Der EuGH hat die Rechtssache C-466/21 zum Flughafen Frankfurt/Hahn genutzt, um in seinem Urteil vom 14.09.2023 die Klagebefugnis gegen Beschlüsse der Kommission in Beihilfesachen schematisch darzustellen (und einzuschränken).
Die Befugnis, eine Nichtigkeitslage gegen Beschlüsse der Kommission zu erheben, die feststellen, dass eine Maßnahme eines Mitgliedstaates keine Beihilfe iSv. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt oder aber eine mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe ist, ist seit Jahren Gegenstand einer Art Dialog zwischen Kommission und den Unionsgerichten. Die Kommission bestreitet in stetiger Regelmäßigkeit die Klagebefugnis natürlicher oder juristischer Personen, die z.B. als Wettbewerber mit der Nichtigkeitsklage erreichen wollen, dass die staatliche Maßnahme nicht durchgeführt oder eingestellt wird.
Die Rechtsprechung differenziert dabei zwischen Beschlüssen, die nach Durchführung eines förmlichen Prüfverfahrens (Phase 2) und denen, die bereits nach vorläufiger Prüfung (Phase 1) von der Kommission gefasst werden.
Eine Klagebefugnis gegen Phase-2-Beschlüsse besteht nur, wenn dem Kläger der Nachweis gelingt, dass der Beschluss seine Wettbewerbssituation spürbar beeinträchtigt. Es reicht nicht, dass der Beschluss geeignet ist, die auf dem betreffenden Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse zu beeinflussen, und der Kläger in einer irgendwie gearteten Wettbewerbsbeziehung zu dem durch den Beschluss Begünstigten steht (EuGH v. 10.10.2017 – Rs. C-640/16 P – Greenpeace Energy). Das für den Nachweis in der Praxis erforderliche Marktgutachten muss innerhalb der Klagefrist erstellt werden. Hilfreich ist für den Kläger in diesem Zusammenhang, dass die Klagefrist – trotz der gegenteiligen Position der Kommission – (bislang) erst mit der Veröffentlichung des Beschlusses im Amtsblatt beginnt, der Beschluss aber regelmäßig lange vorher bekannt ist. Aber vielleicht wird sich die Beharrlichkeit der Kommission auch in diesem Punkt auszahlen.
Die Kollision dieser praktisch nicht (oder nur in besonderen Wettbewerbssituationen) erfüllbaren Anforderungen für eine Klage gegen Phase-2-Beschlüsse mit dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Art. 47 GRC) ist dem EuGH bewusst. Er löst sie wenig elegant mit dem Verweis auf die Verpflichtung der mitgliedstaatlichen Gerichte, effektiven Rechtsschutz zu gewähren und dabei Fragen zur Auslegung des Unionsrechts wiederum dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Prozessökonomie scheint kein Aspekt zu sein, den der EuGH dem effektiven Rechtsschutz zuordnet.
Die Anforderungen an die Klagebefugnis bei einem Phase-1-Beschluss waren (zum Ärger der Kommission, aber auch des Beihilfengebers und des Beihilfenempfängers) deutlich geringer. Ein Beschluss der Kommission, der feststellt, dass eine Maßnahme keine Beihilfe ist oder als Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, enthält zwangsläufig zumindest konkludent die Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren (Phase 2) nicht zu eröffnen. Da die Kommission nur in der Phase 2 verpflichtet ist, anderen als dem Mitgliedstaat die Möglichkeit der Stellungnahme einzuräumen, liegt die Verletzung von Verfahrensrechten vielfach auf der Hand.
Das eingangs angesprochene Urteil des EuGH vom 14.09.2023 verdeutlicht und verschärft die Voraussetzungen für die Klagebefugnis gegen Phase-1-Beschlüsse. Eine Klage ist zulässig, wenn der Kläger zum einen nachgewiesen hat, ein „Beteiligter“ im Sinne von Art. 1 lit. h VO 2015/1589 zu sein, und zum anderen eine Verletzung seiner Verfahrensrechte geltend gemacht hat.
Um als Beteiligter angesehen zu werden, muss der Kläger bereits in der Klageschrift „in rechtlich hinreichender Weise [darlegen], dass sich die Beihilfe auf seine Situation konkret auswirken kann.“ Die konkreten Auswirkungen können zum einen durch ein direktes Wettbewerbsverhältnis begründet sein oder zum anderen durch die Beeinträchtigung anderer Interessen bei Durchführung der staatlichen Maßnahme. Der geforderte Nachweis konkreter Auswirkungen ist die Stellschraube für strengere Anforderungen an die Klagebefugnis bei Phase-1-Beschlüssen.
Auch muss die Klageschrift ausdrücklich die Verletzungen der Verfahrensrechte benennen. Es reicht nicht (mehr) aus, dass sich die Verletzung inzident aus der Klageschrift ergibt (anders noch EuGH v. 24.05.2011 – C‑83/09 P – Kronoply und Kronotex). Außerdem sind (wie bisher) die einzelnen Gründe auszuführen, die die Kommission nach Ansicht des Klägers verpflichtet hätten, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen.