Schlagwort: Beihilfe

Bruchlandung für die Kommission und das EuG in der Rs. Volotea

Bruchlandung für die Kommission und das EuG in der Rs. Volotea

Wieder einmal durfte sich der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Fragen der Anwendbarkeit und Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsbeteiligten befassen. Hilfreich in der Praxis ist dabei die Feststellung, dass die Kommission nicht allein aufgrund Fehlens eines Ausschreibungsverfahrens davon ausgehen darf, dass Vertragsleistungen als marktunüblich angesehen werden können. Vielmehr hat sie anhand weiterer Kriterien das Vorliegen einer Begünstigung zu prüfen.

Beschluss der Kommission

Dem Urteil vorausgegangen war eine beihilferechtliche Untersuchung der EU-Kommission zu einem italienischen Regionalgesetz, auf dessen Grundlage den Betreibern sardischer Flughäfen eine Finanzierung für den Ausbau der Flugverbindungen von und zu der Insel gewährt werden konnte.

Mit Beschluss vom 29. Juli 2016 entschied die Kommission, dass es sich bei den fraglichen Unterstützungsmaßnahmen um mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen handelt, die jedoch nicht den Betreibern der sardischen Flughäfen, sondern vielmehr den Fluggesellschaften zugutegekommen sind.

Zwischenstopp vor dem EuG

Zwei Fluggesellschaften – Volotea und easyJet – die mit den Flughafenbetreibern der Flughäfen Cagliari-Elmas und Olbia Verträge über die Durchführung von Maßnahmen zur Erhöhung des Luftverkehrs sowie über Marketingleistungen zur Förderung von Sardinien als Reiseziel abgeschlossen hatten, legten zunächst einen Zwischenstopp vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) ein, bei dem sie auf die Nichtigkeitserklärung des Beschlusses klagten. Das EuG erteilte diesem Antrag jedoch eine Absage und wies die Klagen der beiden Fluggesellschaften mit Urteil vom 13. Mai 2020 als unbegründet ab und hielt den Beschluss der Kommission aufrecht.

Bruchlandung der Kommission vor dem EuGH

In dem Urteil vom 17. November 2022 zu den verbundenen Rechtssachen hebt der EuGH jedoch die Urteile des EuG, sowie den Beschluss der Kommission auf, soweit sie die beiden Klägerinnen betreffen.

Das Urteil des EuGH im Einzelnen

Der EuGH stützt seine Urteilsbegründung im Wesentlichen darauf, dass das EuG im Rahmen seiner Prüfung, ob Volotea und easyJet einen von der Region gewährten Vorteil in Anspruch genommen haben, den Grundsatz des privaten Wirtschaftsbeteiligten nicht korrekt angewendet bzw. dessen Anwendbarkeit fälschlicherweise ausgeschlossen habe.

Anwendbarkeit des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsbeteiligten

Nach Ansicht des EuGH ist dieser Grundsatz unabhängig davon anwendbar, ob der Staat unmittelbar oder über private Unternehmen, die seiner Kontrolle oder seinem Einfluss unterliegen, Unternehmen einen Vorteil gewährt.

In jedem Fall sei dabei für die Feststellung des Vorliegens eines Vorteils im Wesentlichen die Auswirkungen der fraglichen staatlichen Maßnahme auf das begünstigte Unternehmen zu berücksichtigen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Mittel unmittelbar vom Staat oder mittelbar von einer von ihm errichteten oder benannten öffentlichen oder privaten Einrichtung gewährt werden. Im Rahmen von Art. 107 Abs. 1 AEUV wird nicht zwischen den Ursachen oder Zielen staatlicher Maßnahmen unterschieden. Folglich ist die Art der Ziele, die ein Mitgliedstaat mit staatlichen Maßnahmen verfolgt, für die Frage, ob sie einem Unternehmen einen Vorteil gewähren und für ihre Einstufung als staatliche Beihilfe unerheblich. Zudem ist die Verfolgung von Zielen der öffentlichen Ordnung den meisten staatlichen Maßnahmen, die als „staatliche Beihilfen“ bezeichnet werden, ohnehin inhärent.

Das Urteil macht erneut deutlich, dass der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers grundsätzlich für die Frage, ob eine Begünstigung ausgeschlossen werden kann, anwendbar ist, wenn das Verhalten des Staates tatsächlich mit dem Verhalten eines privaten Wirtschaftsteilnehmers vergleichbar ist. Der EuGH schließt die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes daher in Fällen aus, in denen das staatliche Verhalten untrennbar mit dem Vorhandensein einer Infrastruktur verbunden ist, die ein privater Wirtschaftsteilnehmer niemals hätte bereitstellen können oder der Staat in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt handelt. Im letztgenannten Fall stellt der EuGH klar, dass die bloße Ausübung öffentlicher Gewalt, wie z.B. der Einsatz steuerlicher Mittel, für sich genommen noch nicht zur Unanwendbarkeit des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsbeteiligten führt. Für die Anwendung dieses Grundsatzes komme es weder auf den wirtschaftlichen Charakter der konkreten staatlichen Maßnahme noch darauf an, welche Mittel für diesen Zweck eingesetzt würden.

Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsbeteiligten

Im Einklang mit seiner neueren Spruchpraxis geht der EuGH auch in dem vorliegenden Urteil von einem weiten Anwendungsbereich dieses Grundsatzes aus. Danach ist der Grundsatz des privaten Wirtschaftsbeteiligten auch außerhalb der traditionellen Grenzen von staatlichem Eigentum oder Beteiligung anwendbar. Im Einzelfall sind verschiedene Kriterien heranzuziehen, um die konkrete staatliche Maßnahme so angemessen und adäquat wie möglich mit der Maßnahme zu vergleichen, die ein privater Wirtschaftsteilnehmer in einer vergleichbaren Situation und unter normalen Marktbedingungen hätte ergreifen können. So kann das Kriterium des privaten Kapitalgebers bei staatlichen Maßnahmen wie Kapitalzuführungen, das des privaten Gläubigers bei Maßnahmen im Zusammenhang mit  Zahlungserleichterungen für die Rückzahlung einer Schuld und das des privaten Verkäufers bei Maßnahmen, die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen betreffen, herangezogen werden. Dies ist unabhängig davon möglich, ob die konkrete Maßnahme unmittelbar oder über öffentliche Einrichtungen oder private Unternehmen, die unter der Kontrolle oder dem Einfluss des Staates stehen, durchgeführt werden.

In diesem Zusammenhang ist es die Aufgabe der Kommission, nach einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren des Einzelfalles nachzuweisen, dass ein Unternehmen, dem die fragliche staatliche Maßnahme zugutekommt, von einem durchschnittlich umsichtigen und sorgfältigen privaten Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet und unter normalen Marktbedingungen handelt, einen vergleichbaren Vorteil eindeutig nicht erhalten hätte. Bei ihrer Prüfung muss die Kommission alle Optionen, die ein solcher Wirtschaftsteilnehmer vernünftigerweise in Betracht gezogen hätte, alle verfügbaren Informationen, die seine Entscheidung wesentlich beeinflussen könnten und die zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Gewährung eines Vorteils vorhersehbaren Entwicklungen berücksichtigen.

Feststellungen des EuG hinsichtlich der Marktkonformität

In dem erstinstanzlichen Urteil stellt das EuG zunächst fest, dass der Grundsatz des privaten Wirtschaftsbeteiligten aus drei Gründen nicht anwendbar ist: Erstens, weil die betroffenen Flughafenbetreiber keine vom Staat gehaltenen Einrichtungen seien, zweitens, weil die staatliche Maßnahme allein Ziele der öffentlichen Politik verfolge und drittens, weil sich die Flughafenbetreiber darauf beschränkt hätten die Maßnahmen umzusetzen, ohne dabei über eine nennenswerte Selbstständigkeit gegenüber der Autonomen Region zu verfügen. Dennoch prüft es weiter, ob die Region wie ein privater Käufer von Waren oder Dienstleistungen gehandelt hat. Der EuG kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Fluggesellschaften, die mit den Betreibern der Flughäfen Verträge über die Erbringung von Luftverkehrs- und Marketingleistungen abgeschlossen haben, als Empfänger eines „Vorteils“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen waren. Das Gericht begründete dieses Ergebnis damit, dass die ihnen im Rahmen dieser Verträge gezahlten Vergütungen zum einen keine Gegenleistung für Dienstleistungen darstellten, die einen echten Bedarf der Autonomen Region befriedigten. Zum anderen sei der Abschluss dieser Verträge von den betreffenden Flughafenbetreibern ohne vorherige Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens erfolgt.

Der EuGH stellt zunächst klar, dass die Durchführung von Ausschreibungsverfahren nicht die einzige Möglichkeit sei, um die Marktkonformität eines Vertrags festzustellen. Die Durchführung eines solchen Verfahrens sei daher für die Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsbeteiligten im Zusammenhang mit Kauf- oder Verkaufsgeschäften nicht zwingend erforderlich. Die Marktüblichkeit könne vielmehr auch mittels eines unabhängigen Sachverständigengutachtens oder durch eine Bewertung der relevanten Kosten belegt werden.

Mit Hinblick auf die Frage, ob die Autonome Region einen echten Bedarf an den Dienstleistungen hatte, äußerte das EuG Zweifel. Fraglich wäre insbesondere, ob die streitigen Marketingdienstleistungen unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rationalisierung der öffentlichen Ausgaben den tatsächlichen Bedürfnissen hinsichtlich der wirtschaftlichen Förderung der Insel Sardiniens entsprächen. Der EuGH urteilte, dass Zweifel allein jedoch nicht für die Annahme eines Vorteils i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV ausreichen.

Kommission ist ihrer Pflicht zur Feststellung der Marktüblichkeit nicht nachgekommen

Schließlich kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass das EuG zudem nicht hinreichend geprüft habe, ob die Kommission ihrer Pflicht zur Feststellung, ob die Verträge zwischen den Flughafenbetreibern und den Fluggesellschaften marktübliche Rechtsgeschäfte darstellten, nachgekommen ist. Die Kommission habe diesen Punkt in ihrem Beschluss lediglich pauschal gewürdigt und nicht ausreichend bewiesen. Somit sei die Feststellung des EuG, dass den Fluggesellschaften durch diese Verträge ein beihilferechtlicher Vorteil i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährt wurde, rechtsfehlerhaft erfolgt.

Autorin: Johanna Rippel, Referendarin bei Müller-Wrede Rechtsanwälte

Kommission : FC Valencia – Spanier gewinnen in der Rückrunde

Kommission : FC Valencia – Spanier gewinnen in der Rückrunde

Auch wenn die spanische Fußballmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Katar gegen Marokko ausgeschieden ist, hat der spanische Fußball in der Rückrunde in Luxemburg zumindest einen beihilferechtlichen Sieg gegen die EU-Kommission eingefahren.

Zum Spielverlauf im Einzelnen:

Bürgschaften zugunsten spanischer Fußballvereine

Das Instituto Valenciano de Finanzas (das Finanzinstitut der Regierung der Autonomen Gemeinschaft in Valencia – IVF) gewährte in den Jahren 2009 und 2010 verschiedene Bürgschaften zugunsten von Vereinigungen, die mit drei regionalen Fußballclubs – dem FC Valencia, dem FC Hércules und dem FC Elche – in Verbindung standen.

Konkret betrachtet wird in diesem Beitrag, die durch das IVF zugunsten der Fundacion Valencia im November 2009 gewährte Bürgschaft für ein Bankdarlehen iHv. 75 Mio. EUR für den Erwerb von 70,6 % der Aktien des FC Valencia. Diese Bürgschaft wurde ein Jahr später um 6 Mio. EUR aufgestockt, verbunden mit der Erhöhung des Darlehens um diesen Betrag. Bis zum 26. August 2010 sollte das Darlehen in gesamter Höhe sowie Zinsen und Verzugszinsen zurückgezahlt und die Bürgschaft zurückgegeben werden.

Beschluss der Kommission

Mit Beschluss vom 4. Juli 2016 ist die Kommission (siehe hierzu Rote Karte für den spanischen Fußball vom 7. Juli 2016 – BeihilfenBlog) zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den Bürgschaften der IVF um staatliche Beihilfen handelt. Der FC Valencia habe sich zum Zeitpunkt der Bürgschaftsgewährung in finanziellen Schwierigkeiten befunden. Der für eine Genehmigung dieser Art von Beihilfen erforderliche Umstrukturierungsplan konnte jedoch seitens der spanischen Behörden nicht vorgelegt werden. Daher ordnete die Kommission die Rückforderung der Beihilfen an.

Die Hinrunde vor dem Gericht der Europäischen Union

Der FC Valencia erhob gegen diesen Kommissionsbeschluss Nichtigkeitsklage beim EuG. Mit Urteil vom 12. März 2020 (Rs. T-732/16) erklärte das Gericht den Beschluss der Kommission für nichtig. Hintergrund ist, dass der Kommission bei der Frage, ob es sich bei der Bürgschaft um eine Beihilfe handelt oder nicht ein Beurteilungsfehler unterlaufen ist. Der Beurteilungsfehler bezieht sich auf die von der Kommission zu prüfende Frage, ob auf dem Markt keine äquivalente Garantieprämie angeboten werde. Nachdem die Kommission davon ausgegangen sei, dass es sich bei dem Fußballverein um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt, sei sie fälschlicherweise davon ausgegangen, dass deshalb auf dem Markt keine entsprechende Referenzgarantieprämie angeboten werde. Die Kommission habe darüber hinaus auch keine Gesamtbetrachtung vorgenommen, ob dem FC Valencia von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer eine Bürgschaft zu vergleichbaren Konditionen angeboten worden wäre.

Die Rückrunde vom Gerichtshof der Europäischen Union

Die Kommission hat gegen das Urteil des EuG Rechtsmittel eingelegt und beantragt, das Urteil des Gerichts aufzuheben. Die Kommission macht dabei einen einzigen Rechtsmittelgrund geltend, mit dem sie die fehlerhafte Auslegung des Begriffs „wirtschaftlicher Vorteil“ iSd. Art. 107 Abs. 1 AEUV rügt.

Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 10. November 2022 in Rs. C-211/20 P das Rechtsmittel als unbegründet zurückgewiesen und damit der spanischen Mannschaft in der Rückrunde zum Sieg verholfen.

Der EuGH stützt dabei die Ansicht des EuG in der ersten Instanz im Hinblick auf den Beurteilungsfehler der Kommission im Zusammenhang mit der Ermittlung der marktgerechten Bürgschaftsprämie. Der EuGH führt aus, dass die Kommission bei der Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung vorzunehmen habe, bei der sie grundsätzlich über ein weites Ermessen verfüge. Die Kommission hat jedoch im Zusammenhang mit der Frage, ob und unter welchen Umständen eine Bürgschaftsprämie marktgerecht ist ihr Ermessen durch den Erlass der Bürgschaftsmitteilung gebunden und müsse sich daran auch festhalten lassen. Daher müsse die Kommission bei der Beurteilung der Frage, ob eine Bürgschaftsprämie ein Beihilfenelement enthält auch die in der Bürgschaftsmitteilung angegebene Prüfungsreihenfolge berücksichtigen.

Zunächst sei daher zu prüfen, ob es eine entsprechende Garantieprämie als Vergleichsmaßstab auf dem Finanzmarkt gibt. Steht eine solche Prämie als Vergleichsmaßstab nicht zur Verfügung, sind die gesamten Finanzierungskosten für einen vergleichbaren nicht garantierten Kredit heranzuziehen. Erst wenn die Kommission beides geprüft und verneint hat, kann in einem nächsten Schritt – in Abstimmung mit dem Mitgliedstaat – auf Referenzwerte zurückgegriffen werden.

Hier habe die Kommission – so der EuGH – festgestellt, dass es sich bei dem FC Valencia um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt. Daraus habe sie nicht nur geschlussfolgert, dass kein Finanzinstitut bereit gewesen wäre, dem Sportverein eine Bürgschaft zu gewähren, sondern auch dass es keinen vergleichbaren nicht garantierten Kredit am Markt geben könne. Die Kommission sei daher irrig und ungeprüft vom Vorliegen eines beihilferelevanten Vorteils ausgegangen und habe dabei ihre Entscheidung nur auf eine negative Vermutung gestützt. Insofern habe die Kommission die ihr obliegende Beweislast und Sorgfaltspflicht nicht erfüllt, die sie sich selbst im Zusammenhang mit der Prüfung der Beihilferelevanz einer Bürgschaftsprämie auferlegt habe. Ausreichend wäre gewesen, wenn sich die Kommission im Verwaltungsverfahren an die spanischen Behörden gewandt hätte, um maßgebliche Information für ihre Beurteilung zu erbitten.

Autorin: Johanne Rippel, Referendarin bei Müller-Wrede & Partner

Die Deutsche Bahn und ihre Töchter – der nächste Streich

Die Deutsche Bahn und ihre Töchter – der nächste Streich

Die Europäische Kommission hat mit Beschluss vom 27. Juli 2022 eine mit 215 Mio. EUR ausgestattete Unterstützungsmaßnahme zugunsten der Deutschen Bahn genehmigt. Die Maßnahme soll die Deutsche Bahn für Einbußen entschädigen, die einigen ihrer Tochtergesellschaften infolge der COVID-19-Pandemie entstanden sind.

Es handelt sich hierbei bereits um die dritte von der Kommission genehmigte Maßnahme zum Ausgleich von Schäden, die der Deutschen Bahn über ihre Tochtergesellschaften infolge der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Im August 2021 genehmigte die Kommission eine Kapitalzuführung in Höhe von 550 Mio. EUR zum Ausgleich von Einbußen, die der DB Fernverkehr entstanden sind (Beihilfen für die Deutsch Bahn – dieses war der erste Streich…). Im Dezember 2021 genehmigte die Kommission dann eine Kapitalzuführung in Höhe von 88 Mio. EUR zum Ausgleich von Verlusten, die der DB Cargo entstanden sind (Pressemitteilung der Kommission).

Die Maßnahme Deutschlands

Auch die neue Unterstützungsmaßnahme erfolgt in Form einer Kapitalzuführung.

Zwischen dem 16. März 2020 und dem 31. Mai 2020 sind den Gesellschaften DB Netz (Betreiber der Eisenbahninfrastruktur), DB Energie (Bewirtschafter des deutschen Bahnstrom- und -tankstellennetzes) und DB Station & Service (u.a. Erhebung von Gebühren für die Nutzung von Hauptbahnhöfen und die Vermietung von Flächen in Bahnhöfen) infolge der Pandemie und der von Deutschland und anderen Ländern ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus insgesamt Einnahmeverluste von 215 Mio. EUR entstanden. Die Verluste der Unternehmen wurden von der Deutschen Bahn gedeckt, für die Deckung der Verluste soll die Deutsche Bahn mit der genehmigten Kapitalzuführung nunmehr entschädigt werden.

Die Genehmigung der Kommission

Wie bereits die beiden letztjährigen Genehmigungen erfolgte die Prüfung und Genehmigung der Kommission auch diesmal auf Grundlage des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV. Nach dieser Vorschrift sind Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, mit dem Binnenmarkt vereinbar. Die Kommission hatte bereits zu Beginn der Pandemie in einer Handreichung die COVID-19-Pandemie als ein außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV eingestuft (siehe hierzu auch Voraussetzung für eine Notifizierung auf Grundlage Art. 107 Abs. 2b). Hiermit hat sie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, Unterstützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie nicht nur auf Grundlage des Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV iVm. dem Befristeten COVID-19-Rahmen zu erlassen, sondern auch auf Grundlage des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV (siehe hierzu im Einzelnen Beihilferechtlicher Werkzeugkasten in Zeiten von Corona).

Nach Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV können Mitgliedstaaten hierbei solche Schäden ausgleichen, die unmittelbar auf die Pandemie zurückzuführen sind. Die Kommission hat bei ihrer Prüfung der gegenständlichen Maßnahme festgestellt, dass die Entschädigung für solche unmittelbar auf die Pandemie als außergewöhnliches Ereignis zurückzuführende Schäden bereitgestellt wird.

Im Übrigen hat die Kommission die Maßnahme für angemessen erachtet, da der vorgesehene Ausgleich nicht über die zur Deckung der Schäden durch die Deutsche Bahn erforderliche Höhe hinausgeht. Die Kommission kam deshalb insgesamt zu dem Ergebnis, dass die Maßnahme gemäß Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar ist.

Die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses wird unter der Nummer SA. 100322 über das Beihilfenregister der Europäischen Kommission zugänglich gemacht werden.

 

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner

Kommission genehmigt Wasserstoff-IPCEI mit deutscher Beteiligung

Kommission genehmigt Wasserstoff-IPCEI mit deutscher Beteiligung

Am 15. Juli 2022 hat die Europäische Kommission ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse („Important Project of Commen European Interest“, kurz „IPCEI“) zur Förderung von Forschung und Innovation und der ersten gewerblichen Nutzung in der Wertschöpfungskette der Wasserstofftechnologie genehmigt.

Der Genehmigungsbeschluss ist der erste, der auf Grundlage der neuen IPCEI-Mitteilung von 2021 (siehe Kommission nimmt überarbeitete IPCEI-Mitteilung an) ergeht.

Das Projekt umfasst 41 Vorhaben von 35 Unternehmen – hiervon 8 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bzw. Start-Ups – aus den 15 Mitgliedstaaten Deutschland, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Spanien und Tschechien. Aus Deutschland beteiligen sich die Unternehmen Sunfire, Bosch, EKPO und Daimler Truck. Die Unternehmen werden untereinander und mit über 300 weiteren externen Partnern in Europa, u.a. bestehend aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und KMU, zusammenarbeiten.

Die Mitgliedstaaten stellen iRd. Projektes mit dem Namen „IPCEI Hy2Tech“ insgesamt bis zu 5,4 Mrd. EUR an öffentlichen Mitteln bereit, um Vorhaben in einem Großteil der Wertschöpfungskette der Wasserstofftechnologie zu ermöglichen und zu unterstützen. Hiervon umfasst sind Projekte in den Bereichen Wasserstofferzeugung, Brennstoffzellen, Speicherung, Transport und Verteilung und Anwendungen für Endverbraucher. Durch die Bereitstellung der öffentlichen Mittel dürften zusätzliche private Investition von bis zu 8,8 Mrd. EUR mobilisiert werden können. Außerdem sollen durch das IPCEI rund 20.000 direkte Arbeitsplätze geschaffen werden.

Voraussetzungen der IPCEI-Mitteilung

Die Kommission hat das Projekt nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV unter Anwendung der in der IPCEI-Mitteilung von 2021 aufgestellten Kriterien geprüft und genehmigt. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV ermöglicht u.a. die Genehmigung von Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse. In ihrer IPCEI-Mitteilung von 2021 führt die Kommission aus, welche Kriterien sie bei der Anwendung dieser Vorschrift hinsichtlich der Genehmigung von IPCEIs prüft (detailliertere Übersicht über die Mitteilung und die dort aufgestellten Anforderungen). So sollen Investitionen in Vorhaben ermöglicht werden, die hoch innovativ sind und nicht die Massenproduktion oder kommerzielle Tätigkeit umfassen. Die iRd. Projektes gewonnenen Erkenntnisse müssen in der gesamten EU verbreitet werden und Spill-over-Effekte erzeugen. Gleichzeitig soll eine unverhältnismäßige Wettbewerbsverfälschung vermieden werden.

Das Projekt erfüllt diese Voraussetzungen:

Es trägt zu einem gemeinsamen Ziel der Europäischen Union bei, da die Wertschöpfungskette der Wasserstofftechnologie für die Zukunft Europas und für wichtige politische EU-Initiativen (Grüner Deal, EU-Wasserstoffstrategie) von entscheidender Bedeutung ist.

Alle Einzelvorhaben haben zum Ziel, Technologien und Verfahren zu entwickeln, die über den derzeit auf dem Markt verfügbaren Stand der Technik hinaus gehen.

Die öffentliche Förderung ist erforderlich, um trotz erheblicher technologischer und finanzieller Risiken Investitionsanreize zu schaffen. So existiert derzeit noch kein etablierter Wasserstoffmarkt in Europa.

Die Beihilfen für die einzelnen Unternehmen sind auf das erforderliche Maß beschränkt, indem die geplanten Höchstbeträge mit den beihilfefähigen Kosten der jeweiligen Vorhaben und der Finanzierungslücke im Einklang stehen. Zusätzlich gewährleistet ein Rückforderungsmechanismus die Rückzahlung eines Teils der erhaltenen Beträge, wenn die Vorhaben zusätzliche Nettoerträge einbringen.

Die Ergebnisse werden von den einzelnen Unternehmen an die europäische Wissensgemeinschaft und auch an Unternehmen aus anderen Ländern weitergegeben, wodurch in ganz Europa positive Spill-over-Effekte erzielt werden sollen.

Weitere Informationen zur Prüfung der Kommission und über die Höhe der Beihilfen für die einzelnen Teilnehmer des IPCEI ergeben sich aus den jeweiligen öffentlich zugänglichen Versionen des Kommissionsbeschlusses, sobald diese veröffentlicht sind (SA. 64647 für Deutschland).

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner

Rechte des Beihilfenempfängers als Beteiligter im Beihilfeverfahren

Rechte des Beihilfenempfängers als Beteiligter im Beihilfeverfahren

Weder der Beihilfenempfänger noch der Beihilfengeber sind Parteien eines Notifizierungsverfahrens. Das ergibt sich aus Art. 1 lit. h der beihilferechtlichen Verfahrensverordnung (VO 2015/1589). Lediglich die Europäische Kommission und der betreffende Mitgliedstaat sind Parteien eines solchen Verfahrens.

Damit hat insbesondere der Empfänger einer Beihilfe als bloßer Beteiligter offiziell nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sich an einem Beihilfeverfahren zu beteiligen. Mit dem Urteil in der Rs. C-139/07 P Technische Glaswerke Ilmenau hat der EuGH dem Beihilfenempfänger darüber hinaus auch grundsätzlich den Zugang zu den Dokumenten eines laufenden Verfahrens verwehrt. Diese Rechtsprechung wurde durch das Gericht der Europäischen Union mit Urteil vom 2. März 2022, Rs. T-134/20 Huhtamaki Sárl, erneut bestätigt.

Das EuG führte aus, es genüge, dass die begehrten Dokumente Teil der Verfahrensakte eines laufenden Beihilfeverfahrens seien, damit sie der allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit unterliegen. Andernfalls würden die Ziele des Prüfverfahrens untergraben. Infolgedessen dürfte dem Beihilfenempfänger der Zugang zu den Dokumenten versagt werden.

Im Ergebnis gab das EuG allerdings der Klage des Beihilfenempfängers statt. Die Kommission habe in ihrem Beschluss unter anderem nicht hinreichend begründet, weshalb sie die Argumente, die der Kläger zwecks Widerlegung der allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit vorbrachte, um teilweisen Zugang zu den Dokumenten zu erlangen, abgelehnt habe.

Folglich hat der Empfänger einer Beihilfe also grundsätzlich keine Möglichkeit, in die Dokumente eines laufenden Beihilfeverfahrens Einsicht zu nehmen, es sei denn, er vermag die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit der begehrten Dokumente im Einzelfall zu widerlegen. Wie das in der Praxis gelingen soll, bleibt fraglich.

Festzustellen ist jedoch, dass in den Notifizierungsverfahren, an denen wir beteiligt waren, der Beihilfenempfänger regelmäßig eingebunden war und auch die erforderlichen Informationen für die Notifizierung oder die Beantwortung der Fragen der Kommission zur Verfügung gestellt hat – schließlich hat er auch die meisten Informationen über das zu fördernde Projekt. Aber auch ein anderer Verfahrensablauf ist uns durchaus bekannt – das dürfte jedoch eher die Ausnahme sein. Tatsächlich hat dann der Beihilfenempfänger nur die Möglichkeit, im Rahmen eines förmlichen Prüfverfahrens eine Stellungnahme gem. Art. 24 Abs. 1 VO 2015/1589  abzugeben.

Art. 24 Abs. 2 begründet außerdem das Recht der Beteiligten, eine Beschwerde einzulegen, um die Kommission über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen oder eine mutmaßliche rechtswidrige Verwendung von Beihilfen zu informieren. Im vergangenen Jahr entschied jedoch das Gericht der Europäischen Union, dass ein Beihilfeempfängers selbst mit Einlegung einer  Beschwerde nach Art. 24 Abs. 2 VO 2015/1589 keine Beschluss der Kommission über die Rechtmäßigkeit der bereits gewährten Beihilfe erwirken könne (Solar Electric Holding u.a./Kommission, Rs. T-678/20).   

Fazit

Im Ergebnis hat der Beihilfeempfänger damit kaum Möglichkeiten, offiziell auf das Beihilfeverfahren einzuwirken oder Informationen über den Stand des Verfahrens zu bekommen. Tatsächlich wird er jedoch regelmäßig in die Beihilfenverfahren eingebunden.

Der verfahrensrechtliche Ausschluss des Beihilfenempfängers bleibt jedoch aus unserer Sicht problematisch, da dieser im Fall der Gewährung rechtswidriger Beihilfen unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot keinen Vertrauensschutz genießt und damit das volle Rückforderungsrisiko trägt. Gleiches gilt im Übrigen auch im Anwendungsbereich der AGVO. Auch dort begründet das Verhalten der mitgliedstaatlichen Behörden keinen Vertrauensschutz, wie der EuGH spätestens mit Urteil in der Rs. C-349/17, Esti Pagar klargestellt hat. Auch ein Comfort letter der Kommission kann diesbezüglich allenfalls die Gemüter beruhigen.

 

Dieser Beitrag wurde mitverfasst von Marie-Sybil von Dulong in ihrer Zeit als Referendarin bei Müller-Wrede Rechtsanwälte.

Keine Ausnahme von der Abgabe – auch Steuersystem des Vereinigten Königreichs fällt Kommission zum Opfer

Keine Ausnahme von der Abgabe – auch Steuersystem des Vereinigten Königreichs fällt Kommission zum Opfer

Nächstes Urteil eines europäischen Gerichts zur beihilferechtlichen Bewertung nationaler steuerlicher Maßnahmen zugunsten bestimmter multinationaler Konzerne, nächster Erfolg für die Kommission:

Mit Urteil vom 08. Juni 2022 (verbundene Rechtssachen T-363/19 und T-456/19) hat das Gericht die Kommission bestätigt, dass gesetzlich geregelte Ausnahmen von einer grundsätzlich zu zahlenden Abgabe auf künstlich auf Betriebsstätten im Ausland abgezweigte Gewinne eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe iSd. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt.

Hierbei folgen Kommission und Gericht den in mehreren jüngeren Entscheidungen zu Steuerregelungen und sog. „tax rulings“ verfestigten Grundsätzen zur Feststellung, wann Merkmale eines nationalen Steuersystems bzw. nationale steuerliche Maßnahmen die Tatbestandsmerkmale eines selektiven wirtschaftlichen Vorteils erfüllen. Da die Entscheidungspraxis bereits in einigen Beiträgen dieses Blogs ausführlich besprochen wurde (siehe Multinationale Konzerne und Steuern – die nächste Episode – BeihilfenBlog (beihilfen-blog.eu)Goodbye Goodwill – EuGH zur Selektivität steuerlicher Maßnahmen – BeihilfenBlog (beihilfen-blog.eu)EuGH: Belgische „tax rulings“ stellen eine Beihilferegelung dar – BeihilfenBlog (beihilfen-blog.eu)Etappen-Sieg für die Kommission bei Prüfung von „tax rulings“ zugunsten von Nike und Converse: Klage gegen Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens abgewiesen – BeihilfenBlog (beihilfen-blog.eu)), beschäftigt sich dieser Beitrag nur mit den wesentlichen Merkmalen der als beihilferechtswidrig eingestuften Steuerregelung des Vereinigten Königreichs und den wesentlichen Entscheidungsgründen des Gerichts.

Die auf controlled foreign companies (CFCs) anwendbaren Steuerregeln

Das Körperschaftssteuerrecht des Vereinigten Königreichs beruht auf dem Territorialitätsprinzip, nach dem Gewinne, die aus Tätigkeiten und Vermögenswerten im Vereinigten Königreich erzielt werden, der Körperschaftssteuer unterliegen. Nicht besteuert werden Gewinne, die dauerhaften Niederlassungen im Ausland zuzurechnen sind.

Da es hierdurch für Unternehmen im Vereinigten Königreich attraktiv sein kann, Tochtergesellschaften im Ausland zu unterhalten und Gewinne auf diese Tochtergesellschaften umzuverteilen, umfasste der Taxiation (International and Other Provisions) Act 2010 eigene Regelungen für sog. controlled foreign companies (CFCs), d.h. solche Unternehmen, die im Ausland ansässig sind, aber von einer oder mehreren Personen im Vereinigten Königreich rechtlich oder wirtschaftlich kontrolliert werden.

Die Regelungen sehen vor, dass solche Gewinne, die von einem Unternehmen oder von einer Unternehmensgruppe künstlich auf ein CFC verlagert werden, einer Abgabe unterliegen (im Folgenden „CFC-Abgabe“). Die Höhe der Abgabe orientiert sich hierbei an der Höhe der Steuern, die auf den künstlich verlagerten Gewinn erhoben würden, wenn er der Körperschaftssteuer im Vereinigten Königreich unterliegen würde. Die Abgabe dient hierbei dem Ziel der fairen Besteuerung bei einer künstlichen Verlagerung von Gewinnen, soll gegenüber einem System der allgemeinen Besteuerung von CFCs aber auch gewährleisten, dass keine (zusätzliche) Steuer bei tatsächlicher wirtschaftlicher Aktivität des Unternehmens im Ausland erhoben wird.

Ob Gewinne als künstlich verlagerte Gewinne der CFC-Abgabe unterfallen, richtet sich danach, ob die Gewinne aus Vermögenswerten oder Entscheidungen stammen, die im Vereinigten Königreich begründet sind. Denn in einem solchen Fall unterscheidet sich das den Gewinn erzielende Unternehmen von dem Unternehmen, das die Gewinne generiert. Maßgeblich für die Beurteilung, ob Gewinne künstlich auf ein CFC verlagert werden, ist eine Funktionsanalyse zur Feststellung der tatsächlich von einer Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeiten. Die Funktionsanalyse erfolgt nach dem Grundsatz der sog. significant people functions. Entscheidend für die Zuordnung der Tätigkeiten zu einer Betriebsstätte sind die von den Unternehmensmitarbeitern ausgeübten wesentlichen Funktionen: Die Tätigkeiten – und folglich die Vermögenswerte und Entscheidungen – eines Unternehmens sind der Betriebsstätte zuzuordnen, an der die Unternehmensmitarbeiter die für diese Tätigkeiten wesentlichen Funktionen ausüben.

Um den Verwaltungsaufwand zu verringern, gibt es wiederum eine Reihe an gesetzlichen Ausnahmen von der CFC-Abgabe, bei denen eine Einzelfallprüfung auf Grundlage der significant people functions nach Ansicht des Gesetzgebers in der Regel ergeben würde, dass die Gewinne der CFCs nicht aus einer künstlichen Verlagerung stammen, weil das Risiko der Umleitung in diesen Fällen allgemein gering ist. Eine dieser Ausnahmen ist folgende komplexe Regelung, die von Kommission und Gericht als Beihilfe eingestuft wurde:

Von der CFC-Abgabe befreit sind Gewinne aus sog. qualifizierten Darlehen (qualifying loans). Als solche werden im gegenständlichen Gesetz Darlehen definiert, die als allgemeine Voraussetzungen zum einen von einer Betriebsstätte des CFCs gewährt werden, von der die Aktivitäten des CFC mindestens im Wesentlichen ausgehen und die mit einem gewissen Grad an Kontinuität betrieben werden. Zum anderen müssen sie Mitgliedern der gleichen multinationalen Gruppe gewährt werden, die nicht im Vereinigten Königreich ansässig sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist ein Darlehen dann ein qualifiziertes Darlehen, wenn es noch eine der geregelten spezifischen Voraussetzungen erfüllt (z.B. das Darlehen stammt aus Mitteln, die das CFC aus Anteilen oder Vermögenswerten an anderen Unternehmen der Gruppe erzielt; die Gewinne aus dem Darlehen führen nur zu einer geringen Gewinnspanne; Freibetrag bei lediglich geringen Gewinnen).

Von dieser Ausnahme betroffen waren u.a. Darlehen von unter niederländischem Recht gebildeten CFCs der ITV Gruppe, deren Holding im Vereinigten Königreich steuerlich ansässig ist. ITV klagte deshalb gegen den die Rückforderung der gewährten Beihilfe anordnenden Kommissionsbeschluss.

Die wesentlichen Ausführungen des Gerichts

Referenzsystem

ITV als Klägerin und das Vereinigte Königreich führten zunächst an, die Kommission habe als für die Prüfung der Selektivität maßgebliches Referenzsystem unzutreffend die auf CFCs anwendbaren Regeln bestimmt. Als Referenzsystem sei vielmehr das Körperschaftssteuersystem des Vereinigten Königreichs als Ganzes heranzuziehen.

Das Gericht führt zunächst die gefestigte Rechtsprechung der europäischen Gerichte an (u.a. World Duty Free Group, C-51/19 P, Rn. 62 und 63), nach der bei der Bestimmung des Referenzrahmens auf das allgemeine Steuersystem Bezug zu nehmen ist, wenn die fragliche steuerliche Maßnahme untrennbar mit diesem verbunden ist. Ist eine solche Maßnahme aber eindeutig von diesem allgemeinen System zu trennen, kann der Referenzrahmen enger als das allgemeine System oder sogar mit der Maßnahme identisch sein, wenn sich diese als eine Maßnahme mit eigenständiger rechtlicher Logik darstellt und es nicht möglich ist, eine kohärente Gesamtheit von Vorschriften außerhalb dieser Maßnahme zu bestimmen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht nach den Gründen und Zielen einer staatlichen Maßnahme unterscheidet, sondern die Maßnahme anhand ihrer Wirkung unabhängig von den verwendeten Techniken beschreibt.

Sodann stellt das Gericht fest, dass es sich bei den auf CFC anwendbaren Regeln um ein solches eigenes Regelungssystem innerhalb des Steuerrechts des Vereinigten Königreichs mit eigenständiger rechtlicher Logik handelt: Während nach dem auf dem Territorialitätsprinzip beruhenden Körperschaftssteuersystem Gewinne von im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen aus ihrer wirtschaftlichen Aktivität im Vereinigten Königreich besteuert werden, betrifft die CFC-Abgabe Gewinne, die nach diesem Prinzip normalerweise nicht der Körperschaftssteuer unterliegen würden. Während die steuerpflichtige Person nach dem Territorialitätsprinzip das Unternehmen ist, das im Vereinigten Königreich eigene Gewinne erzielt, ist die pflichtige Person der CFC-Abgabe nicht das die Gewinne erzielende Unternehmen, sondern das das CFC kontrollierende Unternehmen. Während das die Körperschaftssteuerpflicht auslösende Ereignis der im Vereinigten Königreich erzielte Gewinn ist, ist das die CFC-Abgabe auslösende Ereignis die künstliche Umleitung von Gewinnen. Und auch wenn sich die Höhe der CFC-Abgabe an der Höhe der üblichen Steuerpflicht orientiert, wird ihre Höhe durch einen eigenen Kalkulationsmechanismus bestimmt. Schließlich enthalten die auf CFCs anwendbaren Regeln eigene – so für die Körperschaftssteuer nicht existente – Vorschriften zur Berechnung der Abgabe, zur Verwaltung und Eintreibung der Abgabe und zum Zusammenhang der Abgabe zu Steuern, die das Mutterunternehmen im Vereinigten Königreich zahlt und zu Steuern, die das CFC im Land seiner Niederlassung zahlt.

Wirtschaftlicher Vorteil

Weiter rügten die Klägerin und das Vereinigte Königreich, dass die Ausnahmen von der Pflicht zur Zahlung der CFC-Abgabe nicht isoliert von den übrigen Vorschriften zur CFC-Abgabe betrachtet werden können. Vielmehr sind sie Teil der Vorschriften, die insgesamt den Anwendungsbereich der Abgabe definieren und können als solche grade keine Ausnahme von diesen Vorschriften darstellen. Folglich kann die Anwendung der gegenständlichen Regelungen keinen wirtschaftlichen Vorteil begründen.

Das Gericht führt hierzu zunächst an, dass ein wirtschaftlicher Vorteil dann vorliegt, wenn eine Maßnahme Belastungen vermindert, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat (ständige Rspr., u.a. Bouygues und Bouygues Télécom, verb. Rs. C-399/10 P und C-401/10 P, Rn. 101). So ist die Gewährung einer steuerlichen Vergünstigung, die die Begünstigten besser stellt als die übrigen Steuerpflichtigen, ein wirtschaftlicher Vorteil (Ministerio de Defensa and Navantia, C-522/13, Rn. 23).

Sodann stellt das Gericht fest, dass die CFC-Abgabe grundsätzlich zu zahlen ist, wenn die Voraussetzung einer künstlichen Umleitung der Gewinne vorliegt. Die gegenständlichen Ausnahmeregelungen stehen im Widerspruch zu dieser Natur der Abgabe und können deshalb nicht bloß als eine Variante der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Regelungen für CFC angesehen werden. Würde bereits die Aufnahme in den selben Gesetzestext ausschließen, dass eine de facto Abweichung keine Abweichung mehr darstellt, sondern lediglich den Anwendungsbereich der Regelung definiert, wäre es für die Mitgliedstaaten ein Leichtes, durch gesetzgeberische Techniken die Beihilfenkontrolle zu umgehen.

Das Ziel der auf CFC anwendbaren Regelungen

Weiterhin rügten die Klägerin und das Vereinigte Königreich, dass die Kommission das Ziel der auf CFC anwendbaren Regelungen unzutreffend definiert hat, indem sie als Ziel nur die spezifische Besteuerung von künstlich abgezweigten Gewinnen definierte. Vielmehr sei das Ziel der Regelungen ganz allgemein der Schutz der Steuerbasis im Vereinigten Königreich.

Die Feststellung des Ziels der Regelungen des Referenzsystems ist maßgeblich, um die für die Feststellung der Selektivität erforderliche Prüfung vornehmen zu können. Die Selektivität bemisst sich nämlich danach, ob eine Maßnahme Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen begünstigt, die sich im Hinblick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.

Das Gericht stellt auf die Rügen fest, dass die Regelungen zwar auch dem, dem Körperschaftssteuersystem insgesamt zugrunde liegenden, allgemeinen Ziel des Schutzes der Steuerbasis dienen würden. Um die Selektivität der fraglichen Regelungen beurteilen zu können, muss aber das speziellere Ziel der auf CFC anwendbaren Regelungen herangezogen werden. Dieses hat die Kommission zutreffend definiert.

Selektivität

Schließlich führten die Klägerin und das Vereinigte Königreich an, dass die Regelung nicht selektiv sei.  Die auf CFC anwendbaren Regelungen würden nur zur Verpflichtung einer CFC-Abgabe führen, wenn ein hohes Risiko einer künstlichen Abzweigung von Gewinnen vorherrsche, während die gegenständliche Ausnahme nur dann Anwendung finden würde, wenn ein geringes Risiko einer Umgehung der Besteuerung vorherrsche. Die rechtliche und tatsächliche Situation von CFCs, die Gewinne aus qualifizierten Darlehen erzielen – und folglich der Ausnahme unterfallen – sei deshalb nicht vergleichbar mit der von CFCs, die Gewinne aus anderen – der Ausnahme nicht unterfallenden – Darlehen erzielen.

Das Gericht bestätigt aber auch insofern die Kommission und kommt zu dem Ergebnis, dass beide Situationen im Hinblick auf das mit den auf CFC anwendbaren Regelungen verfolgte Ziel der Besteuerung von künstlich abgezweigten Gewinnen vergleichbar sind:

Das Referenzsystem stellen die auf CFC anwendbaren Regelungen dar, die das Ziel haben, die Steuerbasis der Körperschaftssteuer zu beschützen, indem sie eine Abgabe auf Gewinne einführen, die künstlich aus dem Vereinigten Königreich auf das CFC umgeleitet werden. Maßgeblich für die Feststellung der künstlichen Umleitung ist das oben erläuterte Prinzip der significant people functions.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass sowohl im Fall der qualifizierten Darlehen als auch im Fall der nicht-qualifizierten Darlehen die Anwendung dieses Prinzips regelmäßig dazu führen kann, dass die Gewinne im Vereinigten Königreich hätten besteuert werden müssen. Denn auch, wenn die gesetzlichen Ausnahmen von der CFC-Abgabe für qualifizierte Darlehen Fallgruppen umfassen sollen, bei denen eine Einzelfallprüfung ergeben sollte, dass die Gewinne der CFCs nicht aus einer künstlichen Verlagerung stammen, kamen Kommission und Gericht bei ihrer Prüfung zu dem Ergebnis, dass es in sämtlichen Fallvarianten möglich ist, dass eine Einzelfallprüfung auch zum gegenteiligen Ergebnis führen könnte.

Soweit also nur Unternehmen, die Gewinne aus qualifizierten Darlehen erzielen, von der CFC-Abgabe befreit werden können, obwohl ihre Gewinne nach dem dem Referenzsystem zugrunde liegenden Ziel im Vereinigten Königreich hätten besteuert werden müssen, liegt hierin nach Ansicht des Gerichts eine Ungleichbehandlung zweier Gruppen, die hinsichtlich dieses Ziels miteinander vergleichbar sind.

Rechtfertigung der Maßnahme aus Gründen des Verwaltungsaufwands

Weiter waren die Klägerin und das Vereinigte Königreich der Ansicht, das System der steuerlichen Kontrolle von CFCs sei ohne die Regelung von Gruppenausnahmen wegen der Komplexität der Prüfung der significant people functions bei intra-Gruppen-Darlehen im Ausland verwaltungstechnisch nicht durchführbar. Die Regelung sei deshalb, auch wenn sie einen selektiven wirtschaftlichen Vorteil darstellen sollte, jedenfalls gerechtfertigt.

Hierzu führt das Gericht an, dass eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, zwar durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt werden kann, wenn der betreffende Mitgliedstaat nachweisen kann, dass sie unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruht, wobei zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind, zu unterscheiden ist (Portugal/Kommission, C‑88/03, Rn. 81A-Brauerei, C-374/17, Rn. 48).

Die Klägerin und das Vereinigte Königreich konnten aber schon nicht darlegen, dass ein Erfordernis von Einzelfallprüfungen das System der steuerlichen Kontrolle von Gewinnen der CFCs zu einem System mit unzumutbarem oder nicht zu bewältigendem Verwaltungsaufwand machen würde.

Rechtfertigung der Maßnahme aus Gründen der Niederlassungsfreiheit

Soweit auch gerügt wurde, dass die Ausnahmen von der CFC-Abgabe der Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit dienten und insofern gerechtfertigt sei, stellte das Gericht fest, dass die Verpflichtung zur Zahlung der CFC-Abgabe auch im Fall eines qualifizierten Darlehens schon nicht als ein Hindernis der Niederlassungsfreiheit darstellen kann.

Fazit

Erneut ist die Kommission bei ihrer Jagd nach Beihilfen in komplexen nationalen Steuersystemen fündig geworden und ist dabei nun vom Gericht bestätigt worden. Ansatz ist auch hier wieder der drei-Stufen-Test für die Überprüfung der Selektivität – ein Tatbestandsmerkmal, das außerhalb der beihilferechtlichen Überprüfung von Steuersystemen eher ein Schattendasein führt. Entscheidend für den drei-Stufen-Test ist die Einstiegsfrage, welches Referenzsystem für die weitere Prüfung heranzuziehen ist. Hier betrachten die Kommission und das europäische Gericht die CFC-Regeln als eigenständiges Referenzsystem und damit als Grundlage für die weitere Prüfung. Es ist davon auszugehen, dass damit das letzte Wort noch nicht gesprochen worden ist und sich auch noch der EuGH mit der Frage der Selektivität der CFC-Regelung befassen darf.

 

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner

Keine Rechtfertigung einer Beihilfe bei Verstoß gegen besondere Vorschriften des Unionsrechts?

Keine Rechtfertigung einer Beihilfe bei Verstoß gegen besondere Vorschriften des Unionsrechts?

Das Verfahren nach Artikel 108 AEUV darf niemals zu einem Ergebnis führen, das zu den besonderen Vorschriften des Vertrages im Widerspruch steht.

Mit dieser Begründung erachtete die Europäische Kommission einen Ausgleich für die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Dienstleistungen für den Betrieb einer internationalen Seeverbindungsroute als mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe, weil die Begünstigte Adriatica (ein Unternehmen der Tirrenia-Gruppe) an einem nach Artikel 101 AEUV verbotenen Preisfestsetzungskartell beteiligt war.

Das Ergebnis der Kommission wurde nunmehr mit Urteil des EuG vom 18.05.2022 (T-601/20) bestätigt. Tirrenia hatte gegen den Kommissionsbeschluss (u.a.) auf der Grundlage geklagt, dass allein die Beteiligung an einem solchen Kartell nicht die Binnenmarktvereinbarkeit ausschließen könne. Die Beihilferegelung als solche habe nicht gegen besondere Vorschriften des Vertrages verstoßen.

Daneben enthält das Urteil u.a. grundlegende Aussagen zur Unterscheidung zwischen bestehenden und neuen Beihilfen und zum Sinn und Zweck der 10-jährigen Verjährungsfrist.

Hintergrund

Das Urteil reiht sich ein in einen seit 1999 schwelenden Konflikt zwischen der Tirrenia-Gruppe und der Europäischen Kommission wegen Ausgleichszahlungen des italienischen Staates für durch die Tirrenia-Gruppe durchgeführte Seeverkehrsdienste als öffentliche Dienstleistung.

Zuletzt hatte die Kommission mit Beschluss vom 02.03.2020 einen Großteil der Maßnahmen als bestehende Beihilfen oder mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen bewertet (siehe hierzu Ein seltener Fall im Beihilfenrecht: ein Beschluss der Kommission auf Grundlage des DawI-Rahmens – BeihilfenBlog (beihilfen-blog.eu)). Lediglich Ausgleichsleistungen für die Route Brindisi–Korfu–Igoumenitsa–Patras erachtete die Kommission wegen des Verstoßes gegen Art. 101 AEUV als mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe.

Das Urteil des EuG

Tirrenia macht zur Begründung ihrer Klage drei Klagegründe geltend: Erstens, einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften in Bezug auf die Verjährungsfrist für die Rückforderung von Zinsen; Zweitens, die fehlerhafte Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen, die fehlerhafte Einstufung als neue Beihilfen, einen Verstoß gegen die Begründungspflicht und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Drittens, einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung.

Fehlerhaften Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen und Verstoß gegen Begründungspflicht

Wie bereits einleitend angeführt, ist Tirrenia der Ansicht, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass allein das Vorliegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens (bspw. in Form eines kartellrechtlichen Verstoßes) bereits impliziere, dass es unmöglich sei, dass die Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Die Beihilfe als solche verstoße nämlich nicht gegen andere Bestimmungen des Vertrages, der Verstoß gegen Art. 101 AEUV liege in einem gesonderten Verhalten begründet.

Das EuG stimmt Tirrenia insofern zwar noch zu, dass eine Beihilferegelung, die nicht als solche und auch nicht aufgrund ihrer Modalitäten gegen andere Bestimmungen des Vertrages verstößt, nicht aus diesem Grund als mit dem Binnenmarkt unvereinbar angesehen werden kann. Die Kommission hatte ihre Begründung aber, anders als von Tirrenia unterstellt, nicht auf die bloße Existenz eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV gestützt. Vielmehr führte die Kommission als Begründung an, dass das mit einem Preisfestsetzungskartell verfolgte Ziel im Widerspruch zum Ziel einer Beihilfe für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen steht. Während die Bildung eines Preisfestsetzungskartells darauf abzielt, Preise für Verbraucher im Vergleich zum Marktpreis zu erhöhen und den Beteiligten höhere Vergütungen zu sichern, dient eine Beihilfe für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse dazu, Preise für Verbraucher erschwinglich zu halten und Nutzern die Dienstleistung zugänglich und regelmäßig zu gewährleisten. Das EuG bestätigte die Kommission, dass sie ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler zu dem Schluss kommen konnte, dass die Beteiligung an einem Preisfestsetzungskartell deshalb die Unvereinbarkeit der Maßnahme mit dem Binnenmarkt impliziere.

Soweit Tirrenia auch rügte, dass die Kommission hinsichtlich dieses Prüfungspunktes gegen ihre Begründungspflicht verstoßen habe, weist das EuG auch diese Rüge ab. Die Begründung der Kommission war insofern sogar besonders ausführlich und die Rüge Tirrenias zielte eher auf die rechtliche Bewertung als auf eine fehlende Begründung.

Fehlerhafte Einstufung als neue Beihilfe und Verstoß gegen die Begründungspflicht

Des Weiteren wendete Tirrenia sich gegen die Feststellung der Kommission, dass es sich bei der Beihilferegelung um eine neue Beihilfe handelte. Vielmehr habe es sich um eine bestehende Beihilfe gehandelt.

Zum einen seien die Verbindungen zwischen Italien und Griechenland bereits in – den Betrieb verschiedener Routen regelnden – Gesetzesdekreten von 1936 vorgesehen gewesen, wovon notwendigerweise auch die hier gegenständliche Verbindung umfasst gewesen sei. Diese Argumentation lehnte das EuG mit der Begründung ab, dass es die italienischen Behörden im Verwaltungsverfahren versäumt hätten, das Datum der Einführung der konkreten Strecke zu übermitteln und aus einem Schreiben der italienischen Behörden vielmehr hervorgeht, dass die konkrete Strecke erst 1972 eingeführt wurde. Im Übrigen war die Bezugnahme auf die Strecke zwischen Italien und Griechenland so allgemein und unspezifisch, dass schon nicht geprüft und gewährleistet werden könne, dass der Betrag, der die konkrete Strecke betreffenden Beihilfe nicht über das hinausging, was zur Deckung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung erforderlich war.

Zum anderen seien nach Ansicht Tirrenias später am Mechanismus zur Berechnung des Ausgleichsbetrages vorgenommene Änderungen nicht wesentlich und die Aufhebung der Gesetzesdekrete von 1936 insofern rein formal. Hierzu stellt das EuG fest, dass die Rechtsgrundlage, auf der die Gewährung der Ausgleichszahlungen zuvor beruhte, unstreitig aufgehoben wurde. Der Rechtsakt sei somit im Zeitpunkt seiner Aufhebung erloschen und somit nicht mehr Teil der Rechtsordnung der Union gewesen. Die Ausgleichsregelung ist mit der Rechtsgrundlage verbunden, die ihre Rechtmäßigkeit begründet und verschwindet mit Aufhebung der Rechtsgrundlage ebenfalls aus der Rechtsordnung. Vielmehr wurde die Ausgleichsregelung dann durch eine neue Regelung, die streitige Beihilferegelung als, als neue Beihilfe iSd. Art. 1 lit. c der VO Nr. 659/1999 ersetzt.

Schließlich waren entgegen der von Tirrenia vertretenen weiteren Argumente auch die übrigen Änderungen der Regelung wesentlicher Art, als dass sie Kernelemente wie den Ausgleichsmechanismus zur Berechnung der Höhe des Ausgleichs, den Zeitraum, in dem der Ausgleich gezahlt werden konnte und die Haushaltsmittel, die zur Finanzierung bereitgestellt werden sollten, betrafen. Aus den gleichen Gründen war die Beihilferegelung ebenso wenig als eine bestehende Beihilfe zu bewerten, weil die Änderungen von der ursprünglichen Regelung abtrennbar gewesen wären. Die Änderungen betrafen wesentliche Elemente der Regelung.

Auch hier nahm die Kommission in ihrem Beschluss eine ausführliche Begründung vor, sodass das EuG hinsichtlich der Rüge eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht auch hier feststellte, dass Tirrenia eher den Inhalt der Begründung in Frage stellt, als das Fehlen einer Begründung behaupten zu können.

Verstoß gegen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Schließlich rügte Tirrenia materiell noch einen Verstoß der Kommission gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil die Kommission zum einen eine Geldbuße wegen der Beteiligung am Kartell und zum anderen eine Rückforderung von Beihilfen wegen der Unvereinbarkeit der Regelung mit dem Binnenmarkt (infolge der Beteiligung an einem Kartell) verhängt habe. Hierdurch würde Tirrenia doppelt sanktioniert.

Hierzu stellte das EuG nur kurz dar, dass Tirrenia – anders als von ihr geltend gemacht – nicht zwei Mal bestraft wurde. Die Rückforderung einer Beihilfe wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt stellt keine Geldbuße dar, sondern dient der Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung. Die Verurteilung wegen der Beteiligung an einem Kartell erfolgt hiervon unabhängig und wegen einer (gesonderten) Zuwiderhandlung.

Die Rückforderung der Beihilfe ist einzig Folge ihrer Rechtswidrigkeit und Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt. Als solche kann die Rückforderung selbst keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begründen.

Anwendung der  der 10-jährigenVerjährungsfrist nach Art. 17 Abs. 1 VO 2015/1589 auf die Rückforderung von Zinsen

Mit Beschluss vom 16.03.2004 (Entscheidung 2005/163/EG) hat die Kommission erstmals die gegenständliche Maßnahme als mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe bewertet und die Rückforderung der Beihilfe einschließlich Zinsen angeordnet. Italien hat daraufhin die Beihilfen sowie einen Großteil der Zinsen von Tirrenia zurückgefordert. Der Beschluss wurde wegen eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht mit Urteil des EuG vom 04.03.2009 aufgehoben.

Die Rückforderung  umfasste nach Feststellungen der Kommission nicht die aus einer verzögerten Rückzahlung durch Tirrenia entstandenen Zinsen für einen Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 26.03.2007. Soweit die Kommission hinsichtlich dieses Betrages jetzt mit dem hier gegenständlichen Beschluss die Rückforderung der ausstehenden Zinsen anordnet, wendet Tirrenia den Ablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist des Art. 17 Abs. 1 der VO 2015/1589 ein. Es habe bezüglich der Zinsen keine Beanstandung der Kommission gegeben, die die Verjährung hätten unterbrechen können. Seit dem letzten die Verjährung unterbrechenden Ereignis – dem EuG-Urteil vom 04.03.2009 zum damaligen Kommissionsbeschluss – seien mehr als 10 Jahre vergangen.

Das EuG hält hierzu zunächst fest, dass das Hauptziel der Rückforderung einer rechtswidrig gewährten Beihilfe darin besteht, die durch den verschafften Wettbewerbsvorteil verursachte Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen. Die Rückforderungspflicht ist erst erfüllt, wenn der Betrag der Beihilfe einschließlich Zinsen zurückgezahlt wurde, wie sich aus Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 der VO 2015/1589 ergibt. Nach Art. 16 Abs. 2 der VO 2015/1589 umfasst die aufgrund eines Rückforderungsbeschlusses zurückzufordernde Beihilfe Zinsen, die nach einem von der Kommission festgelegten angemessenen Satz berechnet werden und vom Zeitpunkt, ab dem die Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung zu zahlen sind.

Verjährungsfristen haben demgegenüber die Funktion, Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Durch das Urteil des EuG wurde mit dem Kommissionbeschluss zwar die Grundlage für die Rückforderung sowohl der Beihilfen als auch der Zinsen aufgehoben. Unmittelbar darauf nahm die Kommission jedoch das Verwaltungsverfahren wieder auf und stellte mit Abschluss des Verfahrens in dem hier gegenständlichen Beschluss fest, dass die gegenständliche Maßnahme eine rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstellte. Eine besondere Feststellung zu den Zinsen musste die Kommission hierbei nach Ansicht des Gerichts  nicht treffen, da sich die Ausdehnung auf die Zinsen unmittelbar und zwangsläufig aus Art. 16 der VO 2015/1589 ergibt. Insofern ist es unzutreffend, dass das letzte die Verjährung unterbrechende Ereignis das Urteil vom 04.03.2009 gewesen sein soll. Denn in dem wieder aufgenommenen Verfahren ergriff die Kommission zahlreiche, die Verjährungsfrist unterbrechende Maßnahmen, wie sie in Art. 17 Abs. 2 der VO 2015/1589 aufgeführt werden. So richtete sie u.a. am 18.10.2018 (vor Ablauf der auch nach Klägerinnenvortrag nicht vor 2009 beginnenden Verjährungsfrist) ein Schreiben an Italien, in dem Italien aufgefordert wurde, den genauen bislang zurück geforderten Betrag mitzuteilen.

Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der guten Verwaltung sowie gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

Schließlich rügt Tirrenia einige Verstöße der Kommission auf der Grundlage der übermäßigen Länge des Verfahrens von 10 Jahren. So hätte die übermäßige Dauer ein berechtigtes Vertrauen in die Binnenmarktvereinbarkeit der Maßnahmen hervorgerufen und auch gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der guten Verwaltung verstoßen.

Auch insofern folgt das EuG der Argumentation aber nicht.

Dier Kommission ist im Falle einer nicht angemeldeten möglichen rechtswidrigen Beihilfe (so hier der Fall) nicht an die Fristen für angemeldete Beihilfen gebunden, wie sich auch aus Erwägungsgrund 22 der VO 2015/1589 ergibt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu bewerten.

Nicht nur benennt Tirrenia aber schon nicht konkret, aus welchen Umständen sich im Einzelfall ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und ordnungsgemäßen Verwaltung ergeben soll. Die Entscheidung enthält außerdem zahlreiche Erwägungsgründe zu einer Vielzahl von Maßnahmen, deren faktische und rechtliche Komplexität von den italienischen Behörden im Verfahren selbst hervorgehoben wurde. Ferner waren es vor allem die italienischen Behörden, die untätig geblieben sind und es unterlassen haben, der Kommission rechtzeitig die erforderlichen Informationen zu übermitteln.

Betreffend den Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes kommt hinzu, dass bei einer ohne vorherige Anmeldung durchgeführten Maßnahme der Empfänger zu diesem Zeitpunkt kein berechtigtes Vertrauen in ihre rechtmäßige Gewährung haben kann. Ein Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV ist für sich genommen bereits geeignet, ein berechtigtes Vertrauen des Empfängers auszuschließen. Soweit Tirrenia Rechtsprechung anführt, die sich auf Vertrauensschutz bei Durchführung eines Vorprüfungsverfahrens oder bei angemeldeten Verfahren bezieht, ist diese Rechtsprechung auf den Fall einer nicht angemeldeten gewährten Beihilfe nicht übertragbar. Die Kommission hat schließlich auch keine Vertrauensschutz begründende Zusicherung erteilt. Im Gegenteil war für Tirrenia erkennbar, dass die Kommission die Beihilfe immer noch als rechtswidrig betrachten würde, nachdem der erste Beschluss wegen eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht aufgehoben wurde.

Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner

Keine Informationen, kein Beweis?

Keine Informationen, kein Beweis?

Wie hoch sind die Anforderungen an den von der Kommission zu führenden und vom Gericht zu bewertenden Nachweis, dass einem Unternehmen ein Vorteil zugeflossen ist, wenn die Kommission hinsichtlich des zu bewertenden Sachverhalts nur über begrenzte Informationen verfügt?

Nachdem der EuGH in der Rechtssache C-244/18 PLarko“ das erstinstanzliche Urteil mit der Begründung aufhob, das EuG habe den falschen Prüfungsmaßstab angelegt und es unterlassen, sich bei seiner Prüfung und Begründung in den Kontext zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme zu versetzen, durfte das EuG nunmehr mit Urteil vom 4. Mai 2022 eine erneute Prüfung unter Berücksichtigung der vom EuGH aufgestellten Grundsätze zur Beweislast vornehmen.

Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie die Anforderungen an die Beweislast der Kommission zu bewerten sind und wie die Verantwortungssphären zwischen Mitgliedstaat und Kommission abzugrenzen sind, wenn der Mitgliedstaat im Verwaltungsverfahren unter Verstoß gegen seine Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit der Kommission nicht die für ihre Prüfung des Art. 107 Abs. 1 AEUV erforderlichen Informationen übermittelt.

Bisheriger Verfahrensgang

Larko ist ein griechisches auf die Gewinnung und Verarbeitung von Lateriterz, den Abbau von Braunkohle und die Herstellung von Ferronickel und Nebenprodukten spezialisiertes Unternehmen. Nachdem im März 2012 die griechischen Behörden die Kommission über ein Privatisierungsprogramm für Larko informierten, leitete die Kommission im April 2012 eine vorläufige Prüfung der Privatisierung gemäß den Vorschriften über staatliche Beihilfen ein.

Mit Beschluss vom 6. März 2013 eröffnete die Kommission das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV. Mit Beschluss  vom 27. März 2014 stellte die Kommission fest, dass drei der geprüften Maßnahmen zugunsten Larkos mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten, die unter Missachtung des Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährt wurden und ordnete die Rückforderung der Beihilfen an. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens waren die griechischen Behörden nach Ansicht der Kommission den Aufforderungen der Kommission, die erforderlichen Informationen zu übermitteln, unzureichend und lückenhaft nachgekommen.

Im Juni 2014 erhob Larko Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses u.a. mit der Begründung, dass die Kommission zu Unrecht festgestellt habe, dass es sich bei den Maßnahmen um mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfen handele. Mit Urteil vom 1. Februar 2018 wies das EuG die Klage ab. Larko wendete sich daraufhin mit einem Rechtsmittel vor dem EuGH gegen das Urteil.

Urteil des EuGH vom 26. März 2020

Hinsichtlich zwei Maßnahmen wies der EuGH das Rechtsmittel zurück. Hinsichtlich einer im Dezember 2008 gewährten Garantie für ein Darlehen in Höhe von 30 Mio. EUR, mit der 100 % des Darlehens bis zu drei Jahre abgedeckt wurden und deren Garantieprämie 1 % pro Jahr betrug, hob der EuGH das Urteil auf und verwies die Rechtssache zurück an das EuG.

Das EuG hatte insofern ursprünglich geurteilt, dass ein privater Kapitalgeber eine Garantie zu solchen Konditionen nicht gewährt hätte und die Kommission in der Annahme eines wirtschaftlichen Vorteils bestätigt. Hierbei hat es nach Ansicht des EuGH einen Rechtsfehler begangen.

Denn das Gericht stützte zum einen seine Begründung, dass Larko ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ iSd. Rn. 9 – 11 der Leitlinien für staatliche Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen (in der damals geltenden Fassung) war, auf Elemente, die nach dem Erlass der Maßnahme eingetreten waren. Zum anderen habe es bei seiner Prüfung, ob die griechischen Behörden im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme von den Schwierigkeiten Larkos Kenntnis hatten, festgestellt, dass kein Aktenstück „mit Sicherheit“ nachweise, dass die Behörden zu diesem Zeitpunkt eine solche Kenntnis hatten. Schließlich stellte es dann aber eine Vermutung an, wonach der griechische Staat zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme von der schwierigen Lage Larkos hätte Kenntnis haben müssen.

Durch diese Begründung habe das Gericht es unterlassen, sich bei der Prüfung des Kriteriums des privaten Wirtschaftsteilnehmers in den Kontext zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme zu versetzen. Das Gericht habe verkannt, dass die Kommission ihre positive Annahme, dass einem Unternehmen ein Vorteil zugeflossen ist, nicht einfach auf eine negative Vermutung stützen darf, wenn sie schlicht nicht über hinreichende Informationen für eine (möglicherweise gegenteilige) Schlussfolgerung verfügt.

Ist der Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers (wie vorliegend) anwendbar (wofür der betroffene Mitgliedstaat beweisbelastet sei), obliege nämlich die Beweislast, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers vorliegen oder nicht, der Kommission.

Auch, wenn sie aufgrund der Verletzung eines Mitgliedsstaates von dessen Pflicht zur Zusammenarbeit die angeforderten Auskünfte nicht erhält, muss sie ihre Entscheidung auf „einigermaßen tragfähige und schlüssige Anhaltspunkte stützen, die eine hinreiche Grundlage für die Annahme bilden, dass einem Unternehmen ein Vorteil zugeflossen ist, der eine staatliche Beihilfe darstellt, und die somit geeignet sind, die Schlussfolgerungen, zu denen sie gelangt ist, zu untermauern“.

Urteil des EuG vom 4. Mai 2022

Somit hatte das EuG nach Rückverweisung der Rechtssache nunmehr zu prüfen, ob die Kommission in ihrem Beschluss in einer diesen Anforderungen genügenden Weise das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils hinsichtlich der Darlehensgarantie geprüft und begründet hat.

Die vom EuG zu beurteilende Begründung der Kommission findet sich im 73. Erwägungsgrund des Beschlusses und enthält im Wesentlichen zwei Teile:

Zum einen die Feststellung der Kommission, dass Larko 2008 ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ iSv. Nr. 3.2 lit. a der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien iVm. der Definition in den Rn. 9 – 11 der Leitlinien für staatliche Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen in der damals geltenden Fassung war. Zum anderen, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass unter Berücksichtigung der erheblichen finanziellen Schwierigkeiten und der hohen Verschuldung Larkos im Verhältnis zum Eigenkapital (iSv. Nr. 3.2 lit. d der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien) eine jährliche Garantieprämie von 1 % dem Ausfallrisiko des garantierten Darlehens angemessen sei.

Das EuG stellte zunächst fest, dass aus der Struktur des 73. Erwägungsgrundes zu entnehmen sei, dass die beiden Teile der Begründung als alternative Begründungen zu verstehen seien, die ausgehend von Nr. 3.2 lit. a und lit. d der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien jeweils zu dem Schluss führen sollen, dass die griechischen Behörden nicht nachgewiesen hätten, dass die Maßnahme marktkonform gewesen sei und daher einen Vorteil iSv. Art. 107 Abs. 1 AEUV beinhaltete. Sodann prüfte das EuG zunächst hinsichtlich des zweiten Teils der Begründung nach Maßgabe des EuGH, ob die Verwaltungsakten Angaben von einer gewissen Zuverlässigkeit und Kohärenz enthalten, die eine hinreichende Grundlage für den Schluss der Kommission bilden und dass dieser Punkt zwischen der Kommission und den griechischen Behörden nicht streitig war.

Hierbei gelangte das EuG zu dem Schluss, dass dem Vorbringen der Kommission zu folgen und die Klage auch insofern abzuweisen ist. Das Gericht stützt dieses Ergebnis auf eine fünf-schrittige Prüfung.

Prüfungsumfang

Mit den ersten beiden Prüfungsschritten umgrenzt das Gericht zunächst den erforderlichen Prüfungsumfang bzw. die Prüfungsgrundlage.

So dürfen die im zweiten Teil der Begründung angeführten „erheblichen finanziellen Schwierigkeiten von Larko“ nicht mit der im ersten Teil angeführten Eigenschaft Larkos als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ verwechselt werden. Die Voraussetzungen der Nr. 3.2 der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien müssen kumulativ erfüllt sein. Der zweite Teil der Begründung bezieht sich auf Nr. 3.2 lit. d der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien, nach der für die Garantie ein marktübliches Entgelt zu zahlen ist. Hierbei ist u.a. die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredits maßgeblich, mithin auch, ob sich das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten befindet. Nach der in dem Urteil sehr verklausuliert formulierten Ansicht des Gerichts genügt es, dass eine der Voraussetzungen der Nr. 3.2 der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien nicht vorliegt, damit das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe nicht gemäß der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien ausgeschlossen werden kann.

Des Weiteren habe der EuGH lediglich in dem o.g. Umfang die falsche Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers durch das Gericht beanstandet, nicht aber die Stichhaltigkeit des zweiten Teils der Begründung des 73. Erwägungsgrundes des Beschlusses der Kommission oder die Stichhaltigkeit der weiteren Beurteilung des Gerichts hierzu, obwohl Larko diese Punkte in ihrem Rechtsmittel ausdrücklich gerügt hatte. Das Gericht hat somit nunmehr das Vorliegen von Gesichtspunkten zu prüfen, die belegen können, dass die griechischen Behörden vor oder bei Gewährung der Maßnahme von den „Schwierigkeiten von Larko“ Kenntnis hatten oder hätten haben müssen.

Anhaltspunkte in den Verwaltungsakten

In den weiteren beiden Prüfungsschritten legt das Gericht dar, dass die Feststellungen der Kommission zusammen mit den aus den Verwaltungsakten hervorgehenden maßgeblichen Beweisen ausreichen, um zu belegen, dass Larko spätestens zum Zeitpunkt der Gewährung der Maßnahme in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten steckte und dies den griechischen Behörden bewusst war, was sie im Verwaltungsverfahren auch nicht bestritten haben.

So habe die Kommission im zweiten Teil der Begründung des 73. Erwägungsgrundes einen Zusammenhang zwischen den „erheblichen finanziellen Schwierigkeiten“ Larkos und der „hohen Verschuldung im Verhältnis zum Eigenkapital“, die sich auf das „Ausfallrisiko der garantierten Darlehen“ auswirken könne, hergestellt. Den Zusammenhang belege die Kommission im 56. Erwägungsgrund des Beschlusses anhand einer Tabelle zur Verschuldung und zum Eigenkapital Larkos in den Jahren 2007 und 2008.

Diese Einschätzung wird nach Auffassung des Gerichts auch durch folgende weitere Anhaltspunkte in der Akte belegt:

  • Die Kommission hat im Eröffnungsbeschluss ausdrücklich die Aufmerksamkeit der griechischen Behörden auf den potenziell nicht marktkonformen Charakter der Garantieprämie im Hinblick auf Nr. 3.2 der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien gelegt. Sie führte hierbei an, dass eine jährliche Prämie von 1 % im Hinblick auf die erheblichen finanziellen Schwierigkeiten und der hohen Verschuldung Larkos auf den ersten Blick dem Ausfallrisiko nicht angemessen sei.
  • Die Kommission hat die griechischen Behörden – auch im Eröffnungsbeschluss – ausdrücklich aufgefordert, ihr alle Informationen zur Beurteilung der Kriterien der Nr. 3.2 der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien zu übermitteln, auch um prüfen zu können, ob die Prämie von 1 % im Vergleich zu „entsprechenden marktüblichen“ Entgelten angemessen ist.
  • Die griechischen Behörden haben für ihre Behauptungen, dass Larko über eine gute Bonitätseinstufung verfügt habe und die Prämie von 1 % den Marktbedingungen entsprochen habe, keine Beweise vorgelegt. Vielmehr haben die griechischen Behörden an anderer Stelle die „abrupte Verschlechterung“ der finanziellen Lage Larkos im zweiten Halbjahr 2008 einräumen müssen.
  • Die Schlussfolgerung wird durch die konstanten Verluste Larkos in den Jahren 2007 und 2008 bestätigt, die die Kommission in Eröffnungsbeschluss und angefochtenem Beschluss zugrunde gelegt hat. Außerdem wies die Kommission im Eröffnungsbeschluss darauf hin, dass nach Nr. 3.2 lit. c der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien das Vorliegen einer Beihilfe nicht ausgeschlossen werden könne, wenn die Garantie mehr als 80 % des ausstehenden Kreditbetrags decke (die Maßnahme war aber dazu bestimmt, 100 % des Darlehens zu decken).
  • Aus den im angefochtenen Beschluss zusammengefassten Erklärungen der griechischen Behörden zum Eröffnungsbeschluss geht hervor, dass diese ab Mitte 2008 von der schlechten finanziellen Situation Larkos Kenntnis hatten.

Kein Entgegenstehen der Regeln über Verteilung der Beweislast

In einem letzten Prüfungsschritt hält das EuG fest, dass auch die Regeln über die Verteilung der Beweislast nicht geeignet sind, die Feststellungen zu entkräften. Nach Ansicht des Gerichts würden ansonsten die Beweislast unter Verkennung des Umfangs der Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit des Mitgliedstaates aus Art. 4 Abs. 3 EUV ungerechtfertigterweise zulasten der Kommission umgekehrt.

Denn zwar habe die Kommission nach dem Urteil des EuGH, auch wenn sie es mit einem Mitgliedstaat zu tun habe, der unter Verletzung seiner Pflicht zur Zusammenarbeit die angeforderten Auskünfte nicht erteilt, ihre Entscheidungen auf einigermaßen tragfähige und schlüssige Anhaltspunkte zu stützen, die eine hinreichende Grundlage für ihre Annahme bilden und darf nicht einfach in Ermangelung anderer Anhaltspunkte ihre positive Feststellung auf eine negative Vermutung stützen. Auch könne die Kommission durch von ihr erlassene Verhaltensregeln – wie die Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien – keine Verpflichtungen zulasten der Mitgliedstaaten begründen.

Vorliegend hatte die Kommission aber über die o.g. hinreichend zuverlässigen und kohärenten Anhaltspunkte verfügt. Die griechischen Behörden wiederum haben nichts unternommen, um diese Anhaltspunkte zu widerlegen und die für die Erfüllung der Nr. 3.2 lit. d der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien maßgeblichen Anhaltspunkte vorzutragen. Weder die griechischen Behörden noch Larko haben die der Kommission zur Verfügung stehenden Indizien widerlegt, obwohl die Kommission die Behörden ausdrücklich hierzu aufgefordert hatte. Ein solches Ergebnis entspricht schließlich der Verteilung der Kenntnis- und Verantwortungssphären, die den Voraussetzungen von Nr. 3.2 der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien zugrunde liegen und die vor allem den Nachweis durch den Mitgliedstaat erleichtern sollen, dass eine öffentliche Einzelgarantie keine der Kommission mitzuteilende staatliche Beihilfe beinhaltet. Grade solche Informationen, die in die Kenntnis- und Verantwortungssphäre des Mitgliedstaates fallen, könnte der Mitgliedstaat gemäß seiner Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV vorlegen.

So hat die Kommission beim Erlass dieses Beschlusses über ausreichend zuverlässige und kohärente Anhaltspunkte für die Feststellung, dass die gewährte Garantieprämie nicht marktkonform war und einen Vorteil iSv. Art. 107 Abs. 1 AEUV dargestellt hat, verfügt. Das EuG hat die Klage deshalb insgesamt abgewiesen, ohne über den ersten Teil der Begründung der Kommission, dass es sich bei Larko um ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ gehandelt hat, entscheiden zu müssen.

Fazit

Die Prüfung des Kriteriums des privaten Wirtschaftsteilnehmers kann sich für die Kommission im Einzelfall vor dem Hintergrund der Verteilung der Beweislast als schwierig gestalten. Zunächst ist festzustellen, dass der betroffene Mitgliedstaat für die Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Wirtschaftsbeteiligten beweispflichtig ist. Für die Frage der Anwendung dieses Kriteriums trifft die Beweislast regelmäßig die Kommission. Nach dem Urteil des EuGH entbinden auch diesbezügliche Verstöße des Mitgliedstaates gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit die Kommission nicht davon, ihre Entscheidung auf tragfähige und schlüssige Anhaltspunkte stützen.

Das daraufhin ergangene Urteil des EuG zeigt jedoch die Umsetzungsschwierigkeiten dieser Vorgaben in der Praxis:

Das EuG  prüft zunächst kleinschrittig und entsprechend den Vorgaben des EuGH die sich aus den Verwaltungsakten ergebenden Informationen auf verschiedenste mögliche Anhaltspunkte, die den Schluss der Kommission belegen könnten und kommt zu dem Schluss, dass die Kommission auf Grundlage dieser Indizien zu dem Ergebnis kommen konnte, dass sich bei Larko im Zeitpunkt der Gewährung der Maßnahme in erheblichen Schwierigkeiten befand. Dieses Ergebnis rechtfertig das EuG abschließend zurecht mit der Verteilung der Kenntnis- und Verantwortungssphären zwischen Mitgliedstaat und Kommission: handelt es sich wie in diesem Fall bei den Voraussetzungen von Nr. 3.2 der Mitteilung über Beihilfen in Form von Garantien um Informationen, die in die Kenntnis- und Verantwortungssphäre des Mitgliedstaates fallen, könnte der Mitgliedstaat diese gemäß seiner Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV vorlegen. Tut der Mitgliedstaat dies jedoch nicht, muss es für die Beweispflicht der Kommission ausreichen, dass sie ihre Entscheidung auf „tragfähige und schlüssige Anhaltspunkte“ und damit auf Indizien stützt, die ihr zur Verfügung stehen. Eine darüber hinausgehende Möglichkeit für den Beweis der Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers hat die Kommission mangels Informationen in einer solchen Situation nicht.

Autor: Christopher Hanke. Müller-Wrede & Partner