Am 23. Juli 2021 hat die Kommission nach Durchführung von zwei Konsultationsverfahren endlich die erwartete Erweiterung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) beschlossen.
Ziel dieser „kleinen AGVO-Reform“ ist zum einen die Verbesserung des Zusammenspiels zwischen zentral verwalteten EU-Programmen und den Vorschriften des EU-Beihilfenrechts, zum anderen werden den Mitgliedstaaten Freistellungstatbestände für die Umsetzung des Green-Deal – das heißt für die staatliche Finanzierung von Umwelt- und Klimamaßnahmen – aber auch für den Ausbau von Breitband im Rahmen der digitalen Agenda an die Hand gegeben. Gleichzeitig zielen die neuen Regelungen darauf ab, dringend erforderliche staatliche Mittel zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19 Pandemie zu gewähren. Eine weitergehende Überarbeitung der AGVO ist geplant, die diesbezügliche Konsultation abgeschlossen.
Zusammenfassend enthält die aktuelle Erweiterung der AGVO folgende Neuerungen:
Finanzierung der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem Fonds InvestEU
Mitgliedstaaten können Finanzprodukte aus dem Fonds „InvestEU“ mit zusätzlichen eigenen Mitteln z.B. über Förderinstitute im Rahmen der sog. Mitgliedstaaten-Komponente ergänzen. Dabei kommen auch Mittel aus Unionsfonds mit geteilter Mittelverwendung, Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität in Betracht, um die Hebelwirkung zu verstärken und zusätzliche Investitionsmaßnahmen zu finanzieren.
Handelt es sich bei diesen Beiträgen um staatliche Beihilfen, sind diese zukünftig auf Grundlage der AGVO freigestellt. Zum einen sieht die AGVO nun für die Segmente Breitband, Energieerzeugung, Energieinfrastruktur, soziale, bildungsbezogene, kulturelle und naturbezogene Infrastrukturen und Aktivitäten, Verkehr und Verkehrsinfrastruktur, nicht-verkehrsbezogene Infrastrukturen, Umwelt- und Klimaschutz sowie Forschung, Entwicklung, Innovation und Digitalisierung allgemeine Förder- und Ausschlusskriterien für Endempfänger und Finanzierungshöchstbeträge vor.
Zum anderen sind besondere Regelungen für Finanzprodukte in die AGVO aufgenommen worden mit Regelungen für Finanzierungen bis max. 7,5 Mio. € pro Begünstigten, die dem Begünstigten von gewerblichen Finanzintermediären zur Verfügung gestellt werden, die zur Übernahme eines eigenen Risikos bereit sind.
Förderung von Forschung-, Entwicklung und Innovation – Ersatz aus nationalen Mitteln
Diese Änderung der AGVO befreit die Mitgliedstaaten zum einen von der beihilferechtlichen Anmeldepflicht aber auch von der erneuten Überprüfung von Maßnahmen, die bereits auf Grundlage der Programme Horizont 2020 und Horizont Europa bewertet worden sind und eine Exzellenzsiegel erhalten haben, aber aufgrund nicht ausreichender Mittel nicht aus diesen Programmen finanziert werden können. Dieser neue Freistellungstatbestand erleichtert den Mitgliedstaaten den Einstieg in derartige FuEuI-Projekte mit staatlichen Mitteln und soll u.a. für KMU-Beihilfen für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben und Durchführbarkeitsstudien gelten.
Förderung von Projekten für die Europäische territoriale Zusammenarbeit („Interreg“)
Bislang war die Freistellung von Art. 20 AGVO auf Kooperationskosten von KMU die an Projekten der europäischen territorialen Zusammenarbeit teilnehmen (ETZ) beschränkt. Aufgrund der neuen Regelung können nunmehr auch Großunternehmen von der Freistellung profitieren. Vereinfacht wurde außerdem die Gewährung von Kleinstbeiträgen von bis zu 20.000,- € pro Begünstigtem und Vorhaben.
Projekte operationeller Gruppen der Europäischen Innovationspartnerschaft („EIP“) „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ und für Projekte der von der örtlichen Bevölkerung betriebenen lokalen Entwicklung (CLLD“)
Von diesem Freistellungstatbestand sind Projekte erfasst, an denen KMU beteiligt sind, die u.a. als LEADER-Projekte bezeichnet werden. Auch hier wurde eine Vereinfachung für kleine Fördervorhaben eingeführt. Diese gilt für Vorhaben mit einem Fördervolumen von höchstens 200.000,- € für Projekte, die von der örtlichen Bevölkerung betrieben werden und von höchstens 350.000,- € für Projekte operationeller Gruppen der EIP.
Beihilfen für Energieeffizienz an Gebäuden
Art. 39 AGVO regelt bislang die Freistellung von Investitionsbeihilfen für gebäudebezogene Energieeffizienzprojekte. Mit der Änderung werden Vereinfachungen für die Berechnung beihilfefähigen Kosten z.B. für Wohngebäude eingeführt. Daneben werden auch Kombinationen für Beihilfen für Energieeffizienzmaßnahmen an Gebäuden mit Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien, für das Ausrüsten mit Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge freigestellt, sowie auch Investitionen zur Digitalisierung von Gebäuden und Beihilfemaßnahmen zur Begünstigung von Energieleistungsverträgen.
Beihilfen für örtlich zugängliche Lade- und Tankinfrastrukturen für emissionsfreie und emissionsarme Straßenfahrzeuge
Bisher fielen Beihilfen für Lade- und Tankinfrastrukturen als lokale Infrastrukturen in den Anwendungsbereich der AGVO. Größere Netzinfrastrukturen in diesem Bereich waren einzeln bei der Kommission anzumelden. Die aktuellen Änderungen sollen Erleichterung bringen und der Ausbau von Versorgungsnetzen für Lade- und Tankinfrastrukturen für emissionsarme oder -frei Straßenfahrzeuge nunmehr in weit größerem Umfang als bisher freigestellt werden. Das dürfte insbesondere den Ausbau von Wasserstofftankstellen beflügeln.
Beihilfen für Breitbandinfrastruktur
Vor dem Hintergrund der angestrebten Digitalisierung enthält die AGVO nunmehr auch neue Regelungen für Investitionen in den Breitbandausbau. Dabei geht es um den Anschluss von Haushalten und sozioökonomischen Schwerpunkte in Gebieten, in denen keine Download-Geschwindigkeit von mindestens 30 Mbit/s bzw. 100 Mbits/s vorhanden ist und in denen der Netzausbau nicht innerhalb von drei Jahre nach der Veröffentlichung der geplanten Beihilfemaßnahmen erfolgen soll. Ein Ausbau von bis zu 300 Mbit/s in zugunsten von sozioökonomischen Schwerpunkten in Gebieten möglich, in denen eine zuverlässige Download-Geschwindigkeit von mindestens 100 Mbits/s vorhanden ist. Neue Vorschriften gibt es im Übrigen auch für die Einführung von 4G- und 5G-Mobilfunknetzen.
Verlängerung der Ausnahmeregel für Unternehmen in Schwierigkeiten
Die Corona-bedingte Ausnahmeregel aus dem Temporary Framework wird bis zum 31.12.2021 verlängert. Damit können Unternehmen, die nach dem 31.12.2019 in Schwierigkeiten geraten sind, bis Ende diesen Jahren ausnahmsweise freigestellte Beihilfen auf Grundlage der AGVO erhalten.