Was die Aarhus-Konventionen mit Beihilfenrecht zu tun haben

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Die Aarhus-Konventionen sind ein internationales Abkommen mit dem Ziel, der Öffentlichkeit drei zentrale Rechte im Zusammenhang mit Umweltangelegenheit zu garantieren: den Zugang zu Umweltangelegenheiten, die Beteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten oder gerichtsähnlichen Gremien, um Umweltrecht durchzusetzen.

Neben den Mitgliedstaaten ist auch die Europäische Union selbst Mitglied der Aarhus-Konventionen und hat in diesem Zusammenhang eine Reihe von Rechtstexten zur Umsetzung auf Unionsebene erlassen. Als wichtigster Umsetzungsakt wird regelmäßig die Aarhus-Verordnung VO (EG) Nr. 1367/2006 geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1767 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.10.2021 bezeichnet. Diese räumt Nichtregierungsorganisationen (NRO) und anderen Mitgliedern der Öffentlichkeit die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen von EU-Organen und Einrichtungen im Umweltbereich ein. Beschlüsse der Kommission über staatliche Beihilfen sind vom Anwendungsbereich interner Überprüfungsmechanismen auf Grundlage der Aarhus-Verordnung ausgeschlossen.

Verfahren: ACCC/C/2015/128 – Rechte Dritter in Beihilfeverfahren: Beihilfebeschluss der Kommission zum britische Atomkraftwerk Hinkley Point

Vor diesem Hintergrund hat das Aarhus-Komitee als zuständiges Gremium für die Überwachung der Einhaltung der Aarhus-Konventionen die Kommission in der Vergangenheit u.a. im Zusammenhang mit der Genehmigung von staatlichen Beihilfen zugunsten des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point (2014) angezählt (Verfahren: ACCC/C/2015/128 – Rechte Dritter in Beihilfeverfahren). Zwei NRO (Ökobüro, Global 2000) hatten vor diesem Gremium geltend gemacht, dass die Europäische Union mit ihrem Beihilfebeschluss Hinkley Point (2014) gegen Art. 9 Abs. 3 und 4 der Aarhus Konvention verstoßen habe.

Ein Bündnis von deutschen und österreichischen Stadtwerken und Ökostromanbietern hatte gegen den Beschluss der Kommission Nichtigkeitsklage beim EuG eingereicht. Diese wurde mangels Klagebefugnis der Kläger aufgrund des restriktiven „Plaumann-Maßstabs“ für die unmittelbare Betroffenheit als eine der Voraussetzungen für die Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen.

Das Aarhus-Komitee stellte in seinem Schlussbericht vom 17.3.2021 in dem Verfahren ACCC/C/2015/128 fest, dass die eingeschränkte Überprüfbarkeit von Entscheidungen über staatliche Beihilfemaßnahmen gegen Artikel 9 Absatz 3 der Aarhus-Konvention verstößt. Diese führt dazu, dass die Europäische Union keinen angemessenen und wirksamen Rechtsschutz im Sinne des Artikel 9 Absatz 4 der Aarhus-Konvention gewährleiste. Das Aarhus-Komitee sprach daher die Empfehlung gegenüber der Kommission aus, entweder neue Rechtsvorschriften zu erlassen oder die Aarhus-Verordnung anzupassen.

Umsetzung der Empfehlungen des Aarhus-Komitees durch die Kommission

Zunächst war die Kommission der Ansicht, dass die Einhaltung der Aarhus-Konvention auf der Ebene der Mitgliedstaaten ausreiche, die das Projekt durchführen und die Beihilfen gewähren. Die Entscheidung der Kommission über staatliche Beihilfen habe sich dabei nur auf die Finanzierung des Projekts zu beziehen. Im Rahmen des bilateralen Beihilfeverfahrens zwischen Mitgliedstaat und Kommission prüfe letztere Verstöße gegen das EU-Recht und damit auch gegen das EU-Umweltrecht nur insoweit, als diese mit dem Beihilfentatbestand „unlösbar verbunden sind“ (Matra -Test, Rs. C-225/91). 

Diese Argumentation zur Umsetzung der Vorgaben aus den Aarhus-Konventionen überzeugt das Komitee nicht.  Daher hat die Kommission in den vergangenen Jahren in einer Reihe von Konsultationen und Mitteilungen verschiedene Optionen zur Diskussion gestellt, wie eine Umsetzung der Forderung des Aarhus-Komitees erfolgen könne. Am 12.05.2025 hat sie nun die konkreten Anpassungen der Beihilfevorschriften vorgelegt. Auf Grundlage der Änderungen der Beihilfe-Durchführungsverordnung (EG) Nr. 794/2004 und des Beihilfe-Verhaltenskodexes haben nun insbesondere Umwelt-NRO die Möglichkeit, Beihilfenbeschlüsse der EU-Kommission mit umweltrechtlicher Relevanz überprüfen zu lassen.

Im Verhaltenskodex ist nun ein neuer Überprüfungsmechanismus geregelt:

  • Überprüfungsgegenstand:  Umwelt-NRO können Überprüfungsanträge bezüglich abschließender Beihilfebeschlüsse der Kommission stellen, mit denen diese entweder ein förmliches Prüfverfahren positiv abgeschlossen oder eine notifizierte Beihilfe genehmigt hat.
  • Antragsberechtigung: Umwelt-NRO in Form einer unabhängigen juristischen Person ohne Erwerbscharakter mit Erfahrungen im Umweltbereich sind antragsberechtigt, soweit sie in dem Bereich tätig sind, in den der betreffende Beihilfebeschluss fällt.
  • Antragsvoraussetzung: Antragsberechtigte Umwelt-NROs müssen nachweisen, dass die geförderte Tätigkeit oder Modalitäten der durch den Kommissionsbeschluss genehmigten Beihilfemaßnahme gegen eine oder mehrere bestimmte umweltrechtliche Vorschriften der EU verstoßen. Es kommt dabei nur auf solche Tätigkeiten an, die untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verknüpft sind.
  • Verfahren, Form und Fristen: Anträge müssen innerhalb von acht Wochen nach Veröffentlichung des Beihilfebeschlusses im Amtsblatt eingereicht werden. Die Kommission stellt dafür ein besonderes Formular zur Verfügung. Innerhalb von sechzehn Wochen nach Ablauf der Einreichungsfrist muss die EU-Kommission antworten. Diese Frist kann in begründeten Einzelfällen auf zweiundzwanzig Wochen verlängert werden. Die Anträge und Antworten werden auf einer Website von der Kommission veröffentlicht.
  • Rechtsschutz: Antragsteller haben die Möglichkeit, die Antwort der EU-Kommission vor dem EuGH anzufechten.
  • Verpflichtungen der Mitgliedstaaten auf Grundlage der Durchführungsverordnung: Zukünftig müssen Mitgliedstaaten Im Rahmen von Notifizierungen bestätigen, dass weder die geförderte Tätigkeit noch die Beihilfemaßnahme gegen das Umweltrecht der Union verstoßen.

 Die EU-Kommission hat angekündigt, Ende 2025 Orientierungshilfen zum Begriff der im Prüfverfahren nachzuweisenden „untrennbaren Verknüpfung“ mit dem Zweck der Beihilfemaßnahme zu veröffentlichen.

Fazit

Auf der einen Seite stärken die vorgenommenen Änderungen der Beihilfevorschriften die Rechtschutzmöglichkeiten von NRO in beihilferechtlichen Verfahren mit Umweltbezug.

Auf der anderen Seite hatten bereits im Rahmen der Konsultationsverfahren der Kommission verschiedene Stakeholder ihre Bedenken hinsichtlich der Verfahrensveränderungen geäußert: Seitens der mitgliedstaatlichen Behörden wurden Bedenken aufgrund eines möglicherweise erhöhten Verwaltungs- und Kostenaufwands vorgebracht. Unternehmen äußerten sich besorgt über die Verfahrensverzögerung und damit verbundene Rechtsunsicherheit. Einig waren sich Behörden und Unternehmen, dass ein neues Überprüfungsverfahren negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU haben werde und als ein weitere Bürokratieaufbau in der Union Investitionen einschränken oder verhindern könnte.

Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese Verfahrensänderungen auf die Investitionstätigkeiten haben werden. Sicher ist jedoch, dass sich der Arbeitsaufwand im Rahmen von Notifizierungsverfahren erhöhen wird, da diese zukünftig mit einer Bestätigung der mitgliedstaatlichen Behörden verbunden sein müssen, dass die konkrete Maßnahme nicht gegen Umweltrecht verstößt