Weder der Beihilfenempfänger noch der Beihilfengeber sind Parteien eines Notifizierungsverfahrens. Das ergibt sich aus Art. 1 lit. h der beihilferechtlichen Verfahrensverordnung (VO 2015/1589). Lediglich die Europäische Kommission und der betreffende Mitgliedstaat sind Parteien eines solchen Verfahrens.
Damit hat insbesondere der Empfänger einer Beihilfe als bloßer Beteiligter offiziell nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sich an einem Beihilfeverfahren zu beteiligen. Mit dem Urteil in der Rs. C-139/07 P Technische Glaswerke Ilmenau hat der EuGH dem Beihilfenempfänger darüber hinaus auch grundsätzlich den Zugang zu den Dokumenten eines laufenden Verfahrens verwehrt. Diese Rechtsprechung wurde durch das Gericht der Europäischen Union mit Urteil vom 2. März 2022, Rs. T-134/20 Huhtamaki Sárl, erneut bestätigt.
Das EuG führte aus, es genüge, dass die begehrten Dokumente Teil der Verfahrensakte eines laufenden Beihilfeverfahrens seien, damit sie der allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit unterliegen. Andernfalls würden die Ziele des Prüfverfahrens untergraben. Infolgedessen dürfte dem Beihilfenempfänger der Zugang zu den Dokumenten versagt werden.
Im Ergebnis gab das EuG allerdings der Klage des Beihilfenempfängers statt. Die Kommission habe in ihrem Beschluss unter anderem nicht hinreichend begründet, weshalb sie die Argumente, die der Kläger zwecks Widerlegung der allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit vorbrachte, um teilweisen Zugang zu den Dokumenten zu erlangen, abgelehnt habe.
Folglich hat der Empfänger einer Beihilfe also grundsätzlich keine Möglichkeit, in die Dokumente eines laufenden Beihilfeverfahrens Einsicht zu nehmen, es sei denn, er vermag die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit der begehrten Dokumente im Einzelfall zu widerlegen. Wie das in der Praxis gelingen soll, bleibt fraglich.
Festzustellen ist jedoch, dass in den Notifizierungsverfahren, an denen wir beteiligt waren, der Beihilfenempfänger regelmäßig eingebunden war und auch die erforderlichen Informationen für die Notifizierung oder die Beantwortung der Fragen der Kommission zur Verfügung gestellt hat – schließlich hat er auch die meisten Informationen über das zu fördernde Projekt. Aber auch ein anderer Verfahrensablauf ist uns durchaus bekannt – das dürfte jedoch eher die Ausnahme sein. Tatsächlich hat dann der Beihilfenempfänger nur die Möglichkeit, im Rahmen eines förmlichen Prüfverfahrens eine Stellungnahme gem. Art. 24 Abs. 1 VO 2015/1589 abzugeben.
Art. 24 Abs. 2 begründet außerdem das Recht der Beteiligten, eine Beschwerde einzulegen, um die Kommission über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen oder eine mutmaßliche rechtswidrige Verwendung von Beihilfen zu informieren. Im vergangenen Jahr entschied jedoch das Gericht der Europäischen Union, dass ein Beihilfeempfängers selbst mit Einlegung einer Beschwerde nach Art. 24 Abs. 2 VO 2015/1589 keine Beschluss der Kommission über die Rechtmäßigkeit der bereits gewährten Beihilfe erwirken könne (Solar Electric Holding u.a./Kommission, Rs. T-678/20).
Fazit
Im Ergebnis hat der Beihilfeempfänger damit kaum Möglichkeiten, offiziell auf das Beihilfeverfahren einzuwirken oder Informationen über den Stand des Verfahrens zu bekommen. Tatsächlich wird er jedoch regelmäßig in die Beihilfenverfahren eingebunden.
Der verfahrensrechtliche Ausschluss des Beihilfenempfängers bleibt jedoch aus unserer Sicht problematisch, da dieser im Fall der Gewährung rechtswidriger Beihilfen unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot keinen Vertrauensschutz genießt und damit das volle Rückforderungsrisiko trägt. Gleiches gilt im Übrigen auch im Anwendungsbereich der AGVO. Auch dort begründet das Verhalten der mitgliedstaatlichen Behörden keinen Vertrauensschutz, wie der EuGH spätestens mit Urteil in der Rs. C-349/17, Esti Pagar klargestellt hat. Auch ein Comfort letter der Kommission kann diesbezüglich allenfalls die Gemüter beruhigen.
Dieser Beitrag wurde mitverfasst von Marie-Sybil von Dulong in ihrer Zeit als Referendarin bei Müller-Wrede Rechtsanwälte.