Tankrabatt zurückfordern „mit Klauen und Zähnen“?

Tankrabatt zurückfordern „mit Klauen und Zähnen“?

Der heiß diskutierte Tankrabatt soll nach einer Untersuchung des ifo Instituts beim Diesel vollständig an die Verbraucher weitergegeben worden sein, beim Benzin allerdings nur zu 85%. Bundeswirtschaftsminister Habeck warf den Mineralölkonzernen bereits vor, den Tankrabatt nur unzureichend an die Verbraucher weiterzugeben und kündigt ein neues Kartellrecht mit „Klauen und Zähnen“ an. Der Politik scheint wieder einmal nicht bewusst zu sein, dass es ein mit Klauen und Zähnen bewehrtes Kontrollinstrument bereits gibt. Es handelt sich um das EU-Beihilferecht, was in diesem Forum nicht verwundern mag.

Die Idee des Einsatzes des EU-Beihilfekontrollrechts zur Abschöpfung nicht vollständig weitergegebener Steuererleichterungen dürfte auf Ablehnung stoßen, da sich der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung mit dem Beihilferecht auseinandergesetzt hat und unter Berufung auf den Temporary Crisis Framework zu dem Ergebnis kam, dass die Absenkung der Energiesteuersätze bei Kraftstoffen keine Beihilfe sei.

Diese Analyse, die auf der fehlenden Selektivität der temporären Steuersenkung beruht, ist zutreffend, allerdings nur für die Unternehmen, die die Kraftstoffe verbrauchen. Die Frage der beihilferelevanten Begünstigung der Mineralölkonzerne und Großhändler auf Anbieterseite bedürfte dagegen einer eingehenderen Prüfung.

Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Energiesteuer als Verbrauchsteuer darauf angelegt ist, vollständig vom Steuerpflichtigen auf den Verbraucher abgewälzt zu werden. Eine temporäre Steuersenkung habe zur Folge, dass eine vollständige Weitergabe an die Verbraucher auch eine entsprechende Preissenkung und damit eine Entlastung für Bürger und Wirtschaft ermögliche. Eine Verpflichtung zur Weitergabe der Steuerentlastung wurde jedoch nicht beschlossen.

Beihilferechtliche Grundlage für das Energiesteuersenkungsgesetz und damit auch für die Senkung der Steuer auf Benzin und Dieselkraftstoff ist der hier im Blog bereits besprochene Temporary Crisis Framework. Dort führt die Kommission in Rn. 23 aus, dass Maßnahmen, die auf gewerbliche (und nicht gewerbliche) Energieverbraucher abzielen, keine staatlichen Beihilfen darstellen, sofern sie allgemeiner Art sind. Allgemeine Steuer- oder Abgabenermäßigungen oder ein ermäßigter Steuersatz können Maßnahmen sein, die das Tatbestandsmerkmal der Selektivität nicht erfüllen. Leider enthält der Krisenrahmen keine Erläuterung, wie der Gesetzgeber sicherstellen kann, dass die gewählte Maßnahme nicht selektiv wirkt.

Der Umstand, dass der Tankrabatt bei den gewerblichen Verbrauchern nicht selektiv wirkt, schließt nicht aus, dass die Mineralölkonzerne und Großhändler selektiv begünstigt werden. Die Steuer ist regelmäßig von demjenigen zu tragen, der das Benzin oder den Dieselkraftstoff zur Veräußerung oder zum Verbrauch aus dem Steuerlager entnimmt (unabhängig davon, dass die Steuer in der Regel beim Verkauf auf den Verbraucher abgewälzt wird). Die temporäre Entlastung kommt somit prima facie den Mineralölkonzernen und Großhändlern zugute. Deren Begünstigung entfällt nur, wenn sie nachweisen können, dass die Steuerentlastung vollständig an den Verbraucher weitergegeben wird und ihnen kein Vorteil verbleibt.

Die temporäre Steuerentlastung für die Anbieterseite kann auch als selektiv gewertet werden, weil die Steuersenkung eine Ausnahme vom steuerlichen Bezugssystem darstellt. Für eine intensivere Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Steuersenkung zwischen Wirtschaftsbeteiligten differenziert, die sich unter Berücksichtigung der systemimmanenten Ziele in einer vergleichbaren Sach- und Rechtslage befinden, ist hier allerdings nicht der Platz. Für eine erste Einschätzung mag es ausreichen, dass die Senkung der Steuersätze nicht alle Energieerzeugnisse und damit nicht alle Hersteller und Großhändler gleichermaßen betrifft. Die temporäre Senkung der Steuersätze kann auch nicht durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des (Bezugs-)Systems gerechtfertigt sein.

Eine Beihilfe zugunsten der Mineralölwirtschaft ist nach alledem nicht auszuschließen. Wenn die Einschätzungen des Gesetzgebers zu den Steuermindereinnahmen bei Benzin und die des Ifo-Instituts zutreffen, dass der Tankrabatt zu 15% bei der Mineralölwirtschaft verbleibt, erhält die Mineralölwirtschaft eine vom Gesetzgeber wohl unbeabsichtigte Beihilfe von ca. 85 Mio. EUR im Monat. Wenn die in der Presse geäußerte Kritik an der Methodik des ifo Instituts berechtigt sein sollte, wohlmöglich sogar eine deutlich höhere.

Diese Beihilfe könnte von Art. 44 AGVO gedeckt sein und damit ohne Zustimmung der Europäischen Kommission gewährt werden. Allerdings ist mir nicht bekannt, dass die Bundesregierung den Veröffentlichungs- und Informationspflichten nachgekommen wäre, die die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung voraussetzt.

Die Politik mag sich nun die Frage stellen, ob sie der Hilfestellung der Europäischen Kommission bedarf, um die nicht weitergegebenen Tankrabatte zurückzuerlangen. Die Kommission könnte ein förmliches Prüfverfahren eröffnen, das auf der Grundlage der Untersuchung des Ifo-Instituts oder weiterer Untersuchungen zu dem Ergebnis kommt, dass den Mineralölkonzernen ein Vorteil verblieben ist. In diesem Verfahren wären die Mineralölkonzerne zweifellos bestrebt, den Nachweis der vollständigen Weitergabe der Steuerentlastung zu führen.

Die Politik ist jedoch auf die Hilfestellung der Kommission nicht angewiesen, auch wenn es in Deutschland keine Behörde mit einer gesonderten Zuständigkeit für Beihilferückforderungen gibt. Der EuGH hat in der Rechtssache Eesti Pagar (Rs. C-349/17) klargestellt, dass die Verpflichtung zu unionsrechtskonformen Verhalten des Mitgliedstaates und seiner Einrichtungen auch die Verpflichtung eines Beihilfegebers umfasst, rechtswidrige Beihilfen ohne Aufforderung durch die Kommission zurückzufordern, sobald er Kenntnis von einer rechtswidrigen Beihilfe erlangt. Die für die Einziehung der Energiesteuer zuständigen Finanzämter müssten daher prüfen, ob die Steuerschuldner die Vorteile des Tankrabatts vollständig an die Verbraucher weitergereicht haben und etwaige Differenzbeträge nacherheben.


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