt überlastet, so dass Lande- und Startzeiten Mangelware waren. Daher sind im Einklang mit den Anforderungen des Temporary Frameworks zusätzliche Maßnahmen zur Wahrung eines wirksamen Wettbewerbs erforderlich. Diese bestehen in der Veräußerung von bis zu 24 Landerechten pro Tag an den Drehkreuzflughäfen Frankfurt und München sowie aus den damit verbundenen zusätzlichen Vermögenswerten, um konkurrierenden Luftfahrtunternehmen die Gründung einer Basis von bis zu vier Flugzeugen an jedem dieser Flughäfen zu ermöglichen. Diese Maßnahmen würden einen tragfähigen Zugang oder eine Ausweitung der Tätigkeiten anderer Fluggesellschaften auf diesen Flughäfen zum Nutzen der Verbraucher und einen wirksamen Wettbewerb ermöglichen.
Die Slots sollen im Rahmen eines Bieterverfahrens zugeteilt und nur von einem europäischen Wettbewerber übernommen werden, der selbst keine wesentliche staatliche Rekapitalisierung aufgrund der Corona-Pandemie erhalten habe. Profiteure dürften daher Ryanair und Easyjet sein: Ryanair fliegt zwar Frankfurt an, ist aber bislang in München nicht vertreten. Bei Easyjet ist es genau andersherum. Daher dürfte auch davon auszugehen sein, dass Ryanair seine geplante Beschwerde gegen die Lufthansa-Beihilfen noch einmal überdenkt.
Nicht zuletzt die Vorgaben des Ausstiegsszenarios und insbesondere die mit der Genehmigung verbundenen Auflagen zeigen, dass für jedes Unternehmen die Inanspruchnahme der Rekapitalisierungsmaßnahmen wirklich nur die ultima ratio sein dürfte, die in ihrer Schärfe die betroffenen Unternehmen auch weit über die Corona-Krise hinaus begleiten werden.