Autor: Gabriele Quardt und Marie-Sybil von Dulong

Wieder einmal Ryanair: Rückzahlung von rechtswidrigen Beihilfen am Flughafen Klagenfurt

Wieder einmal Ryanair: Rückzahlung von rechtswidrigen Beihilfen am Flughafen Klagenfurt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies am 23.11.2023 (C-758/21 P) das Rechtsmittel von Ryanair und seiner Tochtergesellschaft, der Airport Marketing Services Ltd. (AMS), gegen das Urteil des Europäischen Gerichts (EuG) vom 29.09.2021 (T-448/18) zurück. Damit steht fest, dass Ryanair rechtswidrige Beihilfen zurückzahlen muss.

Was bisher geschah

Der Flughafen Klagenfurt gehört der staatlichen Kärntner Flughafen Betriebsgesellschaft mbh (KFBG) und wird auch von dieser betrieben. Die KFBG und deren Tochtergesellschaft, die Destinations Management GmbH (DMG) schlossen in der Zeit zwischen 2002 und 2009 mit den Fluggesellschaften Ryanair sowie AMS und LV (im Folgenden Ryanair u.a.), Hapag Lloyd Express, TUIfly, Air Berlin und Austrian Airlines diverse Vereinbarungen über Flughafen- und/oder Marketingdienstleistungen.

Insbesondere durch seine staatlichen Gesellschafter und die Stadt Klagenfurt erhielt der Flughafen Klagenfurt zwischen 2000 und 2010 finanzielle Mittel und glich damit Verluste aus, die ihm durch diese Marketingvereinbarungen entstanden.

In Ihrem Beschluss vom 11.11.2016 prüfte die Kommission zunächst das Vorliegen einer Beihilfe zugunsten der Flughafengesellschaften und darüber hinaus u.a. auch, ob in dem Abschluss der Marketingverträge mit unterschiedlichen Airlines mittelbare Beihilfen zugunsten dieser Fluggesellschaften gewährt wurden.

Um zu beurteilen, ob dem Flughafen Klagenfurt durch staatliche Mittel einen Vorteil gewährt wurde, hat die Kommission den Market Economy Operator Test (MEOT) herangezogen. Auf Grundlage des MEOT wird geprüft, ob auch ein privater Wirtschaftsteilnehmer unter vergleichbaren Umständen die konkreten Maßnahmen durchgeführt hätte. Im Zusammenhang mit den abgeschlossenen Marketingverträgen kam die Kommission jedoch zu dem Ergebnis, dass sich die Geldgeber nicht wie marktwirtschaftlich handelnde Wirtschaftsteilnehmer verhalten haben. Die Kommission stellte unter Bezugnahme auf die Spruchpraxis des Gerichtshofs fest, dass es für den MEOT nur auf die unmittelbaren Rentabilitätsaussichten desjenigen ankommt, der die staatliche Maßnahme gewährt. Aus dem Ausgleich der Verluste, die bei dem Flughafen aufgrund der mit den Fluggesellschaften abgeschlossen Marketingverträgen entstanden sind, lässt sich für die Gesellschafter keine Rendite erwarten. Ziel der Marketingverträge war es vor allem, den regionalen Tourismus per Flug auszubauen. Vorteile die bei Dritten – wie hier der Region Kärnten – durch das Marketing entstehenden können, sind jedoch beim MEOT nicht zu berücksichtigen.

Bei der beihilferechtlichen Prüfung der mit den Airlines abgeschlossener Marketingverträge, kam die Kommission zu unterschiedlichen Ergebnissen:

Die mit Austrian Airlines und Air Berlin geschlossenen Vereinbarungen stellten laut Kommissionsbeschluss keine staatliche Beihilfe dar, da sich KFBG/DMG in beiden Fällen wie ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter verhielt und infolgedessen den beiden Fluggesellschaften kein wirtschaftlicher Vorteil gewährt wurde. Hinsichtlich Air Berlin beruht dies darauf, dass KFBG/DMG bei Abschluss der Vereinbarung davon ausgehen durften, dass die durch die Vereinbarung mit der Fluggesellschaft entstehenden inkrementellen Kosten gedeckt würden.

Die Situation zwischen KFBG und Austrian Airlines war eine andere: KFBG erhob 2003 Zivilklage gegen Austrian Airlines, da diese ab Oktober 2003 ihre Flughafenentgelte nicht mehr in voller Höhe an den Flughafen zahlte. Gleichzeitig stellte die Fluggesellschaft einen Antrag nach dem Kartellgesetz wegen Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung durch die KFBG. Die verfahrensbeendende Vergleichsvereinbarung entsprach laut Kommission der, für einen marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmer einzig sinnvollen Alternative. So wurde sichergestellt, dass ein Großteil der ausgebliebenen Flughafenentgelte gezahlt wurde und Austrian Airlines seine Luftverkehrsdienste am Klagenfurter Flughafen fortsetzte.

Anders beurteilte die Kommission die mit Ryanair u.a. in den Jahren 2002 und 2006 abgeschlossenen Vereinbarungen. Im Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge sei anders als bei Air Berlin nicht vorhersehbar gewesen, dass die inkrementellen Kosten gedeckt werden können. Laut Vortrag der österreichischen Behörden haben KFBG/DMG vor Vertragsschluss weder die Rentabilität berechnet, noch habe ein Geschäftsplan oder eine ex-ante Marktstudie vorgelegen. Infolgedessen erstellte Österreich während des Verfahrens rückwirkend Übersichten über inkrementelle Kosten und Einnahmen.  An den Darlegungen für 2002 kritisierte die Kommission insbesondere, dass Österreich die nicht luftverkehrsbezogenen Einnahmen auf Grundlage eines Zeitraums erst ab Vertragsschluss und nicht die Einnahmen pro Passagier in der Zeit 1997-2001 zugrunde legte. Auch aus der Kostenübersicht für die Vereinbarung aus 2006 ergab sich, dass die durch die Vereinbarung entstehenden Kosten nicht gedeckt werden konnten. Die Vereinbarung aus 2006 enthielt sogenannte „Passagier-Incentives“, einen pro Fluggast gewährter Rabatt auf bestimmte Flughafenentgelte, die der vom KFBG seit 2005 gewährten Incentive-Regelung entsprachen und laut Kommission grundsätzlich keinen Vorteil darstellten. Da allerdings bei der Vereinbarung mit Ryanair u.a. aus 2006 eine Verbindung mit einer Marketingvereinbarung bestand, wich das Passagier-Incentive hier von dem üblichen Einsatz der Incentive-Regelung ab und gewährte dadurch einen Vorteil. Einem marktwirtschaftlichen Handeln von KFBG/DMG steht laut Kommission auch entgegen, dass in jeweils zwei der Vereinbarungen aus 2002 und 2006 Verlängerungsoptionen vorgesehen waren, da u.a. bei einer Billigfluglinie auf eine künftige Verlängerung nicht vertraut werden konnte, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass diese kurzfristig ihre Flugtätigkeiten von einem auf einen anderen Flughafen verlagert.

Mit einer vergleichbaren Argumentation bejahte die Kommission auch die Begünstigung zugunsten von Hapag Lloyd und TUIfly. Im Ergebnis war auch für diese Verträge nicht vorhersehbar, dass durch die Vereinbarung entstehende inkrementelle Kosten gedeckt werden können.

Das Rechtsmittel von Ryanair u.a., mit denen Aufhebung der Kommissionsentscheidung insoweit beantragt wurde, als sie selbst betroffen waren, wies das EuG mit Urteil vom 29.09.2021 vollständig zurück. Im Rahmen des Rechtsmittels hatte sich der EuGH erneut mit diesem Thema zu befassen und wies im Ergebnis das Rechtsmittel von Ryanair und AMS am 23.11. 2023 zurück.

EuGH prüft Rechtsfragen

Die Kläger stützen ihr Rechtsmittel gegen die Entscheidung des EuG auf mehrere Aspekte, die eine erneute Würdigung von Tatsachen und Beweisen durch den Gerichtshof verlangten. Dazu ist der Gerichtshof aber nicht befugt. Hat das EuG die Tatsachen festgestellt und gewürdigt, ist der Gerichtshof in seiner Prüfung auf Rechtsfragen beschränkt, sofern die Beweise nicht verfälscht wurden. Allerdings ist ein Beweis nicht schon deshalb verfälscht, weil er auch anders ausgelegt werden kann, als das Gericht es getan hat. Laut EuGH muss vielmehr „das Gericht die Grenzen einer vernünftigen Beurteilung des Beweises offensichtlich überschreiten“. Der Gerichtshof kommt im Rahmen seines Urteils zu dem Ergebnis, dass das im konkreten Verfahren nicht der Fall war.

Ex-ante Beurteilung für den MEOT entscheidend

Im Rahmen dieses Rechtsstreits greifen die Rechtsmittelführer die vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Bestimmung des zurückzufordernden Beihilfebetrags an und berufen sich dabei auf Ereignisse, die nach der Gewährung der in Rede stehenden Beihilfemaßnahmen eingetreten sind. Als Begründung tragen diese vor, dass die in den abgeschlossenen Vereinbarungen nach Ansicht der Kommission enthaltene Beihilfe zum Zeitpunkt der Rückforderung im Hinblick auf die geänderten wirtschaftlichen Ergebnisse neu hätte bewertet werden müssen.

Unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung führt der EuGH aus, dass ein Vorbringen, mit dem die vom Gericht vorgenommene Bestimmung des zurückzufordernden Beihilfebetrags in Frage gestellt wird, nicht relevant ist, wenn es sich auf Ereignisse bezieht, die nach dem Zeitpunkt der Gewährung der zu prüfenden Beihilfemaßnahmen eingetreten sind. Anders als Ryanair und AMS es begehrten, kann daher der zurückzuzahlende Beihilfebetrag nicht dadurch korrigiert werden, dass auch die ex-post verfügbaren Informationen über tatsächlich entstandene Kosten und Einnahmen berücksichtigt werden.

Auskunftsersuchen der Kommission können Verjährung hemmen

Die Befugnis der Kommission, eine rechtswidrige Beihilfe zurückzufordern, verjährt zehn Jahre nach ihrer Gewährung. Die Verjährungsfrist kann unterbrochen werden, indem die Kommission Maßnahmen bezüglich der rechtswidrigen Beihilfe ergreift (vgl. Art. 17 Abs. 2 VO 2015/1589). Der Gerichtshof bestätigte die bereits vom Gericht getroffene Feststellung, dass das Auskunftsersuchen der Kommission gegenüber den österreichischen Behörden eine Maßnahme in diesem Sinne darstellt, mit der Folge, dass die Berechtigung zur Rückforderung der Beihilfe nicht verjährt ist. Die Auskunftsersuchen seien nicht nur vage gewesen, sondern hätten sich schon auf eine potenzielle Beihilfe bezogen, die im Verwaltungsverfahren weiter konkretisiert worden sei. Um die Verjährung nach Art. 17 Abs. 2 VO 2015/1589 für die in Frage stehenden Maßnahmen insgesamt zu hemmen, muss ein Auskunftsersuchen der Kommission nach Ansicht des EuGH bei einer aus mehreren Verträgen bestehenden Maßnahmen nicht alle konkreten Vereinbarungen betreffen.

 

Dieser Beitrag wurde mitverfasst von Marie-Sybil von Dulong in ihrer Zeit als Rechtsanwältin bei Müller-Wrede Rechtsanwälte.

Kommission genehmigt Beihilfen für RWE in Höhe von 2,6 Mrd. EUR

Kommission genehmigt Beihilfen für RWE in Höhe von 2,6 Mrd. EUR

Auf dem Weg zur Klimawende genehmigt die EU-Kommission mit Beschluss vom 11.12.2023 Ausgleichsleistungen Deutschlands iHv. 2,6 Mrd. EUR zugunsten von RWE für die Stilllegung von Braunkohlekraftwerken.

Hintergrund und Verfahren

Nach dem deutschen Kohleausstiegsgesetz soll die Verstromung von Kohle in Deutschland bis Ende 2038 als Beitrag zur Erreichung der Klimaziele auf null reduziert werden. Zur Umsetzung dieser Zielvorgabe schloss die Bundesregierung mit den Hauptbetreibern der Braunkohlekraftwerke – der RWE Power AG („RWE“) und der Lausitz Energie Kraftwerke AG („LEAG“) – Vereinbarungen über die vorzeitige Stilllegung der Kraftwerke. Als Entschädigung für die Betreiber ist ein Betrag von insgesamt 4,35 Mrd. Euro vorgesehen. Davon betreffen 2,6 Mrd. Euro die RWE-Braunkohleanlagen im Rheinland und 1,75 Mrd. Euro die LEAG-Anlagen in der Lausitz.

Im Zusammenhang mit diesen von Deutschland im Jahr 2021 bei der Kommission angemeldeten Maßnahmen, stellte die Kommission zunächst die Angemessenheit der vorgesehenen Entschädigungszahlungen in Frage und eröffnete im März 2021 das förmliche Prüfverfahren.

Dabei ging es insbesondere um die Höhe des Ausgleichs für den entgangenen Gewinn und der zusätzlichen Tagebaukosten, die durch die vorzeitige Stilllegung entstehen.

Vor dem Hintergrund des durch den Ukraine-Krieg verursachten Energieversorgungsengpasses vereinbarte Deutschland mit RWE den Abschub der endgültigen Stilllegung von zwei Standorten von Ende 2022 auf März 2024. Verbunden wurde diese Vereinbarung mit dem Vorzug der Stilllegung von drei Standorten von 2038 auf 2030. Eine Änderung des vereinbarten Ausgleichsbetrages war damit im Ergebnis jedoch nicht verbunden. Auch wenn die Kommission die Ausgleichsleistungen vor diesem Hintergrund als „konservativer“ beurteilte, weitete sie im März 2023 das förmliche Prüfverfahren auf diese Änderungsmaßnahmen aus.

Beschluss der Kommission vom 11.12.2023

Nach eingehender Prüfung ist die Kommission am 11.12.2023 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Maßnahmen zugunsten der RWE iHv. 2,6 Mrd. Euro eine Beihilfe enthalten, diese jedoch mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Die Anwendung des Privatinvestortests für den Ausschluss der Begünstigung hatte die Kommission bereits im Rahmen der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens (SA.53625) in Frage gestellt. Insbesondere das Modell für die Berechnung des Gewinnausgleichs aber auch die Verhältnismäßigkeit der Ausgleichsleistungen im Vergleich zu alternativ durch ein Gericht festzulegende Entschädigungsleistungen hatte die Kommission mit einem Fragezeichen versehen.

Laut Pressemitteilung ist die Kommission nun jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ausgleichsmaßnahmen verhältnismäßig und daher nach den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022 gerechtfertigt sind. Die Beihilfen geben RWE einen Anreiz, zugunsten deutscher Umweltschutzziele Kraftwerke stillzulegen und sind deshalb als erforderlich anzusehen. Darüber hinaus sind sie auch geeignet, da andere Mittel keine „so gezielte und planbare Stilllegung noch einen Konsens zwischen Deutschland und den Kraftwerkbetreibern ermöglichen würden“. Die Angemessenheit beruht nach Ansicht der Kommission darauf, dass die Ausgleichsleistung das tatsächlich notwendige Mindestmaß nicht übersteige. Schließlich kommt die Kommission in ihrer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu dem Schluss, dass der Beitrag der Maßnahme zu den EU-Umwelt- und Klimaschutzzielen schwerer wiege als eine etwaige beihilfebedingte Verfälschung des Wettbewerbs.

Der Kommissionsbeschluss ist derzeit noch nicht veröffentlicht, später jedoch unter der Nummer SA.53625 im Beihilferegister der Kommission abrufbar.

Eine beihilferechtliche Entscheidung der Kommission über die geplanten Maßnahmen in Ostdeutschland zugunsten der LEAG iHv. 1,75 Mrd. EUR steht noch aus.

 

Dieser Beitrag wurde mitverfasst von Marie-Sybil von Dulong in ihrer Zeit als Rechtsanwältin bei Müller-Wrede Rechtsanwälte.