Aktuell wird in Deutschland (wieder einmal) über den Ausgleich der Strompreise für Energieintensive Unternehmen diskutiert. Unternehmen z.B. aus den Sektoren Baustoffe, Chemie, Glas, Papier und Stahl leiden derzeit immer noch erheblich unter den kriegsbedingten Risiken der Großmarktpreise.
Der Ausbau von erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind lässt bekanntlich auf sich warten und es wird noch Zeit brauchen, um die fossilen Energien zu ersetzen. Die Strompreise in Deutschland liegen mit 2,05 Cent/kWh erheblich über dem europäischen Durchschnitt. Was also tun, wenn ausländische Standorte mit günstigeren Energiepreisen locken?
Unabhängig vom Wie und Ob staatlicher Maßnahmen zugunsten dieser Branchen (Industriestrom vs. Steuererleichterung für alle Unternehmen) wird in diesem Zusammenhang auch das Beihilferecht wieder einmal eine Rolle spielen, wenn nicht sogar der Deal Breaker sein. Einer der letzten Versuche der Bundesregierung, den Stromintensiven beihilfefrei einen Gefallen zu tun, ist noch nicht ganz verdaut: So hat die Kommission im Beschluss (EU) 2019/56 über die staatliche Beihilfe SA.34045 (2013/C) v. 28.5.2018, bestätigt durch das EuG im Urteil vom 6.10.2021, Rs. T-196/19 die Netzentgeltbefreiung Stromintensiver Unternehmen nach § 19 Abs. 2 StromNEV (2011) als rechtswidrige Beihilfe bewertet. Diese war daraufhin mangels Genehmigungsfähigkeit durch das BAFA zurückzufordern. Die Rückforderung beinhaltete hier die verzinste Nachzahlung der Netzentgelte durch die bis dato freigestellten Unternehmen. Das Urteil des EuGH in dieser Sache steht noch aus.
Aber ganz ohne staatliche Hilfen muss dieser Sektor schon lange nicht auskommen:
Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat die Kommission bereits am 10.08.2023 eine 6,5 Mrd. EUR schwere Beihilferegelung für die Stromintensiven Unternehmen in Deutschland genehmigt (Staatliche Beihilfe SA.63191). Eine vergleichbare Regelung iHv. 27,5 Mrd. EUR wurde von der Kommission bereits in 2022 genehmigt (Staatliche Beihilfe SA.100559).
Auf Grundlage der aktuellen Regelung können im internationalen Wettbewerb stehende Stromintensive Unternehmen bis 2030 einen Ausgleich für den durch das „deutsche Brennstoffemissionshandelssystem“ bedingt höheren Strompreis erhalten. Bereits am 01.01.2021 hatte Deutschland das „deutsche Brennstoffemissionshandelssystem“ für nicht unter das EU-EHS fallende Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe im Verkehrs- und Gebäudesektor sowie in Energie- und Industrieanlagen eingeführt, um seine Klimaziele zu erreichen. Die Brennstoffanbieter müssen jedes Jahr auf der Grundlage der Brennstoffmenge, die sie auf dem deutschen Markt in Verkehr gebracht haben, deutsche Brennstoffemissionszertifikate erwerben und die entsprechende Menge solcher Zertifikate abgeben. Die dadurch anfallenden zusätzlichen Kosten geben sie an die Verbraucher weiter.
Die mit diesem System verbundenen höheren Energiekosten in Deutschland beinhalten das Risiko, dass insbesondere Stromintensive Unternehmen aus Kostengründen ihre Betriebsstätten und damit ihre CO2-Emissionen in andere Länder verlagern, mittelfristig aber keinen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten. Die genehmigte Regelung soll nun dazu beitragen, dieses Risiko zu reduzieren. Die Höhe der Kompensation beträgt in Abhängigkeit von der Emissionsintensität und der Höhe der Beihilfen immerhin zwischen 65% und 95% der Kosten. Erforderlich ist jedoch, dass 50% dieser Erstattung für Energieeffizienzmaßnahmen verwendet werden, die auf Grundlage eines einzurichtenden Energiemanagementsystems ermittelt worden sein müssen.
Deutschland ist mit seinem Brennstoffemissionshandelssystem übrigens bald nicht mehr allein: Am 10.03.2023 sind die neuen EU-EHS-Richtlinien erlassen worden. Damit wird ein ergänzendes Emissionshandelssystem für Gebäude, Straßenverkehr und weitere Sektoren europaweit eingeführt (EHS2), die bislang nicht unter das geltende EHS fallen. Die Versteigerung der Zertifikate wird 2027 beginnen.
Dann werden vermutlich auch noch andere Mitgliedstaaten vergleichbare Beihilferegelungen benötigen. Aber bis dahin wird in Deutschland sicherlich noch über das Für und Wider von Industriestrom und seine Alternativen diskutiert….