Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
21. Dezember 2016(*)
„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen –
Art. 107 Abs. 1 AEUV – Steuerregelung –
Körperschaftsteuer – Abzug – Abschreibung des Geschäfts- und
Firmenwerts, der sich aus dem Erwerb einer Beteiligung in Höhe von mindestens
5 % durch in Spanien steuerlich ansässige Unternehmen an außerhalb dieses
Mitgliedstaats steuerlich ansässigen Unternehmen ergibt – Begriff
‚staatliche Beihilfe‘ – Voraussetzung der Selektivität“
In den verbundenen Rechtssachen C‑20/15 P und
C‑21/15 P
betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der
Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am19. Januar
2015,
Europäische Kommission, vertreten durch
R. Lyal, B. Stromsky, C. Urraca Caviedes und P. Němečková
als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
World Duty Free Group SA, vormals Autogrill España
SA mit Sitz in Madrid (Spanien) (C‑20/15 P),
Banco Santander SA mit Sitz in Santander (Spanien)
(C‑21/15 P),
Santusa Holding SL mit Sitz in Boadilla del Monte
(Spanien) (C‑21/15 P),
vertreten durch J. L. Buendía Sierra,
E. Abad Valdenebro und R. Calvo Salinero, abogados,
Klägerinnen im ersten Rechtszug,
unterstützt durch:
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch
T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
Irland, vertreten durch G. Hodge und
E. Creedon als Bevollmächtigte im Beistand von B. Doherty und A.
Goodman, Barristers,
Königreich Spanien, vertreten durch
M. A. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten,
Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des
Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de
Lapuerta, der Kammerpräsidenten T. von Danwitz, J. L. da Cruz
Vilaça und E. Juhász, der Kammerpräsidentin A. Prechal
(Berichterstatterin), der Richter A. Borg Barthet, J. Malenovský,
E. Jarašiūnas und F. Biltgen sowie der Richterin K. Jürimäe und
des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die
mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2016,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in
der Sitzung vom 28. Juli 2016,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrem
Rechtsmittel in der Rechtssache C‑20/15 P beantragt die Europäische
Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom
7. November 2014, Autogrill España/Kommission (T‑219/10, im Folgenden:
angefochtenes Urteil Autogrill España/Kommission, EU:T:2014:939), mit dem das
Gericht Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 der Entscheidung 2011/5/EG der
Kommission vom 28. Oktober 2009 über die steuerliche Abschreibung des
finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an
ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07,
ex CP 9/07) in Spanien (ABl. 2011, L 7, S. 48, im Folgenden:
streitige Entscheidung) für nichtig erklärt hat.
2 Mit ihrem
Rechtsmittel in der Rechtssache C‑21/15 P beantragt die Kommission die
Aufhebung des Urteils des Gerichts vom 7. November 2014, Banco Santander
und Santusa/Kommission (T‑399/11, im Folgenden: angefochtenes Urteil Banco
Santander und Santusa/Kommission, EU:T:2014:938), mit dem das Gericht
Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 des Beschlusses 2011/282/EU der
Kommission vom 12. Januar 2011 über die steuerliche Abschreibung des
finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an
ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07,
ex CP 9/07) in Spanien (ABl. 2011, L 135, S. 1, im
Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hat.
Vorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten
3 Die sich aus
den angefochtenen Urteilen ergebende Vorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten kann
wie folgt zusammengefasst werden.
4 Am
10. Oktober 2007 entschied die Kommission aufgrund mehrerer, in den Jahren
2005 und 2006 von Mitgliedern des Europäischen Parlaments an sie gerichteter
schriftlicher Anfragen sowie aufgrund einer im Jahr 2007 bei ihr eingegangenen
Beschwerde eines privaten Marktteilnehmers, hinsichtlich der Regelung des
Art. 12 Abs. 5 des spanischen Körperschaftsteuergesetzes, der durch
die Ley 24/2001, de Medidas Fiscales, Administrativas y del Orden Social (Gesetz
Nr. 24/2001 über Steuer-, Verwaltungs- und soziale Maßnahmen) vom
27. Dezember 2001 (BOE Nr. 313 vom 31. Dezember 2001,
S. 50493) in das Körperschaftsteuergesetz eingefügt und in das Real Decreto
Legislativo 4/2004, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del
Impuesto sobre Sociedades (Königliches gesetzesvertretendes Dekret
Nr. 4/2004 zum Erlass der Neufassung des Körperschaftsteuergesetzes) vom
5. März 2004 (BOE Nr. 61 vom 11. März 2004, S. 10951)
übernommen wurde (im Folgenden: streitige Maßnahme), das förmliche Prüfverfahren
zu eröffnen.
5 Die streitige
Maßnahme sieht vor, dass ein in Spanien steuerpflichtiges Unternehmen, das an
einem „ausländischen Unternehmen“ eine Beteiligung erwirbt, den Geschäfts- oder
Firmenwert, der sich daraus ergibt und als separater immaterieller Vermögenswert
verbucht wird, als Abschreibung von der Steuerbemessungsgrundlage für die von
dem Unternehmen geschuldete Körperschaftsteuer abziehen kann, wenn diese
Beteiligung mindestens 5 % beträgt und mindestens ein Jahr lang
ununterbrochen gehalten wird. In der streitigen Maßnahme wird näher ausgeführt,
dass ein Unternehmen, damit es als „ausländisches Unternehmen“ eingestuft werden
kann, einer Steuer unterliegen muss, die mit der in Spanien geltenden Steuer
identisch ist, und dass seine Einnahmen hauptsächlich aus im Ausland
durchgeführten unternehmerischen Tätigkeiten stammen müssen.
6 In den
Rn. 10 bis 13 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission, die
mit den Rn. 15 bis 18 des angefochtenen Urteils Banco Santander und
Santusa/Kommission übereinstimmen, hat das Gericht Folgendes ausgeführt:
„10 Aus der
[streitigen] Entscheidung folgt, dass nach spanischem Recht eine
Unternehmensverschmelzung ein Vorgang ist, bei dem ein oder mehrere Unternehmen
zum Zeitpunkt ihrer Auflösung ohne Abwicklung ihr Gesellschaftsvermögen auf ein
anderes, bereits bestehendes Unternehmen oder auf ein von ihnen neu gegründetes
Unternehmen übertragen, wobei die Gesellschafter des übertragenden
Unternehmens/der übertragenden Unternehmen im Gegenzug Anteile am
Gesellschaftskapital des anderen Unternehmens erhalten (23. Erwägungsgrund der
[streitigen] Entscheidung[, der mit dem 32. Erwägungsgrund des streitigen
Beschlusses übereinstimmt]).
11 Der Erwerb
einer Beteiligung wird in der [streitigen] Entscheidung als Vorgang definiert,
bei dem ein Unternehmen Anteile am Kapital eines anderen Unternehmens erwirbt,
ohne dabei die Mehrheit oder die Kontrolle der Stimmrechte des Zielunternehmens
zu erreichen (23. Erwägungsgrund der [streitigen] Entscheidung[, der mit dem 32.
Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses übereinstimmt]).
12 Im Übrigen
wird in der [streitigen] Entscheidung angegeben, dass sich nach der streitigen
Maßnahme der finanzielle Geschäfts- oder Firmenwert durch Abzug des Marktwerts
der materiellen und immateriellen Vermögenswerte des Zielunternehmens von dem
für die Beteiligung entrichteten Kaufpreis berechnet. Ferner wird ausgeführt,
dass mit dem in der streitigen Maßnahme behandelten Begriff des finanziellen
Geschäfts- oder Firmenwerts ein Terminus, der im Allgemeinen bei der Übertragung
von Unternehmensteilen oder bei Unternehmensverschmelzungen verwendet wird, in
den Bereich des Beteiligungserwerbs eingeführt wird (20. Erwägungsgrund der
[streitigen] Entscheidung[, der mit dem 29. Erwägungsgrund des streitigen
Beschlusses übereinstimmt]).
13 Schließlich
ist festzustellen, dass nach den spanischen Steuervorschriften ein in Spanien
steuerpflichtiges Unternehmen, das eine Beteiligung an einem in Spanien
ansässigen Unternehmen erwirbt, den Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus
diesem Erwerb ergibt, nicht zu Steuerzwecken separat verbuchen kann. Nach
demselben Recht kann dagegen [nur] bei einer Unternehmensverschmelzung der
Geschäfts- oder Firmenwert abgeschrieben werden (19. Erwägungsgrund der
[streitigen] Entscheidung[, der mit dem 28. Erwägungsgrund des streitigen
Beschlusses übereinstimmt]).
7 Mit der
streitigen Entscheidung schloss die Kommission das Verfahren hinsichtlich der
innerhalb der Europäischen Union erworbenen Beteiligungen ab.
8 In Art. 1
Abs. 1 dieser Entscheidung erklärte die Kommission die mit der streitigen
Maßnahme eingeführte Regelung (im Folgenden: streitige Regelung) für mit dem
Gemeinsamen Markt unvereinbar, da mit ihr in Spanien steuerpflichtigen
Unternehmen ein steuerlicher Vorteil in der Form gewährt werde, dass diese den
Geschäfts- oder Firmenwert abschreiben könnten, der sich aus dem Erwerb von
Beteiligungen an ausländischen Unternehmen ergebe, wenn diese Regelung auf den
Erwerb von Beteiligungen an in der Union ansässigen Gesellschaften angewandt
werde. In Art. 4 dieser Entscheidung gab sie dem Königreich Spanien auf,
die nach dieser Regelung gewährten Beihilfen zurückzufordern.
9 Die Kommission
hielt jedoch das Verfahren hinsichtlich der außerhalb der Union erworbenen
Beteiligungen offen, da sich die spanischen Behörden verpflichtet hatten,
weitere Auskünfte über die Hindernisse, die grenzüberschreitenden
Verschmelzungen außerhalb der Union entgegenstehen, zu übermitteln.
10 Mit dem streitigen
Beschluss erklärte die Kommission die streitige Regelung für mit dem Gemeinsamen
Markt unvereinbar, da mit ihr in Spanien steuerpflichtigen Unternehmen ein
steuerlicher Vorteil in der Form gewährt werde, dass diese den Geschäfts- oder
Firmenwert abschreiben könnten, der sich aus dem Erwerb von Beteiligungen an
ausländischen Unternehmen ergebe, wenn diese Regelung auf den Erwerb von
Beteiligungen an außerhalb der Union ansässigen Gesellschaften angewandt werde
(Art. 1 Abs. 1 dieses Beschlusses), und gab dem Königreich Spanien
auf, die nach dieser Regelung gewährten Beihilfen zurückzufordern (Art. 4
dieses Beschlusses).
Verfahren vor dem Gericht und angefochtene
Urteile
11 Mit Klageschrift, die am
14. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Autogrill
España SA, nunmehr World Duty Free Group SA (im Folgenden: WDFG), Klage auf
Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 der streitigen
Entscheidung.
12 Zur Stützung ihrer Klage,
soweit sie gegen Art. 1 Abs. 1 dieser Entscheidung gerichtet war,
machte WDFG vier Klagegründe geltend. Erstens habe die Kommission bei der
Anwendung der Voraussetzung der Selektivität einen Rechtsfehler begangen.
Zweitens sei die streitige Maßnahme nicht selektiv, da sich die mit ihr
eingeführte Differenzierung aus der Art oder dem inneren Aufbau des Systems
ergebe, das die Maßnahme umfasse. Drittens verschaffe diese Maßnahme den
Unternehmen, auf die die streitige Regelung angewandt werde, keinen Vorteil.
Viertens sei die streitige Entscheidung hinsichtlich der Voraussetzungen sowohl
der Selektivität als auch des Vorliegens eines Vorteils unzureichend
begründet.
13 Mit Klageschrift, die am
29. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Banco
Santander SA und die Santusa Holding SL (im Folgenden: Santusa) Klage auf
Aufhebung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 des streitigen
Beschlusses.
14 Zur Stützung ihrer Klage,
soweit sie gegen Art. 1 Abs. 1 dieses Beschlusses gerichtet war,
machten Banco Santander und Santusa fünf Klagegründe geltend. Erstens habe die
Kommission bei der Anwendung der Voraussetzung der Selektivität einen
Rechtsfehler begangen. Zweitens sei die Feststellung des Bezugssystems
fehlerhaft. Drittens sei die streitige Maßnahme nicht selektiv, da sich die mit
ihr eingeführte Differenzierung aus der Art oder dem inneren Aufbau des Systems
ergebe, das die Maßnahme umfasse. Viertens verschaffe diese Maßnahme den
Unternehmen, auf die die streitige Regelung angewandt werde, keinen Vorteil.
Fünftens sei dieser Beschluss hinsichtlich der Voraussetzungen sowohl der
Selektivität als auch des Vorliegens eines Vorteils unzureichend begründet.
15 Mit den angefochtenen
Urteilen hat das Gericht auf der Grundlage einer im Wesentlichen identischen
Begründung dem ersten Klagegrund der beiden Klagen, mit dem eine fehlerhafte
Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV hinsichtlich der Voraussetzung der
Selektivität geltend gemacht wurde, stattgegeben und demzufolge Art. 1
Abs. 1 und Art. 4 der streitigen Rechtsakte für nichtig erklärt, ohne
die anderen Klagegründe zu prüfen.
Anträge der Parteien und Verfahren vor dem
Gerichtshof
16 Die Kommission
beantragt,
– die
angefochtenen Urteile aufzuheben,
– die
Rechtssachen jeweils an das Gericht zurückzuverweisen und
– die
Kostenentscheidung vorzubehalten.
17 WDFG, in der Rechtssache
C‑20/15 P, sowie Banco Santander und Santusa, in der Rechtssache
C‑21/15 P, beantragen, die Rechtsmittel zurückzuweisen, die angefochtenen
Urteile zu bestätigen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
18 Mit Entscheidungen des
Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Mai 2015 sind die Bundesrepublik
Deutschland, Irland und das Königreich Spanien als Streithelfer zur
Unterstützung der Anträge von WDFG in der Rechtssache C‑20/15 P sowie von
Banco Santander und Santusa in der Rechtssache C‑21/15 P zugelassen
worden.
19 Hingegen sind mit
Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2015 die
Anträge der Telefónica SA und der Iberdrola SA auf Zulassung als
Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von WDFG in der Rechtssache
C‑20/15 P sowie von Banco Santander und Santusa in der Rechtssache
C‑21/15 P zurückgewiesen worden.
Zu den Rechtsmitteln
20 Zur Stützung ihrer
Rechtsmittel macht die Kommission einen einzigen übereinstimmenden
Rechtsmittelgrund geltend, der aus zwei Teilen besteht und mit dem gerügt wird,
das Gericht habe bei der Auslegung der in Art. 107 Abs. 1 AEUV
festgelegten Voraussetzung der Selektivität einen Rechtsfehler begangen.
Zum ersten Teil des einzigen
Rechtsmittelgrundes
Vorbringen der Parteien
21 Mit dem ersten Teil ihres
einzigen Rechtsmittelgrundes wirft die Kommission dem Gericht vor, dadurch einen
Rechtsfehler begangen zu haben, dass es ihr die Pflicht auferlegt habe, eine
Gruppe von Unternehmen mit eigenen Merkmalen zu bestimmen, um den selektiven
Charakter einer Maßnahme nachzuweisen.
22 Die Kommission macht
geltend, sie habe sich in den streitigen Rechtsakten strikt an die in ständiger
Rechtsprechung des Gerichtshofs verankerte Methode zur Prüfung der Selektivität
im Steuerbereich gehalten. So habe sie dargetan, dass die streitige Maßnahme
eine Ausnahme von einem Bezugsrahmen darstelle, da sie für in Spanien
steuerpflichtige Unternehmen, die Beteiligungen an im Ausland ansässigen
Unternehmen in Höhe von mindestens 5 % erwürben, eine andere steuerliche
Behandlung vorsehe als für in Spanien steuerpflichtige Unternehmen, die sich in
gleicher Weise an in Spanien ansässigen Unternehmen beteiligten, obwohl sich
diese beiden Gruppen von Unternehmen im Hinblick auf das mit der allgemeinen
spanischen Körperschaftsteuerregelung verfolgte Ziel in vergleichbaren
Situationen befänden.
23 Indem ihr das Gericht
zusätzlich auferlegt habe, darzutun, dass die streitige Maßnahme bestimmte
Unternehmen begünstige, die anhand von besonderen Merkmalen identifiziert werden
könnten, die die anderen Unternehmen nicht aufwiesen, d. h. eigene und
ex ante identifizierbare Merkmale, habe es einen Rechtsfehler begangen,
da es damit einer engeren Auffassung der Voraussetzung der Selektivität als der
vom Gerichtshof festgelegten gefolgt sei.
24 Insbesondere könnten
entgegen dem, was das Gericht in den Rn. 57 und 58 des angefochtenen
Urteils Autogrill España/Kommission sowie in den Rn. 61 und 62 des
angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission entschieden habe,
Maßnahmen als selektiv eingestuft werden, auch wenn sie unabhängig von der Art
der Tätigkeiten des Begünstigten angewandt würden und einen Steuervorteil für
bestimmte Investitionstransaktionen vorsähen, ohne einen
Mindestinvestitionsbetrag festzulegen.
25 In diesem Zusammenhang
habe das Gericht aus dem Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline
und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598),
fehlerhaft abgeleitet, dass eine nationale Maßnahme, deren Anwendung von der Art
der Tätigkeit der Unternehmen unabhängig sei, grundsätzlich nicht selektiv sei.
Die Aussage in Rn. 36 dieses Urteils, wonach „nationale Maßnahmen wie
diejenigen der Ausgangsverfahren keine staatlichen Beihilfen … darstellen, wenn
sie allen Unternehmen im Inland unabhängig vom Gegenstand ihrer Tätigkeit
gewährt werden“, sei nämlich dahin zu verstehen, dass sich die fehlende
Selektivität aus der Tatsache ergebe, dass die nationale Maßnahme auf alle
Unternehmen im betreffenden Mitgliedstaat unterschiedslos angewandt werde.
26 Des Weiteren wirft die
Kommission dem Gericht vor, dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass
es in den Rn. 59 bis 62 des angefochtenen Urteils Autogrill
España/Kommission sowie in den Rn. 63 bis 66 des angefochtenen Urteils
Banco Santander und Santusa/Kommission befunden habe, die streitige Maßnahme sei
nicht selektiv, da sie an den Kauf bestimmter Wirtschaftsgüter, nämlich die
Beteiligung an ausländischen Unternehmen, gebunden sei und grundsätzlich keine
Gruppe von Unternehmen ausschließe.
27 Das Gericht habe sich
insoweit zu Unrecht auf das Urteil vom 19. September 2000,
Deutschland/Kommission (C‑156/98, EU:C:2000:467), gestützt. Aus den Rn. 22
und 23 dieses Urteils gehe nämlich hervor, dass die Kommission in der
Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, die in Rede stehende Maßnahme in
Bezug auf bestimmte geografisch abgegrenzte Unternehmen, in die Privatinvestoren
die Gewinne aus dem Verkauf von Wirtschaftsgütern reinvestiert hätten, als
selektiv eingestuft habe und nicht in Bezug auf diese Investoren selbst,
hinsichtlich derer sie die Auffassung vertreten habe, dass diese Maßnahme keine
Beihilfe darstelle.
28 Ferner rügt die
Kommission, dass das Gericht in den Rn. 66 bis 68 des angefochtenen Urteils
Autogrill España/Kommission sowie in den Rn. 70 bis 72 des angefochtenen
Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission befunden habe, dass die
Auffassung, dass eine nationale steuerliche Maßnahme, deren Gewährung an
bestimmte Voraussetzungen gebunden sei, selektiv sei, obwohl die begünstigten
Unternehmen keine Eigenart aufweisen würden, aufgrund deren sie sich von anderen
Unternehmen unterscheiden würden, außer der Tatsache, dass sie die
Voraussetzungen erfüllen könnten, an die die Gewährung der Maßnahme gebunden
sei, der Rechtsprechung zuwiderlaufe.
29 Das Gericht habe sich
insoweit auf eine fehlerhafte Analyse der betreffenden Rechtsprechung
gestützt.
30 In Bezug auf das Urteil
vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und
Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732),
macht die Kommission geltend, aus den Rn. 90 und 91 dieses Urteils gehe
hervor, dass es eine besondere Situation betroffen habe, in der der Gerichtshof
die steuerliche Bezugsregelung selbst und nicht irgendeine Ausnahme von dieser
für selektiv gehalten habe, da diese als solche „Offshore-Unternehmen“
begünstigt habe. Der Verweis auf „spezifische Eigenarten“ einer Gruppe von
Unternehmen in diesem Urteil müsse daher als Verweis auf die Eigenarten
verstanden werden, deretwegen diese Unternehmen im Kontext einer von Natur aus
selektiven Bezugsregelung steuerlich begünstigt würden, und könne nicht über
diese besondere Situation hinaus verallgemeinert werden
31 Was Rn. 42 des
Urteils vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184), betreffe,
habe das Gericht den zweiten Satz dieser Randnummer nicht berücksichtigt, in dem
der in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs niedergelegte Grundsatz zum
Ausdruck komme, dass eine Maßnahme selektiv sei, wenn sie geeignet sei,
„bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen, die sich im
Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer
vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden, zu
begünstigen.
32 WDFG sowie Banco
Santander und Santusa tragen zunächst vor, die Kommission habe in den streitigen
Rechtsakten nicht die Ansicht vertreten, dass die streitige Maßnahme de
facto selektiv sei, so dass es im Rahmen der vorliegenden Rechtsmittel nur
darum gehe, die gegen die angefochtenen Urteile vorgebrachten Rügen insoweit zu
prüfen, als das Gericht entschieden habe, dass die von der Kommission in diesen
Rechtsakten geltend gemachten Gründe nicht den Schluss zuließen, die Maßnahme
sei de iure selektiv.
33 Aus dem Urteil vom
8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer
Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), gehe hervor, dass eine Maßnahme, die
allen Unternehmen zugutekommen könne, nicht als selektiv angesehen werden könne.
Aus diesem Urteil könne jedoch nicht abgeleitet werden, wie die Kommission dies
tue, dass eine nationale Maßnahme nicht selektiv sei, wenn sie unterschiedslos
auf alle Unternehmen des Mitgliedstaats anwendbar sei, da eine solche These zur
Folge hätte, dass quasi alle Steuerregelungen als selektiv anzusehen wären.
34 WDFG und Banco Santander
und Santusa weisen auch das Vorbringen der Kommission zurück, dass nationale
steuerliche Maßnahmen bereits mehrfach als selektiv eingestuft worden seien,
auch wenn sie keinen Mindestinvestitionsbetrag festgelegt hätten und unabhängig
von der Art der Tätigkeit des Empfängers anwendbar gewesen seien. Jedenfalls
könne die streitige Maßnahme, soweit sie jedem Unternehmen, das in ihren Genuss
zu kommen wünsche, unabhängig von der Kategorie, zu der es gehöre, einen
Steuervorteil gewähre, nicht automatisch und allein deshalb als prima
facie und de iure selektiv angesehen werden.
35 Das Gericht habe sich zu
Recht auf das Urteil vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission
(C‑156/98, EU:C:2000:467), gestützt, da die Kommission in der in diesem Urteil
in Rede stehenden Entscheidung ausdrücklich die fehlende Selektivität der
nationalen Maßnahme in Bezug auf die betreffenden Investoren eingeräumt habe,
was vom Gerichtshof bestätigt worden sei.
36 In ihrer
Entscheidungspraxis habe die Kommission im Übrigen bereits mehrfach die
Selektivität von steuerlichen Maßnahmen ausgeschlossen, indem sie dasselbe
Kriterium angewandt habe, nämlich das der fehlenden Selektivität von allgemeinen
Maßnahmen, die unterschiedslos auf jedes Unternehmen anwendbar seien und in
deren Genuss jeder Steuerpflichtige kommen könne.
37 Die Anwendung dieses
Kriteriums führe im Übrigen nicht zur Feststellung der fehlenden Selektivität
der von der Kommission angesprochenen Maßnahmen bezüglich des Kaufs bestimmter
Vermögenswerte. Diese Maßnahmen könnten als selektiv eingestuft werden, wenn
nachgewiesen werde, dass sie de facto bestimmte Unternehmen unter
Ausschluss anderer begünstigten. Jedenfalls ergebe sich ihre Selektivität nicht
aus der Art der erworbenen Vermögenswerte, sondern aus der Tatsache, dass man zu
dem Schluss gelangen könne, dass die betreffenden Käufer eine besondere Gruppe
bildeten.
38 In Bezug auf das Urteil
vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438), sind WDFG
und Banco Santander und Santusa der Auffassung, das Gericht habe zutreffend
festgestellt, dass sich die in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen
sei, in Rede stehende Maßnahme von derjenigen unterscheide, um die es im
vorliegenden Fall gehe, da sie darauf abgezielt habe, einer gesonderten und
identifizierbaren Gruppe von Unternehmen einen Vorteil einzuräumen, nämlich den
Unternehmen, die im Export tätig seien.
39 Ferner gehe aus dem
Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of
Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P,
EU:C:2011:732), insbesondere aus dessen Rn. 104, eindeutig hervor, dass
eine Maßnahme nur als selektiv eingestuft werden könne, wenn sie eine Gruppe von
Unternehmen begünstige, die „Eigenschaften“ teilten, die für sie „spezifisch“
seien. Diesem Urteil sei ferner zu entnehmen, dass die Feststellung einer
Ausnahme von einer allgemeinen Regelung kein Selbstzweck sei. Es komme nur auf
die tatsächliche Wirkung der Maßnahme an, d. h. ob sie bestimmte
Unternehmen oder Produktionszweige begünstige.
40 Auch der von der
Kommission befürworteten Auslegung des Urteils vom 29. März 2012, 3M Italia
(C‑417/10, EU:C:2012:184), könne nicht gefolgt werden. Zum einen habe der
Gerichtshof in diesem Urteil die Definition eines Bezugsrahmens und eine
Ausnahme davon nicht abgesegnet. Zum anderen lasse dieses Urteil nicht den
Schluss zu, dass eine Maßnahme selektiv sei, weil die Unternehmen, die die
Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme erfüllten, eine gesonderte Gruppe
bildeten.
41 Schließlich habe das
Gericht zutreffend entschieden, dass eine Maßnahme nicht als selektiv im Sinne
von Art. 107 AEUV eingestuft werden könne, wenn ihr Nutzen von einem
Verhalten abhänge, das prima facie jedem Unternehmen unabhängig von
seinem Tätigkeitsbereich zugänglich sei. Dies gehe aus der im Urteil vom
19. September 2000, Deutschland/Kommission (C‑156/98, EU:C:2000:467)
getroffenen Feststellung der fehlenden Selektivität einer nationalen Maßnahme in
Bezug auf Investoren hervor.
42 Nach Ansicht des
Königreichs Spanien bestätigt das Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien
Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598),
den von den spanischen Behörden im Verwaltungsverfahren vor der Kommission
eingenommenen Standpunkt, wonach ein wirtschaftlicher Vorteil nur dann als
Beihilfe angesehen werden könne, wenn er geeignet sei, „bestimmte Unternehmen
oder Produktionszweige“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu
begünstigen.
43 Im Verwaltungsverfahren
hätten die spanischen Behörden dargetan, dass die streitige Maßnahme allgemein
zugänglich sei, da sie auf Unternehmen aus sehr unterschiedlichen
Tätigkeitsbereichen angewandt werde, was die in den angefochtenen Urteilen
dargestellte Analyse und die Tatsache bestätige, dass die Kommission den
selektiven Charakter dieser Maßnahmen in den streitigen Rechtsakten nicht
dargetan habe.
44 Irland trägt vor, das
Gericht habe entgegen dem Vorbringen der Kommission aus den Urteilen des
Gerichtshofs vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer
& Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), und des Gerichts vom
6. März 2002, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission (T‑92/00 und
T‑103/00, EU:T:2002:61), sowie vom 9. September 2009, Diputación Foral de
Álava u. a./Kommission (T‑227/01 bis T‑229/01, T‑265/01, T‑266/01 und
T‑270/01, EU:T:2009:315), nicht abgeleitet, dass nur die Maßnahmen selektiv
seien, deren Anwendung an die Art der Tätigkeiten des Unternehmens gebunden oder
deren Anwendung von einem Mindestbetrag abhängig gewesen sei, sondern es habe
entschieden, dass bei einer Maßnahme, in deren Genuss alle in Spanien steuerlich
ansässigen Unternehmen, die eine Beteiligung in Höhe von mindestens 5 % an
einem ausländischen Unternehmen erwürben, unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit
und der investierten Summen hätten kommen können, die Selektivität nicht habe
festgestellt werden können.
45 Das Gericht habe sich
zutreffend auf das Urteil vom 15. November 2011, Kommission und
Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und
C‑107/09 P, EU:C:2011:732), gestützt, um zu entscheiden, dass es – um
eine steuerliche Differenzierung als Beihilfe einstufen zu können –
notwendig sei, wegen ihrer spezifischen Eigenarten eine bestimmte Gruppe von
Unternehmen festzustellen, die davon begünstigt werden könne. Die Voraussetzung
der Selektivität, wie sie in Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgestellt werde,
müsse in allen Rechtssachen betreffend angebliche staatliche Beihilfen
steuerlicher Art gleich definiert werden. Der in Rn. 104 dieses Urteils
ausdrücklich verankerte Grundsatz könne daher nicht auf eine Situation
beschränkt werden, in der eine Steuerregelung insgesamt betrachtet einen
selektiven Charakter aufweise.
46 Maßnahmen wie die
streitige, die von vornherein weder ein Unternehmen noch einen bestimmten
Wirtschaftszweig vom Kreis ihrer Begünstigten ausschlössen, könnten nicht als
selektiv angesehen werden. Die Kommission habe sich im Übrigen bereits mehrfach
auf diese Begründung gestützt, um die fehlende Selektivität bestimmter
nationaler Maßnahmen festzustellen.
47 Die Bundesrepublik
Deutschland sieht in einer Abweichung oder Ausnahme von dem von der Kommission
festgestellten Bezugsrahmen, selbst wenn sie erwiesen wäre, allein keinen Grund
für die Annahme, dass die streitige Maßnahme „bestimmte Unternehmen oder
Produktionszweige“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV begünstige.
48 Vielmehr ergebe sich
daraus nur, dass diese Maßnahme einer Subvention gleichkomme. Folglich sei nach
der Prüfung, ob die Maßnahme Ausnahmecharakter habe, gemäß der Rechtsprechung,
insbesondere dem Urteil vom 15. November 2011, Kommission und
Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und
C‑107/09 P, EU:C:2011:732), und wie auch das Gericht zu Recht in den
angefochtenen Urteilen entschieden habe, in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob
die Gruppe von Steuerpflichtigen, die durch eine Steuerregelung begünstigt
würden, hinreichend spezifizierte Unternehmen oder Produktionszweige im Sinne
von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten.
49 So gehe aus der
Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Gruppe der durch einen
Steuervorteil begünstigten Unternehmen hinreichend gekennzeichnet sei, wenn die
Kommission habe nachweisen können, dass der in Rede stehende Vorteil nur
Unternehmen, die nur einem Wirtschaftszweig angehörten und bestimmte
Transaktionen durchführten (Urteil vom 15. Dezember 2005, Unicredito
Italiano, C‑148/04, EU:C:2005:774), nur Unternehmen in einer bestimmten
Rechtsform (Urteil vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze
u. a., C‑222/04, EU:C:2006:8), einer bestimmten Betriebsgröße (Urteil vom
13. Februar 2003, Spanien/Kommission, C‑409/00, EU:C:2003:92) oder nur
Unternehmen, deren Sitz sich außerhalb einer bestimmten Region befinde (Urteil
vom 17. November 2009, Presidente del Consiglio dei Ministri, C‑169/08,
EU:C:2009:709), zugutekomme.
50 Die Bundesrepublik
Deutschland weist darauf hin, dass der Gerichtshof bereits anerkannt habe, dass
eine Steuervergünstigung, die darin bestehe, dass Steuerpflichtige, die
bestimmte Wirtschaftsgüter veräußerten, den daraus resultierenden
Veräußerungsgewinn von den Kosten der Anschaffung anderer Wirtschaftsgüter
abziehen könnten, diesen einen Vorteil verschaffe, der als eine unterschiedslos
auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbare allgemeine Maßnahme nicht als
staatliche Beihilfe eingestuft werden könne (Urteil vom 19. September 2000,
Deutschland/Kommission, C‑156/98, EU:C:2000:467, Rn. 22).
51 Erst recht dürfe eine
steuerliche Maßnahme wie die streitige, deren Anwendung generell an eine
bestimmte Art von gesellschaftsrechtlichen Operationen anknüpfe, im vorliegenden
Fall an den Erwerb von Gesellschaftsanteilen, die unabhängig vom
Unternehmensgegenstand und dem operativen Geschäft seien, grundsätzlich nicht
als selektiv angesehen werden.
52 Schließlich würde es nach
Ansicht der in den vorliegenden Rechtssachen beteiligten Mitgliedstaaten zu
einer Erschütterung des institutionellen Gleichgewichts der Union führen, wenn
die Voraussetzung der Selektivität der nationalen Maßnahme für die Zwecke ihrer
Einstufung als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV
in dem von der Kommission in ihren Rechtsmitteln befürworteten weiten Sinne zu
verstehen wäre. Würde nämlich der Voraussetzung der Selektivität eine solche
Bedeutung beigemessen, könnte die Kommission fast alle Maßnahmen der direkten
Besteuerung aufgrund ihrer Befugnisse im Bereich der staatlichen Beihilfen
kontrollieren, obwohl die direkte Besteuerung grundsätzlich in die
Gesetzgebungskompetenz der Mitgliedstaaten falle.
Würdigung durch den Gerichtshof
53 Vorab ist darauf
hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Einstufung
einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107
Abs. 1 AEUV verlangt, dass alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind.
Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter
Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die Maßnahme geeignet
sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss
dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden. Viertens muss
sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (vgl. insbesondere
Urteil vom 16. Juli 2015, BVVG, C‑39/14, EU:C:2015:470, Rn. 24).
54 In Bezug auf das Merkmal
der Selektivität des Vorteils, das zum Begriff der „staatlichen Beihilfe“ im
Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gehört, geht aus ebenso ständiger
Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Beurteilung dieses Merkmals die
Feststellung verlangt, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten
rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder
Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu
begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung
verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation
befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die im
Wesentlichen als diskriminierend eingestuft werden kann (vgl. u. a. Urteile
vom 28. Juli 2011, Mediaset/Kommission, C‑403/10 P, nicht
veröffentlicht, EU:C:2011:533, Rn. 36, vom 15. November 2011,
Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich,
C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 75 und 101, vom
14. Januar 2015, Eventech, C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 53 bis 55, und
vom 4. Juni 2015, Kommission/MOL, C‑15/14 P, EU:C:2015:362,
Rn. 59).
55 Wenn die in Rede stehende
Maßnahme als Beihilferegelung und nicht als eine Einzelbeihilfe beabsichtigt
wird, obliegt es außerdem der Kommission, darzutun, dass die Maßnahme, obwohl
sie einen allgemeinen Vorteil vorsieht, diesen allein bestimmten Unternehmen
oder Branchen verschafft (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom
30. Juni 2016, Belgien/Kommission, C‑270/15 P, EU:C:2016:489,
Rn. 49 und 50).
56 Insbesondere in Bezug auf
nationale Maßnahmen, die einen Steuervorteil verschaffen, ist darauf
hinzuweisen, dass eine Maßnahme dieser Art, die zwar nicht mit der Übertragung
staatlicher Mittel verbunden ist, die Begünstigten aber finanziell besser stellt
als die übrigen Steuerpflichtigen, den Empfängern einen selektiven Vorteil
verschaffen kann und daher eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107
Abs. 1 AEUV darstellt. Dagegen stellt ein Steuervorteil aus einer
unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbaren allgemeinen Maßnahme
keine staatliche Beihilfe im Sinne dieser Bestimmung dar (vgl. in diesem Sinne
u. a. Urteil vom 18. Juli 2013, P, C‑6/12, EU:C:2013:525,
Rn. 18).
57 In diesem Kontext muss
die Kommission für die Einstufung einer nationalen steuerlichen Maßnahme als
„selektiv“ in einem ersten Schritt die in dem betreffenden Mitgliedstaat
geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung ermitteln und in einem zweiten
Schritt dartun, dass die in Rede stehende steuerliche Maßnahme vom allgemeinen
System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen
Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit dieser
allgemeinen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und
rechtlichen Situation befinden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom
8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08,
EU:C:2011:550, Rn. 49).
58 Der Begriff „staatliche
Beihilfe“ erfasst jedoch nicht die Maßnahmen, die eine Unterscheidung zwischen
Unternehmen einführen, die sich im Hinblick auf das von der in Rede stehenden
rechtlichen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und
rechtlichen Situation befinden, und damit a priori selektiv sind, wenn
der betreffende Mitgliedstaat nachweisen kann, dass diese Unterscheidung
gerechtfertigt ist, weil sie sich aus der Natur oder dem Aufbau des Systems, in
das sie sich einfügen, ergeben (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom
29. April 2004, Niederlande/Kommission, C‑159/01, EU:C:2004:246,
Rn. 42 und 43, vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a.,
C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 64 und 65, und vom 29. März
2012, 3M Italia, C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 40).
59 Des Weiteren ist darauf
hinzuweisen, dass der Umstand, dass nur die Steuerpflichtigen, die die
Voraussetzungen für die Anwendung einer Maßnahme erfüllen, diese in Anspruch
nehmen können, als solcher dieser Maßnahme keinen selektiven Charakter verleihen
kann (Urteil vom 29. März 2012, 3M Italia, C‑417/10, EU:C:2012:184,
Rn. 42).
60 Demnach ist nach dem für
die Feststellung der Selektivität der in Rede stehenden Maßnahme einschlägigen
Maßstab zu prüfen, ob diese zwischen Wirtschaftsteilnehmern, die sich im
Hinblick auf das mit der betreffenden allgemeinen Steuerregelung verfolgte Ziel
in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, eine
durch die Natur oder den Aufbau dieses Systems nicht gerechtfertigte
Unterscheidung einführt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2015,
Kommission/MOL, C‑15/14 P, EU:C:2015:362, Rn. 61).
61 Im Licht dieser
Erwägungen ist zu prüfen, ob das Gericht im vorliegenden Fall Art. 107
Abs. 1 AEUV, wie er vom Gerichtshof ausgelegt wird, dadurch verkannt hat,
dass es entschieden hat, dass die Kommission in den streitigen Rechtsakten nicht
rechtlich hinreichend dargetan habe, dass die streitige Maßnahme „bestimmten
Unternehmen oder Produktionszweigen“ einen selektiven Vorteil verschafft
habe.
62 Im vorliegenden Fall
sieht die streitige Maßnahme einen Steuervorteil vor, der darin besteht, dass
der Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus der Beteiligung in Höhe von
mindestens 5 % eines in Spanien steuerlich ansässigen Unternehmens an einem
außerhalb dieses Mitgliedstaats steuerlich ansässigen Unternehmen ergibt, als
Abschreibung von der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer abgezogen
wird. Da diese Maßnahme sämtliche Unternehmen, die solche Transaktionen
durchführen, begünstigen kann, ist davon auszugehen, dass sie eine
Beihilferegelung darstellen kann. Es oblag daher der Kommission, darzutun, dass
diese Maßnahme, obwohl sie einen allgemeinen Vorteil gewährt, diesen allein
bestimmten Unternehmen oder Branchen verschafft.
63 Hierzu hat das Gericht in
Rn. 50 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission sowie in
Rn. 54 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission
ausgeführt, dass sich die Kommission in den streitigen Rechtsakten, um den
selektiven Charakter der streitigen Maßnahme darzutun, in erster Linie auf die
Begründung gestützt habe, dass diese eine Abweichung im Verhältnis zu einem
Bezugsrahmen darstelle, da sie zur Folge gehabt habe, dass in Spanien
steuerpflichtige Unternehmen, die Beteiligungen an im Ausland ansässigen
Unternehmen erwürben, steuerlich anders behandelt würden als in Spanien
steuerpflichtige Unternehmen, die Beteiligungen an in Spanien ansässigen
Unternehmen erwürben, obwohl sich beide Gruppen von Unternehmen im Hinblick auf
das von diesem Bezugsrahmen, nämlich der allgemeinen spanischen
Körperschaftsteuerregelung und genauer gesagt den in dieser Steuerregelung über
die steuerliche Behandlung des finanziellen Geschäfts- und Firmenwerts
enthaltenen Regeln, verfolgte Ziel in vergleichbaren Situationen befänden.
64 Das Gericht hat in
Rn. 51 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission sowie in
Rn. 55 des angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission
befunden, dass die Kommission somit die Prüfungsmethode angewandt habe, die sich
aus der in den Rn. 29 bis 33 des angefochtenen Urteils Autogrill
España/Kommission sowie in den Rn. 33 bis 37 des angefochtenen Urteils
Banco Santander und Santusa/Kommission angeführten Rechtsprechung des
Gerichtshofs und des Gerichts ergebe und die im Wesentlichen der in den
Rn. 53 bis 60 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des
Gerichtshofs entspricht.
65 In den Rn. 44, 45,
52 und 53 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission sowie in den
Rn. 48, 49, 56 und 57 des angefochtenen Urteils Banco Santander und
Santusa/Kommission hat das Gericht jedoch entschieden, dass eine Abweichung oder
Ausnahme von dem von der Kommission festgestellten Bezugsrahmen, selbst wenn sie
erwiesen wäre, allein kein Grund für die Feststellung sei, dass die streitige
Maßnahme „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ im Sinne von
Art. 107 Abs. 1 AEUV begünstige, da die Maßnahme grundsätzlich jedem
Unternehmen zugänglich sei und nicht eine besondere Gruppe von Unternehmen, die
als einzige von dieser Maßnahme begünstigt würden, sondern eine Gruppe von
wirtschaftlichen Vorgängen betreffe.
66 Es ist jedoch
festzustellen, dass diese Begründung auf einer fehlerhaften Anwendung der in
Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Voraussetzung der Selektivität, wie
sie im vorliegenden Urteil in Erinnerung gerufen wurde, beruht.
67 Wie nämlich aus den
Rn. 53 bis 60 des vorliegenden Urteils in Bezug auf eine nationale
Maßnahme, die, wie die streitige, einen allgemeinen Vorteil verschafft,
hervorgeht, ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die Kommission dartun kann,
dass diese Maßnahme von der allgemeinen oder „normalen“ in dem betreffenden
Mitgliedstaat anwendbaren Steuerregelung abweicht und somit durch ihre konkreten
Wirkungen eine Ungleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern einführt, obwohl
sich die von dem Steuervorteil begünstigten Wirtschaftsteilnehmer und
diejenigen, die von ihm ausgeschlossen sind, im Hinblick auf das mit dieser
Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer vergleichbaren
tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.
68 Aus den angefochtenen
Urteilen geht hervor, dass sich die Kommission in den streitigen Rechtsakten, um
den selektiven Charakter der streitigen Maßnahme darzutun, auf die in dieser
Maßnahme enthaltene Ungleichbehandlung zwischen den ansässigen Unternehmen
gestützt hat. Gemäß dieser Maßnahme konnten nämlich nur die ansässigen
Unternehmen, die Beteiligungen in Höhe von mindestens 5 % an ausländischen
Unternehmen erwarben, unter bestimmten Voraussetzungen in den Genuss des in Rede
stehenden Steuervorteils kommen, wohingegen die ansässigen Unternehmen, die eine
solche Beteiligung an in Spanien steuerpflichtigen Unternehmen erwarben, diesen
Vorteil nicht in Anspruch nehmen konnten, obwohl sie sich nach Ansicht der
Kommission im Hinblick auf das mit der allgemeinen spanischen Steuerregelung
verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Situation befanden.
69 Das Gericht war jedoch
der Auffassung, dass die streitige Maßnahme, da sie auf keine bestimmte Gruppe
von Unternehmen oder Produktionszweigen abziele, weil ihre Anwendung von der Art
der Tätigkeit der Unternehmen unabhängig sei und sie grundsätzlich oder
potenziell jedem Unternehmen offengestanden habe, das Beteiligungen in Höhe von
mindestens 5 % an ausländischen Unternehmen habe erwerben wollen und diese
Beteiligungen während mindestens eines Jahres ununterbrochen gehalten habe,
nicht als selektive Maßnahme anzusehen sei, sondern als eine allgemeine Maßnahme
im Sinne der in Rn. 56 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung.
Damit hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen.
70 So hat es in den
Rn. 41, 45, 67 und 68 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission
sowie in den Rn. 45, 49, 71 und 72 des angefochtenen Urteils Banco
Santander und Santusa/Kommission in Bezug auf eine grundsätzlich allen
Unternehmen offenstehende Maßnahme entschieden, dass, damit die Voraussetzung
der Selektivität einer nationalen Maßnahme für die Zwecke der Anerkennung einer
staatlichen Beihilfe erfüllt sei, auf jeden Fall eine besondere Gruppe von
Unternehmen ermittelt werden müsse, die als einzige von der in Rede stehenden
Maßnahme begünstigt würden und aufgrund spezifischer und gemeinsamer Eigenarten
unterschieden werden könnten.
71 Jedoch kann ein solches
zusätzliches Erfordernis, eine besondere Gruppe von Unternehmen zu ermitteln,
das zu der auf die Selektivität im Steuerbereich anwendbaren und sich aus der
ständigen Rechtsprechung ergebenden Prüfungsmethode hinzukommt, die im
Wesentlichen darin besteht, zu prüfen, ob der Ausschluss bestimmter
Wirtschaftsteilnehmer von der Begünstigung eines Steuervorteils, der sich aus
einer von der allgemeinen Steuerregelung abweichenden Maßnahme ergibt, eine
diskriminierende Behandlung ihnen gegenüber darstellt, der Rechtsprechung des
Gerichtshofs und insbesondere dem Urteil vom 15. November 2011, Kommission
und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P
und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), nicht entnommen werden.
72 Zwar hat der Gerichtshof
in Rn. 104 dieses Urteils vom 15. November 2011, Kommission und
Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und
C‑107/09 P, EU:C:2011:732), entschieden, dass die in einem Steuersystem als
Besteuerungsgrundlage festgelegten Kriterien, um als Kriterien angesehen werden
zu können, die selektive Vorteile verschaffen, geeignet sein müssen, die
begünstigten Unternehmen anhand ihrer spezifischen Eigenarten als privilegierte
Gruppe zu kennzeichnen, und damit die Einstufung eines solchen Systems als
Regelung ermöglichen, die „bestimmte“ Unternehmen oder „bestimmte“
Produktionszweige im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV begünstigt.
73 Dieser Teil der
Begründung des Urteils vom 15. November 2011, Kommission und
Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und
C‑107/09 P, EU:C:2011:732), ist jedoch im Kontext der gesamten, in den
Rn. 87 bis 108 dieses Urteils enthaltenen Entscheidungsgründe zu sehen, zu
denen er gehört.
74 So ergibt sich aus einer
Gesamtbetrachtung dieser Entscheidungsgründe, dass sich die in diesem Urteil in
Rede stehende Maßnahme nicht in Form eines von der allgemeinen Steuerregelung
abweichenden Steuervorteils, sondern in Form der Anwendung einer „allgemeinen“
Steuerregelung darstellte, die auf Kriterien beruhte, die auch an sich
allgemeiner Art waren. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Art dieser
Regelung entgegen der Entscheidung des Gerichts der Feststellung des selektiven
Charakters der in Rede stehenden Maßnahme nicht entgegenstand, da die
Voraussetzung der Selektivität eine weiter reichende Bedeutung hat und Maßnahmen
mit einschließt, die durch ihre Wirkungen bestimmte Unternehmen, im vorliegenden
Fall „Offshore-Unternehmen“ aufgrund der für diese Unternehmen typischen und
spezifischen Merkmale, begünstigen. Diese Maßnahme nahm somit eine faktische
Ungleichbehandlung zwischen Unternehmen vor, die sich im Hinblick auf das mit
dieser Regelung verfolgte Ziel, das im vorliegenden Fall darin bestand, eine
allgemein anwendbare Besteuerung aller ansässigen Unternehmen einzuführen, in
einer vergleichbaren Situation befanden.
75 Demgegenüber hat die
Kommission, wie bereits in Rn. 63 des vorliegenden Urteils ausgeführt
worden ist, in den streitigen Rechtsakten, um den selektiven Charakter der
streitigen Maßnahme darzutun, diesen in erster Linie mit der sich aus dieser
Maßnahme ergebenden Ungleichbehandlung begründet, da sie bestimmten ansässigen
Unternehmen einen Steuervorteil gewähre und anderen, die unter die allgemeine
Steuerregelung fielen, von der die streitige Maßnahme abweiche, nicht.
76 Zwar ergibt sich aus dem
Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of
Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P,
EU:C:2011:732), dass die Selektivität einer steuerlichen Maßnahme dargetan
werden kann, auch wenn sie keine Ausnahme von der allgemeinen Steuerregelung
darstellt, sondern ein integraler Bestandteil von ihr ist. Nichtsdestotrotz
gehört dieses Urteil zur ständigen, in Rn. 57 des vorliegenden Urteils
angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach es für den Nachweis der
Selektivität einer von einer allgemeinen Steuerregelung abweichenden Maßnahme
ausreicht, dass dargetan wird, dass sie bestimmte Wirtschaftsteilnehmer
begünstigt und andere nicht, obwohl sich alle diese Wirtschaftsteilnehmer im
Hinblick auf das mit der allgemeinen Steuerregelung verfolgte Ziel in einer
objektiv vergleichbaren Situation befinden.
77 Zwar ist für den Nachweis
der Selektivität einer steuerlichen Maßnahme nicht immer erforderlich, dass
diese einen von einer allgemeinen Steuerregelung abweichenden Charakter
aufweist, doch ist der Umstand, dass sie einen solchen Charakter aufweist, für
diese Zwecke durchweg relevant, wenn sich daraus ergibt, dass zwei Gruppen von
Wirtschaftsteilnehmern unterschieden werden und a priori unterschiedlich
behandelt werden, nämlich diejenigen, die unter die abweichende Maßnahme fallen,
und diejenigen, die weiterhin unter die allgemeine Steuerregelung fallen, obwohl
sich diese beiden Gruppen im Hinblick auf das mit dieser Regelung verfolgte Ziel
in einer vergleichbaren Situation befinden.
78 Entgegen dem, was das
Gericht in den angefochtenen Urteilen entschieden hat, kann für den Nachweis der
Selektivität einer solchen Maßnahme auch nicht verlangt werden, dass die
Kommission bestimmte typische und spezifische Merkmale ermittelt, die den vom
Steuervorteil begünstigten Unternehmen gemein sind und aufgrund deren sie von
denjenigen unterschieden werden können, die davon ausgeschlossen sind.
79 Es kommt nämlich für
diesen Zweck allein darauf an, dass die Maßnahme unabhängig von ihrer Form oder
der verwendeten Regelungstechnik die Wirkung hat, die begünstigten Unternehmen
in eine vorteilhaftere Lage als andere Unternehmen zu versetzen, obwohl sich
alle diese Unternehmen im Hinblick auf das mit der in Rede stehenden
Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und
rechtlichen Situation befinden.
80 Zudem genügt nach
ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Umstand, dass sehr viele
Unternehmen eine nationale Maßnahme in Anspruch nehmen können oder dass diese
Unternehmen mehreren Wirtschaftszweigen angehören, nicht, um die Selektivität
dieser Maßnahme und damit ihre Eigenschaft als staatliche Beihilfe zu verneinen
(vgl. u. a. Urteile vom 13. Februar 2003, Spanien/Kommission,
C‑409/00, EU:C:2003:92, Rn. 48, und vom 8. September 2011,
Kommission/Niederlande, C‑279/08 P, EU:C:2011:551, Rn. 50).
81 Entgegen dem, was das
Gericht in den Rn. 53 bis 58 des angefochtenen Urteils Autogrill
España/Kommission sowie in den Rn. 57 bis 62 des angefochtenen Urteils
Banco Santander und Santusa/Kommission entschieden hat, wird somit der eventuell
selektive Charakter der streitigen Maßnahme keineswegs durch die Tatsache in
Frage gestellt, dass wesentliche Voraussetzung für die Erlangung des von dieser
Maßnahme eingeräumten Vorteils eine wirtschaftliche Transaktion ist, genauer
gesagt ein „rein finanzieller Vorgang“, der keinen Mindestinvestitionsbetrag
verlangt und von der Art der Tätigkeit der begünstigten Unternehmen unabhängig
ist.
82 In diesem Zusammenhang
kann entgegen dem, was das Gericht in Rn. 57 des angefochtenen Urteils
Autogrill España/Kommission sowie in Rn. 61 des angefochtenen Urteils Banco
Santander und Santusa/Kommission entschieden hat, aus Rn. 36 des Urteils
vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer
Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), wonach Maßnahmen nicht selektiv sind,
wenn sie allen Unternehmen im Inland „unabhängig vom Gegenstand ihrer Tätigkeit“
gewährt werden, nicht abgeleitet werden, dass eine Maßnahme, deren Anwendung von
der Art der Tätigkeit der Unternehmen unabhängig ist, grundsätzlich nicht
selektiv ist.
83 Aus der Gesamtbetrachtung
der Gründe dieses Urteils vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und
Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598), geht nämlich
hervor, dass der Gerichtshof in dieser Rn. 36, gelesen im Licht der
Rn. 35 dieses Urteils, die Auffassung vertreten hat, dass nationale
Maßnahmen wie die in dieser Rechtssache in Rede stehenden nicht selektiv sind,
wenn sie unterschiedslos auf sämtliche Unternehmen des betreffenden
Mitgliedstaats anwendbar sind und deshalb eine allgemeine Maßnahme im Sinne der
in Rn. 56 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung
darstellen.
84 Zwar hat der Gerichtshof
in Rn. 36 des Urteils vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und
Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598) auf den
Gegenstand der Tätigkeit der Unternehmen verwiesen, die von den nationalen
Maßnahmen begünstigt wurden, doch ist diese Bezugnahme durch den Wortlaut der
vom vorlegenden Gericht in dieser Rechtssache gestellten zweiten Frage zu
erklären. Dies wird durch die Tatsache bestätigt, dass diese Bezugnahme in
späteren Urteilen, in denen auf diesen Grundsatz hingewiesen wird, fehlt (vgl.
u. a. Urteile vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government
of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P,
EU:C:2011:732, Rn. 73, und vom 29. März 2012, 3M Italia,
C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 39).
85 Außerdem trifft es zu,
dass, wie das Gericht in Rn. 66 des angefochtenen Urteils Autogrill
España/Kommission sowie in Rn. 70 des angefochtenen Urteils Banco Santander
und Santusa/Kommission festgestellt hat, der Gerichtshof in Rn. 42 des
Urteils vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184),
entschieden hat, dass der Umstand, dass nur diejenigen Steuerpflichtigen, die
die Voraussetzungen für den Erhalt der in dieser Rechtssache in Rede stehenden
Maßnahme erfüllten, diese Maßnahme in Anspruch nehmen konnten, als solcher der
Maßnahme keinen selektiven Charakter verleihen kann. Es ist jedoch
festzustellen, dass der Gerichtshof in derselben Rn. 42 ausdrücklich
klargestellt hat, dass der fehlende selektive Charakter aus der Feststellung
folgte, dass sich die Personen, die die betreffende Maßnahme nicht in Anspruch
nehmen konnten, im Hinblick auf das vom nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel
nicht in einer tatsächlichen und rechtlichen Situation befanden, die mit
derjenigen der Steuerpflichtigen, die sie in Anspruch nehmen konnten,
vergleichbar war.
86 Daraus ergibt sich, dass
eine Voraussetzung für die Anwendung oder den Erhalt einer steuerlichen Beihilfe
den selektiven Charakter dieser Beihilfe begründen kann, wenn sie dazu führt,
zwischen Unternehmen, obwohl sie sich im Hinblick auf das mit der in Rede
stehenden Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen
und rechtlichen Situation befinden, unterschieden wird und sie daher eine
Ungleichbehandlung der Unternehmen bewirkt, die von dieser Regelung
ausgeschlossen sind.
87 Wenn, wie das Gericht in
den angefochtenen Urteilen hervorhebt, der Steuervorteil, den die streitige
Maßnahme umfasst, erlangt werden kann, ohne dass ein Mindestbetrag investiert
wird, und wenn diese Maßnahme daher de facto ihren Nutzen nicht den
Unternehmen vorbehält, die über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, stehen
diese Umstände zudem der Anerkennung eines eventuell selektiven Charakters der
Maßnahme aus anderen Gründen, wie etwa der Tatsache, dass die ansässigen
Unternehmen, die Beteiligungen an in Spanien steuerlich ansässigen Unternehmen
erwerben, diesen Vorteil nicht erlangen konnten, nicht entgegen.
88 Hierzu hat der
Gerichtshof im Übrigen bereits entschieden, dass eine steuerliche Maßnahme, die
nur die Unternehmen begünstigt, die die von ihr erfassten Transaktionen
durchführen, und nicht die Unternehmen derselben Branche, die diese
Transaktionen nicht durchführen, selektiv sein kann, ohne dass geprüft werden
muss, ob diese Maßnahme große Unternehmen stärker begünstigt (vgl. in diesem
Sinne Urteil vom 15. Dezember 2005, Unicredito Italiano, C‑148/04,
EU:C:2005:774, Rn. 47 bis 50).
89 Entgegen dem, was das
Gericht in den Rn. 59 bis 62 des angefochtenen Urteils Autogrill
España/Kommission sowie in den Rn. 63 bis 66 des angefochtenen Urteils
Banco Santander und Santusa/Kommission entschieden hat, lässt sich dem Urteil
vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission (C‑156/98, EU:C:2000:467),
nichts Gegenteiliges in Bezug auf die Prüfung der Voraussetzung der Selektivität
einer steuerlichen Maßnahme entnehmen.
90 Aus den Rn. 22 und
23 des Urteils vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission (C‑156/98,
EU:C:2000:467), geht nämlich hervor, dass die Kommission in der Rechtssache, in
der dieses Urteil ergangen ist, die in Rede stehende Maßnahme in Bezug auf
bestimmte geografisch abgegrenzte Unternehmen, in die Privatinvestoren die
Gewinne aus dem Verkauf von Wirtschaftsgütern reinvestiert hatten, als selektiv
eingestuft hat und nicht in Bezug auf die Investoren selbst, hinsichtlich deren
sie der Auffassung war, dass diese Maßnahme keine Beihilfe darstelle, da sie als
allgemeine Maßnahme alle Wirtschaftsteilnehmer unterschiedslos begünstige. Diese
Einschätzung wurde im Übrigen vor dem Gerichtshof nicht in Zweifel gezogen, und
der Gerichtshof hatte daher über sie nicht zu entscheiden.
91 Jedenfalls kann die
Situation dieser Investoren nicht mit der der ansässigen Unternehmen, die von
der streitigen Maßnahme begünstigt werden können, gleichgestellt werden.
92 In den streitigen
Rechtsakten hat die Kommission sich nämlich für die Einstufung der streitigen
Maßnahme als selektiv auf die Tatsache berufen, dass der von dieser Maßnahme
verschaffte Steuervorteil nicht unterschiedslos alle Wirtschaftsteilnehmer
begünstige, die sich im Hinblick auf das mit der allgemeinen spanischen
Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Situation befänden, da die
ansässigen Unternehmen, die Beteiligungen gleicher Art an in Spanien steuerlich
ansässigen Unternehmen erwürben, diesen Vorteil nicht erlangen könnten. Die
Kommission kam anschließend zu dem Ergebnis, dass der Rechtfertigung dieser
Unterscheidung zwischen Wirtschaftsteilnehmern, auf die sich das Königreich
Spanien berufen habe und die sich aus der Natur oder dem Aufbau des Systems
ergebe, in das sich diese Maßnahme einfüge, nicht gefolgt werden könne.
93 Aus alledem folgt, dass
das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen hat, dass es die streitigen
Rechtsakte mit der Begründung, dass die Kommission keine bestimmte Gruppe von
Unternehmen festgestellt habe, die von der in Rede stehenden Maßnahme begünstigt
werde, teilweise für nichtig erklärt hat, ohne zu prüfen, ob die Kommission bei
der Anwendung der in den Rn. 29 bis 33 des angefochtenen Urteils Autogrill
España/Kommission sowie in den Rn. 33 bis 37 des angefochtenen Urteils
Santander und Santusa/Kommission wiedergegebenen Prüfungsmethode, die bei der
Prüfung der Voraussetzung der Selektivität der streitigen Maßnahme heranzuziehen
ist, tatsächlich den diskriminierenden Charakter dieser Maßnahme geprüft und
nachgewiesen hat.
94 Zweifellos muss diese
Prüfung gewissenhaft durchgeführt und ausreichend begründet werden, um eine
umfassende gerichtliche Kontrolle insbesondere der Vergleichbarkeit der
Situation der Wirtschaftsteilnehmer, die von der Maßnahme begünstigt werden, mit
derjenigen der Wirtschaftsteilnehmer, die von ihr ausgeschlossen sind, und
gegebenenfalls der vom betreffenden Mitgliedstaat geltend gemachten
Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zu ermöglichen. Jedoch hat das Gericht
dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es keine solche Prüfung vorgenommen
und in den angefochtenen Urteilen entschieden hat, dass die von der Kommission
in den streitigen Rechtsakten angewandte Prüfungsmethode auf einer fehlerhaften
Auslegung der Voraussetzung der Selektivität, wie sie in Art. 107
Abs. 1 AEUV aufgestellt werde, beruhe, da mit ihr keine besondere Gruppe
von Unternehmen festgestellt worden sei, die als einzige von der in Rede
stehenden steuerlichen Maßnahme begünstigt worden seien.
95 Der erste Teil des
einzigen Rechtsmittelgrundes der Kommission greift damit durch.
Zum zweiten Teil des einzigen
Rechtsmittelgrundes
Vorbringen der Parteien
96 Mit dem zweiten Teil
ihres einzigen Rechtsmittelgrundes wirft die Kommission dem Gericht vor, bei der
Anwendung der Rechtsprechung zu Ausfuhrbeihilfen einen Rechtsfehler begangen und
eine künstliche Unterscheidung zwischen Ausfuhrbeihilfen und Beihilfen für die
Ausfuhr von Kapital eingeführt zu haben.
97 Was erstens die in den
streitigen Rechtsakten angeführte Rechtsprechung zu Ausfuhrbeihilfen,
insbesondere die Urteile vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69
und 11/69, nicht veröffentlicht, EU:C:1969:68), vom 7. Juni 1988,
Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284), und vom 15. Juli 2004,
Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438), betrifft, macht die Kommission
geltend, dass das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen habe, dass es in
den Rn. 69 bis 76 des angefochtenen Urteils Autogrill España/Kommission
sowie in den Rn. 73 bis 80 des angefochtenen Urteils Banco Santander und
Santusa/Kommission befunden habe, dass diese Rechtsprechung nicht die
Voraussetzung der Selektivität einer nationalen Maßnahme betroffen habe, sondern
nur diejenige betreffend die Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des
Handels.
98 Aus den in der
vorstehenden Randnummer angeführten Urteilen gehe hervor, dass der Gerichtshof
die Auffassung vertreten habe, dass die betreffenden steuerlichen Maßnahmen
selektiv seien, da ihre Inanspruchnahme den Unternehmen, die im Ausland
Transaktionen wie z. B. Investitionen tätigten, und nicht den Unternehmen,
die ähnliche Transaktionen im Inland tätigten, vorbehalten seien. Daraus ergebe
sich, dass jede Maßnahme, die grenzüberschreitende Transaktionen begünstigte,
dieselben Transaktionen auf nationaler Ebene aber ausschließe, selektiv sei.
99 Zweitens wirft die
Kommission dem Gericht vor, in den Rn. 79 bis 81 des angefochtenen Urteils
Autogrill España/Kommission sowie in den Rn. 83 bis 85 des angefochtenen
Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission dadurch eine künstliche
Unterscheidung zwischen Ausfuhrbeihilfen und Beihilfen für die Ausfuhr von
Kapital eingeführt zu haben, dass es entschieden habe, dass aus der in den
streitigen Rechtsakten angeführten Rechtsprechung zu Ausfuhrbeihilfen,
insbesondere den Urteilen vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich
(6/69 und 11/69, nicht veröffentlicht, EU:C:1969:68), vom 7. Juni 1988,
Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284), und vom 15. Juli 2004,
Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438), hervorgehe, dass „die Gruppe der
begünstigten Unternehmen, auf deren Grundlage auf die Selektivität der
[streitigen] Maßnahme geschlossen werden konnte, in der Gruppe der
exportierenden Unternehmen [bestand]“. Diese Gruppe umfasse Unternehmen, die
aufgrund gemeinsamer Merkmale, die mit ihrer Exporttätigkeit zusammenhingen,
unterschieden werden könnten.
100 Nach Ansicht der Kommission stellen
die von der streitigen Maßnahme erfassten Unternehmen eine gesonderte Gruppe von
Unternehmen dar, nämlich die der Kapital ausführenden Unternehmen, da sie
gemeinsame besondere Merkmale teilten, die mit ihrer Tätigkeit des Exports von
Kapital zusammenhingen.
101 Da
im Hinblick auf die Voraussetzung der Selektivität kein Unterschied zwischen der
Ausfuhr von Gütern und der Ausfuhr von Kapital bestehe, sei die streitige
Maßnahme genauso selektiv wie die Maßnahmen, um die es in der in den streitigen
Rechtsakten angeführten Rechtsprechung zu Ausfuhrbeihilfen gegangen sei.
102 Neben der Gruppe von Unternehmen,
die grenzüberschreitende Transaktionen tätigten, gebe es eine Gruppe
exportierender Unternehmen auch gar nicht. Jedes Unternehmen eines
Mitgliedstaats könne eine grenzüberschreitende Transaktion tätigen und somit von
einer Regelung über Ausfuhrbeihilfen begünstigt werden. Eine nationale Maßnahme
könne durch den Vorteil selektiv werden, der dem von ihr Begünstigten wegen der
Vornahme einer Ausfuhr von Waren, Dienstleistungen oder Kapital und nicht
aufgrund der Tatsache eingeräumt werde, dass die betreffenden Unternehmen zu
einem angeblichen Exportsektor gehörten.
103 Entsprechend dem, was der
Gerichtshof im Urteil vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00,
EU:C:2004:438), in einer dem vorliegenden Fall vergleichbaren Situation
entschieden habe, hätte das Gericht daher davon ausgehen müssen, dass die
Kommission die Selektivität der streitigen Maßnahme wegen der Tatsache, dass ihr
Nutzen bestimmten Unternehmen, nämlich denjenigen, die im Bereich der Ausfuhr
von Kapital tätig seien, vorbehalten gewesen sei, zutreffend dargetan habe.
104 Schließlich verkenne der vom
Gericht verfolgte Ansatz die Rolle und die Zielsetzung der Regeln über
staatliche Beihilfen im Hinblick auf den Schutz des Binnenmarkts. Mit dieser
Regelung solle u. a. verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten
wirtschaftliche Vorteile gewährten, die speziell an die Ausfuhr von Waren oder
Kapital gebunden seien. Die Tatsache, speziell die Ausfuhr von Kapital zu
begünstigen, könne jedoch genauso wie die Tatsache, speziell die Ausfuhr von
Waren zu begünstigen, Verzerrungen im Binnenmarkt hervorrufen.
105 WDFG sowie Banco Santander und
Santusa entgegnen, das Gericht habe zutreffend entschieden, dass die in den
streitigen Rechtsakten genannten Urteile des Gerichtshofs nicht die
Voraussetzung der Selektivität betroffen hätten, sondern die der
Beeinträchtigung des Handels.
106 Zudem habe das Gericht zutreffend
die Auffassung vertreten, dass der Gerichtshof in der in den streitigen
Rechtsakten angeführten Rechtsprechung zu Ausfuhrbeihilfen, insbesondere in den
Urteilen vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69,
nicht veröffentlicht, EU:C:1969:68), vom 7. Juni 1988,
Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284), und vom 15. Juli 2004,
Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438), entschieden habe, dass die in Rede
stehenden Maßnahmen hauptsächlich wegen der gemeinsamen Merkmale der
begünstigten Unternehmen selektiv seien, weshalb sie als Teil eines festgelegten
Wirtschaftsbereichs, nämlich dem des Exports, genauer gesagt des Exports von
Gütern, hätten angesehen werden können. Die in den Rechtssachen, in denen diese
Urteile ergangen seien, in Rede stehenden Maßnahmen hätten Unternehmen
begünstigt, die sich dadurch ausgezeichnet hätten, dass sie einen mehr oder
weniger bedeutsamen Teil ihrer Güter oder Dienstleistungen exportiert
hätten.
107 Ferner könne die streitige Maßnahme
nicht deshalb als selektiv angesehen werden, weil sie auf die Gruppe der
sogenannten „Kapital ausführenden“ Unternehmen angewandt werde.
108 Eine solche Gruppe gebe es nicht,
und die Kommission habe sich darauf weder in den streitigen Rechtsakten noch vor
dem Gericht berufen. Dieses Vorbringen sei im Rechtsmittelverfahren unzulässig,
da es sich um eine Tatsachenfrage handele, die zudem noch verspätet geltend
gemacht worden sei. Im Übrigen stehe es im Widerspruch zur Hauptargumentation
der Kommission, wonach sie nicht verpflichtet sei, eine Gruppe von Unternehmen
zu ermitteln, die von einer Maßnahme erfasst werde, um die Selektivität dieser
Maßnahme darzutun.
109 Jedenfalls könne die Selektivität
einer nationalen Maßnahme nicht auf der Grundlage von Merkmalen wie dem Kapital
eines Unternehmens oder dessen Investitionskapazität festgestellt werden, da
jedes Unternehmen diese Merkmale aufweise.
110 Des Weiteren stünden die
Vorschriften über den freien Kapitalverkehr einer Maßnahme wie der streitigen
nicht entgegen. Wenn diese Maßnahme eine Ungleichbehandlung mit sich bringe, die
Beteiligungen im Ausland begünstige, handele es sich allenfalls um eine
umgekehrte Diskriminierung, die mit den Grundfreiheiten vereinbar sei.
111 Das Königreich Spanien wiederholt
seinen bereits im Verwaltungsverfahren vor der Kommission geltend gemachten
Standpunkt, wonach es keine wirtschaftliche Tätigkeit gebe, die im Export von
Kapital bestehe. Die streitige Maßnahme begünstige nicht bestimmte Unternehmen
oder Produktionszweige, da sie nicht auf das Angebot von Waren und
Dienstleistungen auf dem Markt abziele.
112 Irland weist darauf hin, dass die
Urteile, auf die sich die Kommission in den streitigen Rechtsakten berufen habe,
Maßnahmen betroffen hätten, die eine leicht identifizierbare Gruppe von
Unternehmen oder Produktionszweigen begünstigt hätten, nämlich die des
Exportsektors. Demgegenüber gebe es keine einheitliche Gruppe von „Kapital
ausführenden“ Unternehmen, da jedes Unternehmen, das einen Erwerb im Ausland
tätige, „Kapital exportiert“.
113 Nach Ansicht der Bundesrepublik
Deutschland ist die Tatsache, dass die Kommission hilfsweise geltend mache, dass
die streitige Maßnahme mit einer Beihilfemaßnahme für die Ausfuhr von Waren
vergleichbar sei und damit auch die hinreichend abgegrenzte Gruppe der
Exportunternehmen betreffe, als ein Nachschieben von zusätzlichen Gründen für
die streitigen Rechtsakte anzusehen. Dieses Vorbringen müsse im
Rechtsmittelverfahren für unzulässig erklärt werden.
114 Die Gruppe der Exportunternehmen,
um die es in der von der Kommission in den streitigen Rechtsakten angeführten
Rechtsprechung gegangen sei, unterscheide sich von den anderen Unternehmen
gerade wegen gemeinsamer Merkmale, die mit ihrer Exporttätigkeit zusammenhingen,
die gegebenenfalls an die Tätigung spezifischer Investitionen geknüpft sei.
Würdigung durch den Gerichtshof
115 In
Bezug auf die in den streitigen Rechtsakten angeführte Rechtsprechung zu
Exportbeihilfen, insbesondere die Urteile vom 10. Dezember 1969,
Kommission/Frankreich (6/69 und 11/69, nicht veröffentlicht, EU:C:1969:68), vom
7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284), und vom
15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, EU:C:2004:438), ist
festzustellen, dass das Gericht, wie der Generalanwalt in den Nrn. 126 bis
130 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dadurch einen Rechtsfehler begangen
hat, dass es in den Rn. 69 bis 76 des angefochtenen Urteils Autogrill
España/Kommission sowie in den Rn. 73 bis 80 des angefochtenen Urteils
Banco Santander und Santusa/Kommission entschieden hat, dass diese
Rechtsprechung nicht die Voraussetzung der Selektivität einer nationalen
Maßnahme betroffen habe, sondern nur die Voraussetzung der Beeinträchtigung des
Wettbewerbs und des Handels.
116 In
Rn. 20 des Urteils vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich (6/69
und 11/69, nicht veröffentlicht, EU:C:1969:68), und in Rn. 8 des Urteils
vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, EU:C:1988:284), hat der
Gerichtshof nämlich dadurch, dass er das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe
feststellte, zwangsläufig entschieden, dass alle dafür in Art. 107
Abs. 1 AEUV vorgesehenen Voraussetzungen einschließlich derjenigen der
Selektivität erfüllt waren. Außerdem hat sich der Gerichtshof in Rn. 120
des Urteils vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00,
EU:C:2004:438), durch den Verweis u. a. auf die beiden vorgenannten Urteile
ausdrücklich zur Selektivität der untersuchten nationalen Maßnahme geäußert,
indem er entschieden hat, dass sich diese in jenem Fall aus der Tatsache ergab,
dass nur die Unternehmen, die Exporttätigkeiten nachgehen und bestimmte
Investitionstransaktionen im Ausland tätigen, durch den Steuervorteil, den diese
Maßnahme umfasste, begünstigt wurden.
117 Das Gericht hat auch dadurch einen
Rechtsfehler begangen, dass es in den Rn. 77 bis 82 des angefochtenen
Urteils Autogrill España/Kommission sowie in den Rn. 81 bis 86 des
angefochtenen Urteils Banco Santander und Santusa/Kommission entschieden hat,
dass die in den streitigen Rechtsakten angeführte Rechtsprechung zu
Exportbeihilfen dahin zu verstehen sei, dass die Gruppe der begünstigten
Unternehmen, bezüglich deren die Selektivität der Exportbeihilfenregelung zu
prüfen sei, die Gruppe der „exportierenden Unternehmen“ sei, die als Gruppe zu
definieren sei, die zwar besonders groß, aber dennoch besonders sei, da sie
Unternehmen umfasse, die aufgrund gemeinsamer besonderer Merkmale, die mit ihrer
Exporttätigkeit zusammenhingen, unterschieden werden könnten.
118 Wie der Generalanwalt in den
Nrn. 133 bis 136 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann diese
Rechtsprechung nämlich nicht so verstanden werden, dass sich die Selektivität
einer nationalen Maßnahme zwangsläufig aus der Tatsache ergeben muss, dass sie
nur Unternehmen begünstigt, die Waren oder Dienstleistungen exportieren, auch
wenn dies de facto hinsichtlich der in den betreffenden Urteilen in Rede
stehenden besonderen steuerlichen Maßnahmen der Fall gewesen sein kann.
119 Unter Berücksichtigung der
Grundsätze, die in der bereits in den Rn. 53 bis 60 des vorliegenden
Urteils wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs niedergelegt
sind und die in vollem Umfang auf steuerliche Ausfuhrbeihilfen anwendbar sind,
kann eine Maßnahme wie die streitige, die darauf abzielt, Exporte zu
begünstigen, als selektiv angesehen werden, wenn sie Unternehmen, die
grenzüberschreitende Transaktionen, insbesondere Investitionen, tätigen,
zulasten anderer Unternehmen begünstigt, die sich im Hinblick auf das mit der
betreffenden Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen
und rechtlichen Situation befinden und Transaktionen gleicher Art im Inland
tätigen.
120 Unter diesen Umständen greift der
zweite Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes ebenfalls durch.
121 Da
der einzige Rechtsmittelgrund der Kommission in beiden Teilen begründet ist,
sind die angefochtenen Urteile demnach aufzuheben.
Zu den Klagen vor dem Gericht
122 Gemäß Art. 61 Abs. 1 der
Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der
Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig
entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.
123 Dies ist vorliegend nicht der Fall,
da das Gericht den beiden Nichtigkeitsklagen stattgegeben hat, ohne drei der
vier mit diesen Klagen jeweils geltend gemachten Klagegründe, die sich im
Übrigen nur teilweise überschneiden, zu prüfen und ohne im Rahmen der Prüfung
des jeweils ersten Klagegrundes zu untersuchen, ob sich die Unternehmen, die die
Voraussetzungen für den Erhalt des von der streitigen Maßnahme eingeräumten
Steuervorteils nicht erfüllten, im Hinblick auf das mit der betreffenden
Steuerregelung verfolgte Ziel in einer tatsächlichen und rechtlichen Situation
befanden, die mit derjenigen der durch diese Maßnahmen begünstigten Unternehmen
vergleichbar war. Zudem kann die Prüfung dieser Klagegründe Tatsachenwürdigungen
erforderlich machen. Die Sachen sind daher an das Gericht zurückzuverweisen.
Kosten
124 Da
die Sachen an das Gericht zurückverwiesen werden, ist die Kostenentscheidung
vorzubehalten.
125 Gemäß Art. 140 Abs. 1 der
Verfahrensordnung des Gerichtshofs tragen die Bundesrepublik Deutschland, Irland
und das Königreich Spanien, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten
sind, ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große
Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Urteile des
Gerichts der Europäischen Union vom 7. November 2014, Autogrill
España/Kommission (T‑219/10, EU:T:2014:939), und vom 7. November 2014,
Banco Santander und Santusa/Kommission (T‑399/11, EU:T:2014:938), werden
aufgehoben.
2. Die Sachen
werden an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
3. Die
Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
4. Die
Bundesrepublik Deutschland, Irland und das Königreich Spanien tragen ihre
eigenen Kosten.
Unterschriften