Staatlichkeit von Schiedsgerichtsbeschlüssen

Staatlichkeit von Schiedsgerichtsbeschlüssen

In seinem Urteil vom 22.02.2024  in den verbundenen Rs. C-701/21 P und C-739/21 P hatte sich der EuGH mit der Frage der Staatlichkeit von Schiedsgerichtsbeschlüssen zu befassen.

Der Weg der verfahrensrechtlichen Um- und Irrwege, die zu diesem Urteil geführt haben, ist lang und bei Interesse gern direkt in dem Urteil nachzulesen. Der Beitrag hier soll sich allein mit der Frage der Staatlichkeit von Schiedsgerichtsbeschlüssen befassen.

Beschluss der Kommission

Mytilinaios ist ein Metall produzierendes Unternehmen und der größte Stromverbraucher Griechenlands. Dieses schloss mit der DEI, einer vom griechischen Staat zu diesem Zeitpunkt kontrollierten Stromerzeugerin, einen Rahmenvertrag über den Zeitraum vom 1.7.2010 bis zum 31.12.2013 zu dem geltenden Stromlieferungstarif. Über die konkreten Konditionen des auf Grundlage des Rahmenvertrages zu verhandelnden Stromlieferungsvertrags konnten sich die Parteien nicht einigen. Im Rahmen einer Schiedsvereinbarung entschieden sich die Parteien jedoch, zur Beilegung ihrer Streitigkeiten eine Schlichtungsstelle anzurufen. Diese erließ am 31.10.2013 einen Schiedsspruch. Den von DEI eingelegten Rechtsbehelf wies das zuständige Berufungsgericht ab. DEI legte daher am 23.12.2013 bei der Kommission Beschwerde ein mit dem Inhalt, der Schiedsspruch beinhalte eine staatliche Beihilfe. Die Kommission lehnte in ihrem finalen Beschluss vom 14.8.2017 (Beschluss C(2017) 5622, Staatliche Beihilfe SA.38101 (2015/NN)) im Ergebnis das Vorliegen einer Beihilfe ab, da die Anwendung des MEOT („Market Economy Operator Test“) eine Begünstigung ausschließe. Die Kommission ging dabei davon aus, dass sich aufgrund von ungewisser Länge und Ausgang eines Gerichtsverfahrens auch ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsteilnehmer einem Schiedsverfahren unterworfen hätte, um eine Klärung der Streitigkeiten zu erzielen. Daraus zog sie den Schluss, dass die Kriterien einer solchen Vereinbarung den Marktbedingungen entsprechen und nicht zur Gewährung eines Vorteils führen. Eine Prüfung der konkreten Höhe oder Konditionen des Schiedsspruchs führte die Kommission nicht durch. Auch die Frage der Staatlichkeit der Mittel untersuchte die Kommission nicht.

Nichtigkeitsklage beim EuG

Im Rahmen der seitens der DEI erhobenen Nichtigkeitsklage kam das EuG (verbundene Rs. T‑639/14 RENV, T‑352/15 und T‑740/17) in seinem Urteil vom 22.11.2021 zu dem Schluss, dass der Schiedsspruch eine staatliche Maßnahme sei, die eine staatliche Beihilfe iSd. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen könne, soweit sie nicht den normalen Markbedingungen entspricht. Das EuG stufte das Schiedsgericht dabei als eine Einrichtung mit Befugnissen hoheitlicher Art ein. Der Schiedsspruch müsse dem griechischen Staat zugerechnet werden, weil dieses Schiedsgericht fester Bestandteil des staatlichen griechischen Gerichtssystems sei, da es einem griechischen Gericht gleichgestellt werden könne.

Urteil des EuGH

Dem widersprach der EuGH in seinem Urteil aus dem Februar 2024 mit folgender Begründung:

Auch wenn ein Schiedsgericht, dessen Entscheidungen bindenden Charakter haben und vollstreckt werden können, an die Stelle eines ordentlichen Gerichts tritt und das Verfahren normalerweise durch das Gesetz geregelt ist, geht der EuGH nicht davon aus, dass ein Schiedsgericht einem ordentlichen nationalen Gericht gleichgestellt werden kann und dass der Schiedsspruch eine staatliche Maßnahme sei. Anders als in bilateralen Investitionsschutzabkommen errichtete Schiedsgerichte handelt es sich in diesem Verfahren um ein vertragliches Schiedsgericht, dessen Zuständigkeit auf die Vereinbarung zwischen den Parteien beruht. Auch der Umstand, dass gegen den Schiedsspruch vor einem griechischen Gericht Rechtsmittel eingelegt werden können, führt nicht dazu, dass der Schiedsspruch dem griechischen Staat zuzurechnen wäre. Die gerichtliche Kontrolle bezieht sich nur auf die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs. Der Schiedsspruch bleibt weiterhin eine Handlung, die allein dem durch unabhängige und unparteiische Mitglieder besetzten Schiedsgremium zuzurechnen ist. Der EuGH führt in diesem Zusammenhang aus, dass eine staatliche Beihilfe nicht durch eine gerichtliche Entscheidung eingeführt werden kann, da eine solche Einführung Zweckmäßigkeitserwägungen unterliegt, die dem Richteramt fremd sind (Rn. 111 des Urteils).

Als einzige staatliche Maßnahme sieht der EuGH in diesem Zusammenhang die Entscheidung der DEI, überhaupt eine Schiedsvereinbarung mit Mytilinaios zu schließen, da DEI unter staatlicher Kontrolle stand. Nur im Hinblick auf diese Entscheidung sei zu prüfen gewesen, ob ein privater Wirtschaftsteilnehmer diese Entscheidung unter normalen Marktbedingungen zu den gleichen Bedingungen getroffen hätte. Anders wäre der Sachverhalt aus Sicht des EuGH nur zu beurteilen, wenn der gesamte Ablauf des Schiedsverfahrens das Ergebnis eines staatlichen Schemas gewesen wäre, dass der griechische Staat den betroffenen Unternehmen übergeholfen hätte, um letztlich das Beihilfenrecht zu umgehen. Diesbezüglich sei jedoch nichts vorgetragen worden.

Im Ergebnis hat der EuGH daher das Urteil des EuGH aufgehoben und dem Prüfungsansatz der Kommission recht gegeben.

Das Ergebnis des Schiedsverfahrens genüge nämlich dem Kriterium des privaten Kapitalgebers, wenn die für die Festlegung des Tarifs vereinbarten Parameter auf der Grundlage objektiver marktbezogener Kriterien im Voraus festgelegt worden seien, so dass ein solcher Kapitalgeber unter den Umständen des Falles zugestimmt hätte, sich einem Schiedsverfahren zu unterwerfen. Es sei auch nicht erforderlich, komplexe wirtschaftliche Beurteilungen zur genauen Berechnung des fraglichen Tarifs anstelle des Schiedsgerichts vorzunehmen, da dieser Tarif als logische Folge der in der Schiedsvereinbarung festgelegten Parameter den Marktbedingungen entspreche. Die Klägerin habe die Schiedsvereinbarung unterzeichnet, ohne diese Parameter als marktwidrig zu beanstanden. Außerdem sei zu bedenken, dass ein umsichtiger privater Kapitalgeber das Ergebnis eines auf der Grundlage solcher Parameter durchgeführten Schiedsverfahrens nicht beeinflussen könne, abgesehen von der Möglichkeit, den Schiedsspruch vor einem ordentlichen Gericht anzufechten. Im Übrigen liege der streitige Tarif immer noch über dem Durchschnitt der 2013 in Europa für Unternehmen der Metallindustrie geltenden Stromtarife (Beschluss C(2017) 5622 final der Kommission vom 14. August 2017 (Sache SA.38101 [2015/NN] [ex 2013/CP]KOM Rn. 44-48 ).


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