URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
20. September 2017(*)
„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Begriff
‚Beihilfe‘ – Begriff ‚wirtschaftlicher Vorteil‘ – Kriterium des
privaten Gläubigers – Voraussetzungen für die Anwendbarkeit –
Anwendung – Ermittlungspflichten der Europäischen Kommission“
In der Rechtssache C‑300/16 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung
des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 26. Mai 2016,
Europäische Kommission, vertreten durch
K. Walkerová, L. Armati, T. Maxian Rusche und B. Stromsky
als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Frucona Košice a.s. mit Sitz in Košice (Slowakei),
vertreten durch K. Lasok, QC, B. Hartnett, Barrister, J. Holmes,
QC, und Rechtsanwalt O. Geiss,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de
Lapuerta sowie der Richter E. Regan, A. Arabadjiev (Berichterstatter),
C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die
mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2017,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in
der Sitzung vom 3. Mai 2017
folgendes
Urteil
1 Mit ihrem
Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des
Gerichts der Europäischen Union vom 16. März 2016, Frucona
Košice/Kommission (T‑103/14, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2016:152),
mit dem das Gericht den Beschluss 2014/342/EU der Kommission vom
16. Oktober 2013 über die staatliche Beihilfe SA.18211 (C 25/2005)
(ex NN 21/05), die die Slowakische Republik zugunsten von Frucona Košice
a.s. gewährt hatte (ABl. 2014, L 176, S. 38 im Folgenden: streitiger
Beschluss), für nichtig erklärt hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die
Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 1 bis 34 des angefochtenen
Urteils wie folgt zusammengefasst:
„Entwicklung der Lage [von Frucona Košice] und
Vergleichsverfahren
1 Die … Frucona
Košice a.s. ist eine Gesellschaft slowakischen Rechts, die u. a.
alkoholische Getränke und Spirituosen herstellte.
2 Von November
2002 bis November 2003 wurde [Frucona Košice] mehrfach ein Zahlungsaufschub für
geschuldete Verbrauchsteuern gewährt. Dieser Zahlungsaufschub wurde jeweils
gewährt, nachdem sie der für sie zuständigen örtlichen Steuerbehörde, dem
Finanzamt Košice IV (im Folgenden: örtliche Steuerbehörde), finanzielle
Sicherheiten gestellt hatte.
3 Am
25. Februar 2004 konnte [Frucona Košice] wegen der finanziellen
Schwierigkeiten, in denen sie sich befand, die für Januar 2004 geschuldeten
Verbrauchsteuern nicht entrichten. Infolge einer Gesetzesänderung zum
1. Januar 2004 konnte [Frucona Košice] für diese Verbrauchsteuern keinen
Zahlungsaufschub mehr erhalten.
4 [Frucona
Košice] wurde deshalb die Lizenz zur Herstellung und Verarbeitung von
alkoholischen Getränken und Spirituosen entzogen. Seither hat sie ihre Tätigkeit
darauf beschränkt, Spirituosen unter der Marke ‚Frucona‘ zu vertreiben, die sie
bei O.H. kaufte, einem Unternehmen, das diese gemäß einer Vereinbarung mit
[Frucona Košice] in deren Spirituosenfabriken unter Lizenz produzierte.
5 Außerdem trat
die Überschuldung [von Frucona Košice] im Sinne des Zákon č. 328/1991 Zb. o
konkurze a vyrovnaní (Gesetz Nr. 328/1991 über Insolvenz- und
Vergleichsverfahren) ein.
6 Am
8. März 2004 reichte [Frucona Košice] beim Krajský súd v Košiciach
(Bezirksgericht Košice) (Slowakei) einen Antrag auf Eröffnung eines
Vergleichsverfahrens ein und schlug ihren Gläubigern vor, jedem von ihnen
35 % des geschuldeten Betrags zu zahlen (im Folgenden:
Vergleichsvorschlag). Die gesamten Schulden [von Frucona Košice] beliefen sich
auf etwa 644,6 Mio. slowakische Kronen (SKK) [(etwa 21,4 Mio. Euro)]; davon
waren etwa 640,8 Mio. SKK [(etwa 21,3 Mio. Euro)] Steuerschulden.
7 Mit Beschluss
vom 29. April 2004 genehmigte das Krajský súd v Košiciach [(Bezirksgericht
Košice)] die Eröffnung des Vergleichsverfahrens.
8 Am
9. Juli 2004 stimmten die Gläubiger [von Frucona Košice] einschließlich der
örtlichen Steuerbehörde in einer Vergleichsverhandlung dem Vergleichsvorschlag
zu. Im Rahmen dieses Vergleichsverfahrens trat die örtliche Steuerbehörde als
Sondergläubigerin auf, wobei ihr diese Eigenschaft aufgrund der Sicherheiten
zukam, die zu ihren Gunsten bei den Zahlungsaufschüben für die von [Frucona
Košice] geschuldeten Verbrauchsteuern gestellt worden waren (siehe oben,
Rn. 2).
9 [Frucona
Košice] bringt vor, sie habe vor dem 9. Juli 2004 der örtlichen
Steuerbehörde u. a. einen Prüfbericht vorgelegt, den eine unabhängige
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellt habe (im Folgenden: Bericht E),
damit diese Behörde die jeweiligen Vorteile eines Vergleichs bzw. eines
gerichtlichen Insolvenzverfahrens beurteilen könne.
10 Am
21. Juni 2004 nahm die slowakische Steuerverwaltung in den Räumen [von
Frucona Košice] eine Betriebsrevision vor. Bei dieser Revision wurde die
finanzielle Lage [von Frucona Košice] zum 17. Juni 2004 festgestellt.
11 Mit
Beschluss vom 14. Juli 2004 bestätigte das Krajský súd v Košiciach
[(Bezirksgericht Košice)] den Vergleich. Dieser sah eine Rückzahlung der
Forderung der slowakischen Steuerverwaltung in Höhe von 35 %, d. h.
von etwa 224,3 Mio. SKK [(etwa 7,45 Mio. Euro)], vor.
12 Mit
Schreiben vom 20. Oktober 2004 teilte die örtliche Steuerbehörde [Frucona
Košice] u. a. mit, dass die Modalitäten des Vergleichs, denen zufolge ein
Teil der Steuerschuld nicht zurückgezahlt werden müsse, eine mittelbare
staatliche Beihilfe darstellten, die einer Genehmigung durch die Kommission der
Europäischen Gemeinschaften bedürfe.
13 Am
17. Dezember 2004 zahlte [Frucona Košice] u. a. der örtlichen
Steuerbehörde einen Betrag in Höhe von 224,3 Mio. SKK [(etwa 7,45 Mio.
Euro)], d. h. 35 % ihrer gesamten Steuerschuld. Mit Beschluss vom
30. Dezember 2004 schloss das Krajský súd v Košiciach [(Bezirksgericht
Košice)] das Vergleichsverfahren. Am 18. August 2006 setzte dieses Gericht
den der örtlichen Steuerbehörde zu zahlenden Betrag auf 224,1 Mio. SKK [(etwa
7,44 Mio. Euro)] herab.
Verwaltungsverfahren
14 Am
15. Oktober 2004 ging bei der Kommission eine Beschwerde wegen einer
vermutlich rechtswidrigen staatlichen Beihilfe zugunsten [von Frucona Košice]
ein.
15 Mit
Schreiben vom 4. Januar 2005 teilte die Slowakische Republik der Kommission
auf deren Auskunftsverlangen hin mit, dass [Frucona Košice] möglicherweise eine
rechtswidrige Beihilfe erhalten habe, und bat sie, diese Beihilfe als
Rettungsbeihilfe für ein in Schwierigkeiten befindliches Unternehmen zu
genehmigen.
16 Nach der
Einholung zusätzlicher Informationen teilte die Kommission der Slowakischen
Republik mit Schreiben vom 5. Juli 2005 ihre Entscheidung mit, das
förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG in Bezug auf die
fragliche Maßnahme einzuleiten. Diese Entscheidung wurde im Amtsblatt der
Europäischen Union (ABl. 2005, C 233, S. 47)
veröffentlicht.
17 Mit
Schreiben vom 10. Oktober 2005 übermittelte die Slowakische Republik der
Kommission ihre Stellungnahme zu der in Rede stehenden Maßnahme. Ebenso sandte
[Frucona Košice] der Kommission mit Schreiben vom 24. Oktober 2005 ihre
Stellungnahme zu dieser Maßnahme. Dieses Schreiben wurde der Slowakischen
Republik zur Stellungnahme übermittelt, die sie mit Schreiben vom
16. Dezember 2005 abgab.
Ursprüngliche Entscheidung
18 Am
7. Juni 2006 erließ die Kommission die Entscheidung 2007/254/EG über die
staatliche Beihilfe C 25/05 (ex NN 21/05), gewährt durch die
Slowakische Republik zugunsten von Frucona Košice … (ABl. 2007, L 112,
S. 14, im Folgenden: ursprüngliche Entscheidung). Im verfügenden Teil
dieser Entscheidung wurde in Art. 1 festgestellt, dass die staatliche
Beihilfe, die die Slowakische Republik [Frucona Košice] in Höhe von
416 515 990 SKK [(etwa 13,9 Mio. Euro)] gewährt hatte, nicht mit dem
Gemeinsamen Markt vereinbar gewesen sei, und in Art. 2 die Rückforderung
dieser Beihilfe angeordnet.
Verfahren vor dem Gericht und dem
Gerichtshof
19 Am
12. Januar 2007 erhob [Frucona Košice] beim Gericht Nichtigkeitsklage gegen
die ursprüngliche Entscheidung.
20 Mit Urteil
vom 7. Dezember 2010, Frucona Košice/Kommission [(T‑11/07, EU:T:2010:498)],
wies das Gericht diese Klage als unbegründet ab.
21 Im Rahmen
eines von [Frucona Košice] nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der
Europäischen Union eingeleiteten Rechtsmittelverfahrens hob der Gerichtshof mit
Urteil vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission [(C‑73/11 P,
EU:C:2013:32)], das Urteil vom 7. Dezember 2010, Frucona Košice/Kommission
[(T‑11/07, EU:T:2010:498)], auf. Im Rahmen der Prüfung des erstinstanzlichen
Rechtsstreits in der Sache entschied der Gerichtshof, dass die Kommission
dadurch, dass sie die Dauer des Insolvenzverfahrens im Rahmen ihrer Beurteilung
des Kriteriums des privaten Gläubigers nicht berücksichtigt hatte, einen
offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat oder, soweit dieser
Gesichtspunkt von der Kommission berücksichtigt worden war, sie die
ursprüngliche Entscheidung nicht in rechtlich hinreichender Weise begründet hat.
Schließlich hat der Gerichtshof die Rechtssache an das Gericht zur Entscheidung
über die bei ihm geltend gemachten und von ihm noch nicht geprüften Klagegründe
zurückverwiesen.
22 In der Folge
des Urteils [vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission
(C‑73/11 P, EU:C:2013:32)], erließ die Kommission zur Behebung der vom
Gerichtshof festgestellten Mängel am 16. Oktober 2013 den [streitigen
Beschluss], laut dessen Art. 1 die ursprüngliche Entscheidung ‚aufgehoben
[wird]‘.
23 Anschließend
stellte das Gericht … durch [Beschluss vom 21. März 2014, Frucona
Košice/Kommission (T‑11/07 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:173)],
fest, dass der Rechtsstreit über die gegenüber der ursprünglichen Entscheidung
erhobene Nichtigkeitsklage in der Hauptsache erledigt ist.
[Streitiger] Beschluss
…
25 Im
[streitigen] Beschluss vertrat die Kommission u. a. die Ansicht, dass im
Wesentlichen eingehend geprüft werden sollte, ob die örtliche Steuerbehörde,
indem sie dem Vergleichsvorschlag und daher der Abschreibung von 65 % ihrer
Forderung zugestimmt habe, sich gegenüber [Frucona Košice] wie ein
marktwirtschaftlich handelnder privater Gläubiger verhalten habe. Insoweit sei
die Stellung dieser Behörde als Gläubigerin [von Frucona Košice] ungewöhnlich
stark gewesen, da die rechtliche und wirtschaftliche Lage dieser Behörde
vorteilhafter als die der privaten Gläubiger [von Frucona Košice] gewesen sei.
Die örtliche Steuerbehörde habe nämlich mehr als 99 % aller in das
Insolvenzverfahren einbezogenen Forderungen gehalten und sei eine
Sondergläubigerin gewesen, deren Forderungen im Zuge des Insolvenzverfahrens
jederzeit aus dem Erlös der als Sicherheit eingesetzten Aktiva hätten befriedigt
werden können (80. Erwägungsgrund des [streitigen] Beschlusses).
26 Erstens
führte die Kommission zum Kriterium des privaten Gläubigers u. a. aus, dass
dessen Anwendbarkeit davon abhänge, ob der betroffene Mitgliedstaat einem
Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil gewährt habe, und zwar in einer
anderen als seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt, und dass ein
Mitgliedstaat, wenn er sich im Verwaltungsverfahren auf dieses Kriterium berufe,
im Zweifelsfall eindeutig und anhand objektiver und nachprüfbarer Nachweise
belegen müsse, dass er die durchgeführte Maßnahme in seiner Eigenschaft als
privater Wirtschaftsteilnehmer getroffen habe. Hierfür bezog sie sich auf das
Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF [(C‑124/10 P, EU:C:2012:318)],
(Rn. 81 bis 85) (82. Erwägungsgrund des [streitigen] Beschlusses).
27 Im 83.
Erwägungsgrund des [streitigen] Beschlusses stellte die Kommission Folgendes
fest:
‚Kurz gesagt bringt die Slowakische Republik vor, dass die
betreffende Maßnahme ihrer Auffassung nach eine staatliche Beihilfe darstellt.
Sie räumt ein, dass die Frage der staatlichen Beihilfe zum Zeitpunkt des
Vergleichs einfach nicht in Erwägung gezogen wurde und beantragt, die fragliche
Maßnahme als Rettungsbeihilfe zu betrachten. Es hat daher den Anschein, dass die
vorbezeichneten Anforderungen der Rechtsprechung in diesem Fall nicht erfüllt
wurden und die fragliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von
Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt.‘
28 Zweitens
prüfte die Kommission – nachdem sie im 84. Erwägungsgrund des [streitigen]
Beschlusses darauf hingewiesen hatte, dass ‚[Frucona Košice] behauptet, dass die
Maßnahme kein Beihilfeelement enthält, und … die aufgeführten Unterlagen,
insbesondere die Berichte der beiden Wirtschaftsprüfer, vor[legt]‘ –, ob
die Slowakische Republik sich gegenüber [Frucona Košice] wie ein privater
Gläubiger verhalten habe.
29 Dazu
verglich die Kommission als Erstes im Hinblick auf die von [Frucona Košice]
vorgelegten Beweismittel das Vergleichsverfahren mit dem Insolvenzverfahren
(Erwägungsgründe 88 bis 119 des [streitigen] Beschlusses), als Zweites das
Vergleichsverfahren mit dem Steuereinziehungsverfahren (Erwägungsgründe 120 bis
127 des [streitigen] Beschlusses) und würdigte als Drittes die anderen von den
slowakischen Behörden und [Frucona Košice] vorgelegten Beweismittel
(Erwägungsgründe 128 bis 138 des [streitigen] Beschlusses). Im Wesentlichen war
die Kommission der Ansicht, dass sowohl das Insolvenzverfahren als auch das
Steuereinziehungsverfahren aus der Sicht der örtlichen Steuerverwaltung
vorteilhaftere Alternativen als der Vergleichsvorschlag gewesen seien
(Erwägungsgründe 119, 124 und 127 des [streitigen] Beschlusses).
30 Im 139.
Erwägungsgrund des [streitigen] Beschlusses kam die Kommission zu dem Schluss,
dass das Kriterium des privaten Gläubigers nicht erfüllt gewesen sei und die
Slowakische Republik [Frucona Košice] einen Vorteil gewährt habe, den diese
unter marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht hätte erlangen können. Die
Kommission schloss deshalb im 140. Erwägungsgrund dieses Beschlusses, dass die
vom Finanzamt im Rahmen des Vergleichs gebilligte Schuldabschreibung eine
staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle.
Schließlich gelangte die Kommission im 182. Erwägungsgrund dieses Beschlusses zu
dem Ergebnis, dass diese staatliche Beihilfe nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar
sei.
31 Der
verfügende Teil des [streitigen] Beschlusses umfasst fünf Artikel.
32 Nach
Art. 1 des [streitigen] Beschlusses wird ‚[d]ie [ursprüngliche]
Entscheidung … aufgehoben‘ (siehe oben, Rn. 22).
33 Laut
Art. 2 des [streitigen] Beschlusses ist die staatliche Beihilfe in Höhe von
416 515 990 SKK [(etwa 13,9 Mio. Euro)], die die Slowakische
Republik [Frucona Košice] gewährt hat, mit dem Binnenmarkt unvereinbar.
34 In
Art. 3 des [streitigen] Beschlusses ordnet die Kommission gegenüber der
Slowakischen Republik die Rückforderung der fraglichen rechtswidrig
bereitgestellten Beihilfe zuzüglich Zinsen an.“
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes
Urteil
3 Mit
Klageschrift, die am 17. Februar 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging,
erhob Frucona Košice Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.
4 Sie stützte
ihre Klage auf vier Gründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen die
Verteidigungsrechte, zweitens einen Rechtsfehler im 83. Erwägungsgrund des
streitigen Beschlusses, drittens tatsächliche und rechtliche Fehler bei der
Schlussfolgerung, dass das Insolvenzverfahren günstiger gewesen sei als das
vorgeschlagene Vergleichsverfahren, und viertens tatsächliche und rechtliche
Fehler bei der Schlussfolgerung, dass das Steuereinziehungsverfahren günstiger
gewesen sei als das vorgeschlagene Vergleichsverfahren, rügte.
5 Mit dem
angefochtenen Urteil hat das Gericht den ersten und den zweiten Klagegrund
zurückgewiesen und ist dem dritten und dem vierten Klagegrund gefolgt. Daher hat
es den streitigen Beschluss für nichtig erklärt und hat der Kommission die
Kosten auferlegt.
Anträge der Parteien
6 Die Kommission
beantragt,
– das
angefochtene Urteil aufzuheben;
– die Klage
abzuweisen und Frucona Košice die Kosten aufzuerlegen;
– hilfsweise,
die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung
vorzubehalten.
7 Frucona Košice
beantragt,
– das
Rechtsmittel zurückzuweisen und
– der
Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Zum Rechtsmittel
8 Die Kommission
stützt ihr Rechtsmittel auf sechs Gründe, mit denen sie erstens eine falsche
Auslegung des streitigen Beschlusses, zweitens und viertens eine Verkennung der
Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Gläubigers,
drittens ein Fehlverständnis der Grundsätze der Rechtskraft und ne ultra
petita, fünftens eine falsche Anwendung des Kriteriums des privaten
Gläubigers und sechstens eine Verkennung der Grenzen ihrer Pflicht zur Vornahme
einer sorgfältigen und unvoreingenommenen Prüfung rügt.
9 Zunächst sind
der zweite und der vierte Rechtsmittelgrund, dann der erste Rechtsmittelgrund,
anschließend der dritte Rechtsmittelgrund und zum Schluss der fünfte und der
sechste Rechtsmittelgrund zu prüfen.
Zum zweiten und zum vierten Rechtsmittelgrund:
Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Gläubigers
Vorbringen der Parteien
10 Mit ihrem zweiten
Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe in den
Rn. 109 bis 118 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen, dass
sich der Beihilfeempfänger auf das Kriterium des privaten Gläubigers berufen
dürfe.
11 Dieses Kriterium beziehe
sich auf die Ansicht der öffentlichen Einrichtung zum Zeitpunkt ihrer
Entscheidung, die in Rede stehende Maßnahme zu erlassen. Folglich sei zum einen
die Entscheidung, ob sie ihre zu dem Zeitpunkt bestehenden Absichten bekannt
gebe oder nicht, ein subjektives Recht des betreffenden Mitgliedstaats, so dass
sich Dritte nicht auf dieses Recht berufen könnten. Zum anderen verfüge nur
dieser Mitgliedstaat über alle erheblichen Informationen, aufgrund deren er zum
Zeitpunkt seiner Entscheidung, die in Rede stehende Maßnahme zu erlassen, zu
seiner Ansicht gekommen sei. Daher sei es Sache dieses Mitgliedstaats, sich auf
das Kriterium des privaten Gläubigers zu berufen und die erforderlichen
Nachweise vorzulegen.
12 Im vorliegenden Fall habe
die Kommission aber, wie aus den Erwägungsgründen 128 bis 132 des streitigen
Beschlusses hervorgehe, über Nachweise verfügt, dass der Standpunkt der
Slowakischen Republik sowohl in ihrer Antwort auf die Beschwerde als auch zum
Zeitpunkt der Genehmigung des Vergleichs klar und kohärent gewesen sei: Dieser
Mitgliedstaat habe immer angegeben, dass es sich seinem Verständnis nach um eine
staatliche Beihilfe handele.
13 Wenn die Ansicht
zutreffend sei, dass sich der Beihilfeempfänger auf das Kriterium des privaten
Gläubigers berufen könne, habe das Gericht ferner dadurch einen Rechtsfehler
begangen, dass es von Frucona Košice nicht verlangt habe, ebenso wie ein
Mitgliedstaat eindeutig und anhand objektiver und nachprüfbarer Nachweise zu
belegen, dass dieser Mitgliedstaat die durchgeführte Maßnahme in seiner
Eigenschaft als privater Gläubiger getroffen habe.
14 Mit ihrem vierten
Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, dass Gericht habe in
Rn. 247 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft entschieden, dass die
Kommission für die Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Gläubigers nicht
nach den verschiedenen Ersatzmöglichkeiten für die streitige Maßnahme
unterscheiden könne.
15 Da die Anwendung des
Kriteriums des privaten Gläubigers auf den Nachweisen beruhe, die zur Begründung
seiner Anwendbarkeit vorgelegt worden seien, bestehe der Fehler des Gerichts
darin, dass es entschieden habe, dass die Anwendung dieses Kriteriums ein
abstrakter Vorgang sei, mit dem von Amts wegen das Verhalten des idealen,
rationalen und vollumfänglich informierten hypothetischen privaten Gläubigers
rekonstruiert werden solle.
16 Da dem öffentlichen
Gläubiger offenkundig keine Informationen über eine bestimmte Verhaltensweise
vorgelegt worden seien, sei eine Gegenüberstellung des Verhaltens dieser
Einrichtung und eines privaten Gläubigers in einer ähnlichen Lage sinnlos. Daher
sei dieses Kriterium hier unanwendbar.
17 Im vorliegenden Fall
stehe fest, dass der Vergleichsvorschlag und das Steuereinziehungsverfahren
damals nicht anhand des Kriteriums des privaten Gläubigers gegenüberstellt
worden seien. Deshalb hätte das Gericht auf die Frage eingehen müssen, ob der
120. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses in Wirklichkeit implizit die
Schlussfolgerung enthalten habe, dass das Kriterium des privaten Gläubigers
nicht anwendbar gewesen sei.
18 Frucona Košice hält das
Vorbringen der Kommission für unbegründet.
Würdigung durch den Gerichtshof
19 Nach ständiger
Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt die Einstufung als „staatliche
Beihilfe“, dass alle in Art. 107 Abs. 1 AEUV dargelegten
Voraussetzungen erfüllt sind. So muss es sich erstens um eine staatliche oder
aus staatlichen Mitteln bestrittene Maßnahme handeln. Zweitens muss die Maßnahme
geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens
muss dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden. Viertens
muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Urteile vom
21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P,
EU:C:2016:971, Rn. 40, und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World
Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981,
Rn. 53).
20 Der Begriff der Beihilfe
erfasst nicht nur positive Leistungen wie Subventionen, sondern auch Maßnahmen,
die in verschiedener Form die Lasten verringern, die ein Unternehmen sonst zu
tragen hätte, und die somit, ohne Subventionen im strengen Sinne des Wortes
darzustellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteil vom 21. März
2013, Kommission/Buczek Automotive, C‑405/11 P, nicht veröffentlicht,
EU:C:2013:186, Rn. 30).
21 Die Voraussetzungen, die
eine Maßnahme erfüllen muss, um unter den Begriff „Beihilfe“ im Sinne von
Art. 107 AEUV zu fallen, sind jedoch nicht erfüllt, wenn das begünstigte
Unternehmen denselben Vorteil, der ihm aus Staatsmitteln gewährt wurde, unter
Umständen, die normalen Marktbedingungen entsprechen, hätte erhalten können
(Urteil vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P,
EU:C:2013:32, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).
22 Diese Beurteilung erfolgt
grundsätzlich unter Anwendung des Kriteriums des privaten Gläubigers, wenn ein
öffentlicher Gläubiger Zahlungserleichterungen für eine ihm von einem
Unternehmen geschuldete Forderung gewährt (Urteil vom 21. März 2013,
Kommission/Buczek Automotive, C‑405/11 P, nicht veröffentlicht,
EU:C:2013:186, Rn. 32).
23 Folglich stellt das
Kriterium des privaten Gläubigers keine Ausnahme dar, die nur zur Anwendung
kommt, wenn sich ein Mitgliedstaat darauf beruft und die in Art. 107
Abs. 1 AEUV enthaltenen Merkmale des Begriffs der mit dem Gemeinsamen Markt
unvereinbaren staatlichen Beihilfe vorliegen. Dieses Kriterium, sofern
anwendbar, gehört nämlich zu den Merkmalen, die von der Kommission zu
berücksichtigen sind, um das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe festzustellen
(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF,
C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 103, und vom 21. März 2013,
Kommission/Buczek Automotive, C‑405/11 P, nicht veröffentlicht,
EU:C:2013:186, Rn. 32).
24 Wenn sich daher erkennen
lässt, dass das Kriterium des privaten Gläubigers anwendbar sein könnte, hat die
Kommission den betroffenen Mitgliedstaat um alle einschlägigen Informationen zu
ersuchen, um überprüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Anwendung
dieses Kriteriums erfüllt sind (Urteil vom 21. März 2013, Kommission/Buczek
Automotive, C‑405/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:186,
Rn. 33).
25 Erstens ergibt sich aus
dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Kommission, wenn sich erkennen
lässt, dass das Kriterium des privaten Gläubigers anwendbar sein könnte, diese
Möglichkeit unabhängig von einer dahin gehenden Anfrage zu prüfen hat.
26 Wie der Generalanwalt in
den Nrn. 72 und 76 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist daher zum
einen der Beihilfeempfänger nicht daran gehindert, sich auf die Anwendbarkeit
dieses Kriteriums zu berufen, und hat zum anderen die Kommission, wenn er sich
darauf beruft, seine Anwendbarkeit und gegebenenfalls seine Anwendung zu
prüfen.
27 Zweitens ist hinsichtlich
der Erheblichkeit der Ansicht des Mitgliedstaats festzustellen, dass – wie
der Generalanwalt in Nr. 74 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – der
Ausgangspunkt für die Feststellung, ob das Kriterium des privaten
Wirtschaftsteilnehmers anzuwenden ist, der wirtschaftliche Charakter der
Maßnahme des Mitgliedstaats sein muss, und nicht wie dieser Mitgliedstaat
subjektiv zu handeln gedachte oder welche Handlungsalternativen er in Erwägung
gezogen hat, bevor er die fragliche Maßnahme erließ.
28 Mit dem Kriterium des
privaten Gläubigers soll jedenfalls geprüft werden, ob das begünstigte
Unternehmen derartige Erleichterungen offenkundig nicht von einem privaten
Gläubiger erhalten hätte, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet
wie der öffentliche Gläubiger, der von einem Schuldner, der sich in finanziellen
Schwierigkeiten befindet, die Zahlung der ihm geschuldeten Beträge zu erlangen
sucht (Urteil vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission,
C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 72), und folglich, ob dieses Unternehmen
denselben Vorteil, der ihm aus Staatsmitteln gewährt wurde, unter Umständen, die
normalen Marktbedingungen entsprechen, hätte erhalten können (Urteil vom
24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32,
Rn. 70).
29 Daraus folgt aber, dass
sich die der Kommission gegebenenfalls obliegende Prüfung nicht allein auf die
von der zuständigen Behörde tatsächlich berücksichtigten Optionen beschränken
darf, sondern zwingend alle Optionen zu umfassen hat, die ein privater Gläubiger
in einer solchen Situation vernünftigerweise in Betracht gezogen hätte.
30 Bezüglich des Vorbringens
der Kommission im Rahmen des vierten Rechtsmittelgrundes genügt die
Feststellung, dass das Gericht in Rn. 247 des angefochtenen Urteils
rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, dass die Kommission, da das Kriterium des
privaten Gläubigers als solches anwendbar war, für seine Anwendbarkeit nicht
nach den verschiedenen Alternativen zu der streitigen Maßnahme unterscheiden
kann.
31 Folglich sind der zweite
und der vierte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.
Zum ersten Rechtsmittelgrund: falsche Auslegung des
streitigen Beschlusses
Vorbringen der Parteien
32 Die Kommission macht mit
ihrem ersten Rechtsmittelgrund geltend, das Gericht habe den streitigen
Beschluss falsch ausgelegt, als es in den Rn. 101 bis 104 des angefochtenen
Urteils ausgeführt habe, dass die Kommission in dem Beschluss davon ausgegangen
sei, dass das Kriterium des privaten Gläubigers auf den vorliegenden Sachverhalt
anwendbar sei.
33 So habe das Gericht zu
Unrecht angenommen, dass aus dem letzten Satz des 80. Erwägungsgrundes des
streitigen Beschlusses zu schließen sei, dass das Kriterium des privaten
Gläubigers hier anwendbar sei. Dieser Auslegungsfehler werde angesichts der
anschließenden Erwägungsgründe des Beschlusses erkennbar. Denn der
81. Erwägungsgrund betreffe nicht speziell die Voraussetzungen für die
Anwendung dieses Kriteriums, der 82. Erwägungsgrund stelle speziell die
Situation hinsichtlich der Anwendbarkeit dieses Kriteriums dar, und der
83. Erwägungsgrund wie auch die Erwägungsgründe 128 bis 132 beträfen die
Frage, ob dieses Kriterium anwendbar sei.
34 Frucona Košice hält das
Vorbringen der Kommission für unbegründet.
Würdigung durch den Gerichtshof
35 Zunächst ist
festzustellen, dass in dem streitigen Beschluss nicht ausdrücklich gesagt wird,
dass das Kriterium des privaten Gläubigers hier unanwendbar sei. Vielmehr wendet
der Beschluss dieses Kriterium an und stützt den in seinen Erwägungsgründen 139
und 140 enthaltenen Schluss, dass die streitige Maßnahme eine staatliche
Beihilfe darstelle, ausdrücklich auf diese Anwendung.
36 Sodann ist für den Fall,
dass die Kommission Zweifel an der Anwendbarkeit dieses Kriteriums gehabt haben
sollte, darauf hinzuweisen, dass sie – wie aus Rn. 24 des vorliegenden
Urteils hervorgeht – den slowakischen Staat insoweit um einschlägige
Informationen hätte ersuchen und eine Gesamtwürdigung dieser Informationen hätte
vornehmen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2012,
Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 86). Im streitigen
Beschluss gibt es jedoch keinen Hinweis auf ein solches Ersuchen oder eine
solche Prüfung.
37 Schließlich ist
festzustellen, dass die Kommission das Kriterium des privaten Gläubigers
angewandt hat, nachdem sie in den Erwägungsgründen 84 und 86 des streitigen
Beschlusses darauf hingewiesen hatte, dass der Empfänger geltend gemacht habe,
dass die Annahme des Vergleichsvorschlags keine staatliche Beihilfe darstelle,
da das Insolvenzverfahren für den slowakischen Staat ungünstiger gewesen
wäre.
38 Daher ist der erste
Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.
Zum dritten Rechtsmittelgrund: Grundsätze der
Rechtskraft und ne ultra petita
Vorbringen der Parteien
39 Die Kommission macht
geltend, das Gericht habe gegen die Grundsätze der Rechtskraft und ne eat
iudex ultra petita partium verstoßen, als es in den Rn. 123 bis 126 des
angefochtenen Urteils angenommen habe, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom
24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission (C‑73/11 P, EU:C:2013:32),
implizit, aber notwendigerweise, festgestellt habe, dass das Kriterium des
privaten Gläubigers auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar gewesen sei und
daher die Zugrundelegung des von der Kommission angeregten Verständnisses des
streitigen Beschlusses einer Missachtung der Rechtskraft gleichkomme.
40 Frucona Košice tritt dem
Vorbringen der Kommission entgegen.
Würdigung durch den Gerichtshof
41 Da der dritte
Rechtsmittelgrund eine Erwägung betrifft, die das Gericht zusätzlich zur
Stützung seiner Entscheidung angestellt hat, dass das Kriterium des privaten
Gläubigers auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar gewesen sei, und der
erste, der zweite und der vierte Rechtsmittelgrund, mit denen diese Entscheidung
des Gerichts gerügt wird, als unbegründet zurückgewiesen worden sind, ist der
dritte Rechtsmittelgrund als ins Leere gehend zurückzuweisen.
Zum fünften und zum sechsten Rechtsmittelgrund:
Anwendung des Kriteriums des privaten Gläubigers und Pflicht der Kommission zur
Vornahme einer sorgfältigen und unvoreingenommenen Prüfung
Vorbringen der Parteien
42 Mit ihrem fünften
Rechtsmittelgrund trägt die Kommission erstens vor, das Kriterium des privaten
Gläubigers bedeute, dass sie die Ansicht der Behörde festzustellen und mit der
zu vergleichen habe, zu der ein privater Gläubiger unter den gleichen Umständen
gekommen wäre. Insoweit ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs,
dass nur die zum Zeitpunkt der Entscheidung dieser Behörde verfügbaren
Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen erheblich seien.
43 Die Kommission schließt
daraus, dass der betreffende Mitgliedstaat nachzuweisen habe, dass er vor seiner
Entscheidung diese Informationen und Entwicklungen tatsächlich berücksichtigt
habe, die mit jenen vergleichbar sein müssten, von denen ein privater
Wirtschaftsteilnehmer vor derselben Entscheidung Kenntnis verlangt hätte.
44 Aus der Rechtsprechung
des Gerichtshofs ergebe sich nämlich, dass die Anwendung des Kriteriums des
privaten Gläubigers nur in Betracht komme, wenn dieser nicht zufällig, sondern
in voller Kenntnis der Sachlage gehandelt habe, denn nach dieser Rechtsprechung
könnten wirtschaftliche Bewertungen, die nach Gewährung des fraglichen Vorteils
erstellt würden, die rückblickende Feststellung der tatsächlichen Rentabilität
der vom betroffenen Mitgliedstaat getätigten Kapitalanlage oder spätere
Rechtfertigungen der tatsächlich gewählten Vorgehensweise nicht ausreichen.
45 Das bedeute jedoch nicht,
dass die Beteiligten keine Informationen oder Nachweise vorlegen dürften, die
der Kommission beispielsweise Aufschluss über die Art und den Gegenstand der
fraglichen Maßnahme, ihren Kontext oder das angestrebte Ziel gäben. Dennoch
dürften die Beteiligten nicht die tatsächliche Beurteilung des betreffenden
Mitgliedstaats zum Zeitpunkt seiner Entscheidung durch ihre eigene ersetzen, und
ebenso wenig dürfe die Kommission von Amts wegen das Verhalten des idealen,
rationalen und vollumfänglich informierten hypothetischen privaten Gläubigers
rekonstruieren.
46 Die Informationen, die
der Kommission zusätzlich zu den vom betreffenden Mitgliedstaat angeführten
vorgelegt würden, dürften auf den Beweis gerichtet sein, dass ein privater
Gläubiger auf der Grundlage der von dem Mitgliedstaat tatsächlich
berücksichtigten Informationen ebenso oder nicht ebenso gehandelt hätte. Diese
Informationen dürften jedoch nicht darauf gerichtet sein, die getroffene
Entscheidung durch Bezugnahme auf Informationen oder Nachweise zu rechtfertigen,
die von dem betreffenden Mitgliedstaat nicht tatsächlich berücksichtigt worden
seien.
47 Zweitens trägt die
Kommission vor, das Gericht habe bei der Formulierung seines Prüfkriteriums in
Rn. 137 des angefochtenen Urteils versäumt, ihre Prüfpflicht auf die ihr
verfügbaren einschlägigen Informationen zu beschränken. Aufgrund dieses
Versäumnisses sei das Gericht in Rn. 201 des angefochtenen Urteils zu der
Ansicht gekommen, dass die Kommission zusätzliche Informationen hätte einholen
müssen, um ihre aus der Akte des Verwaltungsverfahrens abgeleiteten
Schlussfolgerungen zu überprüfen und zu untermauern.
48 Somit habe das Gericht in
jener Rn. 201 eine neue Anforderung geschaffen, nach der die Kommission das
Verhalten des idealen, rationalen und vollumfänglich informierten hypothetischen
privaten Gläubigers durch Ermittlung aller „erdenklichen“ Nachweise und
Informationen rekonstruieren müsse. Diese Anforderung laufe dem Gedanken
zuwider, der dem Kriterium des privaten Gläubigers zugrunde liege, nämlich einer
Beurteilung der Ansicht der Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung.
49 Daher seien die
Rn. 137 und 180 bis 213 des angefochtenen Urteils zum einen auf die falsche
Erwägung gestützt, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs von der Kommission
verlange, eine objektive und vollständige Prüfung der Vor- und Nachteile des
Insolvenzverfahrens statt eine auf die subjektive Lage der Behörde gestützte
Prüfung vorzunehmen, und zum anderen auf ein falsches Verständnis des streitigen
Beschlusses dahin gehend, dass daraus hervorgehe, dass die Kommission eine
solche Prüfung vorgenommen habe.
50 Drittens trägt die
Kommission vor, dass der streitige Beschluss auf den Stand des Vermögens von
Frucona Košice zum 17. Juni 2004 gestützt sei und sie die im Bericht E
zur Bestimmung der Koeffizienten für die Verwertung dieser Aktiva herangezogene
Methodik nach Ansicht des Gerichts zu Recht nicht akzeptiert habe. Da diese
wirtschaftlichen Informationen jedoch die einzigen gewesen seien, die der
örtlichen Steuerbehörde bei ihrer Entscheidung, den Vergleichsvorschlag
anzunehmen, zur Verfügung gestanden hätten, sei die logische Folge dieser
Tatsachenfeststellungen, dass ein privater Gläubiger, der nur über diese
Informationen verfüge, dem Vergleich nicht zugestimmt hätte. Denn wenn das
Verhalten eines solchen Gläubigers darin bestanden hätte, zusätzliche
Informationen zu verlangen, dann hätte er den Vergleichsvorschlag nicht
angenommen.
51 Da die Kommission ihre
Prüfung ausschließlich anhand der Informationen und Nachweise habe vornehmen
müssen, die sich tatsächlich im Besitz des öffentlichen Gläubigers befunden
hätten oder allgemein bekannt gewesen seien, sei die Verwaltungsakte jedenfalls
eine taugliche Grundlage für ihren Schluss, dass ein privater Gläubiger dem
Vergleich nicht zugestimmt hätte. Das Gericht habe nämlich keine zusätzlichen
Nachweise genannt, die zur Zeit des Sachverhalts erheblich gewesen und von der
Kommission nicht berücksichtigt worden seien.
52 Folglich habe das Gericht
in den Rn. 186 und 235 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft
entschieden, dass der Inhalt der Akte die von der Kommission gezogenen Schlüsse
auf eine Bewertung des Erlöses der Veräußerung der Aktiva in einem
Insolvenzverfahren mit 435 Mio. SKK (etwa 14,5 Mio. Euro) nicht in rechtlich
hinreichender Weise und eindeutig habe untermauern können. Ferner habe das
Gericht weder den Umfang des von der Kommission zu erbringenden Beweises
angegeben, noch, ob seiner Ansicht nach dieser Standard von der Kommission
verlangt habe, eindeutig festzustellen, was der Veräußerungserlös gewesen
wäre.
53 Viertens macht die
Kommission geltend, die von ihr festgestellten Rechtsfehler hätten auch die vom
Gericht vorgenommene Beurteilung der Dauer des Insolvenzverfahrens und des
Steuereinziehungsverfahrens fehlerhaft gemacht. Diese Beurteilungen stützten
sich nämlich auf dasselbe falsche Kriterium und auf die Ablehnung der von der
Kommission vorgenommenen Bewertung des Erlöses der Veräußerung der Aktiva von
Frucona Košice.
54 Mit ihrem sechsten
Rechtsmittelgrund trägt die Kommission vor, die Rn. 191 bis 195 des
angefochtenen Urteils könnten dahin ausgelegt werden, dass damit der Kommission
eine Verletzung ihrer Pflicht zur Vornahme einer sorgfältigen und
unvoreingenommenen Prüfung vorgeworfen werde. Sollte diese Auslegung zutreffen,
macht die Kommission geltend, das Gericht habe dieser Pflicht einen falschen
Umfang gegeben und ihr eine übermäßige Belastung auferlegt.
55 Insoweit weist die
Kommission darauf hin, dass das Gericht in den Rn. 187 und 191 des
angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass sie dem Bericht E zu Recht
den Beweiswert abgesprochen und deshalb ausgehend von den von Frucona Košice
vorgelegten oder von ihr nicht bestrittenen Nachweisen Rückschlüsse gezogen
habe. Anschließend habe das Gericht beschlossen, die Kommission dafür zu
verurteilen, dass sie keine zusätzlichen Informationen zur Überprüfung und
Untermauerung der aus diesen Nachweisen gezogenen Schlüsse verlangt habe, ohne
zu erläutern, welche Art zusätzlicher Nachweise sie möglicherweise hätte
verlangen können.
56 Die Kommission habe ihre
Beurteilung auf die ihr damals tatsächlich verfügbaren Nachweise gestützt und
sei der Ansicht gewesen, dass sie den vom Empfänger festgestellten Betrag, der
von der Steuerbehörde zugelassen worden und auf unabhängige Berichte gestützt
gewesen sei, habe zugrunde legen dürfen, ohne die Vorlage weiterer Berichte zu
verlangen. Auf jeden Fall hätte ein öffentlicher Gläubiger nicht akzeptiert,
dass sein Schuldner seine Schätzung des Werts der im Hinblick auf einen
Zahlungsaufschub für seine Steuerschuld verpfändeten Aktiva nicht hinreichend
substantiiere. Im vorliegenden Fall habe die örtliche Steuerbehörde ihre eigenen
Schlüsse über den Wert dieser Aktiva gezogen, wie aus der Entscheidung
hervorgehe, die Schuld zu stunden.
57 Frucona Košice tritt dem
Vorbringen der Kommission entgegen.
Würdigung durch den Gerichtshof
58 Zunächst ist
festzustellen, dass der fünfte und der sechste Rechtsmittelgrund im Wesentlichen
den Umfang der Untersuchungspflichten der Kommission bei ihren Beurteilungen im
Zusammenhang mit dem Kriterium des privaten Gläubigers betreffen, wie er vom
Gericht bei seiner Prüfung der Teile des streitigen Beschlusses zugrunde gelegt
worden ist, die das Insolvenz- und das Steuereinziehungsverfahren betreffen.
59 Nach gefestigter
Rechtsprechung des Gerichtshofs hat die Kommission bei der Anwendung des
Kriteriums des privaten Gläubigers eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und dabei
jeden im betreffenden Fall erheblichen Anhaltspunkt zu berücksichtigen, der es
ihr ermöglicht, festzustellen, ob das begünstigte Unternehmen derartige
Erleichterungen offenkundig nicht von einem privaten Gläubiger erhalten hätte
(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Januar 2013, Frucona
Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 73, und vom
21. März 2013, Kommission/Buczek Automotive, C‑405/11 P, nicht
veröffentlicht, EU:C:2013:186, Rn. 47).
60 Insoweit ist zum einen
jede Information als erheblich zu betrachten, die den Entscheidungsprozess eines
durchschnittlich vorsichtigen und sorgfältigen privaten Gläubigers, der sich in
einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der öffentliche Gläubiger und von
einem Schuldner, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, die Zahlung
der ihm geschuldeten Beträge zu erlangen sucht, nicht unwesentlich beeinflussen
kann (Urteile vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission,
C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 78, und vom 21. März 2013,
Kommission/Buczek Automotive, C‑405/11 P, nicht veröffentlicht,
EU:C:2013:186, Rn. 54).
61 Zum anderen sind für die
Anwendung des Kriteriums des privaten Gläubigers nur die im Zeitpunkt der
Entscheidung verfügbaren Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen relevant
(vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF,
C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 105).
62 Diese Prüfung der
Kommission, ob bestimmte Maßnahmen als staatliche Beihilfe zu qualifizieren
sind, weil die Behörden nicht wie ein privater Gläubiger gehandelt haben,
erfordert eine komplexe wirtschaftliche Beurteilung (Urteile vom 24. Januar
2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 74, und
vom 21. März 2013, Kommission/Buczek Automotive, C‑405/11 P, nicht
veröffentlicht, EU:C:2013:186, Rn. 48).
63 Insoweit ist darauf
hinzuweisen, dass der Unionsrichter im Rahmen der Kontrolle, die die
Unionsgerichte in Bezug auf die Würdigung komplexer wirtschaftlicher
Gegebenheiten durch die Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen ausüben,
nicht die wirtschaftliche Beurteilung seitens der Kommission durch seine eigene
ersetzen darf (Urteile vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission,
C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 75, und vom 21. März 2013,
Kommission/Buczek Automotive, C‑405/11 P, nicht veröffentlicht,
EU:C:2013:186, Rn. 49).
64 Der Unionsrichter muss
jedoch nicht nur die sachliche Richtigkeit, die Zuverlässigkeit und die Kohärenz
der angeführten Beweise prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise
alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen
Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu
stützen vermögen (Urteile vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission,
C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 76, und vom 21. März 2013,
Kommission/Buczek Automotive, C‑405/11 P, nicht veröffentlicht,
EU:C:2013:186, Rn. 50).
65 Hier ist zuerst das
Vorbringen der Kommission zum fünften und zum sechsten Rechtsmittelgrund zu
prüfen, das sich gegen den Teil des angefochtenen Urteils richtet, der das
Insolvenzverfahren betrifft.
66 Insoweit ist zunächst das
Vorbringen der Kommission, wonach in einem ersten Schritt die Ansicht der
zuständigen Behörde zu bestimmen und in einem zweiten Schritt das Verhalten
dieser Behörde mit dem eines hypothetischen privaten Gläubigers zu vergleichen
sei, zurückzuweisen, da es bereits im Rahmen des zweiten und des vierten
Rechtsmittelgrundes als unzutreffend zurückgewiesen worden ist, weil es auf
einer fehlerhaften Beurteilung der Tragweite des Kriteriums des privaten
Gläubigers beruht.
67 Ferner ist, soweit die
Kommission dem Gericht vorwirft, es habe dadurch, dass es ihre Prüfpflicht nicht
auf die ihr verfügbaren Nachweise beschränkt habe, eine neue, sie übermäßig
belastende Anforderung geschaffen, die in der Ermittlung aller „erdenklichen“
Nachweise und Informationen bestehe, festzustellen, dass ihrem Vorbringen ein
falsches Verständnis des angefochtenen Urteils zugrunde liegt.
68 Insoweit ist zunächst
festzustellen, dass das Gericht u. a. in den Rn. 134 bis 137 des
angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass die Beurteilung des Kriteriums des
privaten Gläubigers anhand der Lage vorzunehmen sei, die der der betreffenden
Behörde möglichst ähnlich sei.
69 Sodann hat das Gericht in
den Rn. 138 bis 143 des angefochtenen Urteils die Grundsätze, die seiner
Ansicht nach für die Beweislast der Kommission gelten, dargelegt und in diesem
Zusammenhang die Anhaltspunkte, die sie im Rahmen ihrer Prüfung gegebenenfalls
sich beschaffen und berücksichtigen muss, sowie die allgemeinen Grenzen ihrer
Untersuchungspflichten genannt, wie sie von der Rechtsprechung der
Unionsgerichte aufgestellt wurden.
70 Insoweit ist auch darauf
hinzuweisen, dass der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung im
Bereich staatlicher Beihilfen aufgrund der Informationen zu beurteilen hat, über
die die Kommission bei Erlass der Entscheidung verfügte (Urteil vom
2. September 2010, Kommission/Scott, C‑290/07 P, EU:C:2010:480,
Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 Zu den Informationen,
über die die Kommission „verfügte“, gehören diejenigen, die für die nach der in
den Rn. 59 bis 61 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung
vorzunehmenden Beurteilung erheblich erschienen und die sie im
Verwaltungsverfahren auf ihr Ersuchen hin hätte erhalten können.
72 In den Rn. 171 bis
178 des angefochtenen Urteils hat das Gericht schließlich darauf hingewiesen,
dass die Kommission nach seiner Rechtsprechung nicht allgemein verpflichtet sei,
sich der Hilfe externer Experten zu bedienen, und hat auf dieser Grundlage das
Vorbringen von Frucona Košice zurückgewiesen, dass die Kommission neue externe
Gutachten hätte einholen müssen.
73 Die Rn. 180 bis 213
und 235 des angefochtenen Urteils, gegen die sich die in Rn. 64 des
vorliegenden Urteils genannten Rügen der Kommission richten, enthalten, wenn sie
in diesem vom Gericht genannten rechtlichen Kontext betrachtet werden, jedoch
keine neuen, mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs unvereinbaren
Anforderungen.
74 So kann die
Tatsachenfeststellung in Rn. 185 des angefochtenen Urteils, dass die
Kommission die Verwertungskoeffizienten aus dem Inhalt der Akte des
Verwaltungsverfahrens abgeleitet, keine methodische oder wirtschaftliche Analyse
durchgeführt und keine zusätzlichen Informationen verlangt habe, um die von ihr
aus diesen Gesichtspunkten gezogenen Schlüsse zu prüfen und zu stützen, nicht so
verstanden werden, dass sie eine Anforderung beinhaltet, die über die
Anforderungen hinausgeht, die von den vom Gericht in den Rn. 138 bis 143
des angefochtenen Urteils genannten Grundsätzen verlangt werden, oder die mit
den in den Rn. 59 und 60 des vorliegenden Urteils dargelegten Grundsätzen
unvereinbar wäre.
75 Die
Tatsachenfeststellungen des Gerichts in den Rn. 186, 196, 200 und 201 des
angefochtenen Urteils, dass der Inhalt der Akte des Verwaltungsverfahrens die
von der Kommission vorgenommenen Bewertungen der Verwertungskoeffizienten nicht
in rechtlich hinreichender Weise habe untermauern können und sie daher
zusätzliche Informationen hätte einholen müssen, um ihre Schlussfolgerungen zu
untermauern, überschreiten nicht die Grenzen der gerichtlichen Kontrolle
offensichtlicher Beurteilungsfehler, die das Gericht nach der in Rn. 64 des
vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung vorzunehmen hat; darüber hinaus
ist auch nicht davon auszugehen, dass mit ihnen eine Anforderung aufgestellt
wird, die mit den in den Rn. 59 und 60 des vorliegenden Urteils dargelegten
Grundsätzen unvereinbar wäre.
76 Soweit das Gericht in
Rn. 186 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass der Inhalt der Akte
des Verwaltungsverfahrens die von der Kommission gezogenen Schlüsse nicht nur in
rechtlich hinreichender Weise, sondern auch eindeutig untermauern müsse, genügt
der Hinweis, dass aus den Rn. 187 bis 201 des angefochtenen Urteils
hervorgeht, dass das Gericht seine Würdigung jedenfalls nicht anhand einer
solchen Anforderung vorgenommen hat und diese im Rahmen der Erwägungen in den
Rn. 196, 200, 201 und 235 des angefochtenen Urteils nicht mehr erwähnt
hat.
77 Wie der Generalanwalt in
den Nrn. 125 und 131 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat das Gericht
in den Rn. 191 bis 195, 198 und 199 des angefochtenen Urteils nämlich
lediglich auf interne Widersprüche des streitigen Beschlusses hingewiesen und
die Tatsachenfeststellung vorgenommen, dass die Verwaltungsakte nichts enthalte,
was eine Erläuterung für die von der Kommission zugrunde gelegten
Verwertungskoeffizienten geben könne.
78 Daher hat das Gericht
entgegen dem Vorbringen der Kommission kein falsches rechtliches Kriterium
angewandt. Folglich ist das Vorbringen der Kommission als teilweise ins Leere
gehend und teilweise unbegründet zurückzuweisen.
79 Was zweitens das
Vorbringen der Kommission betrifft, die von ihr ermittelten Rechtsfehler hätten
auch die vom Gericht in den Rn. 223 bis 235 des angefochtenen Urteils
vorgenommene Würdigung der Dauer des Insolvenzverfahrens und seine in den
Rn. 277 bis 284 des Urteils vorgenommene Würdigung der Dauer des
Steuereinziehungsverfahrens fehlerhaft gemacht, genügt die Feststellung, dass
diese Argumentation jeder Grundlage entbehrt, da die Prüfung des Vorbringens der
Kommission nicht zur Feststellung eines Rechtsfehlers geführt hat.
80 Im Übrigen hat das
Gericht in den Rn. 279, 282 und 283 des angefochtenen Urteils festgestellt,
dass die Kommission versäumt habe, sich zunächst über die vorhersehbare Dauer
eines Steuereinziehungsverfahrens zu erkundigen, sodann zu berücksichtigen, dass
es aufgrund der Einleitung eines Insolvenzverfahrens habe unterbrochen werden
können, und schließlich, sich nach den Kosten zu erkundigen, die ein solches
Verfahren verursachen könne.
81 Soweit solche Erwägungen
Informationen betreffen, die ein durchschnittlich vorsichtiger und sorgfältiger
privater Gläubiger, der sich in einer vergleichbaren Lage befindet wie die
örtliche Steuerbehörde, a priori nicht außer Acht lassen konnte, können
schon sie allein die Entscheidung des Gerichts rechtfertigen, dass die
Kommission nicht sämtliche einschlägigen Informationen berücksichtigt hat (vgl.
in diesem Sinne Urteil vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission,
C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 77, 78 und 81).
82 Im Übrigen ergibt sich
aus den Rn. 69 bis 84 des vorliegenden Urteils, dass entgegen dem
Vorbringen der Kommission aus dem angefochtenen Urteil hervorgeht, dass das
Gericht zum einen den Umfang ihrer Untersuchungspflichten und zum anderen die
Art zusätzlicher Nachweise, die sie hätte verlangen können, rechtlich
hinreichend angegeben hat.
83 Folglich sind der fünfte
und der sechste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.
84 Da alle Gründe, die die
Kommission zur Stützung des vorliegenden Rechtsmittels vorgebracht hat,
zurückzuweisen sind, ist es insgesamt zurückzuweisen.
Kosten
85 Nach Art. 184
Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die
Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.
86 Nach Art. 138
Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf
das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf
Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
87 Da die Kommission mit
ihren Rechtsmittelgründen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag von Frucona
Košice die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste
Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel
wird zurückgewiesen.
2. Die Europäische
Kommission trägt die Kosten.
Unterschriften