Neues zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds

Am 27.03.2020 haben Bundestag und Bundesrat die Errichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zur Überwindung der Liquiditätskrise der Realwirtschaft in der COVID-19 Krise verabschiedet. Die Kommission hat den WSF am 8.07.2020 beihilferechtlich genehmigt. Nach der Veröffentlichung der Rechtsverordnungen zur Durchführung des WFStG im Bundesgesetzblatt am 7.10.2020 sind nun alle Voraussetzungen für den Vollzug des WSF erfüllt.

Wer kann Mittel aus dem WSF bekommen?

Ziel des mit 600 Mio. € ausgestatteten WSF ist die Stabilisierung der Corona-gebeutelten Wirtschaft. Mittel aus dem WSF können dabei branchenübergreifend große Unternehmen der Realwirtschaft beantragen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt in Deutschland hätte. Außerdem muss das Unternehmen zum 1. Januar 2020 zwei der folgenden Voraussetzungen erfüllen:

  • Eine Bilanzsumme von mehr als 43 Mio. €
  • Mehr als 50 Mio. € Umsatz
  • Mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt

Antragsteller dürfen außerdem zum 31.12.2019 kein Unternehmen in Schwierigkeiten gewesen sein.

Unter Umständen erhalten auch kleinere Unternehmen Mittel aus dem WSF, wenn diese in einem der in § 55 Außenwirtschaftsverordnung (z.B. kritische Infrastrukturen) genannten Sektoren tätig sind oder eine vergleichbare Bedeutung für die Sicherheit oder die Wirtschaft  haben.

Das WStFG finden Sie hier.

Gibt es Antragsfristen?

Die Gewährung von Garantien erfolgt bis zum 31.12.2020 – ein Antrag sollte spätestens ein Monat vorher gestellt werden. Allerdings wird derzeit eine Verlängerung der Frist vor dem Hintergrund der allgemeinen Fristverlängerung im Temporary Framework diskutiert. Rekapitalisierungsmaßnahmen müssen bis zum 30.06.2021 beantragt werden, die Entscheidung erfolgt bis 31.12.2021.

Welche Maßnahmen gibt es unter dem WSF?

Der WSF sieht zwei grundsätzliche Stabilisierungsinstrumente vor, die auch kombiniert genutzt werden können: Zum einen Garantien des Bundes zur Absicherung von Krediten einschließlich Kreditlinien sowie für Anleihen und Kapitalmarktprodukte im Fremdkapitalbereich. Die Deckung kann maximal 90% des Ausfalls aus der Hauptforderung zuzüglich Zinsen betragen.

Zum anderen Rekapitalisierungen zur direkten Stärkung des Eigenkapitals. Dazu gehören u.a. der Erwerb von nachrangigen Schuldtiteln, Hybridanleihen und stillen Beteiligungen sowie der Erwerb von Anteilen an Unternehmen.

Garantien sind dabei vorrangig zu gewähren. Rekapitalisierungsmaßnahmen kommen in Betracht, wenn bei krisenbedingtem Verlust von Eigenkapital die Zufuhr von Nachrangkapital oder Eigenkapital erforderlich ist, um die Kreditfähigkeit wiederherzustellen. Das ist insbesondere der Fall, wenn Unternehmen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Mittel am Markt aufzunehmen.

Bis zu einem Gesamtvolumen der Maßnahmen von 100 Mio. € gelten standardisierte Konditionen. Für volumenmäßig größere Maßnahmen finden sich individuelle Vorgaben im WStFG und in der Durchführungsverordnung. Rekapitalisierungsmaßnahmen über 250 Mio. € sind  einzeln bei der Kommission anzumelden.

WSF-Durchführungsverordnung

Die Durchführungsverordnung regelt die Ausgestaltung der verschiedenen Stabilisierungsmaßnahmen – zum Beispiel Höhe der Garantieübernahme, Vergütung der staatlichen Maßnahmen und den Ausstieg des WSF aus den Beteiligungen.

Garantien sind – so sieht es der Temporary Framework vor – bei einer Laufzeit über den 31. 12.2020 hinaus – in ihrer Höhe begrenzt: Entweder auf das doppelte der Lohnsumme oder auf 25% des Gesamtumsatzes – beides bezogen auf 2019. Die Garantiesumme bei einer Laufzeit bis zum 31.12.2020 kann höher sein. Die Verbindlichkeiten für die die Garantie übernommen werden soll, müssen mindestens 5 Mio. € betragen.

Die Rekapitalisierungsmaßnahmen sollen nach sechs Jahren beendet werden. Ein Verkauf der staatlichen COVID-Shares kann dabei an einen Dritten (zum Marktpreis) erfolgen. Auch ein Rückkauf durch das betroffene Unternehmen selbst ist jedoch möglich. Entscheidend ist dabei die strategisch absehbare Rückführung der staatlichen Beteiligung. Ziel der Rekapitalisierung ist ja keine dauerhafte Verstaatlichung. Liegt diese nach Ablauf von sechs bzw. sieben Jahren (bei KMU und nicht börsennotierten Unternehmen) nicht unterhalb von 15%, ist ein Umstrukturierungsplan nach den Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten zu erstellen. Spätestens nach 10 Jahren sind die Stabilisierungsmaßnahmen aber zu beenden – auch hier sind aber Ausnahmen möglich.

Darüber hinaus legt die Durchführungsverordnung fest, dass die Verwaltung des WSF der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH übertragen wird. Bei der Finanzagentur handelt es sich um den zentralen staatlichen Finanzierungsdienstleister des Bundes, dem die Kreditaufnehmen und das Schuldenmanagement des Landes obliegt. Diese schließt auch mit den Unternehmen die konkreten Verträge über die Maßnahmen nach §§ 21, 22 WStFG.

Die Gewährung von Maßnahmen aus dem Portfolio des WSF ist stets an strenge Bedingungen und Auflagen geknüpft, die von dem begünstigen Unternehmen einzuhalten sind. Dazu gehören z.B. der Ausschluss von Boni-Zahlungen an Organmitglieder und Geschäftsleiter sowie Ausschüttungs- und Dividendenverbote für die Laufzeit der Stabilisierungsmaßnahmen.  Um Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch Rekapitalisierungsmaßnahmen zu verhindern, dürfen ihre Empfänger außerdem u.a. nicht mit dem Erhalt der staatlichen Unterstützung werben und keine Beteiligungen von mehr als 10% an anderen Unternehmen in ihrem Geschäftsfeld eingehen. Verfügt das Unternehmen über eine beträchtliche Marktmacht und übersteigt die Rekapitalisierungsmaßnahme 250 Mio. €, sind weitere Bedingung zur Verhinderung der Wettbewerbsbeeinträchtigung festzulegen. Diese Bedingungen können insbesondere strukturelle oder verhaltensbezogene Verpflichtungen sein. Der WSF kann diesbezüglich Verpflichtungen der geschäftsführenden Organe fordern, die festgelegten Auflagen zu erfüllen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann Vertragsstrafen, die Kündigung des Vertrages oder Schadensersatzansprüchen nach sich ziehen.

Verordnung zur Verwaltung des WSF und zur Übertragung von Aufgaben auf die KfW

Inhalt dieser Verordnung ist insbesondere die Abgrenzung der Zuständigkeiten der beteiligten Entscheidungsorgane. Ansprechpartner für die Prüfung ist grundsätzlich immer das BMWi und ebenfalls auch zuständig für die Prüfung der Anträge. Die konkrete Entscheidung erfolgt in Abhängigkeit von Höhe und Art der Maßnahmen.

So ist der „WSF-Ausschuss“ für Entscheidungen über Garantien ab 500 Mio. € und Rekapitalisierungsmaßnahmen ab 200 Mio. € zuständig. Der „WSF-Ausschuss“ ist ein interministerieller Ausschuss unter Leitung von Dr. Jörg Kukies, Staatsekretär im BMF. Besetzt ist der Ausschuss mit Vertretern unterschiedlicher Bundesministerien, Vertretern der KfW als beratende Mitglieder sowie der Finanzagentur.

Der „WSF-Ausschuss“ kann auch Entscheidungen über andere Fälle an sich ziehen und darüber entscheiden, ob Unternehmen, die nicht die o.g. Größenkriterien erfüllen über eine Ausnahmeregel dennoch Mittel aus dem WSF zur Verfügung gestellt werden können.

BMWi und BMF sind im Einvernehmen für Garantien in Höhe von 100 bis 500 Millionen Euro sowie für Rekapitalisierungen bis 200 Millionen Euro zuständig.

Die KfW befasst sich mit  Garantien bis zu einem Volumen von bis zu 100 Mio. € und übernimmt im Fall von Rekapitalisierungsmaßnahmen die Beteiligungsführungsführung für den Bund.

Falls sowohl eine Garantie als auch eine Rekapitalisierung beantragt wird, richtet sich die Entscheidungsebene nach dem beantragten Gesamtvolumen. Bei einem etwaigen Auseinanderfallen der zuständigen Entscheidungsebenen für die beiden Instrumente kann das für die Rekapitalisierung zuständige Gremium die Entscheidung an sich ziehen.

WSF-Kostenverordnung

Inhalt dieser Verordnung ist die Regelung der Übernahme der bei den Entscheidungsorganen aufgrund der Antragsbearbeitung entstandenen Kosten durch den Antragsteller.

Fazit

Zeitlich passend zur aktuellen Entwicklung der Corona-Pandemie können nun insbesondere große Unternehmen sowie Unternehmen mit systemischer Bedeutung die Instrumente des WSF in Anspruch nehmen. Die komplexe Ausgestaltung – vor allem die Einbindung unterschiedlicher Entscheidungsorgane – dürfte wohl der Grund für die zeitliche Verzögerung des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung gewesen sein. Eine zeitnahe Anpassung an die aktuellen Verlängerungsregelungen des Temporary Frameworks erscheint jedoch insbesondere für die Garantien dringend erforderlich, die bislang nur bis zum 31.12.20 gewährt werden können.

Insbesondere Rekapitalisierungsmaßnahmen sind – entsprechend den Vorgaben des Temporary Frameworks – nur als ultima ratio für den Fall gedacht, in dem keine alternativen Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Im Übrigen dürften Unternehmen jedoch die Maßnahmen des WSF auch aufgrund der strengen Auflagen und Bedingungen tatsächlich nur als ultima ratio in Anspruch nehmen wollen.

Auch wenn öffentliche Unternehmen nicht ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des WSF ausgeschlossen sind, führt der ultima ratio-Ansatz tatsächlich wohl zu einem Ausschluss dieser Unternehmen. Es bleibt daher zu hoffen, dass eine entsprechende Regelung auch für Unternehmen mit staatlichen Gesellschaftern zeitnah in Kraft tritt. Mit der Aufnahme der Exit-Strategie für Corona-bedingte staatliche Beteiligungen an öffentlichen Unternehmen hat die Kommission ja in der aktuellen Version des Temporary Frameworks bereits vorgelegt.