Erste eingehende Prüfung nach der Drittstaatensubventionsverordnung

Erste eingehende Prüfung nach der Drittstaatensubventionsverordnung

Die Europäische Kommission hat ausweislich einer Pressemitteilung vom 16.02.2024 die erste eingehende Prüfung nach der Drittstaatensubventionsverordnung (VO (EU) 2022/2560, sog. DSVO) eingeleitet. Diese Prüfung betrifft ein öffentliches Vergabeverfahren des bulgarischen Ministeriums für Verkehr und Kommunikation über die Lieferung mehrerer elektrischer Wendezüge. Der geschätzte Wert des Auftrags liegt bei 1,2 Mrd. BGN (610 Mio. EUR). Die Prüfung erfolgt auf Grundlage einer Meldung der CRRC Qingdao Sifang Locomotive Co., Ltd., einer Tochtergesellschaft des chinesischen staatlichen Zugherstellers China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC). Zum Hintergrund:

level playing field im Vergabeverfahren

Mit der Beihilfenkontrolle steht der Europäischen Union ein System zur Verfügung, das darauf abzielt, faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Es soll verhindern, dass die Mitgliedstaaten Subventionen an Unternehmen gewähren, die den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt in ungerechtfertigter Weise verzerren. Für Subventionen von Staaten außerhalb der Europäischen Union greift dieses System indes nicht. Diese Regelungslücke soll durch die DSVO geschlossen werden. Sie gilt seit dem 12. Juli 2023 und soll der Kommission Instrumente zur Verfügung stellen, durch drittstaatliche Subventionen verursachte Verzerrungen auf dem Binnenmarkt und insbesondere im Vergabewettbewerb wirksam angehen zu können, um faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.

Meldepflicht für Unternehmen

Die eingehende Prüfung bei der CRRC Qingdao Sifang Locomotive Co., Ltd. ist auf Grundlage einer sog. Meldung erfolgt. Die DSVO sieht die verpflichtende Einreichung einer solchen Meldung im Vergabeverfahren unter zwei Bedingungen vor: Das Vergabeverfahren muss einen öffentlichen Auftrag betreffen, dessen geschätzter Wert bei mehr als 250 Mio. Euro liegt, und dem Unternehmen müssen finanzielle Zuwendungen von insgesamt mindestens 4 Mio. Euro pro Drittstaat in den letzten drei Jahren gewährt worden sein (Art. 28 Abs. 1 DSVO).

In der Meldung hat das Unternehmen alle drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen aufzuführen, die ihm gewährt wurden. Die erforderlichen Inhalte der Meldung ergeben sich aus der Durchführungsverordnung zur Festlegung detaillierter Vorschriften für die Durchführung von Verfahren nach der DSVO (VO (EU) 2023/1441). Hiernach sind insbesondere Angaben zur Form, zur Höhe und zum Zweck der einzelnen finanziellen Zuwendung sowie zur gewährenden Einrichtung zu machen.

Eingehende Prüfung

Der eingehenden Prüfung geht eine sog. Vorprüfung voraus. Eine Vorprüfung erfolgt immer dann, wenn eine Meldung im Vergabeverfahren eingereicht wurde. Im Rahmen der Vorprüfung erlässt die Europäische Kommission einen Beschluss zur Einleitung einer eingehenden Prüfung, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diesem Unternehmen eine den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subvention gewährt wurde (Art. 30 Abs. 3 DSVO).

Nach Eingang der Meldung bei der Kommission am 22.01.2024 hat die Europäische Kommission eine Prüffrist von 110 Arbeitstagen, um die eingehende Prüfung durch einen Beschluss abzuschließen (Art. 30 Abs. 5 S. 1 DSVO). Nach der Pressemitteilung der Europäischen Kommission ist bis zum 02.07.2024 mit einem solchen Beschluss zu rechnen. Die Europäische Kommission kann den zur Verfügung stehenden Prüfungszeitraum nach Konsultation des Auftraggebers allerdings einmalig um 20 Arbeitstage verlängern (Art. 30 Abs. 5 S. 2 DSVO).

Im Rahmen der eingehenden Prüfung wird die Europäische Kommission die mutmaßlichen drittstaatlichen Subventionen weiter prüfen und alle Informationen einholen, die erforderlich sind, um festzustellen, ob diese Subventionen die CRRC Qingdao Sifang Locomotive Co., Ltd. möglicherweise in die Lage versetzt haben, im Rahmen des betreffenden Vergabeverfahrens ein ungerechtfertigt günstiges Angebot abzugeben. Die Europäische Kommission wird in dem Beschluss entweder von dem Unternehmen vorgeschlagene Verpflichtungszusagen annehmen, wenn diese die Verzerrung vollständig und wirksam beseitigen, die Auftragsvergabe untersagen oder keine Einwände gegen die Auftragsvergabe an dieses Unternehmen erheben (Art. 31 Abs. 1 bis 3 DSVO).

Aussetzung des Vergabeverfahrens

Das bulgarische Ministerium für Verkehr und Kommunikation kann das Verfahren ungeachtet der eingeleiteten eingehenden Prüfung fortsetzen. Sie darf das Verfahren allerdings bis zum Abschluss der eingehenden Prüfung bzw. bis zum Ablauf der Prüfungsfrist nicht durch eine Zuschlagserteilung auf das Angebot der CRRC Qingdao Sifang Locomotive Co., Ltd. beenden (Art. 32 Abs. 1 und 2 DSVO). Sofern die Europäische Kommission die Zuschlagserteilung auf dieses Angebot durch Beschluss endgültig untersagt und dieses Angebot das wirtschaftlichste Angebot ist, kommt für den Zuschlag nur das nächstwirtschaftliche Angebot in Betracht (Art. 32 Abs. 4 DSVO).

Dieser Beitrag wurde verfasst von Frederic Delcuvé, Müller-Wrede Rechtsanwälte


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