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Beihilfen für die Deutsch Bahn – dieses war der erste Streich…

Beihilfen für die Deutsch Bahn – dieses war der erste Streich…

Am 10. August 2021 hat die Kommission eine Beihilfe iHv. 550 Mio. € für die Deutsche Bahn genehmigt. Vorausgegangen war diesem Beschluss ein monatelanges zähes Ringen.

Im Ring standen dabei die Bundesregierung und die EU-Kommission, von der Seitenlinie unterstützt durch die Deutsche Bahn. Aber auch das  Netzwerk der Europäischen Eisenbahn e.V. (NEE) hat sich als Sprachrohr der Wettbewerber in den Ring geworfen.

Zunächst stand eine Kapitalerhöhung zugunsten der Deutschen Bahn iHv. 5 Mrd. € im Raum. Normalerweise wäre dieser Betrag vom staatlichen Gesellschafter „beihilfefrei“ unter Anwendung des Market-Operator-Tests (MEOT) gewährt worden. Die Corona-bedingten Eindämmungsmaßnahmen haben jedoch auch den Bahnsektor erheblich getroffen. Mit einem Rückgang des Fahrgastaufkommens auf ein Drittel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind nicht nur die Verluste gestiegen, sondern auch die Renditeerwartungen erheblich geschmälert worden. Daher musste also vom Vorliegen einer Beihilfe ausgegangen werden und es stellte sich die Frage nach einer Genehmigungsgrundlage.

Naheliegend schien zunächst der Temporary Framework, der seit seiner 4. Änderung vom 13. Oktober 2020 auch Regelungen für die Genehmigung von Rekapitalisierungsmaßnahmen zugunsten staatlicher Unternehmen enthält (Blogbeitrag vom 20.11.2020). Die Genehmigung ist allerdings mit erheblichen Auflagen verbunden. Die Verbindung einer Beihilfegenehmigung mit Auflagen wurde dabei jedoch nicht nur von der Kommission gefordert. Wie einem Schreiben vom 18. August 2020 an die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager zu entnehmen ist, befürchtete der NEE durch eine Eigenkapitalerhöhung zugunsten der Deutschen Bahn eine erhebliche Verfälschung des Wettbewerbs. Dies insbesondere deshalb, da der erforderliche Verlustausgleich der Bahn nicht allein auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie zurückzuführen sei, sondern vielmehr auf strukturelle Probleme des Konzerns bereits vor der Krise.

Der Presse ist zu entnehmen, dass es bei der Diskussion um Auflagen zur Reduzierung der Wettbewerbsbeeinträchtigung neben dem Verzicht des Managements auf Bonuszahlungen u.a. auch um Vorschläge wie den Verkauf alter Waggons der Bahn an Wettbewerber oder die Öffnung der Buchungs-App der Deutschen Bahn für Dritte ging. Die Auflagen waren für die Deutsche Bahn nicht akzeptabel, so dass auf Grundlage des Temporary Frameworks keine Lösung gefunden werden konnte.

Als Grundlage für eine Genehmigung wurde nunmehr Art. 107 Abs. 2b AEUV herangezogen – wie der Beschluss der Kommission vom 10. August 2021 zeigt (siehe Pressemitteilung der Kommission vom 10. August 2021).

Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie hat die Kommission in einer Handreichung die Corona-Krise als ein „außergewöhnliches Ereignis“ iSd. Art. 107 Abs. 2b AEUV eingestuft und damit den Anwendungsbereich dieser Norm eröffnet (siehe Blogbeitrag vom 24.03.2020). Auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2b AEUV konnten seither Mitgliedstaaten durch die Corona-Pandemie verursachte Schäden ausgleichen. Die Beihilfen sind dabei auf den Ausgleich der Schäden begrenzt, die durch Corona entstanden sind und durch die Pandemie unmittelbar verursacht wurden. Die Beihilfeintensität kann dabei bis zu 100% betragen. Erforderlich ist jedoch die Vereinbarung eines Rückzahlungsmechanismus für den Fall der Überkompensation.

Auf Grundlage eines vermutlich „streckenscharfen Verlustnachweises“ hat die Kommission auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2b AEUV daher einen Schadensausgleich für die Schäden der DB Fernverkehr während des ersten Lockdowns genehmigt. Die entstandenen Verluste der DB Fernverkehr hatte die Deutsche Bahn als Muttergesellschaft auf Grundlage eines Gewinnabführungs- und Verlustübernahmevertrages Ende 2020 übernommen. Die Entscheidung der Kommission bezieht sich auf den Schadensausgleich im Hinblick auf Corona-bedingte Ausfälle von Inlandsfahrten auf den Zeitraum vom 16. März bis 7. Juni 2021 und hinsichtlich internationaler Bahnreisen auf die Zeit vom 16. März bis zum 30. Juni 2021.

Bei der Bemessung der Höhe der Ausgleichsleistungen wird im Übrigen auch die Ermäßigung der Wegeentgelte für Personenbahnverkehre zu berücksichtigen sein. Diese Regelung hatte die Kommission bereits am 30. Juli 2021 genehmigt (Staatliche Beihilfe SA.63635). Begünstigt wird durch diese Regelung nicht nur die Deutsche Bahn, sondern die gesamte Branche.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Kommission die Hürde für Rekapitalisierungsmaßnahmen unter dem Temporary Framework sehr hoch gelegt hat – das durfte ja bereits die Lufthansa erfahren (siehe Blogbeitrag vom 01.07.2020). Der Weg über den Schadensausgleich des Art 107 Abs. 2b AEUV mag zunächst steiniger erscheinen („Streckenscharfer Verlustnachweis“), ist im Ergebnis aber sicherlich schmerzloser. Im Übrigen ist jedoch davon auszugehen, dass dies nur der erste Streich der Deutschen Bahn in Sachen Corona-Beihilfe gewesen sein dürfte. Auch andere Tochtergesellschaften der Deutschen Bahn wie z.B. DB-Cargo sind erheblich von der Pandemie getroffen worden und dürften ebenfalls einen Ausgleich fordern.

Deutsche Garantieregelung für Reisesicherungsfonds der Pauschalreiseveranstalter genehmigt

Deutsche Garantieregelung für Reisesicherungsfonds der Pauschalreiseveranstalter genehmigt

Die Europäische Kommission hat am 09. Juli 2021 eine mit 750 Mio. EUR ausgestattete staatliche Garantie für Darlehen im Falle des Ausfalls des Reisesicherungsfonds für Insolvenzen von Pauschalreiseveranstaltern genehmigt. Der Reisesicherungsfonds tritt am 01. November 2021 in Kraft und soll die bisherige Lücke im Absicherungsmodell schließen.

Aufgrund der Pauschalreiserichtlinie (EU) 2015/2303 sind die Pauschalreiseveranstalter mit Sitz in Deutschland gesetzlich verpflichtet im Falle ihrer Insolvenz eine Sicherung bereitzuhalten (vgl. § 651r BGB), um Reisende bei einem vollständigen oder auch teilweisen Ausfall von bezahlten Pauschalreisen zu entschädigen. Eine Überarbeitung der Insolvenzsicherung war spätestens mit der Insolvenz von Thomas Cook im Jahr 2019 unvermeidbar geworden; die Coronapandemie hat ihr Übriges für den Reiseveranstaltungssektor beigetragen.

Deutsche Pauschalreiseunternehmen und Reiseagenturen konnten bisher auf spezielle Versicherungen oder Bankbürgschaften zurückgreifen. Die Insolvenzversicherungen beruhten auf Kalkulationen ohne weltweite Reisebeschränkungen, sodass die bisherige Grundlage durch die Coronapandemie erheblich gestört wurde. Problematisch war hierbei aber schon immer, dass die Haftung der Absicherer auf 110 Mio. EUR beschränkt werden konnte. Dies hat sich in der Thomas Cook-Pleite als nicht ausreichend bewiesen. Der Bund hat daher inzwischen über 100 Mio. EUR für die Entschädigung von Thomas Cook Reisenden dazu geschossen, weil der Versicherer nur zum Teil zum Ausgleich in der Lage war.

Dabei war bereits bei der Umsetzung der EG-Pauschalreise-Richtlinie von 1990 in nationales Recht Kritik geübt worden, dass von manchen EU-Staaten vorgesehene Haftungsbeschränken nicht unionskonform seien. Auch die Kommission meldete Zweifel an der Zulässigkeit solcher Haftungsbeschränkungen an. Und schließlich stellte der EuGH in seinen Urteilen vom 08. Oktober 1996 (C-178/94) und vom 15. Juni 1999 (C-140/97) klar, dass die Richtlinie die vollständige Entschädigung des Reisenden vorsieht.

Der Reisesicherungsfonds löst die Insolvenzversicherungen und Bankbürgschaften ab und soll ab dem 01. November 2021 bereitstehen und bis Ende 2026 mit 750 Mio. EUR durch Beiträge der Pauschalreiseunternehmer bestückt werden. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 10 Mio. EUR dürfen allerdings weiter das bisherige Modell nutzen und müssen nicht in den Fonds einzahlen.

Die von Deutschland bei der Kommission angemeldete Garantie (in Höhe von 750 Mio. EUR) greift ein, wenn in den ersten sechs Jahren (bis zum 31. Oktober 2027) die verfügbaren Vermögenswerte des Fonds sowie die Rücklagen des Pauschalreiseunternehmen nicht ausreichen, um im Falle der Insolvenz die Erstattung an die Reisenden zu gewährleisten. Fällt der Fonds also in der Aufbauphase aus, kann er auf Darlehen mit einer staatlichen Garantie von 100% zurückgreifen, um die Erstattungen zu gewährleisten.

Die Europäische Kommission hat in ihrem Beschluss vom 09. Juli 2021 die von Deutschland als Beihilfe angemeldete Garantie gemäß Artikel 107 Abs. 3 lit. b AEUV unter dem Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 (Temporary Framework) genehmigt. Begünstigter ist der Fonds, der in Form einer GmbH eingerichtet wird. Nach Auffassung der Kommission trifft die Garantie die Voraussetzungen des Temporary Framework entsprechend, um dem Reisesicherungsfonds Zugang zu Darlehen unter den erschwerten Pandemiebedingungen zu gewähren. Die Kommission berücksichtige hierbei, dass Deutschland seiner Pflicht aus der Pauschalreiserichtlinie nachkommen möchte. Damit kommt die Genehmigung rechtzeitig bevor der Fonds eingerichtet wird.

Das Vorliegen einer mittelbaren Beihilfe zugunsten der Pauschalreiseanbieter prüft die Kommission nicht explizit. Jedoch führt sie in Rn. 18 aus, dass es sich bei dem Fonds um eine selbständige Gesellschaft handelt, die nicht wie eine hoheitliche Einrichtung handelt. Daher schließt sie die Staatlichkeit der Mittel aus, die über den Fonds gewährt werden und damit auch die Gewährung einer Beihilfe zugunsten der Pauschalreiseanbieter.

Fazit

Mit diesem Reisefonds schlägt Deutschland zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen greift es mit diesem neuen Absicherungsmechanismus der Corona-gebeutelten Reisebranche mittelbar unter die Arme und zum anderen kommt es damit auch der gerichtlich festgestellten Pflicht nach, Reisende für den Fall der Insolvenz des Pauschalreiseanbieters vollständig zu entschädigen. Kritik kommt allgemein aus der Branche, da der Absicherungszeitraum bis zum 1. November 2021 für das am 1. Juli 2021 in Kraft getretene Gesetz zu kurz sei und insbesondere mittelgroße Anbieter belasten würde. Verbraucher müssen wissen, dass der Fonds nur bei Pauschalreisen eingreift – d.h. nur für mindestens zwei Reiseleistungen, die jeweils mehr als 25% des Reisepreises ausmachen. Der Vorteil für pauschal Reisende liegt damit klar auf der Hand – bei Individualleistungen (z.B. einzelne Buchung von Flug und Hotel) trägt der Reisende nach wie vor selbst das Risiko. Entsprechende Erfahrungen haben Verbraucher bei den Pleiten der Fluggesellschaften Air Berlin und Germania machen müssen.

Autor: Jonathan Hügens, Referendar bei Müller-Wrede & Partner

Neue Freistellungstatbestände in der AGVO

Neue Freistellungstatbestände in der AGVO

Am 23. Juli 2021 hat die Kommission nach Durchführung von zwei Konsultationsverfahren endlich die erwartete Erweiterung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) beschlossen.

Ziel dieser „kleinen AGVO-Reform“  ist zum einen die Verbesserung des Zusammenspiels zwischen zentral verwalteten EU-Programmen und den Vorschriften des EU-Beihilfenrechts, zum anderen werden den Mitgliedstaaten Freistellungstatbestände für die Umsetzung des Green-Deal – das heißt für die staatliche Finanzierung von Umwelt- und Klimamaßnahmen – aber auch für den Ausbau von Breitband im Rahmen der digitalen Agenda an die Hand gegeben. Gleichzeitig zielen die neuen Regelungen darauf ab, dringend erforderliche staatliche Mittel zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19 Pandemie zu gewähren. Eine weitergehende Überarbeitung der AGVO ist geplant, die diesbezügliche Konsultation abgeschlossen.

Zusammenfassend enthält die aktuelle Erweiterung der AGVO folgende Neuerungen:

Finanzierung der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem Fonds InvestEU

Mitgliedstaaten können Finanzprodukte aus dem Fonds „InvestEU“ mit zusätzlichen eigenen Mitteln z.B. über Förderinstitute im Rahmen der sog. Mitgliedstaaten-Komponente ergänzen. Dabei kommen auch Mittel aus Unionsfonds mit geteilter Mittelverwendung, Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität in Betracht, um die Hebelwirkung zu verstärken und zusätzliche Investitionsmaßnahmen zu finanzieren.

Handelt es sich bei diesen Beiträgen um staatliche Beihilfen, sind diese zukünftig auf Grundlage der AGVO freigestellt. Zum einen sieht die AGVO nun für die Segmente Breitband, Energieerzeugung, Energieinfrastruktur, soziale, bildungsbezogene, kulturelle und naturbezogene Infrastrukturen und Aktivitäten, Verkehr und Verkehrsinfrastruktur, nicht-verkehrsbezogene Infrastrukturen, Umwelt- und Klimaschutz sowie Forschung, Entwicklung, Innovation und Digitalisierung allgemeine Förder- und Ausschlusskriterien für Endempfänger und Finanzierungshöchstbeträge vor.

Zum anderen sind besondere Regelungen für Finanzprodukte in die AGVO aufgenommen worden mit Regelungen für Finanzierungen bis max. 7,5 Mio. € pro Begünstigten, die dem Begünstigten von gewerblichen Finanzintermediären zur Verfügung gestellt werden, die zur Übernahme eines eigenen Risikos bereit sind.

Förderung von Forschung-, Entwicklung und Innovation – Ersatz aus nationalen Mitteln

Diese Änderung der AGVO befreit die Mitgliedstaaten zum einen von der beihilferechtlichen Anmeldepflicht aber auch von der erneuten Überprüfung von Maßnahmen, die bereits auf Grundlage der Programme Horizont 2020 und Horizont Europa bewertet worden sind und eine Exzellenzsiegel erhalten haben, aber aufgrund nicht ausreichender Mittel nicht aus diesen Programmen finanziert werden können. Dieser neue Freistellungstatbestand erleichtert den Mitgliedstaaten den Einstieg in derartige FuEuI-Projekte mit staatlichen Mitteln und soll u.a. für KMU-Beihilfen für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben und Durchführbarkeitsstudien gelten.

Förderung von Projekten für die Europäische territoriale Zusammenarbeit („Interreg“)

Bislang war die Freistellung von Art. 20 AGVO auf Kooperationskosten von KMU die an Projekten der europäischen territorialen Zusammenarbeit teilnehmen (ETZ) beschränkt. Aufgrund der neuen Regelung können nunmehr auch Großunternehmen von der Freistellung profitieren. Vereinfacht wurde außerdem die Gewährung von Kleinstbeiträgen von bis zu 20.000,- € pro Begünstigtem und Vorhaben.

Projekte operationeller Gruppen der Europäischen Innovationspartnerschaft („EIP“) „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ und für Projekte der von der örtlichen Bevölkerung betriebenen lokalen Entwicklung (CLLD“)

Von diesem Freistellungstatbestand sind Projekte erfasst, an denen KMU beteiligt sind, die u.a. als LEADER-Projekte bezeichnet werden. Auch hier wurde eine Vereinfachung für kleine Fördervorhaben eingeführt. Diese gilt für Vorhaben mit einem Fördervolumen von höchstens 200.000,- € für Projekte, die von der örtlichen Bevölkerung betrieben werden und von höchstens 350.000,- € für Projekte operationeller Gruppen der EIP.

Beihilfen für Energieeffizienz an Gebäuden

Art. 39 AGVO regelt bislang die Freistellung von Investitionsbeihilfen für gebäudebezogene Energieeffizienzprojekte. Mit der Änderung werden Vereinfachungen für die Berechnung beihilfefähigen Kosten z.B. für Wohngebäude eingeführt. Daneben werden auch Kombinationen für Beihilfen für Energieeffizienzmaßnahmen an Gebäuden mit Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien, für das Ausrüsten mit Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge freigestellt, sowie auch Investitionen zur Digitalisierung von Gebäuden und Beihilfemaßnahmen zur Begünstigung von Energieleistungsverträgen.

Beihilfen für örtlich zugängliche Lade- und Tankinfrastrukturen für emissionsfreie und emissionsarme Straßenfahrzeuge

Bisher fielen Beihilfen für Lade- und Tankinfrastrukturen als lokale Infrastrukturen in den Anwendungsbereich der AGVO. Größere Netzinfrastrukturen in diesem Bereich waren einzeln bei der Kommission anzumelden. Die aktuellen Änderungen sollen Erleichterung bringen und der Ausbau von Versorgungsnetzen für Lade- und Tankinfrastrukturen für emissionsarme oder -frei Straßenfahrzeuge nunmehr in weit größerem Umfang als bisher freigestellt werden. Das dürfte insbesondere den Ausbau von Wasserstofftankstellen beflügeln.

Beihilfen für Breitbandinfrastruktur

Vor dem Hintergrund der angestrebten Digitalisierung enthält die AGVO nunmehr auch neue Regelungen für  Investitionen in den Breitbandausbau. Dabei geht es um den Anschluss von Haushalten und sozioökonomischen Schwerpunkte in Gebieten, in denen keine Download-Geschwindigkeit von mindestens 30 Mbit/s bzw. 100 Mbits/s vorhanden ist und in denen der Netzausbau nicht innerhalb von drei Jahre nach der Veröffentlichung der geplanten Beihilfemaßnahmen erfolgen soll. Ein Ausbau von bis zu 300 Mbit/s in zugunsten von sozioökonomischen Schwerpunkten in Gebieten möglich, in denen eine zuverlässige Download-Geschwindigkeit von mindestens 100 Mbits/s vorhanden ist. Neue Vorschriften gibt es im Übrigen auch für die Einführung von 4G- und 5G-Mobilfunknetzen.

Verlängerung der Ausnahmeregel für Unternehmen in Schwierigkeiten

Die Corona-bedingte Ausnahmeregel aus dem Temporary Framework wird bis zum 31.12.2021 verlängert. Damit können Unternehmen, die nach dem 31.12.2019 in Schwierigkeiten geraten sind, bis Ende diesen Jahren ausnahmsweise freigestellte Beihilfen auf Grundlage der AGVO erhalten.

Etappen-Sieg für die Kommission bei Prüfung von „tax rulings“ zugunsten von Nike und Converse: Klage gegen Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens abgewiesen

Etappen-Sieg für die Kommission bei Prüfung von „tax rulings“ zugunsten von Nike und Converse: Klage gegen Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens abgewiesen

Seit 2013 untersucht die Kommission die mitgliedsstaatliche Praxis der Gewährung von an sich legalen Steuervorbescheiden (sog. „tax rulings“) zugunsten multinationaler Konzerne auf ihre Vereinbarkeit mit dem Beihilfenrecht. Nicht selten gelangte die Kommission in entsprechenden Beschlüssen zur Beihilferechtswidrigkeit des jeweiligen Steuervorbescheides.

Im Zusammenhang mit Entscheidungen des EuG zu den Beschlüssen der Kommission überwogen hierbei zuletzt allerdings die negativen Nachrichten für die Kommission (siehe insofern EuG zum Thema Tax-rulings: die Kommission liegt 1:2 im Rückstand & Rückschlag für die Kommission – EuG hält Nachforderung von Steuern gegen Apple für rechtswidrig).

Nun kann sie aber einen vorläufigen Erfolg in ihrem fortwährenden Vorgehen gegen ihrer Ansicht nach beihilferechtswidrige Steuervorbescheide verbuchen:

Nach einer Entscheidung des EuG vom 14. Juli 2021 (Rs. T-648/19) ist die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens in Bezug auf tax rulings, die von der niederländischen Steuerverwaltung in den Jahren 2006, 2010 und 2015 zugunsten von Nike European Operations Netherlands (im Folgenden „Nike“) und in den Jahren 2010 und 2015 zugunsten von Converse Netherlands (im Folgenden „Converse“) erlassen worden waren, rechtmäßig. Die von Nike und Converse erhobene Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission wies das Gericht vollumfänglich ab.

Die in Streit stehenden Maßnahmen:

Nike und Converse schulden anderen, in den Niederlanden nicht steuerpflichtigen, Gesellschaften der Nike-Gruppe Lizenzgebühren (sog. „royaltys“) als Gegenleistung für die Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums, u.a. für den exlusiven Vertrieb von Produkten der jeweiligen Marken in bestimmten Ländern der EMEA-Region (Europe, Middle East, Africa). Die Lizenzgebühren mindern die von Nike und Converse in den Niederlanden zu versteuernden Einkünfte.

Mit den gegenständlichen tax rulings wurde von der niederländischen Steuerverwaltung die sich aus der jeweiligen Höhe der Lizenzgebühren ergebende Verrechnungspreistransaktion in steuerlicher Hinsicht für zulässig erklärt.

Die Entscheidung der Kommission:

In ihrem Beschluss vom 10. Januar 2019 gelangt die Kommission zu der vorläufigen Bewertung, dass die tax rulings zu einem selektiven Vorteil für Nike und Converse führen. Entsprechend leitete sie das förmliche Prüfverfahren ein, um zu ermitteln, ob eine rechtswidrige staatliche Beihilfe vorliegt.

Sie folgt bei der Prüfung des Vorliegens eines selektiven Vorteils ihrem aus den Beschlüssen zu Starbucks, Fiat Chrysler und Apple (siehe hierzu die oben angeführten Beiträge)bekannten Ansatz, dass die jeweilige Steuerbehörde die konzerninternen Verrechnungspreise so festzusetzen habe, wie sie zwischen unabhängigen Gesellschaften unter Marktbedingungen für eine vergleichbare Transaktion ausgehandelt worden wäre (sog. „arm’s length principle“).

Diesem Ansatz sei die niederländische Steuerverwaltung hier nicht gefolgt. Unter anderem dadurch, dass sie eine falsche Kalkulationsmethode angewandt habe und die finanzielle Situation der lizenzgebenden Unternehmen nicht berücksichtigt habe, sei ein niedrigerer Jahresgewinn als Grundlage genommen worden, als wenn ein fremdvergleichskonformer Preis herangezogen worden wäre.

Die Entscheidung des EuG:

Das Gericht wies die Rügen der Kläger Nike und Converse, dass die Kommission (1.) ihre Begründungspflicht verletzt habe, (2.) offensichtliche Beurteilungsfehler begangen habe und (3.) Verfahrensrechte der Kläger missachtet habe, in vollem Umfang ab. Hierbei besann es sich auf mittlerweile altbekannte Grundsätze zur Prüfung der Beihilferechtmäßigkeit von tax rulings und auf Grundprinzipien des förmlichen Prüfverfahrens.

Verletzung der Begründungspflicht

Bereits bei der Prüfung, ob die Kommission ihre Begründungspflicht verletzt haben könnte, betont das Gericht, dass es sich bei der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens lediglich um den Abschluss einer vorläufigen Prüfungsphase handele. Folglich sei die Beurteilung der Kommission nicht abschließend, sondern kann sich zunächst darin erschöpfen, zusätzliche Informationen erlangen zu wollen. Die Begründung des Eröffnungsbeschlusses müsse deshalb nur die bisherigen Erkenntnisse, nach denen die Kommission zu ihren (vorläufigen) Zweifeln der Maßnahme mit dem Binnenmarkt gelangt ist, zusammenfassen und involvierten Parteien so die Möglichkeit geben, sich effektiv am förmlichen Prüfverfahren zu beteiligen.

Diesen Voraussetzungen sei die Kommission umfassend nachgekommen. Die Kommission habe die individuelle Natur und mögliche Selektivität der Maßnahmen nachvollziehbar und ohne inneren Widerspruch begründet.

Anders als von den Klägern als Argument für eine Verletzung der Begründungspflicht angeführt, sei es in diesem Stadium insbesondere nicht notwendig, sich bereits dazu zu äußern, ob eine Beihilferegelung existiert.

Offensichtliche Beurteilungsfehler

Zur Begründung eines Beurteilungsfehlers der Kommission führen die Kläger an, die tax rulings hätten rein deklarativen Charakter und seien keine Vorbedingung für die Ausübung der Tätigkeiten in den Niederlanden oder für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes.

Auch hier hebt das Gericht die sich aus dem Verfahrensstadium ergebenden Besonderheiten hervor:

Das Gericht könne keine finale Entscheidung über eine Frage treffen, zu der die Kommission erst eine vorläufige Beurteilung vorgenommen habe. Die Überprüfbarkeit des Beschlusses beschränke sich deshalb darauf, ob die Kommission einen Beurteilungsfehler dahin gehend begangen hat, dass es des förmlichen Prüfverfahrens bedarf. Dem sei die Kommission hinreichend nachgekommen.

Es obliege nach einschlägiger Rechtsprechung des Gerichts (siehe die bereits angeführten Beiträge zu den Entscheidungen zu Starbucks, Fiat Chrysler und Apple) der Kommission anhand des „arm’s length principle“ zu beurteilen, ob die Steuerbehörde Verrechnungspreise so festgesetzt hat, wie dies unter normalen Marktbedingungen in den Niederlanden der Fall wäre.

Da sich die – ausschließlich der Kommission obliegende – Beantwortung dieser Frage nur mit der Einholung weiterer Informationen von den beteiligten Parteien und Mitgliedstaaten bewerkstelligen lasse, könne die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens zu diesem Zweck per se schon nicht mit Erfolg angefochten werden.

Schließlich sei es aber auch nicht fehlerhaft gewesen, von der Selektivität der tax rulings auszugehen. Sie beträfen individuell die Kläger und keine anderen Unternehmen. Die Kommission habe ihre vorläufige Einschätzung eines selektiven Vorteils im Übrigen durch ihre oben angeführte Argumentation hinreichend dargelegt.

Soweit die Kläger anführen, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, indem sie nicht gegen andere Profiteure vergleichbarer Steuervorbescheide vorgehe, betont das Gericht den Grundsatz „keiner Gleichbehandlung im Unrecht“: Die Kläger können sich zur Stützung eigener Ansprüche nicht auf rechtswidrige Maßnahmen zugunsten anderer berufen.

Missachtung von Verfahrensrechten

Soweit die Kläger sich auf eine Missachtung ihrer Verfahrensrechte berufen, beschränkt sich das Gericht auf die Anmerkung, dass im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens Stellungnahmen an die Kommission gesendet werden können und den Klägern insofern alle Verfahrensrechte zustehen und wahrgenommen werden können.

Fazit

Das Urteil des EuG ist wohl zunächst nicht mehr als ein Etappen-Sieg der Kommission in ihrer Tour gegen die tax-rulings. Dies insbesondere deshalb, weil es sich „nur“ um eine Klage gegen einen Eröffnungsbeschluss handelt. In diesem Zusammenhang ist insbesondere im Hinblick auf die Begründungstiefe der Kommission eine andere Messlatte anzulegen als bei einer abschließenden Entscheidung: „Daher ist die Beurteilung der in Rede stehenden Maßnahmen durch die Kommission nicht endgültig und kann sich im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens zur Einholung zusätzlicher Informationen … weiterentwickeln“ (Rn. 72 des Urteils).

Damit betont das Gericht zu Recht den vorläufigen Charakter der Begründung der Kommission in der Verfahrenseröffnung. Die bereits längere Zeit im Beihilfenrecht Aktiven mag dieser Hinweis an die Klageflut gegen die Verfahrenseröffnung im Zusammenhang mit dem „EEG 2012“ im Jahre 2014 erinnern. Angestoßen wurde diese damals durch das Urteil des EuGH in dem Verfahren Deutsche Lufthansa (Rs. C-284/12), in dem der Gerichtshof die bindende Wirkung von Eröffnungsentscheidungen für nationale Gerichte manifestiert. Für alle die jetzt eine Trendwende wittern der Hinweis: Aus Sicht des EuGH stand der Bindungswirkung bereits damals der vorläufige Charakter der Einschätzung der Kommission im Rahmen der Verfahrenseröffnung nicht entgegen. Vielmehr ging der EuGH auch vor dem Hintergrund, dass die Kommission im Rahmen des Prüfverfahrens ihre Meinung noch ändern würde, von einer Bindung der nationalen Gerichte an den Eröffnungsbeschluss aus.

Im Hinblick auf die beihilferechtliche Bewertung der konkreten tax rulings bleibt abzuwarten, wie die Kommission im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens entscheidet und ob es dann in die nächste Etappe geht.

 

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner

Konsultationen über Konsultationen – ein Überblick

Konsultationen über Konsultationen – ein Überblick

Politische Veränderungen zum einen – wie der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU oder die Vorgaben des „Green Deals“ der Kommission -, Erkenntnisse aus dem Fitness-Check der EU-Beihilferegeln zum anderen beeinflussen auch die Regelungen des EU-Beihilfenrechts.

Nach der Verlängerung der Anwendbarkeit einiger Beihilferegelungen ist die Kommission mit zahlreichen Änderungen und Überarbeitungen unterschiedlicher Beihilfeinstrumente befasst und führt aktuell zu einigen geplanten oder in ersten Entwürfen bereits vorgenommenen Änderungen öffentliche Konsultationen durch, um ein Feedback von den Mitgliedstaaten und anderen Interessierten zu erhalten.

Ein kurzer Überblick:

Mitteilung über kurzfristige Exportkreditversicherungen:

Die Kommission hat eine Roadmap zur Überarbeitung ihrer Mitteilung veröffentlicht und für Feedback freigegeben.

Die derzeit geltende Mitteilung läuft am 31.12.2021 aus. Im Rahmen des Fitness-Checks der Beihilferegelungen ist die Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass die aktuellen Regelungen funktionieren, aber einige gezielte Änderungen notwendig sind, um die Regelungen an andere bereits überarbeitete Beihilferegelungen anzugleichen und technische Anpassungen vorzunehmen.

Die Konsultation zur Roadmap läuft seit dem 26. Mai 2021 und endet am 23. Juni 2021. Die Annahme der neuen Mitteilung ist für das vierte Quartal 2021 angedacht.

Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen

Ebenfalls im Rahmen ihres Fitness-Checks hat die Kommission festgestellt, dass auch die Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen der Überarbeitung bedürfen. Die Kommission hat am 21.05.2021 einen Entwurf der überarbeiteten Leitlinien zur Konsultation freigegeben.

Die Änderungen betreffen zum einen Anpassungen zur besseren Lesbarkeit und Anwendbarkeit der Vorschriften und Klarstellungen zu den Anforderungen an den Nachweis eines Marktversagens. Zum anderen soll eine bessere Kompatibilität der Regelungen mit der Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe und der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung gewährleistet werden.

Die Konsultation läuft bis zum 16.07.2021.

Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen

Nach ihrem Weißbuch vom 17.06.2020 und den hierzu gelaufenen Konsultationen (siehe Gleiche Rechte für alle – auch bei Subventionen aus Drittstaaten) hat die Kommission ihren Vorschlag einer Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen vom 05.05.2021 veröffentlicht. Bis zum 22. Juli ist das Fenster für Feedback zum nun konkret vorgeschlagenen Instrument geöffnet.

De-minimis-Beihilfen im Agrar- und Fischereisektor

Art. 10 des Protokolls zu Irland/Nordirland, das Bestandteil des Austrittsabkommens mit dem Vereinigten Königreich ist, sieht vor, dass in Bezug auf Maßnahmen, die den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen zwischen Nordirland und der Union beeinträchtigen, bestimmte Bestimmungen des Unionsrechts weiterhin fortgelten. Hierzu zählen sowohl die De-minimis-Verordnung im Agrarsektor als auch die De-minimis-Verordnung im Fischereisektor.

Um die Einhaltung des Protokolls zu gewährleisten, wurden die in den Anhängen der Verordnungen für das gesamte Vereinigte Königreich vorgesehenen kumulierten Höchstbeträge durch entsprechende Beträge allein für Nordirland ersetzt. Hierbei wurde dieselbe Berechnungsmethode angewandt, die bei den Mitgliedsstaaten zum Zeitpunkt der Erstellung der Anhänge herangezogen wurde.

Die Konsultationsperiode zu den insofern rein mathematischen Änderungen läuft vom 28.05.2021 bis zum 23.07.2021.

Leitlinien für Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen

Die Kommission hat ihren Entwurf der überarbeiteten Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen veröffentlicht und eine gezielte öffentliche Konsultation zu dem Entwurf eingeleitet.

Die Überarbeitung soll zu den Zielen des „Green Deals“ der Kommission beitragen und die zunehmende Bedeutung des Klimaschutzes berücksichtigen. Der Entwurf enthält insofern eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Leitlinien, um Förderungen in neuen Bereichen – wie der sauberen Mobilität oder der Energieeffizienz von Gebäuden – und in allen Bereichen, die zur Verwirklichung der Ziele des Green Deals dienen, zu ermöglichen. Des Weiteren sollen geltende Vorschriften flexibler gestaltet und gestrafft werden, Schutzvorkehrungen zur Sicherstellung des wirksamen Einsatzes der Beihilfen eingeführt werden und die Regelungen zwecks Kohärenz an die relevanten Rechtsvorschriften und Strategien der EU für Umweltschutz und Energie angeglichen werden.

Die Konsultationsperiode läuft vom 07.06.2021 bis zum 02.08.2021.

 

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner

Begründungspflicht der Kommission und „New Normal“ in der Spruchpraxis des EuG

Begründungspflicht der Kommission und „New Normal“ in der Spruchpraxis des EuG

Weiter geht es mit den Urteilen des Gerichts der Europäischen Union (EuG) in Sachen Ryanair / Kommission im Zusammenhang mit der Gewährung von Covid-19-Beihilfen verschiedener Mitgliedsstaaten im Luftverkehrssektor.

Nach den Urteilen vom 17.02.2021 (siehe Keine Diskriminierung durch mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen) und den Urteilen vom 14.04.2021 (siehe Ryanairs Kampf gegen Diskriminierung im Beihilfenrecht geht weiter) veröffentlichte das EuG nun die nächsten drei Urteile vom 19.05.2021 (Rechtssachen T-628/20T-643/20 und T-465/20).

Und im Gegensatz zu den bislang für die irische Fluggesellschaft ernüchternd ausfallenden Urteilen hat das EuG dieses Mal zwei der drei Nichtigkeitsklagen stattgegeben.

Doch so viel vorab: Eine Abkehr von den in den bisherigen Urteilen aufgestellten Grundsätzen nimmt das EuG nicht vor. Die Urteile geben vielmehr Aufschluss über die Reichweite der Begründungspflicht der Kommission im Zusammenhang mit der beihilferechtlichen Prüfung von Unternehmensgruppen. Interessant macht die Urteile jedoch die befristete Aussetzung der Wirkung der Nichtigkeit.

Die Entscheidungen des EuG

Ryanair DAC/Kommission (Rs.T-643/20)

Mit Beschluss vom 13. Juli 2020 hat die Kommission festgestellt, dass eine staatliche Beihilfe der Niederlande zugunsten der Fluggesellschaft KLM gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV unter Berücksichtigung des befristeten Rahmens mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Die genehmigte Beihilfe in Höhe von insgesamt 3,4 Mrd. EUR bestand aus einer Garantie und einem Darlehen. Bei KLM handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Holdinggesellschaft Air France-KLM. Im Mai 2020 hatte die Kommission bereits eine Einzelbeihilfe Frankreichs zugunsten von Air France, einer weiteren Tochtergesellschaft der Air France-KLM, genehmigt.

Das EuG entschied nun, dass die Kommission ihren Beschluss nicht hinreichend begründet habe und dass die Ausführungen und Feststellungen in dem Kommissionsbeschluss für das Gericht nicht ausreichen, um die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen für die Beihilfe auf Grundlage des befristeten Rahmens zu prüfen.

Das Gericht führt in der Rs. T-643/20 diesbezüglich aus, dass die zuvor zugunsten von Air France genehmigte Beihilfe bei der Prüfung der Beihilfe zugunsten der KLM ebenfalls hätten berücksichtigt werden müssen, um den Anforderungen an die Begründungspflicht einer Entscheidung nach Art. 296 AEUV gerecht zu werden. Bei der Überprüfung einer Beihilfen zugunsten von Unternehmen, die einer Unternehmensgruppe angehören, habe die Kommission die Verbindungen der einzelnen Unternehmen daraufhin zu untersuchen, ob diese als wirtschaftliche Einheit – folglich als ein Begünstigte – angesehen werden müssen und deshalb wettbewerbsrelevante Kumulierungen zu befürchten sind. In diesem Zusammenhang verfüge die Kommission zwar über einen weiten Beurteilungsspielraum, müsse aber die zu würdigenden Umstände hinreichend belegen. Dem angefochtenen Beschluss sei jedoch nicht zu entnehmen, dass die Kommission die Gewährung von Beihilfen an zwei Tochtergesellschaften unter Einbindung der Holdinggesellschaft insgesamt gewürdigt habe. Dem Beschluss seien weder Angaben über die Zusammensetzung des Aktienbesitzes bei Air France und KLM oder Informationen zur funktionellen, wirtschaftlichen und institutionellen Verbindung zwischen der Holdinggesellschaft Air France-KLM und ihren Tochtergesellschaften zu entnehmen. Noch enthalte er Ausführungen dazu, wie ein Spill-over-Effekt der Beihilfen zwischen  Air France und KLM ausgeschlossen werden könne. Allein eine diesbezügliche Bestätigung der niederländischen Behörden reiche aus Sicht des Gerichts nicht aus.

Des Weiteren konnte das EuG aufgrund der unzureichenden Begründung weder prüfen, ob die Beihilfe notwendig und erforderlich ist, noch ob die in Rn. 25 Buchst. d und Rn. 27 Buchst. d des befristeten Rahmens festgelegten Kumulierungsbedingungen und Höchstbeträge eingehalten sind.

Ryanair DAC/Kommission  (Rs.T-465/20)

Mit Beschluss vom 10. Juni 2020 erklärte die Kommission ein von ihr als staatliche Beihilfe Portugals zugunsten des Luftfahrtunternehmens Transportes Aéreos Portugueses SGPS SA (TAP) eingestuftes Darlehen als nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV und den Leitlinien der Kommission für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten als mit dem Binnenmarkt vereinbar. Der Darlehensvertrag war auf einen Höchstbetrag von 1,2 Mrd. EUR festgesetzt und wurde zwischen Portugal als Darlehensgeber, TAP Air Portugal als Darlehensnehmerin und der TAP als Bürgin und Begünstigte geschlossen. Bei TAP handelt es sich um die Muttergesellschaft und alleinige Anteilseignerin TAP Air Portugals.

Auch in dieser Rechtssache fehlt es dem EuG an einer ausreichenden Begründung, um die Prüfung der Kommission auf Grundlage der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien nachzuvollziehen. Nach Rn. 22 dieser Leitlinien muss die Kommission kumulativ prüfen, (1.) ob das begünstigte Unternehmen einer Unternehmensgruppe angehört, (2.) die Schwierigkeiten, denen es ausgesetzt ist, solche des Unternehmens selbst sind, die nicht auf eine willkürliche Kostenaufteilung innerhalb der Gruppe zurückzuführen sind und (3.) die Schwierigkeiten so gravierend sind, dass sie von dieser Gruppe selbst nicht bewältigt werden können. Die Kommission habe aber weder ermittelt oder auch nur angegeben, ob die TAP als Begünstigte des Darlehens einer solchen Unternehmensgruppe angehört. Noch habe sie belegt, dass es sich um Schwierigkeiten der TAP selbst handelt, die weder auf eine konzerninterne Kostenverteilung zurückzuführen ist noch von der Gruppe aus eigener Kraft bewältigt werden können. Auch in diesem Verfahren sieht das Gericht die Begründungspflicht gem. Art. 296 AEUV verletzt. Dem Kommissionsbeschluss sei daher aufgrund mangelnder Begründung auch nicht zu entnehmen, ob die Kommission aufgrund ernsthafter Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Beihilfen nicht hätte ein förmliches Prüfverfahren eröffnen müssen.

Aussetzung der Wirkung der Nichtigkeit des Urteils

Erstmals führt Ryanairs Klagelust zu Erfolg. Dennoch ist das letzte Wort damit noch nicht gesprochen. Der Ball liegt wieder im Feld der Kommission und diese muss sich erneut an einer Begründung für ihre Entscheidung zu versuchen. Dieses Mal sogar unter zeitlichem Druck. Hintergrund dafür ist, dass das Gericht auf Grundlage von Art. 264 Abs. 2 AEUV die Wirkung der Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses bis zum Erlass eines neuen Beschlusses der Kommission ausgesetzt hat. Für den Fall, dass die Kommission ohne Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens entscheidet, ist die Aussetzung auf zwei Monate ab Verkündung des Urteils beschränkt. Wenn die Kommission beschließt, ein förmliches Prüfverfahren zu eröffnen, ist die Aussetzung für einen „angemessenen Zeitraum“ aufrechtzuerhalten.

Im Rahmen von Nichtigkeitsklagen gegen Kommissionsbeschlüsse mit beihilferelevantem Hintergrund ist eine Aussetzung der Wirkung der Nichtigkeit nicht alltäglich – geht es im Fall bereits gewährter Beihilfen doch insbesondere um die kurzfristige Beseitigung der Wettbewerbsbeeinträchtigung.

Die Unionsgerichte verfügen jedoch hinsichtlich der Aussetzung der Nichtigkeitswirkung nach Art. 264 Abs. 2 AEUV über einen weiten Beurteilungsspielraum. Dies gilt sowohl für die Frage, ob eine Anordnung erfolgt, als auch für deren konkrete Ausgestaltung. Im Rahmen einer Abwägung hat das Gericht zu prüfen, ob die aus der Diskontinuität der Rechtslage resultierenden Nachteile gegenüber der Durchsetzung der materiellen Rechtmäßigkeit und dem effektiven Rechtsschutz überwiegen. Zu berücksichtigen sind dabei sowohl das öffentliche Interesse der Union als auch das des betroffenen Mitgliedstaats und die Interessenslage Privater.

Die Aussetzung der Nichtigkeitswirkung in beiden Urteile des EuG ist vor allem im Zusammenhang mit den COVID-19-bedingten Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben und insbesondere den Luftverkehrssektor in Europa und zu sehen. Ohne Aussetzung der Wirkung der Nichtigkeit wären die Kommission und die Behörden der beiden Mitgliedstaaten nach Art. 266 AEUV verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, das jeweilige Urteil umzusetzen. Eine Rückforderung bereits gewährter Beihilfen sowie ein Verbot der Gewährung weiterer Beihilfen bis zur Umsetzung der Rückforderung („Deggendorf-Doktrin“) hätte vermutlich die Lebensfähigkeit beider Fluggesellschaften und damit die Luftverkehrsanbindung Portugals und der Niederlande gefährdet. Vor dem Hintergrund der bereits bestehenden pandemiebedingten beträchtlichen Störungen des Wirtschaftslebens beider Mitgliedstaaten hielt das Gericht eine zeitliche Beschränkung der Wirkung der Nichtigkeitserklärung des angefochtenen Beschlusses daher für gerechtfertigt.

Diese Begründung wird in der Rs. T-465/20 durch ein zusätzliches Argument ergänzt: Das EuG führt aus, dass es sich bei der angefochtenen Beihilfe um einen Teil eines „andauernden Vorgangs“ handele „der aus unterschiedlichen, aufeinanderfolgenden Phasen bestehe“. Gemeint ist damit, dass die gewährte Rettungsbeihilfe für einen bereits vergangenen Zeitraum von sechs Monaten gewährt worden war und Portugal nach dem Ablauf dieses Zeitraums verpflichtet ist, nun die Beihilfe zurückzuzahlen oder einen Umstrukturierungs- bzw. Liquidationsplan vorzulegen (Rn. 55 lit d der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien). Dieser Ansatz erscheint ebenfalls zielorientiert aber ungewöhnlich. Zum einen betonen die Kommission und auch die Unionsgerichte seit Jahren, dass Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen zwei verschiedene Phasen eines Unternehmens in Schwierigkeiten betreffen und daher unabhängig voneinander zu prüfen sind. Zum anderen ist für die Genehmigung einer Umstrukturierungsbeihilfe jedoch grundsätzlich die Rechtmäßigkeit einer Rettungsbeihilfe erforderlich – und diese ist hier aus Sicht des EuG vor dem Hintergrund der fehlenden Begründung ja gerade nicht gegeben – es sei denn, dass Gericht antizipiert, dass die Kommission die Rechtmäßigkeit der Rettungsbeihilfe begründen kann.

In der Rs. T-643/20 führt das Gericht als ergänzendes Argument für die Aussetzung an, dass die Nichtigkeit nur auf einen Begründungsmangel und nicht auf einen sachlichen Fehler zurückgehe. Auch dieser Ansatz erstaunt, da das Gericht damit zwischen der Wertigkeit der Nichtigkeitsgründen des Art. 263 AEUV differenziert.

Fazit

Außer Frage steht, dass die Entscheidung des EuG die Wirkung der Nichtigkeit zunächst auszusetzen pandemiegemäß und richtig erscheint. Die konkreten Folgen einer unmittelbaren Umsetzung der Nichtigkeit auf die beiden Fluggesellschaften und das Wirtschaftsleben der betroffenen Mitgliedstaaten wären nicht absehbar und möglicherweise irreparabel – auch für die gesamte europäische Wirtschaft. Die Begründungen für die Aussetzung überzeugen jedoch beihilfedogmatisch nicht – soziale und wirtschaftspolitische Argumente des Gerichts erstaunen zumindest an dieser Stelle. Üblicherweise sind Insolvenzen im Zusammenhang mit der Rückforderung rechtswidriger Beihilfen bislang hinzunehmen und zur Bereinigung der Wettbewerbsbeeinträchtigung sogar gewollt. Mit diesen beiden Urteilen scheint daher die – insbesondere politisch motivierte – „new normal“ auch in die Spruchpraxis des EuG Einzug zu halten.

 

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner


Ryanairs Kampf gegen Diskriminierung im Beihilfenrecht geht weiter

Ryanairs Kampf gegen Diskriminierung im Beihilfenrecht geht weiter

Erneut muss sich das Unionsgericht mit Klagen von Ryanair befassen, die sich gegen verschiedene Corona-Beihilfen zugunsten von Wettbewerbern richten.   

Insgesamt sind es wohl mehr als 16 Klagen, die die irische Fluggesellschaft gegen Beihilfen in Höhe von mehr als 30 Milliarden Euro in Luxemburg eingereicht haben soll. Bislang allerdings ohne Erfolg. Die beiden ersten Klagen gegen französische und schwedische Beihilfemaßnahmen hatte das Gericht bereits im Februar diesen Jahres abgewiesen.

Nun beschert das EuG drei weitere Urteile im Zusammenhang mit COVID-19-Beihlifen im stark gebeutelten Luftverkehrssektor und wehrt damit erneut das Ansinnen Ryanairs ab, (Rechtssachen T-378/20, T-379/20 und T-388/20).

Ryanair kündigte an, auch hier Berufung gegen die Urteile beim EuGH einlegen zu wollen.

Gegenstand der Verfahren

Das EuG entschied am 14. April 2021 über die Rechtmäßigkeit von insgesamt drei Beschlüssen der Europäischen Kommission.

Mit Beschlüssen vom 15. April 2020 und vom 24. April 2020 stufte die Kommission von Dänemark und Schweden zugunsten der Fluggesellschaft SAS AB gewährte revolvierende Kreditfazilitäten bis zu einem Höchstbetrag von 1,5 Mrd. schwedische Kronen als eine nach Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe ein.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2020 erklärte die Kommission eine von Finnland zugunsten von Finnair Plc gewährte staatliche Garantie für ein Darlehen in Höhe von 600 Mio. EUR unter Verweis auf den Temporary Framework für nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Ryanair hat gegen die drei Beschlüsse Klage auf Nichtigerklärung erhoben. Wie schon bei den im Februar entschiedenen Klagen ähneln sich auch diesmal die Klagegründe und Argumente sehr. Im Kern wirft Ryanair der Kommission zum einen vor, verkannt zu haben, dass die Gewährung der Beihilfen für ein einzelnes Unternehmen die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV bzw. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV schon nicht erfüllen kann. Jedenfalls seien solche Einzelmaßnahmen aber ungeeignet und unverhältnismäßig, um die Folgen der Pandemie zu beseitigen. Zum anderen würden durch die Gewährung der Einzelbeihilfemaßnahmen Wettbewerber zu Unrecht diskriminiert.

Im Einzelnen:

  • Die Kommission habe gegen das sich aus Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV ergebende rechtliche Erfordernis verstoßen, dass genehmigte Beihilfen Schäden, die durch außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind und nicht nur Schäden eines Geschädigten solcher Ereignisse beseitigen müssten (Rechtssachen T-378/20 und T-379/20) bzw. die Kommission habe Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV fehlerhaft angewandt, indem sie festgestellt habe, dass die Beihilfe eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands verhindern solle (Rechtssache T-388/20);
  • die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe begangen (T-378/20 und T-379/20) bzw. ihre Pflicht verletzt, die positiven und negativen Auswirkungen der Beihilfen abzuwägen (T-388/20);
  • die Kommission habe weiter gegen die besonderen Vorschriften des AEUV und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts hinsichtlich des Diskriminierungsverbots, des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit verstoßen;
  • die Kommission habe gegen die Verfahrensrechte Ryanairs und gegen ihre Begründungspflicht verstoßen.

Die Entscheidung des EuG

Auch die Würdigung durch das EuG fällt in allen drei Fällen entsprechend ähnlich aus.

Das EuG stellt zunächst fest, dass Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV und Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV sowohl auf Beihilferegelungen, als auch auf Einzelbeihilfen anwendbar sind. Folglich kann die alleinige Tatsache, dass Beihilfen als Einzelbeihilfen (und nicht für alle Betroffenen) gewährt werden, keinen Rechtsfehler begründen. Auch die Vereinbarkeit von Einzelbeihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt ist an den Voraussetzungen des Art. 107 AEUV zu messen.

Im Falle SAS AB führt das EuG dann aus, dass die Beihilfemaßnahmen im Hinblick auf die aufgrund der Pandemie entstandenen Schäden verhältnismäßig sind. Hierbei berücksichtigte es vor allem, dass es sich bei der Bezifferung der durch die Pandemie entstandenen und nach Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV erstattungsfähigen Schäden aufgrund der unsicheren Entwicklung der Pandemie notwendigerweise um eine Prognose handelt. Die gewählte Berechnungsmethode sei in Anbetracht dessen hinreichend konkret, um eine Überkompensation zu vermeiden. Des Weiteren gingen Dänemark und Schweden eine Verpflichtung ein, bis zum 31. Juni 2021 eine nachträgliche Bewertung des tatsächlich entstandenen Schadens vorzunehmen und übersteigende Beihilfen gegebenenfalls zurückzufordern.

Im Falle Finnairs kam das EuG zu dem Ergebnis, dass die staatliche Garantie im Sinne von Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV geeignet ist, die Tätigkeit von Finnair aufrechtzuerhalten und dadurch eine größere Störung im Wirtschaftsleben Finnlands durch einen etwaigen Zahlungsausfall Finnairs zu vermeiden. Hierbei wurden vor allem die absolute und die relative Anzahl der beförderten Fluggäste, das Ausmaß der logistischen Tätigkeit, die Anzahl der Angestellten und der Beitrag zum BIP Finnlands berücksichtigt. Eine Abwägung der positiven und negativen Auswirkungen der Beihilfe sehen – anders als von Ryanair gerügt – weder Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV noch der Temporary Framework vor.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung liegt nach den Ausführungen des EuG ebenfalls nicht vor. Ähnlich wie schon in seinen Urteilen im Februar (Rechtssachen T-259/20 und T-238/20) hebt das EuG hervor, dass eine die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV bzw. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV erfüllende Beihilfe einen solchen Verstoß schon nicht begründen kann. Denn eine Einzelbeihilfe stellt schon kraft ihres Charakters als Einzelmaßnahme eine Ungleichbehandlung dar. Die Annahme, dass eine solche Beihilfe gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoße, würde im Widerspruch zu den Voraussetzungen des Art. 107 Abs.2 lit. b AEUV und Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV stehen und  die Vereinbarkeit einer jeden Einzelbeihilfe mit dem Binnenmarkt in Frage stellen.

Lediglich hilfsweise führt das EuG im Weiteren kurz aus, dass die Beihilfemaßnahmen aber ohnehin erforderlich, geeignet und angemessen sind, um die durch die COVID-19 Pandemie entstandenen Schäden zu beheben bzw. um die durch die COVID-19 Pandemie auftretende beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben zu beseitigen.

Schließlich stellt das EuG fest, dass Ryanair nicht dargelegt hat, inwiefern der Ausschlusscharakter der Maßnahme Ryanair davon abhält, sich im jeweiligen Staat niederzulassen oder Dienstleistungen von dort oder dorthin zu erbringen. Ebenso wenig sei eine Verletzung der Begründungspflicht der Kommission ersichtlich.

Fazit

Keine Diskriminierung durch mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen – diesen bereits in den Urteilen aus Februar herausgearbeiteten Grundsatz hat das EuG abermals bekräftigt. Ryanairs Versuch, über den Umweg des Diskriminierungsverbots und der Grundfreiheiten die Rechtmäßigkeit von nach Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV bzw. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbaren Beihilfen in Frage zu stellen, ist abermals ein Riegel vorgeschoben worden. Ryanair wird sein Ansinnen, dass die Fluggesellschaft nicht berücksichtigende Beihilfen rechtswidrig und diskriminierend seien, weiterverfolgen. Ob der Weg vor den EuGH dabei von mehr Erfolg gekrönt sein wird, darf bezweifelt werden.

 

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner

Forschungsbeihilfen – Was gibt es Neues?

Forschungsbeihilfen – Was gibt es Neues?

Die Kommission hat am 8.4.2021 mit der Konsultation des neuen FuEuI-Rahmens begonnen. Interessierte Parteien sind bis zum 3.6.2021 aufgefordert, Stellungnahmen zum veröffentlichten Entwurf der Kommission abzugeben.

Außerdem steht die „Kleine-AGVO-Reform“ bevor, die auch Forschungsbeihilfen betrifft und es gibt einen „Decision-Tree“ für die Frage „Beihilfe oder nicht“, auf den ich Sie gern aufmerksam machen möchte.

Konsultation des Vorschlags der Kommission zur Überarbeitung des FuEuI-Rahmens

Der aktuelle Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation – so der offizielle Titel, kurz:„FuEuI-Rahmen“ – stammt aus dem Jahr 2014. Er gibt bis heute zum einen Ansätze, unter welchen Voraussetzungen ein Forschungsvorhaben beihilfefrei finanziert und zum anderen, Vorgaben wann und in welcher Höhe eine staatliche Beihilfe von der Kommission genehmigt werden kann. Außerdem finden sich im FuEuI-Rahmen Definitionen, die auch im Anwendungsbereich der AGVO oder IPCEI-Mitteilung hilfreich sind. Die AGVO regelt dabei in den Art. 25 ff., wann eine staatliche Beihilfe für Forschung, Innovation und Entwicklung von der Notifizierungspflicht freigestellt ist.
Die Anwendung des bestehenden FuEuI-Rahmens ist im Gegensatz zu anderen Rechtstexten nicht befristet, vielmehr hat sich die Kommission verpflichtet, diesen „Unionsrahmen zu überprüfen oder zu ändern, wenn sich dies aus wettbewerbspolitischen Gründen, aufgrund anderer Politikbereiche der Union oder internationaler Verpflichtungen oder aus anderen triftigen Gründen als erforderlich erweist“ (Rn. 129). Im Rahmen Ihres allgemeinen Fitness-Checks evaluiert die Kommission derzeit das gesamte beihilferechtliche Regelwerk. Bei der Evaluierung des FuEuI-Rahmens berücksichtigt sie insbesondere ihre aktuellen politischen Ziele im Zusammenhang mit dem Green Deal und dem digitalen Wandel
Nun hat die Kommission einen ersten Entwurf für die Überarbeitung des FuEuI-Rahmens veröffentlicht.

Geplante Neuerungen

Ziel der Kommission ist es, bestehende Definitionen von Forschungs- und Innovationstätigkeiten zu verbessern und zu vereinfachen. Daher ist z.B. die Einführung einer vereinfachten Methode zur Berechnung der indirekten Kosten zur Ermittlung der förderfähigen Kosten vorgesehen. Ziel ist, durch klare und einfachere Regelungen Mitgliedstaaten und Beihilfenempfängern mehr Rechtssicherheit zu bieten und den Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Behörden zu verringern, mit dem Ziel FuEuI-Investitionen zu erleichtern.
Weiter geht es der Kommission um die Einführung neuer Bestimmungen zur Unterstützung von Technologieinfrastrukturen. Zu Technologieinfrastrukturen gehören u.a. Pilotanlagen, Testanlagen, Demonstratoren, Digital Innovation Hubs, für die es bislang keine expliziten Beihilferegelungen gab. Durch die Aufnahme von Genehmigungskriterien in den FuEuI-Rahmen soll eine raschere Entwicklung innovativer Technologien – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – ermöglicht werden, um den grünen und digitalen Übergang der EU-Wirtschaft zu erleichtern. Die staatliche Förderung von Technologieinfrastrukturen ist aufgrund von Marktversagen insbesondere im Zusammenhang mit der Umwandlung von Forschungsergebnissen in Innovationen erforderlich. Dieser Bereich ist regelmäßig durch hohe wirtschaftliche Risiken geprägt, die KMU mangels privater Investoren vielfach nicht allein tragen können.
In Rn. 40 des bisherigen FuEuI-Rahmens finden sich Ausführungen zu der beihilferechtlichen Bewertung von sog. wirtschaftlichen Nebentätigkeiten. Die Kommission geht davon aus, dass bei wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher Nutzung einer Forschungsinfrastruktur oder einer Forschungseinrichtung – soweit ihre jährliche Gesamtkapazität nur bis maximal 20% für nicht-wirtschaftliche Nebentätigkeiten genutzt wird – die staatliche Finanzierung insgesamt keine Beihilfe darstellt. Voraussetzung ist allerdings, dass die wirtschaftliche Tätigkeit unmittelbar mit dem Betrieb der Infrastruktur verbunden und dafür erforderlich ist oder in untrennbarem Zusammenhang mit der nicht-wirtschaftlichen Haupttätigkeit steht.
Über den Anwendungsbereich des FuEuI-Rahmens hinaus findet dieser Ansatz inzwischen im gesamten Beihilfenrecht Anwendung (s. dazu Rn. 207 der Bekanntmachung zu Beihilfenrecht mit Hinweis auf Rechtsprechung). Im Rahmen des aktuellen Entwurfs des FuEuI-Rahmens stellt die Kommission jetzt klar, dass auch im Zusammenhang mit der Einhaltung der 20%-Grenze für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit der im Beihilferecht übliche 10jährige Kontrollzeitraum (ab Aufnahme der Nebentätigkeit) gilt. Für den Fall, dass sich der Anteil der Nebentätigkeit erhöht, unterfällt die staatliche Finanzierung der wirtschaftlichen Tätigkeit insgesamt den Vorschriften des Beihilfenrechts und nicht nur der überschießende Anteil. Das bedeutet für die betreffenden Stellen neben der Einrichtung einer Trennungsrechnung auch eine genaue Überprüfung der Entwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Beides sollte wohl auch außerhalb des Anwendungsbereichs des FuEuI-Rahmens zukünftig sichergestellt werden.

Die kleine AGVO-Reform

Im Rahmen einer „kleinen AGVO-Reform“ plant die Kommission eine Erweiterung der Freistellungsmöglichkeiten im Bereich FuEuI. Freigestellt werden Beihilfen für bestimmte Vorhaben, für die trotz hervorragender Bewertung keine Haushaltsmittel aus dem EU-Forschungsprogramm Horizont Europa mehr zur Verfügung stehen. Geplant ist auch eine vereinfachte Kombination von Beihilfen mit Unionsförderung in Kofinanzierungsprogrammen mit Horizont Europa. Die geplante Änderung, die Ende April/Anfang Mai in Kraft treten soll, hat den Charme, dass die beihilfegewährende Stelle die Beihilfefähigkeit des FuEuI-Vorhabens nicht mehr prüfen muss, da diese bereits unter Horizont Europa-Bedingungen geprüft wurde.

Decision Tree

Unbedingt lesenswert ist der neue Decision Tree zum Thema FuEuI. Dieser Entscheidungsbaum wurde vom Gemeinsamen Forschungszentrum der Kommission (JRC) in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion für Forschung und für Wettbewerb sowie externen Fachleuten entwickelt, um insbesondere Forschungseinrichtungen und Hochschulen einen Leitfaden für die beihilferechtliche Prüfung von Forschungsvorhaben an die Hand zu geben.  

Condor vs. Lufthansa – über den Wolken…

Condor vs. Lufthansa – über den Wolken…

… muss die Freiheit wohl grenzenlos sein – so singt jedenfalls Reinhard Mey. Das sieht Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager allerdings anders und schaut daher erneut der Lufthansa genauer unter die Flügel.
Angesichts sinkender Passagierzahlen in der Corona-Krise ringen die Airlines um eine bessere Auslastung ihrer Flugzeuge. Dass das Beihilfenrecht bei diesem Kampf ein hilfreiches Instrument sein kann, hat bereits die Vergangenheit gezeigt. Aber auch in der Krise wird mit harten Bandagen gekämpft wie jüngst die Klagen von Ryanair  gegen die Corona-Beihilfen von Wettbewerbern vor dem Gericht der Europäischen Union gezeigt haben. Zu groß ist die Angst vor dem Einfluss staatlicher Mittel auf den Wettbewerb im Luftverkehr – wenn sie denn einem Konkurrenten gewährt werden. Das zeigt aktuell auch das Duell zwischen Lufthansa und Condor.

Die Player

Die Lufthansa ist ein weltweit operierender Luftverkehrskonzern mit über 500 Tochterunternehmen und Beteiligungen. Dazu gehörten u.a. Austrian Airlines, Brussels Airlines, Swiss, Eurowings – um nur einige zu nennen. Der Höhenflug der Fluggesellschaft wurde mit Ausbruch der Corona-Pandemie jäh gestoppt. Sinkende Passagierzahlen sorgten für einen Umsatzrückgang von über 50% auf 13,6 Mrd. € in 2020 – 2019 waren es noch 36,4 Mrd. €. Mit Hilfe staatlicher Unterstützung konnte die Lufthansa wieder durchstarten: Nach zähem Ringen hat die Kommission am 25. Juni 2020 staatliche Beihilfen zugunsten der Lufthansa genehmigt. Teil des Pakets war dabei vor allem eine 20%ige staatliche Beteiligung über den WSF. Um die Auswirkungen der Beihilfe auf den Wettbewerb abzufedern, hat die Kommission die Genehmigung auf Grundlage des Temporary Frameworks mit einer Reihe von Auflagen verbunden: u.a. Vergütungsbeschränkungen für Vorstand und Management, Abgabe von Slots.
Auch der Fluggesellschaft Condor ist das Beihilfenrecht nicht fremd. Die Airline war Teil der seit September 2019 in Insolvenz befindlichen Thomas Cook Group. Nach Eröffnung dieses Insolvenzverfahrens geriet auch die Condor in Liquiditätsschwierigkeiten. Ein KfW-Darlehen iHv. 380 Mio. € (verbürgt durch den Bund und das Land Hessen) wurde von der Kommission am 14. Oktober 2019 als Rettungsbeihilfe genehmigt (Staatliche Beihilfe SA.55394). Der geplante Verkauf an die polnische Fluggesellschaft LOT scheiterte jedoch aufgrund Corona-bedingter eigener Schwierigkeiten des potentiellen Käufers. Auch hier musste der Staat wieder helfen. Am 27. April 2020 genehmigte die Kommission ein weiteres (staatlich verbürgtes) Darlehen der KfW iHv. 550 Mio. € auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 b AEUV als Ausgleich für den Corona-bedingten Schaden der Airline (Staatliche Beihilfe SA. 56867).

Was bisher geschah

1. Akt

Condor hält die mit der Genehmigung der Beihilfen verbundenen Auflagen der Lufthansa nicht für ausreichend um Auswirkungen auf den Wettbewerb zu verhindern. Daher hat die Fluggesellschaft am 12. Februar 2021 Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der Kommission beim Gericht der Europäischen Union eingelegt (Rs. T-87/21).

2. Akt

Die Antwort der Lufthansa war deutlich. Sie kündigte ein sog. „Special Prorate Agreement“ mit der Condor. Als Begründung wird die Fokussierung auf das Feriengeschäft genannt. Die Lufthansatochter Eurowings-Discover wird ab Sommer 2021 eigene Langstreckenflüge anbieten und dabei mit dem Angebot der Condor in Wettbewerb gehen. Dann benötigte diese die Anschlussflüge der Lufthansa.
Das „Special Prorate Agreement“ hat die Condor bislang in die Lage versetzt, ihre Langstreckenflüge von Frankfurt inklusive Zubringerflüge der Lufthansa anzubieten. Das Risiko von Verspätungen der Feeder-Flights lag dabei bei der Lufthansa. Nun steht die Condor ab 1. Juni voraussichtlich ohne die Lufthansa-Anschlüsse da. Umsteigeverbindungen mit wechselnden Fluggesellschaften lassen sich insbesondere durch Reiseveranstaltung insgesamt schwerer vermarkten, die Kombination von Lufthansa und Condor ist für viele Reisende dabei immer noch ein Zeichen von „Zuverlässigkeit“. Der Rat der Lufthansa, die Passagiere zukünftig für einen Flug ab Frankfurt in die Bahn zu setzen, ist aus Sicht von Condor keine wirkliche Alternative.

3. Akt

Gegen das Vorgehen der Lufthansa legte Condor beim Kartellamt Beschwerde ein. Das Kartellamt kommt zu der vorläufigen Einschätzung, dass an der Beschwerde was dran ist, da die Lufthansa mit der Kündigung des Vertrages möglicherweise ihre marktbeherrschende Stellung in ungebührlicher Weise ausnutze. Auch wenn noch kein abschließender Beschluss des Kartellamts vorliegt, rudert die Lufthansa nach Presseinformationen zurück. Die Fortführung der Verträge erscheint daher derzeit nicht ausgeschlossen.

4. Akt

Die EU-Kommission tritt auf. Den Medien ist zu entnehmen, dass die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager über das Verhalten der Lufthansa „not amused“ gewesen sein soll. Bestehe doch die Gefahr, dass die Beihilfen zu wettbewerbswidrigem Verhalten genutzt würden. Aber das war nicht der einzige Stein des Anstoßes: Die Lufthansa hatte außerdem 25 Mio. € an Gläubiger einer Hybridanleihe gezahlt, ohne die Kommission darüber vorab zu informieren. Diese Zahlung sei notwendig gewesen, um den Finanzmarkt nicht zu verunsichern – erklärt Lufthansa. Verunsichert wurde durch dieses Vorgehen jedoch die Wettbewerbskommissarin, weil die Lufthansa damit gegen Auflagen der Genehmigung verstoßen hat. Gläubiger und Aktionäre dürfen nach dem Temporary Framework bis zum endgültigen Ausstieg des Staates aus der Rekapitalisierung grundsätzlich nicht bedient werden. Neben dem Verbot Boni an die Geschäftsführung zu gewähren soll damit ein Anreiz gesetzt werden, die Anteile, die der Staat mit seiner Beteiligung an dem Beihilfenempfänger übernommen hat, schnellstmöglich wieder zu zurück zu kaufen.

Finale

Ein Finale ist bisher noch nicht in Sicht, die weitere Handlung nur zu erahnen. Es ist einiges Porzellan zerschlagen worden, dass von den deutschen Behörden zusammenzukehren ist. Es werden Fragen von der Kommission gestellt, die unangenehm werden könnten. Können diese von deutscher Seite nicht zufriedenstellend beantwortet werden, droht der Lufthansa schlimmstenfalls die Rückforderung der Beihilfen. Um das zu verhindern, wird das, was auf beihilferechtlicher Ebene nicht geklärt werden kann auf politischer Ebene zu verhandeln sein. Allerdings hat es Frau Vestager in der Vergangenheit auch schon mit größeren Playern aufgenommen und wird daher nicht davor zurückschrecken, der Lufthansa zu zeigen, dass auch über den Wolken die Freiheit nicht grenzenlos ist, sondern auch dort das Beihilfenrecht gilt.

Das EEG 2021 – warten auf eine Genehmigung der EU-Kommission

Das EEG 2021 – warten auf eine Genehmigung der EU-Kommission

Am 1. April 2000 trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft. In den vergangenen 20 Jahren standen das Gesetz und seine Reformen regelmäßig auf der Agenda von Kommission und Unionsgerichten.

Auch das EEG 2021 liegt wieder auf dem Tisch der Kommission. Dieses Mal allerdings nicht, weil die Kommission der Frage nachgehen muss, ob überhaupt eine Beihilfe vorliegt. Dieses Mal geht die Bundesregierung proaktiv vom Vorliegen einer Beihilfe aus und bittet um Genehmigung einzelner Maßnahmen auf Grundlage der Energie- und Umweltleitlinien.
Gültig ist das EEG 2021 bereits seit dem Tag seines Inkrafttretens am 1. Januar 2021. Einige Regelungen können jedoch erst nach der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission zur Anwendung kommen:

  • Förderung alter Windanlagen, die das Ende der 20-jährigen Förderdauer erreicht haben
    Die geplante Anschlussförderung ist auch nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums beihilferelevant und muss von der Kommission zunächst genehmigt werden. Bis dahin können diese Anlagen von der Marktdurchleitung für kleine Solaranlagen unter 100 KW Gebrauch machen. Die Förderung wird nach Erteilung der Genehmigung dann verrechnet. Die Förderung von kleinen Solaranalgen unter 100 KW ist aus Sicht der Bundesregierung beihilfefrei möglich, da der in diesen Anlagen erzeugte Strom von den Netzbetreibern zu Marktkonditionen durchgeleitet wird.
  • Anlagen in der Festvergütung
    Bis zu einer beihilferechtlichen Genehmigung erhalten diese Anlagen eine Vergütung nach dem beihilferechtlich genehmigten EEG 2017 (die Genehmigung wurde verlängert). Die im Anschluss an die Genehmigung erfolgende Förderung auf Grundlage vom EEG 2021 wird mit der Förderung auf Grundlage des EEG 2017 verrechnet.
  • Besondere Ausgleichsregelungen
    Auch hier ist eine beihilferechtliche Genehmigung erforderlich, damit eine Förderung gewährt werden kann. Diese betrifft insbesondere stromintensive Unternehmen. Die entsprechenden Bescheide erteilt auch hier wieder das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) aufgrund der Antragsverfahren 2020. Die erlassenen Bescheide werden regulär und ohne Vorbehalt zum 1. Januar 2021 wirksam.

Fazit
Wieder einmal muss sich das EEG einer Beihilfekontrolle unterziehen. Liegt eine Beihilfe vor – und davon geht die Bundesregierung aus – darf diese gem. Art 108 Abs. 3 AEUV erst nach Erlass einer Genehmigung durch die Kommission gewährt werden. Ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot führt nach der Rechtsprechung des BGH zur Nichtigkeit des der Gewährung zugrundeliegenden Vertrages bzw. zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Einen Vertrauensschutz räumt die Rechtsprechung der Unionsgerichte dem betroffenen Unternehmen nur sehr eingeschränkt – und grundsätzlich überhaupt nicht unter Bezugnahme auf nationales Recht – ein. Daher tut Deutschland gut daran, die Förderung derzeit nur mit gebremsten Schaum durchzuführen. Der Erlass von unzähligen Rückforderungsbescheiden – zuletzt im Zusammenhang mit dem StromNEV – ist allen Beteiligten noch in unguter Erinnerung. Es bleibt zu hoffen, dass der Schwebezustand für alle Beteiligte ein baldiges Ende finden wird – hoffentlich dieses Mal ohne einen Umweg über Luxemburg…

Zuviel Kohle für die Kohle? – Ein zäher Weg bis zum Kohleausstieg

Zuviel Kohle für die Kohle? – Ein zäher Weg bis zum Kohleausstieg

Die Kommission hat am 2. März 2021 das förmliche Prüfverfahren über die geplanten Entschädigungszahlungen für die vorzeitige Stilllegung der Braunkohlekraftwerke eröffnet.

Dabei geht es wieder einmal um viel Geld: Insgesamt plant die Bundesregierung den beiden Betreibern der Braunkohlekraftwerke – RWE und LEAG – mit 4,35 Mrd € unter die Arme zu greifen, damit diese ihre Kraftwerke vorzeitig vom Netz nehmen. Die Kommission meldet jedoch Bedenken an. Die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens kam dabei nicht wirklich überraschend. Bereits im November 2020 hat die Kommission die staatliche Finanzierung des Ausstiegs aus der Steinkohleverstromung genehmigt (s. dazu Blogbeitrag vom 22. Dezember 2020) und darauf hingewiesen, sich die Braunkohleverstromung noch einmal genauer anschauen zu wollen.

Geplant sind derzeit Entschädigungszahlungen an die Betreibergesellschaften sowohl für den durch die Schließung verursachten entgangenen Gewinn als auch für zusätzliche Tagebaufolgekosten, die durch die verfrühte Schließung entstehen sollen. Aus Sicht der Kommission geht es um die Frage, ob die Entschädigungszahlungen auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt sind. Dabei handelt es sich um einen Prüfungspunkt, der Inhalt jeder beihilferechtlichen Überprüfung ist, vor dem Hintergrund, den Wettbewerb nicht übermäßig zu belasten. Bei der Überprüfung des Ausstiegs hatte die Kommission die Einhaltung des Mindestmaßgebots bejaht. Im Unterschied zur Steinkohle wurde beim Braunkohleausstieg aufgrund der geringeren Zahl der Marktteilnehmer die Höhe der Entschädigung nicht in einem wettbewerblichen Verfahren ermittelt, sondern zwischen der Bundesregierung und den Betreiber aus verhandelt. Das Verhandlungsergebnis nimmt die Kommission nun genauer unter die Lupe und meldet bereit Zweifel an der übermittelten Berechnungsgrundlage für die Schadenshöhe an.

Fazit:

Der Weg aus der Kohleverstromung ist in vielerlei Hinsicht kein leichter. Weder für die betroffenen Regionen noch für die Betreiber der Kraftwerke. Vor dem Hintergrund des Green-Deals als aktuellem Lieblingskind der Kommission, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung aus beihilferechtlichen Gründen scheitern wird. Interessant ist jedoch, welchen Preis der Steuerzahler dafür bezahlen muss. Mit einem Brief an die Kommission hat Client-Earth bereits Zweifel an der Transparenz der Vertragsverhandlung und insbesondere an der Höhe der Entschädigungszahlungen angemeldet. Im Übrigen weist Client-Earth auch darauf hin, dass der Kohleausstieg in anderen Mitgliedstaaten auch ohne staatliche Unterstützung funktioniere.

Keine Diskriminierung durch mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen

Keine Diskriminierung durch mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen

In zwei Urteilen vom 17.02.2021 (Rechtssachen T-259/20 und T-238/20) hatte das EuG zum ersten Mal über die Nichtigkeit von Kommissionsbeschlüssen im Zusammenhang mit COVID-19-Beihilfen zu entscheiden.

Den Anfang machte damit Ryanair – ein Kläger mit einschlägigen Erfahrungen im Beihilfenrecht. Die Luftverkehrsgesellschaft fühlte sich aufgrund eines in Frankreich im Rahmen der COVID-19 Pandemie eingeführtes Zahlungsmoratoriums für Steuern zur Unterstützung von Luftfahrtunternehmen und einer von Schweden im Rahmen der COVID-19 Pandemie eingeführte Regelung über Darlehensgarantien zur Unterstützung von Luftfahrtunternehmen diskriminiert. In beiden Fällen blieben die Klagen jedoch ohne Erfolg.

Der Klagevorwurf von Ryanair

Die Klagen Ryanairs betreffen unterschiedliche Maßnahmen – von Ad-Hoc-Maßnahmen bis zu Beihilferegelungen – deren Genehmigungen die Kommission teils auf Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV (so bspw. in dem in der Rechtssache T-259/20 angefochtenen Beschluss) und teils auf Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV (so bspw. in dem in der Rechtssache T-238/20 angefochtenen Beschluss) stützt. Die Maßnahmen begünstigen dabei unterschiedliche Fluggesellschaften in beiden Mitgliedstaaten. Ryanair wirft der Kommission vor, die bei paneuropäischen Fluggesellschaften im Rahmen der COVID-19 Pandemie entstandenen Schäden außer Acht gelassen zu haben und es den Mitgliedsstaaten so erlaubt zu haben, Beihilfen ausschließlich bestimmten Airlines vorzubehalten.

Den gleichförmigen textbausteinartigen Klagen liegen im Kern die gleichen Klagegründe zugrunde (siehe exemplarisch die Klage in der Rechtssache T-259/20):

Die Beschlüsse der Kommission würden gegen die besonderen Vorschriften des AEUV und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts hinsichtlich des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoßen;

die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe bezüglich des Schadens begangen oder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

Die Entscheidungen des EuG

Das EuG hat beide Klagen aus übereinstimmenden Erwägungen abgewiesen.

Zunächst stellt das EuG fest, dass Art. 18 Abs. 1 AEUV insofern eine Einschränkung erfährt, dass Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge (d.h. u.a. des AEUV) verboten sind. Da Art. 107 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV solche besonderen Bestimmungen darstellen, ist die Vereinbarkeit der jeweiligen Maßnahme mit dem Unionsrecht am Maßstab dieser Vorschriften zu prüfen.

Nach Einschätzung des EuG stellen die jeweiligen Maßnahmen nach diesen Grundsätzen keine verbotene Diskriminierung dar. Die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV (in der Rechtssache T-259/20) und des Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV (in der Rechtssache T-238/20) sind erfüllt.

In einem Fall bedeuten die erlassenen Verkehrsbeschränkungs- und Eindämmungsmaßnahmen als Reaktion auf die Pandemie ebenso wie die Pandemie selbst ein außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV. In dem anderen Fall hat die Pandemie zu einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben im Sinne des Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV geführt.

Das EuG kommt zu dem Ergebnis, die als Reaktion auf die Folgen der Pandemie erlassenen Maßnahmen gehen nicht über das hinaus, was zur Beseitigung der entstandenen Schäden bzw. zur Behebung der durch die Pandemie entstandenen beträchtlichen Störung erforderlich ist. Die Maßnahmen sind insofern verhältnismäßig.

Hierbei schob das Gericht ausdrücklich dem wohl eigentlichen Ansinnen Ryanairs, bei den Beihilferegelungen der jeweiligen Mitgliedsstaaten berücksichtigt zu werden, einen Riegel vor. Das Gericht erläutert jeweils ausführlich, dass eine Erstreckung der jeweiligen Regelung auf nicht in dem Mitgliedsstaat ansässige Unternehmen wohl nicht verhältnismäßig wäre. Im Falle Schweden stellen die für eine Beihilfe in Betracht kommenden Unternehmen die Anbindung Schwedens durch die Beförderung von sowohl Fracht als auch Passagieren auf regelmäßigen Verbindungen von und nach Schweden sicher. Im Falle Frankreichs sind die für eine Beihilfe in Betracht kommenden Unternehmen am stärksten von den Eindämmungs- und Verkehrsbeschränkungsmaßnahmen betroffen. Die Erstreckung der Regelungen auf paneuropäische, nicht ortsansässige Unternehmen würde dazu führen, dass diese Zwecke nur weniger präzise und mit einem höheren Risiko der Überkompensation erreicht werden könnten.

Hinsichtlich des von Ryanair gerügten Verstoßes gegen den in Art. 56 AEUV verankerten freien Dienstleistungsverkehr beschränkte sich das EuG auf die Feststellung, dass die Grundfreiheit nicht auf den einer besonderen rechtlichen Regelung unterliegenden Verkehrsbereich anwendbar ist. Die Festlegung der Voraussetzungen des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs im Luftsektor ist in der Verordnung Nr. 1008/2008 erfolgt. Einen Verstoß gegen die Verordnung hat Ryanair aber nicht geltend gemacht.

Auch den Vorwurf eines offensichtlichen Fehlers der Kommission bei der Beurteilung des Wertes des gewährten Vorteils lehnte das EuG unter kurzem Hinweis darauf ab, dass die Höhe der den Unternehmen entstandenen Schäden den Gesamtbetrag der jeweiligen Beihilfe höchstwahrscheinlich bei weitem übersteigen wird, sodass eine Überkompensation auszuschließen ist.

Fazit

Die Praxis der Gewährung von Beihilfen für ein Unternehmen als einzelfallbezogene Ermessensentscheidung kann als solche keine unzulässige Diskriminierung sein. Die EU-Beihilfenkontrolle dient nicht dazu, über den Umweg Diskriminierungsverbot oder Grundfreiheiten zu einer Verteilungskontrolle ausgeweitet zu werden.

Den dahingehenden Ansatz Ryanairs hat das EuG unter klarer Herausarbeitung des Zusammenspiels zwischen den Vorschriften über staatliche Beihilfe und der in Art. 18 AEUV geregelten Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und den Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr folgerichtig abgelehnt. So findet insbesondere Art. 18 AEUV seine Einschränkung in den Beihilfevorschriften, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind.

Das EuG nutzte die Gelegenheit, Ryanair auch über diese Erwägungen hinaus in seinem Ansinnen, dass die jeweils von einem Mitgliedstaat gewährten Beihilfen nicht nur bestimmten Airlines vorbehalten sein sollten, in die Schranken zu weisen. Das Gericht stellte – eingerahmt in die Prüfung des Art. 107 AEUV – klar, dass in den rechtmäßigen Beihilferegelungen der Mitgliedsstaaten nicht nur keine Diskriminierung Ryanairs bestehe, sondern dass umgekehrt eine Erstreckung der Regelungen auf nicht ortsansässige Luftfahrtunternehmen zu einer Unverhältnismäßigkeit der Regelung führen würde.

 

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner

Ein seltener Fall im Beihilfenrecht: Ein Beschluss der Kommission auf Grundlage des DawI-Rahmens

Ein seltener Fall im Beihilfenrecht: Ein Beschluss der Kommission auf Grundlage des DawI-Rahmens

Regelmäßig werden Beihilfen auf Grundlage des DawI-Freistellungsbeschlusses oder der DawI-De-minimis Verordnung gewährt. „Nicht-Beihilfen“ auf Grundlage der Altmark-Kriterien gibt es in Ausnahmefällen. Noch seltener sind jedoch Fälle, in denen die Kommission die Ausgleichszahlungen einer DawI auf Grundlage des DawI-Rahmens genehmigt.

Umso interessanter sind derartige Kommissionsentscheidungen, aus denen auch über das betroffene Verfahren hinaus grundsätzliche Schlüsse für die Herangehensweise der Kommission im Zusammenhang mit DawI-Ausgleichsleistungen gezogen werden können. Um so einen Fall handelt es sich bei den seitens Italiens zugunsten der Seeverkehrsgesellschaften der Tirrenia-Gruppe gewährten Ausgleichsleistungen, die die Kommission auf Grundlage des DawI-Rahmens bereits im März 2020 genehmigt hat, (EU) 2020/1411 (C 64/99 (ex NN 68/99), ABl. EU L 12.10.2020, S.1.

Hintergrund

Die Unternehmen der Tirrenia-Gruppen haben seit 1991 auf Grundlage von mit dem italienischen Staat geschlossener Verträge Seevekehrsdienste als eine öffentliche Dienstleistung erbracht und dafür staatliche Mittel erhalten. 

Nachdem die Kommission im Jahr 1999 diesbezüglich zahlreiche Beschwerden privatwirtschaftlicher Betreiber erhalten hatte, erklärte sie in mehreren Entscheidungen, zuletzt im Jahr 2005, die Beihilfen als mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Die Entscheidung wurde vom EuG mit Urteil vom 04. März 2009 (verbundene Rechtssachen T-265/04, T-292/04 und T-504/04) für nichtig erklärt.

Die daraufhin erfolgte erneute Prüfung der Kommission führte zu der im Folgenden dargelegten Beurteilung der zwischen 1992 und 2008 gezahlten Beihilfen.

Beschluss der Kommission

In ihrem Beschluss vom 02.03.2020 gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Ausgleichszahlungen teils um bestehende Beihilfen und teils um eine auf Grundlage des DawI-Rahmens mit dem Binnenmarkt vereinbare neue Beihilfen handelt.

Bestehende oder neue staatliche Beihilfen

Bei dieser Frage differenziert die Kommission zwischen Kabotageverbindungen (Verbindungen innerhalb eines Landes) und internationalen Verbindungen.

Hinsichtlich der Kabotageverbindungen kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Ausgleichszahlungen aufgrund des direkten Zusammenhangs zwischen gezahltem Ausgleich und den in der ursprünglichen Vereinbarung verankerten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen eine bestehende Beihilfe im Sinne der Anciennitätsklausel des Artikel 4 Absatz 3 der Seekabotageverordnung (Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 07. Dezember 1992) darstellt. Nach der Klausel können „bestehende Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes bis zum jeweiligen Ablaufdatum gültig bleiben.“.

Den Ausgleich für den Betrieb der internationalen Routen stufte die Kommission demgegenüber als neue Beihilfe im Sinne des Artikels 1 der Verfahrensverordnung (Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates) ein, nach dem bestehende Beihilfen „alle Beihilfen, die vor Inkrafttreten des AEUV in dem jeweiligen Mitgliedstaat bestanden“ darstellen. Die ursprüngliche Beihilferegelung habe wesentliche Änderungen erfahren, die ihren Charakter stark verändert hätten, sodass im Grunde eine völlig neue Beihilferegelung entstanden sei. Unter anderem seien die meisten internationalen Routen, die Gegenstand des Beschlusses waren, nicht vor Inkrafttreten des EG-Vertrages in Betrieb genommen, die Rechtsgrundlage nach Inkrafttreten des EG-Vertrages aufgehoben und der Zeitraum, über den ein Ausgleich gewährt werden konnte, wiederholt verlängert worden.

Vereinbarkeit der Beihilfe

Die Vereinbarkeit der gewährten Beihilfen für den Betrieb der internationalen Routen maß die Kommission an den Voraussetzungen des am 31.01.2012 in Kraft getretenen Rahmens der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichszahlungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (im Folgenden „DawI-Rahmen von 2012“):

Vorliegen einer DawI

Unter einer DawI versteht man nach den Randnummern 12 und 13 des DawI-Rahmens von 2012 Dienstleistungen, die im Allgemeininteresse liegen und die unter normalen Marktbedingungen von Unternehmen nicht bereits zufriedenstellend erbracht werden oder erbracht werden können – also ein Marktversagen vorliegt. Die Festlegung einer solchen Dienstleistung obliegt dem Ermessen der Mitgliedsstaaten, sodass die Kommission ihr Vorliegen nur infrage stellen kann, wenn eine offenkundige Fehlbeurteilung vorliegt.

Im konkreten Fall beschränkte die Kommission deshalb ihre Prüfung auf die Frage, ob der Betrieb der internationalen Verkehrsverbindungen von Italien als notwendig erachtet wurde, um einem dringend öffentlichen Beförderungsbedarf zu genügen.

Hierbei stellte die Kommission anhand einer umfassenden Prüfung zunächst fest, dass der Betrieb der Routen den jeweiligen Unternehmen Kosten verursachte, die nicht entstanden wären, wenn es allein nach dem eigenen wirtschaftlichen Interesse gehandelt hätte.

In der Folge beurteilte die Kommission für jede einzelne Verbindung, ob es konkurrierende Anbieter von Dienstleistungen gab, die den vom öffentlichen Betreiber angebotenen Dienstleistungen ähnlich oder vergleichbar waren und den von den Behörden festgelegten Anforderungen genügten. Hierbei kam sie zu dem Ergebnis, dass es sich entweder um „echte DawI“ handelte, da das begünstigte Unternehmen das einzige war, das regelmäßige und zuverlässige Fährdienste für Passagiere und Fracht auf den Routen sicherstellte oder aber, dass das legitime öffentliche Interesse, eine ganzjährige Linienverbindung aufrecht zu erhalten, durch das freie Spiel der Marktkräfte nicht erreicht werden konnte. In beiden Fällen bejahte die Kommission ein Marktversagen.

Eine ausgleichsfähige DawI setzt demnach nicht voraus, dass es überhaupt kein Angebot auf dem Markt gibt. Die Kommission gesteht dem Mitgliedstaat ein Ermessen bei der Frage zu, ob ein – für die lokalen Gegebenheiten – ausreichendes Angebot am Markt besteht. Im jeweiligen Einzelfall überprüft die Kommission jedoch, inwieweit es auf dem Markt ein ausreichendes Angebot gibt, das den behördlichen Anforderungen an die Kontinuität des Leistungsangebots im Hinblick auf Regelmäßigkeit, Häufigkeit und Zuverlässigkeit sowie Qualität entspricht und ob dem erbringenden Dienstleister Kosten entstehen, die er bei Zugrundelegung rein wirtschaftlicher Interessen nicht gehabt hätte. Erforderlich ist dabei, dass ein „echter Bedarf“ besteht, der nicht durch den Markt gedeckt wird.

Vorliegen eines Betrauungsakts

Im Betrauungsakt als „Herzstück“ jeder DawI müssen stets der Gegenstand, die Dauer der Gemeinwohlverpflichtung, das betraute Unternehmen, die Ausgleichsmechanismen und die Parameter der Überkompensationskontrolle enthalten sein. Die vorliegende Kommissionsentscheidung zeigt deutlich, wie akribisch die Kommission die einzelnen Voraussetzungen überprüft und wie sorgfältig daher ein Betrauungsakt auszugestalten ist. Positiv bewertet hat die Kommission im vorliegenden Fall die Festlegung des Ausgleichsmechanismus, da die Höhe der jährlichen Zuschüsse auf der Grundlage eines gesonderten Antrags des Seeverkehrsdienstleisters, der vom zuständigen Ministerium genehmigt werden musste. Zur Vermeidung einer Überkompensation war das betraute Unternehmen außerdem verpflichtet, dem Ministerium relevante Änderungen der im Antrag mitgeteilten Ergebnisse mitzuteilen, um die Ausgleichsleistungen entsprechend anzupassen. Im Nachgang wurde zusätzlich das Vorliegen/Nicht-Vorliegen einer Überkompensation überprüft und die Rückzahlung einer überschießenden Zahlung sichergestellt.

Verhältnismäßigkeit der Kompensationsleistung

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung untersucht die Kommission, inwieweit der Ausgleich tatsächlich dem Nettobetriebsdefizit entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen nicht mehr erhält, als erforderlich ist, um die Nettokosten für die Erbringung der DawI (einschließlich eines angemessenen Gewinns) zu decken.

Soweit die Kommission im Hinblick auf die in einem Fünfjahresplan vorgesehenen Investitionen in ihrem Beschluss von 2005 noch Zweifel hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit geäußert hatte, prüfte sie im vorliegenden Beschluss, in welchem Umfang der Aufwand für die Anschaffung und die Abschreibung der Investitionsgüter bei der Berechnung der jährlichen Ausgleichszahlung berücksichtigt wurden. Hierbei stellte sie fest, dass alle betreffenden Schiffe, Dienstleistungen und weiteren Investitionen ausschließlich für den Verkehr auf Routen mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen eingesetzt wurden und dass deshalb deren Abschreibungen bei der Berechnung der jährlichen Ausgleichszahlung vollständig berücksichtigt werden konnte. Bei einer nur teilweisen Nutzung von Investitionen für die Erbringung einer DawI kann natürlich nur eine anteilige Anrechnung der Anschaffungs- und Abschreibungskosten erfolgen.

Im Ergebnis stellte die Kommission in Einklang mit Randnummer 17 des DawI-Rahmens von 2012 ferner fest, dass die Notwendigkeit, die für die Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Investitionen abzuschreiben, die relativ lange Dauer des Betrauungszeitraums rechtfertigt. Das spielt insbesondere im Rahmen großvolumiger Investitionen z.B. im Zusammenhang mit sozialem Wohnungsbau eine große Rolle.

Fazit

Der Ansatz der Kommission für die Genehmigung einer Ausgleichsleistung auf Grundlage des DawI-Rahmens ist auch auf die anderen Regelungen des sog. „DawI-Pakets“ eins zu eins übertragbar. Häufig ist insbesondere der DawI-Freistellungsbeschluss eine gern genommene Rechtfertigung für eine Beihilfe. Grund dafür ist regelmäßig die Möglichkeit der Gewährung einer Ausgleichsleistung iHv. von immerhin 15 Mio. €, die ohne Notifizierung gewährt werden kann. Deutlich wird durch den aktuellen Beschluss jedoch, dass bereits die Frage, ob durch eine Dienstleistung überhaupt eine DawI erbracht wird und ob ein Marktversagen vorliegt, sorgfältig überprüft werden muss. Dass die Kommission dies auch im Rahmen der Berichtspflichten über die Förderung unter dem DawI-Freistellungsbeschluss überprüft, dürfte auch auf kommunaler Ebene insbesondere im Zusammenhang mit der Wirtschaftsförderung angekommen sein, siehe Blogbeitrag vom 15. Oktober 2019 „Das beihilferechtliche „Klein-Klein“ in der Wirtschaftsförderung.

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner

Beihilfen für Messen und Kongresse und Novemberbeihilfen – Genehmigungen der Kommission

Beihilfen für Messen und Kongresse und Novemberbeihilfen – Genehmigungen der Kommission

Die Kommission hat in der vergangenen Woche zwei wichtige Corona-Regeln für Deutschland genehmigt: Zum einen die sogenannte „Bundesregelung Novemberhilfe Extra“ und zum anderen die Regelung „Bunderahmenregelung Beihilfen für Messen“. Beide Regelungen haben gemeinsam, dass die Kommission sie auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2b AEUV genehmigt hat.

Bundesregelung „Novemberhilfen Extra“ (SA.60045 (2021/N) 

Bereits am 22. November 2020 hatte die Kommission die sog. Novemberhilfen auf Grundlage des Temporary Frameworks genehmigt (SA.59289). Im Rahmen dieser Regelung kann denjenigen Unternehmen, Selbstständigen, Vereinen und Einrichtungen eine Unterstützung bereitgestellt werden, die ihren Geschäftsbetrieb aufgrund der staatlich verhängten Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie vorübergehend einstellen mussten. Aufgrund dieser Rahmenregelung ist es Deutschland möglich, die sog. „Novemberhilfen“ und die „Novemberhilfen plus“ zu gewähren. Mit den Beihilfen können Unternehmen 70 % (Kleinst- und Kleinunternehmen 90%) ihrer in den Monaten März bis November 2020 nicht durch Einnahmen gedeckten Fixkosten bestreiten. Die Unterstützung für den Monat November darf dabei höchstens 75 % des Umsatzes in diesem Monat betragen. Generell ist die Unterstützung auf höchstens 3 Mio. Euro je Unternehmen begrenzt. Bis maximal 4 Mio. € pro Unternehmen können die Beihilfen mit Hilfe einer Förderung aus der Bundesregelung Kleinbeihilfen aufgestockt werden.Nunmehr hat die Kommission ein weiteres Paket von insgesamt 12 Mrd. € für die sog. „Novemberhilfen Extra“ genehmigt. Auf Grundlage dieser Regelung haben Unternehmen aus allen Branchen Anspruch auf Ersatz für Corona-bedingten Schäden, die ihnen durch die von der Bundesregierung im März und April sowie im November und Dezember 2020 zur Eindämmung der Pandemie verhängten Beschränkungen entstanden sind. Die Entschädigung erfolgt in Form direkter Zuschüsse für bis zu 100 % der in diesen Zeiträumen entstandenen Einbußen oder 75 % des Umsatzes in den Vergleichsmonaten November und Dezember 2019. Entscheidend ist, welcher Betrag niedriger ist.

„Bunderahmenregelung Beihilfen für Messen“ SA.59173 
Auf Grundlage dieses insgesamt 642 Mio. € umfassenden Programms können Unternehmen der Messe- und Kongressbranche eine Ausgleichsmöglichkeit für Corona-bedingte Schäden erhalten. Antragsberechtigt sind Eigentümer und Betreiber von Messen und Kongressinfrastrukturen sowie zwischengeschalteten Unternehmen, die Messen und Kongressinfrastrukturen vom Eigentümer an Dritte vermieten. Vielfachen mussten Messen Kongresse aufgrund von Corona-Eindämmungsmaßnahmen der Bundesländer abgesagt werden. Diese Branche ist besonders von diesen Einschränkungen betroffen, da einzelne Messen und Kongresse immer zu wiederkehrenden Terminen im jährlichen oder zweijährlichen Rhythmus stattfinden. Daher gibt es in diesem Sektor keinen sog. „Catch-up-Effekt“, das bedeutet, dass ausgefallene Veranstaltungen nicht nachgeholt werden können.
Auf Grundlage dieser Beihilferegelung können bis zu 100% des entgangenen Gewinns in der Zeit vom 1. März bis 31. Dezember 2020 ausgeglichen werden, wenn der erlittene Gewinnausfall nachweislich auf die Eindämmungsmaßnahmen zurückgeführt werden kann. Der Schaden wird dabei als Differenz zwischen dem durchschnittlichen Betriebsgewinn im Referenzzeitraum (vom 1. März bis 31. Dezember) in den Jahren 2018 und 2019 und dem tatsächlichen Gewinn im gleichen Zeitraum im Jahr 2020 berechnet. Ein Anspruch kann nicht Begünstigter für Zeiträume beansprucht werden, in denen in dem jeweiligen Bundesland keine Verbote für die Durchführung von Messen und Kongresse bestanden. Betreffen die Eindämmungsregeln die Durchführung von Großveranstaltungen können Verluste, die sich aus einer geringeren als der noch zulässigen Teilnehmerzahl ergeben (z. B. aufgrund einer allgemeinen Zurückhaltung der Menschen, solche Veranstaltungen zu besuchen), nicht ausgeglichen werden, da sie nicht auf staatliche Maßnahmen zurückzuführen sind.

Bundesregelung Rekapitalisierung

Bundesregelung Rekapitalisierung

Am 1.12.2020 hat die Kommission die „Bundesregelung für Rekapitalisierungsmaßnahmen und nachrangiges Fremdkapital“ genehmigt. Diese Regelung ergänzt die Unterstützung, die Unternehmen aus dem ebenfalls genehmigten Wirtschaftsstabilisierungfonds erhalten können, mit dem Vorteil, dass von dieser neuen Regelung auch staatliche Unternehmen profitieren können.

Die „Bundesregelung für Rekapitalisierungsmaßnahmen“ enthält die Möglichkeit, Finanzierungsinstrumente in Form von Vorzugsbeteiligungen, hybriden Finanzinstrumente (Stille Beteiligungen, Nachrangdarlehen oder sonstige hybride Finanzinstrumente) und Beteiligungen mit Vollstimmrecht zu gewähren. Entsprechend den Vorgaben des Temporary Frameworks ist die Gewährung dieser Maßnahmen an die Erfüllung strenger Auflagen (u.a. Verbot der Boni-Gewährung auf Geschäftsleitungsebene) sowie Transparenz- und Berichtspflichten geknüpft. Die Gewährung dieser Maßnahmen ist bis zum 30.09.2021 möglich.

Auf Grundlage dieser Bundesregelung können die o.g. Maßnahmen bis zu einem Betrag von 250 Mio. € durchgeführt werden. Übersteigen die Finanzinstrumente diesen Betrag, müssen die Maßnahmen bei der Kommission notifiziert werden. Diese Schwelle betrifft ausschließlich Rekapitalisierungsmaßnahmen. Anderweitige Beihilfen (z.B. Zuschüsse nach der Bundesrahmenregelung Flugplätze) sind bei der Bestimmung der Notifizierungsschwelle grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Es sei denn, mit der Aufspaltung einzelner Maßnahmen soll diese Schwelle bewusst umgangen werden.

Bei der Durchführung der Rekapitaliserungsmaßnahmen ist außerdem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Höchstgrenze ist die Wiederherstellung der Kapitalstruktur Ende 2019. Bei der Bestimmung der Verhältnismäßigkeit sind auch andere gewährte Corona-Beihilfen zu berücksichtigen (z. B. Zuschüsse auf Grundlage der Bundesrahmenregelung Flugplätze). Beträgt z. B. das Delta zur Wiederherstellung der Kapitalstruktur zwischen Ende 2019 und Ende 2021 400 Mio. € und wurden bereits ein Zuschuss über 50 Mio. € gewährt, kann die Rekapitalisierung nur noch einen Umfang von 350 Mio. € betragen um verhältnismäßig zu sein.

Im Hinblick auf die Gewährung von Nachrangdarlehen und das Verhältnis zur „Bundesregelung für niedrigverzinsliche Darlehen 2020“ gilt folgendes: Von der „Bundesregelung für Rekapitalisierungsmaßnahmen und nachrangiges Fremdkapital“ sind Nachrangdarlehen für Großunternehmen erfasst, die eine Höhe von zwei Drittel der jährlichen Lohnsumme und 8,4 % des Gesamtumsatzes im Jahr 2019 übersteigen. Unterhalb dieser Schwelle bleibt die „Bundesregelung für niedrigverzinsliche Darlehen 2020“ anwendbar.
Rekapitalisierungsmaßnahmen dürfen nur als ultima ratio gewährt werden, wenn horizontale Maßnahmen zur Liquiditätsdeckung scheitern – also andere Programme nicht ausreichen, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Dabei muss die Wiederherstellung der Kreditfähigkeit im Hinblick auf das Allgemeinwohl geboten sein. Das ist der Fall, wenn die Bestandsgefährdung des Unternehmens erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt in der Region oder darüber hinaus hätte. Das begünstigte Unternehmen darf zum 31.12.2019 kein Unternehmen in Schwierigkeiten gewesen sein.

Für Vorzugbeteiligung, stille Beteiligung, Nachrangdarlehen und sonstige hybride

Die Gewährung von Rekapitalisierungsmaßnahmen wird regelmäßig mit folgenden Bedingungen verbunden:
– Organmitglieder und Geschäftsleiter dürfen unter Einbeziehung von etwaigen Konzernbezügen Boni, andere variable oder vergleichbare Vergütungsbestandteile nicht gewährt werden. Auch Sonderzahlungen in Form von Gratifikationen oder andere gesonderte Vergütungen neben dem Festgehalt, die in das freie Ermessen des Unternehmens gestellt sind und rechtlich nicht gebotene Abfindungen sind verboten.
– Solange nicht 75 % der Maßnahmen zurückgeführt sind, darf kein Mitglied der Geschäftsleitung des Unternehmens eine Gesamtvergütung erhalten, die über die Grundvergütung zum 31.12.2019 hinausgeht. Diese bildet auch die Obergrenze für nachträglich eingetretene Mitglieder der Geschäftsleitung.
– Verbot der Dividendenausschüttung
– Veröffentlichung von Informationen über die Verwendung der erhaltenen Beihilfen (alle 12 Monate) und inwieweit die Beihilfen im Einklang mit den EU-Zielen und den Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten hinsichtlich des ökologischen und digitalen Wandels verwendet wurden. Diese Verpflichtung besteht auch bereits beim WSF

Die Erfüllung der Auflagen muss in den Jahresabschluss mit einem Extraauftrag für den Abschlussprüfer aufgenommen und geprüft werden.

Beendigung der Rekapitalisierungsmaßnahmen
Ziel ist es die staatliche Corona-Beteiligung so schnell wie möglich zu beenden. Grundsätzlich sollen Rekapitalisierungsmaßnahmen daher innerhalb von sieben Jahren (für nicht börsennotierte Unternehmen) nach Gewährung beendet werden. Allerspätestens aber nach 10 Jahren – Ausnahmen u.a. bei negativen Auswirkungen der Beendigung der Rekapitalisierung auf die Gesamtwirtschaft sind aber möglich.

Ist der Staat einziger Anteilseigner, gelten für den Exit folgende Voraussetzungen:

– Kann zwei Jahre nach Gewährung der COVID-19-Rekapitalisierung durch ein unabhängiges Wertgutachten ein positiver Marktwert belegt werden, wird davon ausgegangen „dass der Staat ausgestiegen ist“. Ein zusätzlicher Veräußerungsakt ist nicht erforderlich.
– Liegt der Marktpreis aber unter dem in Rn. 63 des Temporary Framework festgelegten Mindestpreis, gelten die Auflagen ab dem Zeitpunkt der Gewährung für vier Jahre.
– Das Unternehmen ist verpflichtet, der beihilfegewährenden Stelle spätestens zwölf Monat nach Gewährung der Rekapitalisierungsmaßnahme eine Strategie für die Beendigung der Rekapitalisierungsmaßnahme vorzulegen.
– Wenn nach Ablauf von sechs Jahren seit der Gewährung das Gesamtvolumen der Rekapitalisierung nicht auf einen Wert von 15 % des Eigenkapitals zurückgeführt wurde, muss das Unternehmen einen Umstrukturierungsplan nach den Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten vorgelegt werden.

Beteiligungen mit privaten Investoren
Die Bundesregelung für Rekapitalisierungsmaßnahmen enthält folgende neue Regelung:
– War die Gebietskörperschaft, die die beihilfegebende Stelle errichtet hat, bereits vor der Rekapitalisierung Anteilseignerin, und
– erfolgt die Zuführung neuen Kapitals durch die beihilfegebende Stelle zu gleichen Konditionen wie durch private Investoren, und
– ist die private Beteiligung erheblich (mindestens 30 % des neuzugeführten Kapitals), und
– stellt die Zuführung neuen Kapitals durch die beihilfegebende Stelle aufgrund der besonderen Umstände eine Beihilfe dar, gelten folgende Voraussetzungen:
– Auflagen im Hinblick auf die Vergütung der Geschäftsführung und das Übernahmeverbot sind auf 3 Jahre befristet.
– Das Dividendenverbot wird für den Inhaber neue Anteile aufgehoben.
– Die Voraussetzungen für den staatlichen Exit sind nicht zu beachten
– Bestimmte Berichtspflichten entfallen oder werden zeitlich begrenzt.

Groundhog Day*: Die Frage der Klagebefugnis bei Wettbewerberklagen – Urteil des VG Berlin vom 27.11.2020 (VG 26 K 215.19)

Groundhog Day*: Die Frage der Klagebefugnis bei Wettbewerberklagen – Urteil des VG Berlin vom 27.11.2020 (VG 26 K 215.19)

Seit vielen Jahren beschäftigt die Durchsetzung des EU-Beihilfenrechts neben der EU-Kommission und den Unionsgerichten auch nationale Gerichte im Rahmen von Wettbewerbsbeschwerden. Die Frage der Klagebefugnis ist dabei offensichtlich trotz grundlegender Entscheidungen des BVerwG und des BGH ein Thema, mit dem sich deutsche Gerichte nach wie vor schwertun.

Das belegt eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (26 K 215.19 vom 27. November 2020), in dem es um die Klagebefugnis in einem zweistufigen Förderverfahren für den Breitbandausbau ging.

Der Fall lässt sich vereinfacht wie folgt zusammenfassen: Die Beklagte wurde vom zuständigen Bundesministerium mit der Durchführung des Förderprogramms im Rahmen einer von der Europäischen Kommission genehmigten Rahmenregelung zum Aufbau einer Next Generation Access (NGA)-Breitbandversorgung beliehen. Dementsprechend gewährte die Beklagte der beigeladenen Gebietskörperschaft (Landkreis) einen Zuschuss in Höhe von 6 Mio. Euro und erließ einen entsprechenden Förderbescheid. Nachdem der Landkreis ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt und ein Telekommunikationsunternehmen (TK-Unternehmen) ausgewählt hatte, schloss er nach dem Erlass des Förderbescheids einen Kooperationsvertrag mit dem TK-Unternehmen und verpflichtete sich zur Weiterreichung des Zuschusses; der Zuschuss war nach den einschlägigen Förderbestimmungen vollständig weiterzugeben. Die Klägerin erhob Widerspruch, den die Beklagte mit der Begründung zurückwies, er sei unzulässig. Damit kommen wir zu dem Urteil des VG Berlin, in dem die Klägerin – eine (potentielle) Wettbewerberin des TK-Unternehmens – bei Gericht die Aufhebung des Bescheides des Beklagten beantragte. Das VG Berlin wies die Klage als unzulässig ab, da die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt sei.

Das Gericht stellte in seiner Begründung zunächst klar, dass etwaige anderweitige Möglichkeiten der Rechtsverfolgung das klägerische Rechtsschutzinteresse nicht in Frage stellen würden (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 23). Das Gericht folgte zudem der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV unmittelbar anwendbar sei und auch Wettbewerber schütze (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 26). Gleichwohl verneinte es die Klagebefugnis, da kein Wettbewerbsverhältnis zwischen Landkreis und Klägerin bestünde, was es aber als entscheidend ansah (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 27). Unerheblich war dagegen für das Gericht, dass zwischen der Klägerin mit dem ausgewählten TK-Unternehmen eine Wettbewerbssituation bestand, und es führte dazu aus, dass der Förderbescheid nicht dem TK-Unternehmen, sondern dem Landkreis eine Beihilfe gewähre (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 27). Der dagegen gerichtete Einwand, dass der Landkreis nur eine zwischengeschaltete Stelle zum Durchreichen der Fördermittel sei, drang nicht durch (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 28, 32). So konnte der Hinweis auf die jüngste Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union etwa in Sachen Germanwings (T-716/17, Urteil vom 20.05.2020) das Gericht nicht überzeugen. Dort hatte das EU-Gericht ausgeführt, dass es sich bei einer staatlichen Beihilfe der autonomen Region Sardinien, welche über einen öffentlichen Flughafenbetreiber an eine Fluglinie ausgereicht wurden, um Mittel der Region handelte und nicht um solche des öffentlichen Unternehmens (was dann zu anderen Prüfungsmaßstäben hätte führen können), da dieses nur eine zwischengeschaltete Stelle ohne ausreichenden eigenen Spielraum und ohne eigenen Vorteil sei (T-716/17, Urteil vom 20. Mai 2020, Rn. 75 f.). Das Verwaltungsgericht hielt die Ausführungen für nicht maßgeblich, da die Frage der staatlichen Herkunft nicht entscheidend für die Begründung der Klagebefugnis sei (Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris, Rn. 32).

Insgesamt ist das Gericht offenbar der Auffassung, dass der Landkreis eine eigene Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV erhalten habe und Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV im Hinblick auf diese Beihilfe zwar die Wettbewerber der Gebietskörperschaft, aber nicht die des TK-Unternehmens schützen würden. Damit würde die Klägerin nicht in den Schutzbereich der Norm fallen und nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht klagebefugt sein. Dieses Unterfangen wirft naturgemäß Fragen aus Sicht des EU-Beihilfenrechts auf. Insbesondere wird man sich die Frage stellen müssen, ob überhaupt eine Beihilfe zugunsten der Gebietskörperschaft vorliegt:

Dem EU-Beihilfenrecht sind Konstellationen nun nicht fremd, in denen es zur Gewährung unter Zuhilfenahme eines Dritten kommt. Bereits die Mitteilung der Kommission über den Begriff der staatlichen Beihilfe aus dem Jahr 2016 gibt wertvolle Anhaltspunkte. Diese hält zunächst grundsätzlich fest, dass ein Vorteil auch anderen Unternehmen als denjenigen gewährt werden kann, denen unmittelbar staatliche Mittel zugeführt werden und führt weiter aus, dass Vehikel zur Vorteilsübertragung nicht Beihilfenempfänger sind, sofern der Vorteil nicht bei ihnen verbleibt (Rn. 115 und Fn. 179 dazu). Auch spricht die Bekanntmachung davon, dass mittelbar eine Begünstigung besteht, wenn die Maßnahme so konzi¬piert ist, dass sie ihre sekundären Wirkungen auf bestimmbare (nicht bestimmte!) Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen lenkt (Rn. 116). Auf die Bestimmung des Empfängers kommt es dagegen nicht an, womit auch unerheblich ist, ob das TK-Unternehmen im Förderbescheid erwähnt wird oder nicht (anders offenbar VG Berlin, Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19-, juris, Rn. 29). All dieses deutet eher darauf hin, dass keine Beihilfe zugunsten der Gebietskörperschaft vorliegt und es damit nicht entscheidend ist, wer deren Wettbewerber sind.

Auch die Rechtsprechung zielt in diese Richtung. In Germanwings (T-716/17, Urteil vom 20.05.2020) hatte Sardinien ein Förderprogramm für den Tourismus aufgesetzt (um die Nebensaison anzukurbeln). Danach konnten die lokalen Flughäfen der Insel Fördermittel abrufen und sie ausgewählten Fluggesellschaften zur Verfügung stellen, damit diese ihre Flugverbindungen zur Insel bewerben, und zudem wurde die Beförderung subventioniert. Streitig war, ob es sich um Beihilfen zugunsten der Flughäfen und/oder um Beihilfen zugunsten der Fluggesellschaften handelte. Die Kommission gelangte im Sommer 2016 zu dem Schluss, dass keine Beihilfen zugunsten der Flughafenbetreiber vorlagen (Europäische Kommission, SA33983, Beschluss vom 29.07.2016, Rn. 394 ff.), und das Gericht der Europäischen Union stützte diese These. Es führte aus, dass die Flughafenbetreiber nur als zwischengeschaltete Stelle tätig gewesen seien und dass es daher nur auf das Verhältnis vom italienischem Staat als Beihilfengeber und den Fluglinien als Beihilfenempfänger ankomme (T-716/17, Urteil vom 20. Mai 2020, Rn. 75 f. und 140 – Germanwings). Überträgt man die Wertungen auf den obigen Fall, so läge wohl nur eine Beihilfe an das TK-Unternehmen vor, da die Gebietskörperschaft den Zuschuss gemäß den Vorgaben des Förderprogramms gänzlich weitergereicht hat. Dann aber wären die Wettbewerber des TK-Unternehmens bei einer vorzeitigen Gewährung dieser Beihilfe geschützt.

Doch nicht nur EU-rechtlich wirft die Entscheidung Fragen auf. So lehnte das Verwaltungsgericht einen Zusammenhang zwischen Förderbescheid und möglicher Rechtsverletzung aus Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV ab, da der Bescheid nicht an das TK-Unternehmen, sondern an die Gebietskörperschaft gerichtet war (VG Berlin, Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19, juris, Rn. 33). Obgleich die Gewährung der Beihilfe an ein TK-Unternehmen durch eine Gebietskörperschaft regelmäßig die Folge des Förderbescheids sein dürfte, konnte das Gericht keinen ausreichenden Kausalzusammenhang erkennen. Mit anderen Worten sei die Rechtsverletzung nicht „durch“ den Verwaltungsakt erfolgt (VG Berlin, Urteil vom 27. November 2020 – 26 K 215.19 -, juris Rn. 27, 29), wie es § 42 Abs. 2 VwGO vorsieht.

Wir werden den Ausgang des Verfahrens beobachten!

*Groundhog day ist der Originaltitel einer US-amerikanischen Filmkomödie aus den 90’er Jahren, die in Deutschland unter dem Titel “Und täglich grüßt das Murmeltier” lief.

Startschuss für IPCEI zur Förderung des Aufbaus einer Wasserstoff-Wertschöpfungskette

Startschuss für IPCEI zur Förderung des Aufbaus einer Wasserstoff-Wertschöpfungskette

Am 17. Dezember 2020 hat Deutschland im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gemeinsam mit 21 weiteren EU-Staaten und Norwegen das „Manifesto zur Entwicklung einer europäischen Wertschöpfungskette Wasserstofftechnologien und –systeme“ unterzeichnet und das IPCEI (Important Project of Common European Interest) Wasserstoff gestartet.

Das IPCEI soll im Einklang mit den Zielen der am 10. Juni 2020 verabschiedeten Nationalen Wasserstoffstrategie sowie der im Rahmen des „Green Deals“ der EU verabschiedeten EU Wasserstoffstrategie die massive Unterstützung mit öffentlichen Mitteln in die Erzeugung von grünem Wasserstoff, in die Wasserstoffinfrastruktur und in die Nutzung von Wasserstoff in der Industrie und für die Mobilität ermöglichen.

Am 11.01.2021 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ein Interessensbekundungsverfahren gestartet, im Rahmen dessen bis zum 19. Februar 2021 Projektskizzen für Einzelvorhaben eingereicht werden können, die für eine solche Förderung in Betracht kommen.

Deutschland bringt dabei Erfahrungen aus drei von der Europäischen Kommission bereits genehmigten IPCEI mit deutscher Beteiligung mit: Das im Dezember 2018 genehmigte IPCEI zur Förderung von Forschung und Innovation im Bereich der Mikroelektronik, das im Dezember 2019 genehmigte erste IPCEI zur Förderung von Forschung und Innovation im Bereich Batterien und das im Januar 2021 genehmigte Herbst-IPCEI zur Förderung von Forschung und Innovation in der Batterie-Wertschöpfungskette.

Ziele und Voraussetzungen des IPCEIs

IPCEI sollen es ermöglich, Wissen, Know-how und finanzielle Mittel von Partnern aus verschiedenen Ländern der Union zusammenzuführen, um aufgrund der sich hieraus ergebenden positiven Spill-over-Effekte auf den gesamten Binnenmarkt und auf die europäische Gemeinschaft einen entscheidenden Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft in dem jeweiligen Bereich zu erzielen. Insbesondere sollen groß angelegte innovative Vorhaben ermöglicht werden, die ohne die angestrebten Förderungen nicht durchgeführt würden, da sie für die Beteiligten nicht finanzierbar, praktisch nicht durchführbar oder nicht rentabel wären.

So betont Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, man wolle in Deutschland und Europa bei Wasserstofftechnologien weltweit führend werden und hierfür mit einem gemeinsamen europäischen Projekt Investitionen den notwendigen Schub verleihen. Unternehmen würden dazu aufgerufen, mutige und zukunftsweisende Investitionsentscheidungen zu treffen. Mit innovativen Wasserstofftechnologien könne man zeigen, dass Klimaschutz und Industriepolitik kein Widerspruch seien, sondern zu einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte werden können.

Damit die Förderung im Rahmen eines IPCEIs von der Europäischen Kommission genehmigt wird, muss die Förderung der Einzelvorhaben beihilferechtlichen Vorschriften entsprechen und das IPCEI als Gesamtvorhaben nach § 107 Abs. 3 lit. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sein, wobei die Europäische Kommission die in der Mitteilung der Kommission vom 20.06.2014 „Kriterien für die Würdigung der Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse mit dem Binnenmarkt“ (2014/C 188/02) Mitteilung der Kommission — Kriterien für die Würdigung der Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse mit dem Binnenmarkt (europa.eu) aufgeführten Voraussetzungen berücksichtigt.

Demnach müssen die einzelnen enthaltenen Vorhaben Teil einer gemeinsamen Struktur, eines gemeinsamen „Fahrplans“ oder eines gemeinsamen Programms sein und auf dasselbe Ziel ausgerichtet sind. Ziel ist es, dass sie die Vorhaben ergänzen und aufeinander aufbauen.

Des Weiteren muss das Gesamtvorhaben 1) einen Beitrag zu strategischen Zielen der EU leisten, 2) von mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt werden, 3) eine private Kofinanzierung durch die Empfänger vorsehen, 4) positive Spillover-Effekte in der gesamten EU bewirken und 5) sehr ehrgeizige Ziele in Bezug auf Forschung und Innovation verfolgen, die über den Stand der Technik in dem betreffenden Sektor hinausgehen.

Anforderungen an die Einzelvorhaben

Die Anforderungen an die förderfähigen Einzelvorhaben und die einzureichenden Projektskizzen sind in der Bekanntmachung des „Interessenbekundungsverfahrens zur geplanten Förderung im Bereich Wasserstofftechnologien und –systeme“ (814731_01 1..4 (bmwi.de)) vom 11. Januar 2021 aufgeführt.

So müssen die Vorhaben zunächst 1) ein bedeutendes Forschungs- und Entwicklungs-Vorhaben, eine erste industrielle Anwendung oder ein bedeutendes Umwelt-, Energie- oder Verkehrsvorhaben darstellen, 2) mindestens 10 Millionen Investitionskosten des Antragstellers umfassen, 3) eine Kofinanzierung durch den Antragsteller sicherstellen, 4) und in der Bundesrepublik Deutschland durch ein Unternehmen mit einer Betriebsstätte oder Niederlassung in Deutschland durchgeführt werden.

Des Weiteren werden bei der Auswahl der Projekte allgemeinen Förderkriterien, wie Schlüssigkeit der Projektskizze Plausibilität der Eigenfinanzierung, Kosten- und Fördereffizienz sowie Hebelwirkung und Innovationsgrad berücksichtigt.

Schließlich wird beurteilt, ob hinsichtlich des jeweiligen Vorhabens eine positive Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass es zur Erfüllung der weiteren beihilferechtlichen Voraussetzungen der IPCEI-Mitteilung beiträgt.

Ablauf und Ausblick

In einem am 14.01.2021 begonnenen Interessenbekundungsverfahren können sich interessierte Unternehmen mit Vorschlägen beteiligen und bis zum 19.02.2021 Projektskizzen für Investitionsvorhaben in den oben genannten Bereichen einreichen. Das Prä-Notifizierungsverfahren bei der Europäischen Kommission soll bis zum Sommer 2021 gestartet werden. Nachdem die beihilferechtliche Entscheidung der Europäischen Kommission möglichst bis Ende 2021 fallen soll, muss auf nationaler Ebene der entsprechende Förderbescheid erstellt werden. Erste Projekte sollen dann ab 2022 umgesetzt werden können.

In einer Online-Informationsveranstaltung vom 21. Januar 2021 informierten das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur über den Ablauf des Interessensbekundungsverfahrens und des IPCEI und beantworteten diesbezügliche Fragen der Teilnehmer. Eine weitere Online-Veranstaltung zur Information über das Förderverfahren und zur Beantwortung weiterer Fragen wird am 9. Februar 2021 von 10 bis 12 Uhr stattfinden.

 

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner

5. Überarbeitung des Temporary Frameworks

5. Überarbeitung des Temporary Frameworks

Am 28. Januar hat die Kommission die nunmehr 5. Überarbeitung des Temporary Frameworks beschlossen. Über die Verlängerung der Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2021 betrifft diese insbesondere die Erhöhung der Obergrenzen einzelner Beihilfemaßnahmen sowie die Möglichkeit der Umwandlung bereits gewährter rückzahlbarer Instrumente in direkte Zuschüsse.

Anhebung der Beihilfeobergrenzen
Aufgrund der fortschreitenden Eindämmungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und der damit verbundenen Beschränkungen wirtschaftlicher Aktivitäten hat die Kommission im Rahmen der 5. Überarbeitung des Temporary Frameworks die Obergrenzen einzelner Beihilfemaßnahmen angehoben:

• Die in Deutschland als „Kleinbeihilfen“ bekannten Liquiditätshilfen für Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft können nunmehr bis zu einem Betrag iHv. 1,8 Mio. EUR je Unternehmen gewährt werden, bisher waren es 800.000 €.
• Die bisherige Obergrenze für Unternehmen der Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse iHv. 100.000 € wird auf 225.000 € angehoben.
• Für Unternehmen des Fischerei- und Aquakultursektors erfolgt eine Erhöhung von 120.000 € auf nunmehr 270.000 € je Unternehmen.
• Wie bisher können diese Beihilfen über einen Zeitraum von drei Geschäftsjahren mit De-minimis-Beihilfen von bis zu 200.000 € je Unternehmen (bis zu 30.000 € je Unternehmen des Fischerei- und Aquakultursektors / bis zu 25.000 € je Unternehmen des Agrarsektors) kombiniert werden, soweit die Voraussetzungen der jeweiligen De-minimis-Regelung erfüllt sind.
• Ebenfalls erhöht wird die Obergrenze der sog. „Fixkostenbeihilfen“. Für Unternehmen, die im Förderzeitraum im Vergleich zum selben Zeitraum 2019 Umsatzeinbußen von mindestens 30 % hatten, kann nunmehr ein Ausgleich für nicht durch Erlöse gedeckte Fixkosten bis zu 10 Mio. € je Unternehmen (zuvor 3 Mio. €) bezahlt werden.

Ein Antrag auf Anpassung der entsprechenden deutschen Regeln muss bei der Kommission noch erfolgen.

Umwandlung rückzahlbarer Instrumente in direkte Zuschüsse
Der Temporary Framework eröffnet den Mitgliedstaaten als neues Instrument die Möglichkeit, bereits auf der Grundlage des Befristeten Rahmens gewährte rückzahlbare Instrumente (z. B. Garantien, Darlehen, rückzahlbare Vorschüsse) bis zum 31. Dezember 2022 in andere Beihilfeformen wie direkte Zuschüsse umzuwandeln. Zu beachten sind dabei die neuen Obergrenzen der begrenzten Beihilfebeträge (1,8 Mio. € für Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, 225.000 € für Unternehmen der landwirtschaftlichen Primärerzeugung, 270.000 € je Unternehmen des Fischerei- und Aquakultursektors), die dabei grundsätzlich nicht überschritten werden sollten. Ziel ist es damit Anreize für die Mitgliedstaaten zu schaffen, vorrangig Beihilfen in Form rückzahlbarer Instrumente zu wählen.

Verlängerung der vorübergehenden Streichung aller Länder aus dem Verzeichnis der Staaten mit „marktfähigen Risiken“
Die zurzeit bis zum 30. Juni 2021 geltende vorübergehende Streichung aller Länder aus dem Verzeichnis der Staaten mit „marktfähigen Risiken“ im Anhang der Mitteilung über die kurzfristige Exportkreditversicherung wurde bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.

 

 

Geänderte Bundesrahmenregelung Beihilfen für Flugplätze

Geänderte Bundesrahmenregelung Beihilfen für Flugplätze

Bereits am 3. Dezember 2020 hat die Europäische Kommission die „Geänderte Bundesrahmenregelung Beihilfen für Flugplätze“ genehmigt und die Anwendung der Bundesrahmenregelung bis zum 30. Juni 2021 verlängert.

Die überarbeitete Bundesrahmenregelung Flugplätze verweist – wie auch bereits die Vorgängerversion – insbesondere auf die Anwendung weiterer auf Grundlage des Temporary Framework genehmigter Programme, wie die „Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“, die „Bundesregelung Bürgschaften 2020“ sowie die „Bundesregelung Beihilfen für niedrigverzinsliche Darlehen 2020“. Neu ist der Verweis auf die „Bundesregelung Fixkosten 2020“. Bei einem Mindestumsatzeinbruch von 30 % kann eine Fixkostenhilfe mit einer Beihilfeintensität von maximal 70 % beantragt werden. Die Höchstgrenze betrug bislang 3 Mio. €.

Vor dem Hintergrund der nunmehr 5. Änderung des Temporary Frameworks und der darin enthaltenen Verlängerung der Gewährung aller unter dem befristeten Rahmen möglichen Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2021 ist auch von einer entsprechenden Verlängerung der Antragsfrist in den deutschen Regelungen auszugehen. Gleiches gilt auch für die Anpassung des Betrags für Kleinbeihilfen auf 1,8 Mio. € pro Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und die Anhebung des Deckels für Fixkosten von 3 Mio. € auf 10 Mio. €.

Die Bundesrahmenregelung ermöglicht den Flughäfen darüber hinaus den Ausgleich von COVID-19 bedingten Schäden in Form von Zuschüssen. Grundlage dafür ist Art. 107 Abs. 2b AEUV. Die Antragsfrist für den Schadensausgleich wird ebenfalls bis zum 31. März 2021 verlängert. Der Zeitraum für den Schadensausgleich bleibt jedoch in der überarbeiteten Regelung jedoch unverändert und bezieht sich nur auf den Zeitrahmen vom 4. März bis 30. Juni 2020. Die Kommission vertritt bislang im Einzelfall den Ansatz, dass ein streckenbezogener Ausgleich auch über diesen Zeitraum hinaus nach Art. 107 Abs. 2b AEUV genehmigungsfähig ist. Das zeigt auch aktuell der Beschluss der Kommission zugunsten von „Altitalia“ (Staatliche Beihilfe SA 59188). In diesem Verfahren hat die Kommission Beihilfen in Höhe von 73 Mio. € zugunsten der italienischen Fluggesellschaft genehmigt, die damit für die Einbußen entschädigt werden soll, die sie infolge der COVID-19 Pandemie zwischen dem 16. Juni und dem 31. Oktober 2020 auf 19 Strecken erlitten hat. Vor dem Hintergrund des aktuellen Beförderungsverbots aus Ländern mit Virus-Mutationen („Virusvarianten-Gebiete“) dürfen Fluggesellschaften derzeit keine Personen nach Deutschland befördern. Ein Ausgleich des Schadens bei Fluggesellschaften aber auch bei Flughäfen aufgrund Wegfalls dieser Strecken müsste im Einzelfall belegt werden, eine Genehmigung nach Art. 107 Abs. 2 b AEUV erscheint aber durchaus möglich.

Sinkflug der TUI vorerst gestoppt!

Sinkflug der TUI vorerst gestoppt!

Aufgrund der Reisebeschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ist die TUI als einer der größten Reiseveranstalter Deutschlands in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Zur Überbrückung des Liquiditätsengpasses hat Deutschland erneut ein 1,25 Milliarden € schweres Rekapitalisierungspaket geschnürt.

Mit Beschluss vom 4. Januar 2021 hat die Kommission diese Maßnahmen unter SA.59812  auf Grundlage des Temporary Frameworks genehmigt. In diesem Fall war eine Einzelfallentscheidung erforderlich, da Rekapitalisierungsmaßnahmen über 250 Mio. € von der Kommission einzeln zu prüfen sind.

TUI ist nicht nur einer der größten Reiseveranstalter in Deutschland, sondern betreibt über verschiedene Tochtergesellschaften u.a. TUI-Hotels, Kreuzfahrtschiffe, Fluggesellschaften, sowie Reisebüros. Diese Branchen haben alle seit dem ersten Lockdown im März vergangenen Jahres erheblich unter den Eindämmungsmaßnahmen und Reisebeschränkungen zu leiden. Daher hatte Deutschland TUI bereits im März und August 2020 auf Grundlage der genehmigten Beihilferegelungen SA.59433, SA.56814 und SA.56863, geändert durch SA.58021 unterstützt. Die Kredite der KfW umfassten dabei fast 3 Mrd. €, doch diese reichten nicht aus, den Sinkflug des angeschlagenen Konzerns zu verhindern. Der Presse war zu entnehmen, dass das Unternehmen ohne weitere staatliche Unterstützung spätestens Ostern vor dem Aus steht und damit mehr als 70.000 Arbeitsplätze – davon 10.000 in Deutschland – gefährdet seien.

Insgesamt hat die Kommission nun einen Betrag iHv. 1,25 Mrd. € genehmigt. Die Rekapitalisierung umfasst dabei eine stille Beteiligung iHv. 420 Mio. €, die in Eigenkapital von TUI umgewandelt werden kann. Darüber hinaus eine nicht wandelbare stille Beteiligung von bis zu 680 Mio. € (400 Mio. € dieses Betrags werden nur bereitgestellt, wenn die geplanten Garantien im Umfang von 400 Mio. € nicht von den Ländern oder vom Bund gestellt werden) und eine wandelbare Optionsanleihe mit einem Volumen von 150 Mio. €. Außerdem verlängert die KfW ein Darlehen von 500 Mio. € aus dem KfW-Corona-Hilfe-Programm von März 2021 bis Juli 2022. Darüber hinaus wird der TUI ein besicherter Kreditrahmen im Umfang von 200 Mio. € von der KfW und anderen Geschäftsbanken bereitgestellt.

Positiv hat die Kommission bewertet, dass sich an der Finanzierung auch ein Privatinvestor mit bis zu 500 Mio. € beteiligen wird.

Die staatlichen Rekapitalisierungsmaßnahmen sind dabei mit erheblichen Auflagen auf Grundlage des Temporary Frameworks verbunden. So muss TUI 12 Monate nach Gewährung der Beihilfe eine glaubwürdige Ausstiegsstrategie vorlegen, wenn es der Gesellschaft nicht gelungen ist, die staatliche Beteiligung bis dahin auf unter 25 % zu senken. Bereits im Rahmen der Notifizierung war ein Geschäftsplan bis 2025 vorzulegen, damit die Kommission die Auswirkungen der Rekapitalisierungsmaßnahmen beurteilen konnte. Wenn es nicht gelingt die staatliche Intervention sechs Jahre nach der Durchführung der Rekapitalisierungsmaßnahmen unter 25 % zu senken, droht die Umstrukturierung.

Darüber hinaus gilt für das Management eine strikte Begrenzung der Vergütung, einschließlich eines Verbots der Bonuszahlungen bis zu einer Rückzahlung von mindestens 75 % der Rekapitalisierung. Bis zur vollständigen Rückzahlung der Rekapitalisierung dürfen weder TUI noch die Tochtergesellschaften Dividenden ausschütten.

Um eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden, darf die staatliche Unterstützung integrierten Unternehmen nicht zur Verfügung gestellt werden, soweit sich diese bereits am 31. Dezember 2019 in Schwierigkeiten befanden. Bis zur Ablösung von 75 % des Rekapitalisierungsinstruments besteht außerdem ein Beteiligungsverbot von mehr als 10 % an Unternehmen, die im selben Geschäftsfeld tätig sind.

TUI ist außerdem verpflichtet im Rahmen der Transparenz- und Berichtspflichten Informationen über die Verwendung der erhaltenen Beihilfen zu veröffentlichen.

Fazit
Nach der Lufthansa  muss nun ein weiterer großer Player mit deutschen Steuergeldern vor den Folgen der Corona-Pandemie gerettet werden. Der Ausbruch von COVID-19 dürfte die TUI insbesondere nach der grad überstandenen Thomas-Cook Insolvenz im Herbst 2019 hart getroffen haben. Hinzu kommt, dass das große TUI-Kreuzfahrtschiff mit seinen vielfältigen Beteiligungen in der Reisebranche zu schwerfällig ist, um kurzfristig den Kurs zu ändern.

Nun hat der Staat also das dritte Mal aushelfen müssen. In der Presse wird dies häufig mit dem Versäumnis der Bundesregierung begründet, die keine ausreichende rechtliche Grundlage für die Absicherung von Kundengeldern durch Reiseveranstalter gschaffen habe. Bei der TUI hatten Kunden Hunderte Millionen Euro für Reisen an- oder vorausbezahlt. Der Konzern hat aber nicht die volle Summe versichert, sondern lediglich 110 Millionen Euro. So sieht es das deutsche Recht auch vor. Bei einer Pleite der TUI könnte es deshalb dazu kommen, dass die Bundesregierung den Kunden das Geld zurückzahlen muss. Dies ist offenbar ein Grund dafür, dass sie nun finanzielle Risiken des Konzerns übernimmt.
Die Frage ist, wie lange wird das Geld dieses Mal reichen? Das hängt zum einen von der Entwicklung der Pandemie ab, zum anderen sicherlich auch davon, wie sich die Branche insgesamt zukünftig aufstellt.

Die Kommission gelangt zu dem Ergebnis, dass die Rekapitalisierungsmaßnahmen notwendig, angemessen und verhältnismäßig sind. Darüber hinaus habe TUI auf den Märkten, auf denen die Gesellschaft tätig ist, keine überwiegende Marktmacht. Andere Player auf dem Markt sehen die staatliche Beteiligung bei ihrem Wettbewerber jedoch eher kritisch. So hat z.B. Alltours die Krise bislang nur mit Kurzarbeitergeld aber ohne weitere staatliche Unterstützung überlebt. Andere Reiseanbieter mussten mit Kleinbeihilfen oder jetzt ggf. mit dem 70 %igen Fixkostenausgleich auskommen. Derzeit sollen rund 20 % der Reiseveranstalter insolvenzgefährdet sein.

Auch wenn die Kommission eine Beihilfe als notwendig und verhältnismäßig genehmigt, zeigen die staatlichen Maßnahmen in jedem Fall Auswirkungen auf den Markt. Das ist ein grundsätzliches Problem, das mit der Gewährung von Beihilfen verbunden ist. Aus Sicht des Beihilfenempfängers mögen die harten Auflagen, die mit der Durchführung von staatlichen Rekapitalisierungsmaßnahmen verbunden sind, schmerzhaft sein und halten bislang auch viele Unternehmen davon ab, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zum Schutz des Wettbewerbs – auch nach dem hoffentlich baldigen Ende der Corona-bedingten Restriktionen – erscheinen sie jedoch notwendig, wie das Beispiel TUI zeigt.

Fazit

Nach der Lufthansa  muss nun ein weiterer großer Player mit deutschen Steuergeldern vor den Folgen der Corona-Pandemie gerettet werden. Der Ausbruch von COVID-19 dürfte die TUI insbesondere nach der grad überstandenen Thomas-Cook Insolvenz im Herbst 2019 hart getroffen haben. Hinzu kommt, dass das große TUI-Kreuzfahrtschiff mit seinen vielfältigen Beteiligungen in der Reisebranche zu schwerfällig ist, um kurzfristig den Kurs zu ändern.

Nun hat der Staat also das dritte Mal aushelfen müssen. In der Presse wird dies häufig mit dem Versäumnis der Bundesregierung begründet, die keine ausreichende rechtliche Grundlage für die Absicherung von Kundengeldern durch Reiseveranstalter geschaffen habe. Bei der TUI hatten Kunden Hunderte Millionen Euro für Reisen an- oder vorausbezahlt. Der Konzern hat aber nicht die volle Summe versichert, sondern lediglich 110 Millionen Euro. So sieht es das deutsche Recht auch vor. Bei einer Pleite der TUI könnte es deshalb dazu kommen, dass die Bundesregierung den Kunden das Geld zurückzahlen muss. Dies ist offenbar ein Grund dafür, dass sie nun finanzielle Risiken des Konzerns übernimmt.
Die Frage ist, wie lange wird das Geld dieses Mal reichen? Das hängt zum einen von der Entwicklung der Pandemie ab, zum anderen sicherlich auch davon, wie sich die Branche insgesamt zukünftig aufstellt.

Die Kommission gelangt zu dem Ergebnis, dass die Rekapitalisierungsmaßnahmen notwendig, angemessen und verhältnismäßig sind. Darüber hinaus habe TUI auf den Märkten, auf denen die Gesellschaft tätig ist, keine überwiegende Marktmacht. Andere Player auf dem Markt sehen die staatliche Beteiligung bei ihrem Wettbewerber jedoch eher kritisch. So hat z.B. Alltours die Krise bislang nur mit Kurzarbeitergeld aber ohne weitere staatliche Unterstützung überlebt. Andere Reiseanbieter mussten mit Kleinbeihilfen oder jetzt ggf. mit dem 70 %igen Fixkostenausgleich auskommen. Derzeit sollen rund 20 % der Reiseveranstalter insolvenzgefährdet sein.

Auch wenn die Kommission eine Beihilfe als notwendig und verhältnismäßig genehmigt, zeigen die staatlichen Maßnahmen in jedem Fall Auswirkungen auf den Markt. Das ist ein grundsätzliches Problem, das mit der Gewährung von Beihilfen verbunden ist. Aus Sicht des Beihilfenempfängers mögen die harten Auflagen, die mit der Durchführung von staatlichen Rekapitalisierungsmaßnahmen verbunden sind, schmerzhaft sein und halten bislang auch viele Unternehmen davon ab, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zum Schutz des Wettbewerbs – auch nach dem hoffentlich baldigen Ende der Corona-bedingten Restriktionen – erscheinen sie jedoch notwendig, wie das Beispiel TUI zeigt.