01.12.2022
Christopher Hanke
Der Flugverkehr war einer der Sektoren, die durch die im Zusammenhang mit der COVD-19-Pandemie erlassenen Restriktion und Reisebeschränkungen am unmittelbarsten und am stärksten betroffen waren. Die Folge waren erhebliche finanzielle Einbußen und Umsatzeinbrüche bei den Fluggesellschaften. Zahlreiche Mitgliedstaaten gewährten daraufhin in ihrem Land ansässigen Fluggesellschaften Beihilfen verschiedenster Art.
Paneuropäische Fluggesellschaften, insbesondere Ryanair, profitierten nicht von derartigen Maßnahmen, was Ryanair dazu veranlasste, gegen die jeweiligen Beihilfemaßnahmen oder ‑regelungen Klage bei den europäischen Gerichten einzureichen (siehe Keine Diskriminierung durch mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen; Ryanairs Kampf gegen Diskriminierung im Beihilfenrecht geht weiter; Begründungspflicht der Kommission und „New Normal“ in der Spruchpraxis des EuG)
Ryanair rügte in den Verfahren verschiedene rechtliche Verstöße (u.a. Verstoß gegen Art. 107 Abs. 2 lit. b bzw. Abs. 3 lit. b AEUV, Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und die Niederlassungsfreiheit) die Ryanair jeweils daraus ableitete, dass die Beihilfen nur einzelnen nationalen Fluggesellschaften, aber nicht ebenso von der Pandemie betroffenen paneuropäischen Fluggesellschaften zugutekämen. Bislang war das Vorgehen für Ryanair aber von überschaubarem Erfolg gekrönt.
Ähnliche Argumentation und gleicher (Miss-)Erfolg für Ryanair nun auch im jüngsten Verfahren, das die 10. Kammer des EuG (Urteil vom 09. November 2022, T-111/21) zu entscheiden hatte:
Ryanair hatte auf Aufhebung eines Kommissionsbeschlusses geklagt, mit dem ein von Kroatien zugunsten von Croatia Airlines gewährtes Darlehen iHv. 11,7 Mio. EUR ohne Durchführung eines förmlichen Prüfverfahrens genehmigt wurde. Die Kommission war der Ansicht, die Maßnahme falle zwar unter den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV, sei aber nach Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar.
Der Klagevorwurf von Ryanair
Ist das Ansinnen Ryanairs das gleiche wie in den in diesem Blog bereits besprochenen Klageverfahren, hatte sich das EuG diesmal aber auch mit anderen Rechtsfragen zu beschäftigen. So wendete sich Ryanair gegen die Entscheidung der Kommission, die Maßnahme ohne Durchführung eines förmlichen Prüfverfahrens zu genehmigen und macht insofern ihre Verfahrensrechte als „Beteiligte“ iSd. Art. 108 Abs. 2 AEUV und iSd. Art. 1 lit. h VO 2015/1589 geltend. Hätte die Kommission das förmliche Prüfverfahren eröffnen müssen, wären diesen „Beteiligten“ ihre Verfahrensrechte in einem solchen Verfahren abgeschnitten. Die vom Gericht zu prüfenden Vorwürfe Ryanairs erfolgen deshalb vor dem Hintergrund der Frage, ob die Kommission das förmliche Prüfverfahren hätte eröffnen müssen.
Zusätzlich wendete sich Ryanair auch gegen die Begründetheit des Beschlusses, da sie von der Entscheidung unmittelbar in ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihrer Position auf dem betroffenen Markt betroffen gewesen sei. Ryanair sei nämlich der größte und einzige echte Wettbewerber auf dem Markt und befinde sich als einzige Fluggesellschaft insofern in einer vergleichbaren Situation wie Croatia Airlines. Dieses Vorbringen wies das EuG allerdings bereits als unzulässig zurück.
Unter Hinweis auf eine Entscheidung des EuGH in der Rs. Lufthansa, C-453/19 P, führte das EuG aus, dass sich Personen, die nicht Adressant einer Maßnahme sind, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV nur gegen Handlungen richten können, die sie unmittelbar und individuell betreffen. Insbesondere reicht es hierzu nicht aus, dass sich ein:e gegen die Begründetheit eines Beschlusses wendende Kläger:in „Beteiligte“ iSd. Art. 108 Abs. 2 AEUV ist. Es genügt auch nicht, Wettbewerber der Begünstigten zu sein. Vielmehr muss die Klagepartei darlegen, dass ihre Position auf dem betroffenen Markt durch den Beschluss substanziell beeinträchtigt ist. Soweit Ryanair zur Begründung einer solchen Betroffenheit angeführt hat, der engste und relevanteste Wettbewerber von Croatia Airlines zu sein und der einzige echte Wettbewerber hinsichtlich der Marktposition von Croatia Airlines zu sein, hat das Gericht die Ausführungen Ryanairs aber widerlegen können. So geht aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen hervor, dass Ryanair lediglich den vierthöchsten Marktanteil der Fluggesellschaften in Kroatien hat. Croatia Airlines bedient außerdem 38 Ziele in 24 europäischen Ländern und nur auf zwei dieser Routen operiert auch Ryanair. Der Wettbewerb zwischen den Fluggesellschaften ist deshalb insgesamt limitiert. Schließlich sind Ryanairs Ausführungen soweit Ryanair zusätzlich angab, durch eine Erweiterung ihrer Flotte um größere und effizientere Maschinen zukünftig ihr Routenangebot in Kroatien erweitern zu können, nach Ansicht des EuG zu allgemein und hypothetisch.
Das Gericht hatte sich somit einzig mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Kommission das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV hätte eröffnen müssen.
Ryanair führt zur Begründung ihrer Klage aus, die Kommission habe im Hinblick auf im Kern zwei Punkte eine unzureichende Prüfung durchgeführt. Hierdurch seien die Voraussetzungen, unter denen die Kommission das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV hätte eröffnen muss, erfüllt.
Erstens habe die Kommission die Einhaltung der Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit unzureichend geprüft. Zweitens habe sie Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV falsch angewendet und die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe im Verhältnis zum durch die COVID-19-Pandemie entstandenen Schaden falsch bewertet.
Die Entscheidung des EuG
Das EuG hat die Klage Ryanairs vollumfänglich abgewiesen.
Prüfungsmaßstab für die Erforderlichkeit der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens
Das EuG zeigt zunächst den durch die europäischen Gerichte in der jüngeren Vergangenheit verfestigten Maßstab für die Notwendigkeit der Durchführung eines förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV auf:
Nach Art. 4 Abs. 4 VO 2015/1589 muss die Kommission das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eröffnen, wenn sie nach einer vorläufigen Prüfung der Maßnahme „Anlass zu Bedenken“ hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt hat. Nach Art. 4 Abs. 3 VO 2015/1589 erlässt die Kommission umgekehrt ohne Durchführung eines solchen Verfahrens einen Genehmigungsbeschluss, wenn die Maßnahme keinen „Anlass zu Bedenken“ hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt. Maßgeblich für das Vorliegen dieses Merkmals ist, ob die Kommission bei ihrer Prüfung auf „ernsthafte Schwierigkeiten“ bei der Bewertung der Binnenmarktvereinbarkeit gestoßen ist. Hierzu sind die Umstände, unter denen die Maßnahme erlassen wurde und der Inhalt der Maßnahme zu prüfen. Die Prüfung hat objektiv unter Vergleich der Entscheidungsbegründung mit den der Kommission zum Zeitpunkt der Entscheidung „verfügbaren Informationen“ zu erfolgen. Da die Begriffe „Anlass zu Bedenken“ und „ernsthaften Schwierigkeiten“ objektive Begrifflichkeiten sind, ist ihre Anwendung gerichtlich vollumfänglich überprüfbar, die gerichtliche Kontrolle ist nicht auf Ermessensfehler beschränkt.
Die der Kommission „verfügbaren Informationen“ umfassen alle Informationen, die für die Prüfung der Kommission erforderlich sind und die sie auf ihre Anfrage hin im förmlichen Prüfverfahren hätte erlangen können. Geht ihre Pflicht also über die bloße Prüfung der ihr bereits vorliegenden Informationen hinaus, muss sie hierbei aber nicht aus eigener Initiative und ohne Anhaltspunkte alle Informationen im Zusammenhang mit der Maßnahme zusammensuchen, auch wenn diese Informationen öffentlich zugänglich sind. Es ist maßgeblich, ob die Kommission über die Informationen in einem hypothetischen förmlichen Prüfverfahren verfügt hätte oder sie in einem solchen Verfahren erlangt hätte.
Der Beweis für das Vorliegen von „ernsthaften Schwierigkeiten“ ist durch die Klägerin – ggf. mit einem Bündel übereinstimmender Indizien – zu führen (Prüfungsmaßstäbe und Herleitung sind ständige Rechtsprechung – EuG nimmt in seinem Urteil Bezug auf die Rechtssachen Bouygues and Bouygues Télécom, C‑431/07 P, Smurfit Kappa Group, T‑304/08, Frucona Košice, C‑300/16 P, Achemos Grupė and Achema, C‑847/19 P, Tempus Energy and Tempus Energy Technology, C‑57/19 P).
In Anwendung dieser Maßstäbe prüfte das Gericht in der Folge, ob die Argumente Ryanairs geeignet sind, Indizien für das Vorliegen „ernsthafter Schwierigkeiten“ bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Binnenmarkt aufzuzeigen. Können solche Indizien auch tatsächlicher Art sein, versucht Ryanair ausschließlich, Rechtsfehler der Kommission als Beleg für das Vorliegen „ernsthafter Schwierigkeiten“ der Kommission aufzuzeigen.
Indizien für eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV und eine fehlerhafte Prüfung der Verhältnismäßigkeit
Als Indizien für das Vorliegen ernsthafter Schwierigkeiten führt Ryanair zunächst mehrere Argumente dafür an, dass die Kommission den Croatia Airlines durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie entstandenen Schaden fehlerhaft bemessen habe.
So gehe aus dem Beschluss nicht hervor, dass Inlandsflüge (anders als grenzüberschreitende Flüge) von den durch die kroatische Regierung verhängten Reisebeschränkungen zwischen dem 19. März 2020 und dem 30. Juni 2020 betroffen gewesen seien. Entsprechend könne – anders als die Kommission annehme – nicht davon ausgegangen werden, dass die gesamte Differenz zwischen den Betriebseinnahmen im Zeitraum der Beschränkungen und dem Vergleichszeitraum kausal auf die Reisebeschränkungen zurückzuführen sei. Das EuG wies dieses Argument aber unter Verweis auf die von der Kommission im Beschluss angeführten Zahlen zum Rückgang der Aktivitäten (insgesamt 77 % weniger Flüge im Vergleichszeitraum und bis zu 99,4 % weniger Passagiere im Vergleichszeitraum) von Croatia Airlines zurück. Aus den Zahlen geht hervor, dass sich die Reisebeschränkungen tatsächlich nicht nur auf internationale Flüge, sondern auch Inlandsflüge ausgewirkt haben. Folglich durfte die Kommission den Einbruch der Betriebseinkünfte aus Inlandsflügen bei ihrer Berechnung des Schadens mit einbeziehen.
Weiter rügt Ryanair, die Kommission habe nicht zwischen solchen Schäden, die Croatia Airlines infolge der Reisebeschränkungen entstanden seien und solchen Verlusten, die Croatia Airlines aus bereits zuvor existierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten entstanden seien, unterschieden. Das EuG führt hierzu aus, dass Croatia Airlines zwar tatsächlich bereits 2018 und 2019 Verluste entstanden sind. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass die Methode der Kommission ungeeignet ist, um nur den Schaden zu berechnen und zu kompensieren, der Folge der Reisebeschränkungen war. Die Berechnung der Kommission beruht auf der Annahme, dass ohne die Reisebeschränkungen die Betriebseinnahmen und auch die Betriebskosten (und ggf. Verluste) von Croatia Airlines identisch mit denen im Vergleichszeitraum im Jahr 2019 gewesen wären. Die Ausführungen Ryanairs sind insofern bereits nicht geeignet, diese Methode in Frage zu stellen. Zusätzlich hat sich das Einkommen von Croatia Airlines im Jahr 2019 gegenüber dem Jahr 2018 und im Jahr 2018 gegenüber dem Jahr 2017 erhöht. Es sei also nicht von einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage von Croatia Airlines gegenüber dem Vergleichszeitraum auszugehen gewesen. Vielmehr hätte sich diese positive finanzielle Entwicklung wohl fortgesetzt, wären nicht die COVID-19-Pandemie und die in diesem Zusammenhang erlassenen Reisebeschränkungen eingetreten. Auch die Tatsache, dass es sich bei Croatia Airlines um ein Unternehmen in Schwierigkeiten iSd. Abschnitts 2.2 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien gehandelt haben soll, begründet für sich betrachtet noch keine Überkompensation. Solche Unternehmen sind nicht von der Anwendung des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV ausgenommen.
Soweit Ryanair noch anführt, dass Croatia Airlines im Dezember 2020 weitere Beihilfen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erhalten hat, sind Tatsachen, die zeitlich nach der Beschlussentscheidung eingetreten sind, nicht berücksichtigungsfähig und können die Rechtmäßigkeit des Beschlusses nicht beeinträchtigen.
Weiter erteilt das EuG auch dem vermutlichen Hauptanliegen Ryanairs in diesem Klagegrund eine Absage:
Ryanair führt aus, dass Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV Beihilfen zulasse, die „Schäden, die durch […] sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind“, beseitigen. Die so entstandenen Schäden könnten nur beseitigt werden, wenn von der Maßnahme alle Schäden umfasst seien und nicht nur die Schäden eines einzelnen Betroffenen. Die Kommission hätte also die durch die COVID-19-Pandemie entstandenen Schäden aller in Kroatien operierenden Fluggesellschaften bewerten müssen. Diesem Ansinnen nahm das EuG aber unter Hinweis auf die wirklichen Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV den Wind aus den Segeln. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Kommission das Vorliegen besonderer außergewöhnlicher Ereignisse feststellt, dass eine kausale Verbindung zwischen dem Schaden und dem außergewöhnlichen Ereignis besteht und dass eine Überkompensation ausgeschlossen ist. Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV setzt aber nicht voraus, dass Mitgliedstaaten den gesamten durch das außergewöhnliche Ereignis entstandenen Schaden ausgleichen oder Beihilfen an alle betroffenen Geschädigten ausreichen (so bereits in Austrian Airlines; COVID 19, T-677/20, nicht rechtskräftig).
Schließlich war Ryanair der Ansicht, die Kommission hätte bei der Bewertung eines Vorteils zugunsten Croatia Airlines den Wettbewerbsvorteil, den Croatia Airlines durch die Maßnahme erlangt hat, berücksichtigen müssen. Auch insofern sei die Höhe des Vorteils unterbewertet worden. Das EuG führt insofern aus, dass hinsichtlich der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Binnenmarkt nicht der Vorteil zu berücksichtigen ist, den die Begünstigte aus einem über diesen Vorteil hinausgehenden Nutzen aus der Begünstigung zieht.
Folglich konnte Ryanair insgesamt keine Indizien dafür anführen, dass die Kommission ernsthafte Schwierigkeiten bei der Anwendung des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV hatte, die sie dazu hätten veranlassen müssen, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen.
Indizien für einen Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit
Des Weiteren begründet Ryanair das Vorliegen ernsthafter Schwierigkeiten der Kommission mit Vortrag zu vermeintlichen Verstößen gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit.
Zunächst führt Ryanair an, die Begünstigung von einzig Croatia Airlines durch die Maßnahme (und nicht weiterer in Kroatien tätiger Fluggesellschaften, die auch Schäden infolge der COVID-19-Pandemie erlitten haben) begründe eine Ungleichbehandlung zwischen Unternehmen in einer vergleichbaren Situation. Diese Ungleichbehandlung sei auch in Anbetracht des Ziels der Maßnahme nicht verhältnismäßig, da ein Anbieter 100 % erhalte, obwohl sein Anteil am kroatischen Markt ca. 15 % betrage. Eine nichtdiskriminierende Maßnahme müsste alle in Kroatien tätigen Anbieter berücksichtigen. Die Maßnahme begründe einen „naked economic nationalism“.
Das EuG leitet ein, dass die Merkmale unterschiedlicher Sachverhalte und deren Vergleichbarkeit in Anbetracht des Ziels und Zwecks der Maßnahme zu bestimmen und zu beurteilen sind. Weiter hat der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als zentraler Grundsatz des EU-Rechts zur Folge, dass Maßnahmen der Kommission nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung der Ziele erforderlich und angemessen ist. Das Ziel der gegenständlichen Maßnahme ist einzig die Kompensation von Schäden, die Croatia Airlines infolge der Reisebeschränkungen erlitten hat. Zwar haben alle in Kroatien tätigen Fluggesellschaften Schäden infolge der COVID-19-Pandemie und der in diesem Zusammenhang in Kroatien verhängten Reisebeschränkungen erlitten. Es gibt aber in den beihilferechtlichen Regelungen kein Erfordernis für Mitgliedstaaten, (alle oder überhaupt irgendwelche) Schäden durch außergewöhnliche Ereignisse zu erstatten. Des Weiteren führt das EuG aus, dass eine Beihilfemaßnahme schon ihrer Definition und Natur nach nur einem einzelnen Begünstigten zugutekommt. Der Vorwurf Ryanairs stellt insofern die Binnenmarktvereinbarkeit einer jeden Einzelbeihilfe infrage (siehe hierzu auch Ryanairs Kampf gegen Diskriminierung im Beihilfenrecht geht weiter – BeihilfenBlog). Jedenfalls ist eine Ungleichbehandlung durch Ziel und Zweck der Maßnahme gerechtfertigt: Sind die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV erfüllt, rechtfertigt seine Anwendung etwaige sich hieraus ergebende Ungleichbehandlungen.
Auch zu den von Ryanair behaupteten Verstößen gegen die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit liefert das EuG Altbekanntes: Ryanair hat schon nicht geltend gemacht, dass der exklusive Charakter einer Beihilfemaßnahme sie davon abhält, sich in Kroatien niederzulassen oder Dienstleistungen von oder nach Kroatien anzubieten.
Folglich gelang es Ryanair auch insofern nicht, Indizien für das Vorliegen ernsthafter Schwierigkeiten der Kommission bei ihrer Prüfung darzulegen.
Ryanair vermochte es nicht, einen „Anlass zu Bedenken“ iSd. Art. 4 VO 2015/1589 aufzeigen, weshalb die Kommission das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV nicht hätte eröffnen müssen. Entsprechend kann Ryanair keine Verletzung der ihr sonst in einem solchen Verfahren zustehenden Verfahrensrechte geltend machen.
Fazit
Das EuG hatte sich größtenteils mit altbekannten Vorwürfen Ryanairs im Zusammenhang mit COVID-19-Beihilfen zugunsten bestimmter Fluggesellschaften auseinanderzusetzen, die in neuem Gewand daherkamen.
Da die europäischen Gerichte aber weiterhin Ryanairs rechtlichen Argumenten nicht folgen, waren diese Argumente auch nicht geeignet, um zu begründen, dass die Kommission bei ihrer Prüfung „Anlass zu Bedenken“ an der Binnenmarktvereinbarkeit der Maßnahme hätte haben müssen und folglich das förmliche Prüfverfahren hätte eröffnen müssen.
Zahlreiche Urteile zu Ryanairs Klagen sind aber noch nicht rechtskräftig, sodass bislang über die von Ryanair aufgeworfenen Rechtsfragen noch nicht abschließend entschieden worden ist. Jedenfalls die 10. Kammer des EuG bestätigt aber die Rechtsprechung aus den Parallelfällen und hält an der rechtlichen Argumentation fest.
Autor: Christopher Hanke, Müller-Wrede & Partner