Sprache des Dokuments : ECLI:EU:C:2019:634

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

29. Juli 2019(*)

„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Regionale Investitionsbeihilfen – Beihilfe zugunsten eines großen Investitionsvorhabens – Mit dem Binnenmarkt teilweise unvereinbare Beihilfe – Art. 107 Abs. 3 AEUV – Notwendigkeit der Beihilfe – Art. 108 Abs. 3 AEUV – Verordnung (EG) Nr. 800/2008 – Beihilfe, die den Schwellenwert für eine Einzelanmeldung überschreitet – Anmeldung – Reichweite der Gruppenfreistellung – Anschlussrechtsmittel – Zulassung eines Streitbeitritts vor dem Gericht der Europäischen Union – Zulässigkeit“

In der Rechtssache C‑654/17 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 22. November 2017,

Bayerische Motoren Werke AG mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Rosenthal, G. Drauz und M. Schütte,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch F. Erlbacher, A. Bouchagiar und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,


Freistaat Sachsen, vertreten durch Rechtsanwalt T. Lübbig,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász, M. Ilešič und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2019,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. April 2019

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Bayerische Motoren Werke AG (im Folgenden: BMW) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. September 2017, Bayerische Motoren Werke/Kommission (T‑671/14, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2017:599), mit dem das Gericht ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2016/632 der Kommission vom 9. Juli 2014 über die staatliche Beihilfe SA.32009 (2011/C) (ex 2010/N), die die Bundesrepublik Deutschland zugunsten von BMW für ein großes Investitionsvorhaben in Leipzig gewähren will (ABl. 2016, L 113, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss), abgewiesen hat.

2        Die Europäische Kommission begehrt mit einem Anschlussrechtsmittel die Aufhebung des Beschlusses des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 11. Mai 2015, Bayerische Motoren Werke/Kommission (T‑671/14, nicht veröffentlicht, im Folgenden: Beschluss vom 11. Mai 2015, EU:T:2015:322), mit dem dieser dem Antrag des Freistaats Sachsen auf Zulassung zur Streithilfe stattgegeben hat, sowie der im angefochtenen Urteil enthaltenen Entscheidung über die Zulässigkeit dieser Streithilfe und über die Einbeziehung der Argumente, die der Freistaat Sachsen über diejenigen der Rechtsmittelführerin hinaus geltend gemacht hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung Nr. 659/1999

3        In Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 734/2013 des Rates vom 22. Juli 2013 (ABl. 2013, L 204, S. 15) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 659/1999) heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

b)      ‚bestehende Beihilfen‘

ii)      genehmigte Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die von der Kommission oder vom Rat [der Europäischen Union] genehmigt wurden;

c)      ‚neue Beihilfen‘ alle Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen;

…“

4        Art. 2 („Anmeldung neuer Beihilfen“) dieser Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„Soweit die Verordnungen nach Artikel [109 AEUV] oder nach anderen einschlägigen Vertragsvorschriften nichts anderes vorsehen, teilen die Mitgliedstaaten der Kommission ihre Vorhaben zur Gewährung neuer Beihilfen rechtzeitig mit. …“

5        Art. 7 („Entscheidungen der Kommission über den Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens“) der Verordnung sieht vor:

„…

(2)      Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die angemeldete Maßnahme, gegebenenfalls nach entsprechenden Änderungen durch den betreffenden Mitgliedstaat, keine Beihilfe darstellt, so stellt sie dies durch Entscheidung fest.

(3)      Stellt die Kommission fest, dass, gegebenenfalls nach Änderung durch den betreffenden Mitgliedstaat, die Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der angemeldeten Maßnahme mit dem [Binnenmarkt] ausgeräumt sind, so entscheidet sie, dass die Beihilfe mit dem [Binnenmarkt] vereinbar ist (nachstehend ‚Positiventscheidung‘ genannt). In der Entscheidung wird angeführt, welche Ausnahmevorschrift des Vertrags zur Anwendung gelangt ist.

…“

6        Art. 10 („Prüfung, Auskunftsersuchen und Anordnung zur Auskunftserteilung“) der Verordnung Nr. 659/1999 besagt in Abs. 1:

„Unbeschadet des Artikels 20 kann die Kommission von Amts wegen Auskünfte über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen prüfen, ungeachtet der Herkunft dieser Auskünfte.

Die Kommission prüft ohne ungebührliche Verzögerung jede nach Artikel 20 Absatz 2 eingelegte Beschwerde von Beteiligten und stellt sicher, dass der betreffende Mitgliedstaat regelmäßig in vollem Umfang über den Stand und das Ergebnis der Prüfung informiert wird.“

 Verordnung (EG) Nr. 800/2008

7        In den Erwägungsgründen 2 bis 4 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem [Binnenmarkt] in Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) (ABl. 2008, L 214, S. 3), die durch die Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 [AEUV] (ABl. 2014, L 187, S. 1) abgelöst wurde, heißt es:

„(2)      Die Kommission hat die Artikel [107] und [108 AEUV] in zahlreichen Entscheidungen angewandt und … ausreichende Erfahrungen gesammelt, um allgemeine Vereinbarkeitskriterien für Beihilfen zugunsten von [kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)] … festzulegen.

(3)      [D]ie Kommission [hat] auch ausreichende Erfahrungen bei der Anwendung der Artikel [107] und [108 AEUV] im Bereich der Ausbildungs‑, Beschäftigungs‑, Umweltschutz‑, Forschungs‑, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen sowie Regionalbeihilfen sowohl für KMU als auch für Großunternehmen gesammelt.

(4)      Unter Berücksichtigung dieser Erfahrungen müssen einige der in Verordnungen … niedergelegten Punkte geändert werden. Der Einfachheit halber und im Interesse einer wirksameren Beihilfenkontrolle durch die Kommission sollten diese Verordnungen durch eine einzige Verordnung ersetzt werden. Der Vereinfachung sollen unter anderem die in Kapitel I dieser Verordnung niedergelegten einheitlichen Begriffsbestimmungen und horizontalen Vorschriften dienen. …

(7)      Staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel [107] Absatz 1 [AEUV], die nicht unter diese Verordnung fallen, sollten weiterhin der Anmeldepflicht nach Artikel [108] Absatz 3 [AEUV] unterliegen. Unbeschadet dieser Verordnung sollten die Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit haben, Beihilfen anzumelden, mit denen unter diese Verordnung fallende Ziele verfolgt werden. Bei der rechtlichen Würdigung solcher Beihilfen stützt sich die Kommission insbesondere auf diese Verordnung sowie auf die Kriterien, die in spezifischen, von der Kommission angenommenen Leitlinien oder Gemeinschaftsrahmen festgelegt sind, sofern die betreffende Beihilfemaßnahme unter solche spezifischen Regelungen fällt.“

8        Art. 3 („Freistellungsvoraussetzungen“) der Verordnung Nr. 800/2008, der zu Kapitel I („Gemeinsame Vorschriften“) dieser Verordnung gehört, bestimmt:

„(1)      Beihilferegelungen, die alle Voraussetzungen des Kapitels I erfüllen sowie den einschlägigen Bestimmungen des Kapitels II entsprechen, sind im Sinne von Artikel [107] Absatz 3 [AEUV] mit dem [Binnenmarkt] vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Artikel [108] Absatz 3 [AEUV] freigestellt, wenn alle Einzelbeihilfen auf der Grundlage solcher Regelungen ebenfalls alle Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen und die Regelungen einen ausdrücklichen Verweis auf diese Verordnung unter Angabe des Titels sowie einen ausdrücklichen Verweis auf die Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union enthalten.

(2)      Einzelbeihilfen auf der Grundlage einer unter Absatz 1 genannten Regelung sind im Sinne von Artikel [107] Absatz 3 [AEUV] mit dem [Binnenmarkt] vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Artikel [108] Absatz 3 [AEUV] freigestellt, wenn diese Einzelbeihilfemaßnahmen alle Voraussetzungen des Kapitels I erfüllen sowie den einschlägigen Bestimmungen des Kapitels II entsprechen und einen ausdrücklichen Verweis auf die einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung unter Angabe der einschlägigen Bestimmungen, des Titels dieser Verordnung sowie der Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union enthalten.

(3)      Ad-hoc-Beihilfen, die alle Voraussetzungen des Kapitels I erfüllen sowie den einschlägigen Bestimmungen des Kapitels II entsprechen, sind im Sinne von Artikel [107] Absatz 3 [AEUV] mit dem [Binnenmarkt] vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Artikel [108] Absatz 3 [AEUV] freigestellt, wenn diese Beihilfen einen ausdrücklichen Verweis auf die einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung unter Angabe der einschlägigen Bestimmungen, des Titels dieser Verordnung sowie der Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union enthalten.“

9        Der ebenfalls zu Kapitel I gehörende Art. 6 („Schwellenwerte für die Anmeldung von Einzelbeihilfen“) dieser Verordnung sieht in Abs. 2 vor:

„Regionale Investitionsbeihilfen zugunsten großer Investitionsvorhaben sind bei der Kommission anzumelden, wenn der Gesamtförderbetrag aus sämtlichen Quellen 75 % des Beihilfehöchstbetrags überschreitet, den eine Investition mit beihilfefähigen Kosten in Höhe von 100 Mio. [Euro] erhalten könnte, würde die zum Bewilligungszeitpunkt geltende, in der genehmigten Fördergebietskarte festgelegte Regel-Obergrenze für Beihilfen zugunsten großer Unternehmen zugrunde gelegt.“

10      Art. 8 („Anreizeffekt“) der Verordnung bestimmt:

„(1)      Mit dieser Verordnung werden nur Beihilfen freigestellt, die einen Anreizeffekt haben.

(3)      Beihilfen für Großunternehmen, die unter diese Verordnung fallen, gelten als Beihilfen mit Anreizeffekt, wenn die Voraussetzung von Absatz 2 erfüllt ist und der Mitgliedstaat zudem vor der Bewilligung der betreffenden Einzelbeihilfe überprüft hat, dass der Beihilfeempfänger die Erfüllung eines oder mehrerer der folgenden Kriterien in seinen Unterlagen nachgewiesen hat:

e)      [i]m Falle regionaler Investitionsbeihilfen nach Artikel 13: Das Investitionsvorhaben wäre ohne die Beihilfe im betreffenden Fördergebiet nicht in der Form durchgeführt worden.

(4)      Die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 gelten nicht für steuerliche Maßnahmen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      Bei der steuerlichen Maßnahme besteht auf der Grundlage objektiver Kriterien ein Rechtsanspruch auf die Beihilfe, ohne dass es einer zusätzlichen Ermessensentscheidung des Mitgliedstaates bedarf; und

…“

11      Der zu Kapitel II („Besondere Bestimmungen für einzelne Beihilfengruppen“) der Verordnung Nr. 800/2008 gehörende Art. 13 („Regionale Investitions- und Beschäftigungsbeihilfen“) dieser Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„Regionale Investitions- und Beschäftigungsbeihilferegelungen sind im Sinne von Artikel [107] Absatz 3 [AEUV] mit dem [Binnenmarkt] vereinbar und von der Anmeldepflicht gemäß Artikel [108] Absatz 3 [AEUV] freigestellt, wenn die Voraussetzungen dieses Artikels erfüllt sind.

…“

 Mitteilung von 2009

12      In der Mitteilung der Kommission betreffend die Kriterien für die eingehende Prüfung staatlicher Beihilfen mit regionaler Zielsetzung zur Förderung großer Investitionsvorhaben (ABl. 2009, C 223, S. 3, im Folgenden: Mitteilung von 2009) heißt es:

„21.      Bei Regionalbeihilfen zur Förderung großer Investitionsvorhaben im Sinne dieser Mitteilung wird die Kommission eingehend prüfen, ‚ob die Beihilfe als Investitionsanreiz notwendig ist‘ … Mit dieser eingehenden Prüfung soll festgestellt werden, ob die Beihilfe tatsächlich dazu beiträgt, das Verhalten des Beihilfeempfängers dahingehend zu beeinflussen, dass er in dem betreffenden Fördergebiet (zusätzliche) Investitionen tätigt. Auch ohne eine in Aussicht stehende Beihilfe kann es für ein Unternehmen viele triftige Gründe geben, sich in einem bestimmten Gebiet niederzulassen.

22.      In Bezug auf das sich aus der Kohäsionspolitik ergebende Gleichheitsziel gibt es – sofern die Beihilfe zur Erreichung dieses Ziels beiträgt – zwei Szenarios, für die ein Anreizeffekt nachgewiesen werden kann:

2.      Die Beihilfe ist ein Anreiz, die geplante Investition in dem jeweiligen Gebiet und nicht anderswo zu tätigen, da sie die mit dem Fördergebiet verbundenen Nettonachteile und Kosten ausgleicht.

25.      Für Szenario 2 kann der Mitgliedstaat den Beweis für den Anreizeffekt der Beihilfe mit Hilfe von Unternehmensunterlagen erbringen, aus denen hervorgeht, dass Kosten und Nutzen der Niederlassung in dem betreffenden Fördergebiet mit Kosten und Nutzen der Niederlassung in einem anderen Gebiet verglichen worden sind. Derartige Vergleiche werden nur anerkannt, wenn sie von der Kommission als realistisch beurteilt werden.

33.      Bei Szenario 2 wird in der Regel davon ausgegangen, dass in Bezug auf einen Standortanreiz die Beihilfe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfüllt, wenn sie der Differenz zwischen den Nettokosten, die dem Empfängerunternehmen für die Investition in das Fördergebiet entstehen, und den Nettokosten, die ihm für die Investition in ein anderes Gebiet/andere Gebiete entstehen würden, entspricht. …

52.      Hat die Kommission festgestellt, dass eine regionale Investitionsbeihilfe als Anreiz für ein großes Investitionsvorhaben in einem bestimmten Gebiet notwendig ist, wägt sie die positiven und negativen Auswirkungen gegeneinander ab. …

56.      Die Kommission kann entscheiden, die Beihilfe zu genehmigen, mit Bedingungen und Auflagen zu versehen oder zu untersagen …“

13      Die Fußnote zu Nr. 56 dieser Mitteilung lautet: „Werden Beihilfen auf der Grundlage einer bestehenden Regionalbeihilferegelung gewährt, behält der Mitgliedstaat allerdings die Möglichkeit, derartige Beihilfen bis zu einer Höhe zu gewähren, die dem zulässigen Höchstbetrag entspricht, der im Rahmen der anwendbaren Bestimmungen für eine Investition mit beihilfefähigen Ausgaben von 100 Mio. [Euro] gewährt werden darf.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss

14      Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie sich aus den Rn. 1 bis 5 des angefochtenen Urteils ergibt, ist folgende:

„1      Die [Rechtsmittelführerin] ist die Muttergesellschaft der BMW Group …, die insbesondere in der Herstellung von Kraftfahrzeugen und Krafträdern der Marken BMW, MINI und Rolls-Royce tätig ist.

2      Am 30. November 2010 meldete die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung … Nr. 800/2008 … eine Beihilfe von nominal 49 Mio. Euro an, die sie nach dem Investitionszulagengesetz 2010 vom 7. Dezember 2008 in geänderter Fassung (BGBl. 2008 I S. 2350, im Folgenden: IZG) für die Errichtung einer Produktionsanlage von BMW zur Herstellung des Elektrofahrzeugs i3 und des Plug‑In-Hybridfahrzeugs i8 in Leipzig (Deutschland) gemäß den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007‑2013 (ABl. 2006, C 54, S. 13 …) zu gewähren beabsichtigte. In der Anmeldung waren Investitionskosten von 392 Mio. Euro … und eine Beihilfeintensität von 12,5 % angegeben. Die tatsächliche Zahlung der Beihilfe stand unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Europäische Kommission.

3      Nachdem die Kommission bestimmte zusätzliche Informationen eingeholt hatte, beschloss sie am 13. Juli 2011, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen, und erhielt daraufhin hierzu eine Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland. Am 13. Dezember 2011 wurde der Beschluss mit dem Titel ‚Staatliche Beihilfen – Deutschland – Staatliche Beihilfe SA.32009 (11/C) (ex 10/N) – Großes Investitionsvorhaben – Beihilfe für BMW Leipzig – Aufforderung zur Stellungnahme nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV‘ im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. 2011, C 363, S. 20). …

5      Am 9. Juli 2014 erließ die Kommission den [streitigen] Beschluss … Dessen Art. 1 lautet:

‚Die staatliche Beihilfe in Höhe von 45 257 273 [Euro], die [die Bundesrepublik] Deutschland der [Rechtsmittelführerin] für die Investition in Leipzig gewähren will, ist nur dann mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn sie auf den Betrag von 17 Mio. [Euro] beschränkt bleibt (zu Preisen von 2009); der darüber hinausgehende Betrag (28 257 273 [Euro]) ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Die Beihilfe darf daher nur bis zu dem Betrag von 17 Mio. [Euro] gewährt werden.‘“

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

15      Mit Klageschrift, die am 19. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

16      Am 16. Januar 2015 beantragte der Freistaat Sachsen, als Streithelfer zur Unterstützung der Rechtsmittelführerin zugelassen zu werden.

17      Mit Beschluss vom 11. Mai 2015 gab der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts diesem Antrag auf Zulassung zur Streithilfe statt.

18      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

 Anträge der Parteien

19      Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit darin der über den Betrag von 17 Mio. Euro hinausgehende Betrag (28 257 273 Euro) der in Rede stehenden Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird; hilfsweise, wenn und soweit der Gerichtshof den Rechtsstreit nicht für entscheidungsreif halten sollte, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen;

–        hilfsweise: den streitigen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als er die Gewährung jedweder nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 anmeldefreien Beihilfe für das fragliche Investitionsvorhaben verbietet und für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt, soweit sie den Betrag von 17 Mio. Euro übersteigt;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug und des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

20      Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

21      Der Freistaat Sachsen stellt dieselben Nichtigkeitsanträge wie die Rechtsmittelführerin und beantragt, der Kommission die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug und des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

22      Mit ihrem Anschlussrechtsmittel beantragt die Kommission,

–        den Beschluss vom 11. Mai 2015 aufzuheben;

–        die im angefochtenen Urteil enthaltene Entscheidung über die Zulässigkeit der Streithilfe und über die Einbeziehung der Argumente, die der Streithelfer über diejenigen der Rechtsmittelführerin hinaus geltend gemacht hat, aufzuheben;

–        als Gericht des ersten Rechtszugs über den Antrag auf Zulassung als Streithelfer zu entscheiden und diesen Antrag als unbegründet abzulehnen;

–        die Rechtsmittelführerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

23      Die Rechtsmittelführerin und der Freistaat Sachsen beantragen, das Anschlussrechtsmittel zurückzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Anschlussrechtsmittel

24      Mit ihrem Anschlussrechtsmittel wirft die Kommission dem Gericht vor, einen Verfahrensfehler im Sinne von Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, durch den ihre Interessen beeinträchtigt würden, begangen zu haben, indem es den Freistaat Sachsen nach Art. 40 Abs. 2 dieser Satzung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Rechtsmittelführerin zugelassen habe. Zur Stützung dieses Rechtsmittels macht sie drei Gründe geltend, mit denen sie im Wesentlichen einen Verstoß gegen letztere Vorschrift sowie eine fehlerhafte Qualifizierung der Tatsachen rügt.

25      Die Rechtsmittelführerin und der Freistaat Sachsen halten das Anschlussrechtsmittel für unzulässig und jedenfalls unbegründet.

26      Nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV kann gegen die Entscheidungen des Gerichts „nach Maßgabe der Bedingungen und innerhalb der Grenzen, die in der Satzung [des Gerichtshofs der Europäischen Union] vorgesehen sind“, beim Gerichtshof ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel eingelegt werden.

27      Insoweit sieht Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vor, dass gegen die Endentscheidungen des Gerichts und gegen dessen Entscheidungen, die über einen Teil des Streitgegenstands ergangen sind oder die einen Zwischenstreit beenden, der eine Einrede der Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit zum Gegenstand hat, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung ein Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden kann.

28      Ferner bestimmt Art. 57 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass, wenn ein nach Art. 40 Abs. 2 der Satzung gestellter Antrag auf Zulassung als Streithelfer von dem Gericht abgelehnt wird, der Antragsteller binnen zwei Wochen nach Zustellung der ablehnenden Entscheidung ein Rechtsmittel beim Gerichtshof einlegen kann.

29      Es ist festzustellen, dass die Entscheidung, mit der das Gericht einem nach Art. 40 Abs. 2 der Satzung gestellten Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattgibt, unter keine dieser beiden Vorschriften fällt.

30      Zum einen ist eine solche Entscheidung nämlich nicht über den Streitgegenstand ergangen und beendet genauso wenig einen Zwischenstreit, der eine Einrede der Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit zum Gegenstand hat, wie es in Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorgesehen ist, was die Kommission in ihrer Anschlussrechtsmittelschrift im Übrigen nicht bestreitet.

31      Zum anderen entspricht die Entscheidung, mit der das Gericht einem Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattgibt, nicht der Entscheidung im Sinne von Art. 57 Abs. 1 dieser Satzung, wonach im Gegenteil nur die Ablehnung eines Antrags auf Zulassung als Streithelfer Gegenstand eines Rechtsmittels des Antragstellers sein kann.

32      Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union einer Partei des erstinstanzlichen Verfahrens nicht das Recht einräumt, den Gerichtshof mit einem Rechtsmittel gegen die Entscheidung, mit der das Gericht einem Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattgegeben hat, zu befassen.

33      Daraus folgt, wie die Kommission im Übrigen einräumt, dass der Beschluss vom 11. Mai 2015, mit dem das Gericht dem nach Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union gestellten Antrag des Freistaats Sachsen auf Zulassung als Streithelfer stattgegeben hat, nicht Gegenstand eines Hauptrechtsmittels sein konnte.

34      Die Kommission trägt allerdings vor, der Beschluss des Gerichts über die Zulassung dieses Streithelfers könne mit einem Anschlussrechtsmittel gegen das angefochtene Urteil, mit dem das erstinstanzliche Verfahren abgeschlossen worden sei, nach Art. 178 Abs. 1 und 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs angefochten werden, da die Zulassung des Streithelfers einen Verfahrensfehler im Sinne von Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union darstelle, durch den ihre Interessen beeinträchtigt würden.

35      Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

36      Zum einen verlangt Art. 178 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, dass die Anschlussrechtsmittelanträge auf die vollständige oder teilweise Aufhebung einer „Entscheidung des Gerichts“ gerichtet sind.

37      Zwar enthält diese Vorschrift im Gegensatz zu Art. 169 Abs. 1 der Verfahrensordnung nicht die Präzisierung, dass die Aufhebung, auf die das Rechtsmittel gerichtet ist, die Entscheidung des Gerichts „in der Gestalt der Entscheidungsformel“ betreffen muss. Dies ändert aber nichts daran, dass die Entscheidung, mit der das Gericht einem Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattgibt, jedenfalls, wie bereits in Rn. 31 des vorliegenden Urteils dargelegt, keine rechtsmittelfähige Entscheidung im Sinne von Art. 56 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union darstellt.

38      Zum anderen sieht Art. 178 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vor, dass ein Anschlussrechtsmittel auch auf die Aufhebung einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Entscheidung über die „Zulässigkeit der Klage vor dem Gericht“ gerichtet sein kann.

39      Die Entscheidung, mit der das Gericht einem Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattgibt, hat aber keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der Klage, da die Streithilfe im Verhältnis zur Klage akzessorisch ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. November 2016, DTS Distribuidora de Televisión Digital/Kommission, C‑449/14 P, EU:C:2016:848, Rn. 121, sowie Beschluss vom 19. Juli 2017, Lysoform Dr. Hans Rosemann und Ecolab Deutschland/ECHA, C‑663/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:568, Rn. 47).

40      Demnach enthält das Unionsrecht keine Vorschrift, die einer Partei als Rechtsgrundlage dafür dienen könnte, den Gerichtshof mit einem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung zu befassen, mit der das Gericht einem Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattgegeben hat.

41      Keines der Argumente der Kommission vermag dieses Ergebnis in Frage zu stellen.

42      Soweit die Kommission erstens vorträgt, die Zulassung eines Streithelfers unter Verstoß gegen Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union stelle einen „Verfahrensfehler“ im Sinne von Art. 58 Abs. 1 der Satzung dar, der ihre Interessen beeinträchtige, so genügt die Feststellung, dass letztere Vorschrift nur den Zweck hat, die Rechtsfragen zu benennen, die zur Stützung eines Rechtsmittels aufgeworfen werden können, nicht aber, die Kategorie der Entscheidungen zu bestimmen, die Gegenstand eines Rechtsmittels sein können; diese Entscheidungen werden in Art. 56 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 1 der Satzung definiert. Art. 58 Abs. 1 der Satzung kann also diese Kategorie von Entscheidungen nicht über das, was letztere Bestimmungen vorsehen, hinaus erweitern.

43      Soweit die Kommission zweitens geltend macht, aus der durch das Urteil vom 29. November 2007, Stadtwerke Schwäbisch Hall u. a./Kommission (C‑176/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:730), begründeten Rechtsprechung folge, dass der Gerichtshof verpflichtet sei, die Zulässigkeit eines vor dem Gericht gestellten Antrags auf Zulassung als Streithelfer von Amts wegen zu prüfen, wenn der Streithelfer ein Anschlussrechtsmittel einlege oder, wie in der vorliegenden Rechtssache, eine Stellungnahme zum Hauptrechtsmittel einreiche, so entbehrt ihr Vorbringen der Grundlage.

44      Zwar ist der Gerichtshof gemäß seinen Ausführungen in Rn. 18 jenes Urteils, wenn er mit einem Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union befasst ist, verpflichtet, gegebenenfalls von Amts wegen über die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage und damit über die zwingend zu beachtende Rüge einer Verkennung der in Art. 263 Abs. 4 AEUV aufgestellten Voraussetzung zu entscheiden, dass ein Kläger die Nichtigerklärung einer Entscheidung, die nicht an ihn gerichtet ist, nur dann verlangen kann, wenn er von ihr unmittelbar und individuell betroffen ist.

45      So ist etwa das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses des Klägers, das ihm die Klagebefugnis im Sinne der letztgenannten Vorschrift verleiht, Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage, die er vor dem Gericht erhoben hat, um die Nichtigerklärung einer Entscheidung zu erreichen. Hingegen hat die Entscheidung, einem nach Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union gestellten Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattzugeben, wie bereits in Rn. 39 des vorliegenden Urteils ausgeführt, keinen Einfluss auf die Zulässigkeit einer solchen Klage. Daher kann keine Parallele zu der durch das Urteil vom 29. November 2007, Stadtwerke Schwäbisch Hall u. a./Kommission (C‑176/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:730), begründeten Rechtsprechung gezogen werden.

46      Soweit die Kommission drittens in der mündlichen Verhandlung versucht hat, mit dem Urteil vom 14. April 2005, Gaki-Kakouri/Gerichtshof (C‑243/04 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:238), zu argumentieren, in dessen Rn. 33 und 34 der Gerichtshof einen Rechtsmittelgrund geprüft hat, mit dem gerügt wurde, das Gericht habe in Bezug auf verspätete Beweisangebote gegen Art. 48 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung verstoßen, so genügt die Feststellung, dass dieser Rechtsmittelgrund in jener Rechtssache auf die Aufhebung einer Entscheidung des Gerichts im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerichtet war, nämlich eine Entscheidung über den Streitgegenstand.

47      Darum geht es aber in dem Anschlussrechtsmittel, das die Kommission in der vorliegenden Rechtssache eingelegt hat, gerade nicht. Wie sie selbst in ihrer Anschlussrechtsmittelschrift ausdrücklich angegeben hat, zielt es nämlich nicht auf die Aufhebung des angefochtenen Urteils ab, mit dem über den Streitgegenstand entschieden wurde, sondern nur auf die Aufhebung der Entscheidung, mit der das Gericht dem Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattgegeben hat, die aber keine „Entscheidung“ im Sinne dieses Art. 56 Abs. 1 ist.

48      Viertens macht die Kommission geltend, dass die Entscheidung, einem Antrag auf Zulassung als Streithelfer im ersten Rechtszug stattzugeben, selbständige Rechtswirkungen zeitige, die ihrer Verfahrensposition im Rahmen eines Rechtsmittels abträglich seien. Der Streithelfer könne nämlich mit seinen Argumenten den Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Gericht erweitern, so dass sowohl der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels als auch das Gericht nach Zurückverweisung, falls das angefochtene Urteil aufgehoben werde, zusätzliche Argumente prüfen müssten. Ferner sei zu befürchten, dass das Gericht, außerhalb jeglicher gerichtlicher Kontrolle durch den Gerichtshof, eine Rechtsprechungslinie entwickle, die die Voraussetzungen nach Art. 40 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union missachte. Im Übrigen könne ein unter Verstoß gegen diese Vorschrift zugelassener Streithelfer ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Gerichts einlegen.

49      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Zulassung eines Streitbeitritts entgegen dem Vorbringen der Kommission in keinem Fall dazu führen kann, dass der Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Gericht erweitert wird.

50      Nach Art. 40 Abs. 4 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann nämlich eine Partei, die in einem beim Gericht anhängigen Rechtsstreit als Streithelfer zugelassen wird, den Streitgegenstand, wie er durch die Anträge sowie die Klage- und Verteidigungsgründe der Hauptparteien umschrieben wird, nicht ändern. Folglich ist nur solches Vorbringen eines Streithelfers zulässig, das sich in dem durch diese Anträge und Gründe festgelegten Rahmen hält (vgl. etwa Urteile vom 10. November 2016, DTS Distribuidora de Televisión Digital/Kommission, C‑449/14 P, EU:C:2016:848, Rn. 114, sowie vom 25. Oktober 2017, Kommission/Rat [WRC‑15], C‑687/15, EU:C:2017:803, Rn. 23). Ein Streithelfer verfügt nicht über das Recht, neue Gründe geltend zu machen, die sich von den vom Kläger geltend gemachten unterscheiden (Urteil vom 10. November 2016, DTS Distribuidora de Televisión Digital/Kommission, C‑449/14 P, EU:C:2016:848, Rn. 121).

51      Sodann ist, soweit die Kommission argumentiert, die Zulassung eines Streitbeitritts könne ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verletzen, hervorzuheben, dass das Unionsrecht, insbesondere Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Licht der in Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 der Charta enthaltenen Garantien, nicht vorschreibt, dass es zwei Gerichtsinstanzen geben muss. Entscheidend ist allein, dass es einen Rechtsbehelf vor einem Gericht gibt. Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes eröffnet dem Einzelnen den Zugang zu einem Gericht und nicht zu mehreren Gerichtsinstanzen (vgl. etwa Urteile vom 28. Juli 2011, Samba Diouf, C‑69/10, EU:C:2011:524, Rn. 69, vom 30. Mai 2013, F, C‑168/13 PPU, EU:C:2013:358, Rn. 44, und vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 57).

52      Im vorliegenden Fall ist aber unstreitig, dass die Kommission vor dem Gericht in der Lage war, zur Zulässigkeit des Streitbeitritts im Hinblick auf die Anforderungen von Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Stellung zu nehmen.

53      Des Weiteren ist hervorzuheben, dass die Kommission, wenn das Gericht der Nichtigkeitsklage der Rechtsmittelführerin stattgegeben hätte, das Recht hätte, den vom Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Rechtsmittelführerin geltend gemachten Argumenten, die das Gericht gegebenenfalls für stichhaltig erachtet hätte, im Rahmen eines Rechtsmittels entgegenzutreten.

54      Schließlich ist es zwar richtig, dass einer als Streithelfer vor dem Gericht zugelassenen Partei, die kein Mitgliedstaat oder Unionsorgan ist, durch Art. 56 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Eigenschaft einer „Partei“ zuerkannt wird, die beim Gerichtshof ein Rechtsmittel einlegen kann, und dass sie in dieser Eigenschaft jeden Rechtsmittelgrund geltend machen kann, um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage zu stellen. Weiter folgt aus dieser Bestimmung, dass ein am Verfahren vor dem Gericht beteiligter Streithelfer, da er somit vor dieser Instanz als „Partei“ und nicht mehr als „Streithelfer“ gilt, das Recht hat, falls eine andere Partei ein Rechtsmittel einlegt, gemäß Art. 172 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs eine Rechtsmittelbeantwortung einzureichen (Urteil vom 11. Februar 1999, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, C‑390/95 P, EU:C:1999:66, Rn. 20 bis 22).

55      Allerdings kann nach Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union jede Person einem Rechtsmittelverfahren beitreten, sofern sie ein berechtigtes Interesse am Ausgang des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits geltend machen kann. Zudem kann ein am Verfahren vor dem Gericht beteiligter Streithelfer gemäß Art. 56 Abs. 2 der Satzung ein Rechtsmittel nur dann einlegen, wenn er nachweist, dass ihn die Entscheidung des Gerichts unmittelbar berührt. Schließlich kann jede Partei des Rechtsmittelverfahrens jedenfalls, wie bereits aus Rn. 53 des vorliegenden Urteils hervorgeht, den Klagegründen und Argumenten entgegentreten, die ein am Verfahren vor dem Gericht beteiligter Streithelfer, der sich an diesem Rechtsmittelverfahren beteiligt, geltend gemacht hat.

56      Folglich ist das Anschlussrechtsmittel der Kommission als unzulässig zurückzuweisen.

 Zum Hauptrechtsmittel

57      Mit ihrem Rechtsmittel macht die Rechtsmittelführerin, unterstützt durch den Freistaat Sachsen, zwei Gründe geltend. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV gerügt, mit dem zweiten ein Verstoß gegen Art. 288 AEUV, Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 800/2008 sowie das Diskriminierungsverbot.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund

58      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, der aus vier Teilen besteht, trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht habe gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV verstoßen, indem es in den Rn. 145 bis 149 des angefochtenen Urteils die fragliche Beihilfe allein deshalb für nicht notwendig erachtet habe, weil ihr Betrag entgegen Nr. 33 der Mitteilung von 2009 die Differenz zwischen den Nettokosten der Investition im Fördergebiet und denen einer Investition in einem anderen Gebiet übersteige, ohne überprüft zu haben, ob diese Beihilfe zu einer Wettbewerbsverfälschung führe.

 Zu den Teilen 1 bis 3 des ersten Rechtsmittelgrundes

–       Vorbringen der Parteien

59      Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe sich auf die Vermutung gestützt, dass jede Beihilfe, die nicht notwendig sei, um die Kostendifferenz zwischen einer Investition im Fördergebiet und einer Investition in einem anderen Gebiet auszugleichen, zu einer Wettbewerbsverfälschung führe.

60      Eine solche Vermutung stehe aber im Widerspruch zu Art. 107 AEUV, denn die Beurteilung einer Beihilfe anhand dieser Vorschrift erfordere die Prüfung der Gefahr einer Wettbewerbsverfälschung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, die Bestimmung der Auswirkungen der Beihilfe im konkreten Einzelfall gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV sowie die Abwägung der negativen und der positiven Folgen der Beihilfe. Die Kommission sei daher verpflichtet, den betroffenen Markt abzugrenzen und die Stellung der Rechtsmittelführerin auf diesem Markt zu bestimmen.

61      Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin vor, das angefochtene Urteil stehe nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

62      Aus dieser, insbesondere aus Rn. 57 des Urteils vom 30. April 2009, Kommission/Italien und Wam (C‑494/06 P, EU:C:2009:272), gehe nämlich hervor, dass es der Kommission obliege, zu prüfen, ob die Beihilfen den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen könnten, und dabei in ihrer Entscheidung stichhaltige Hinweise hinsichtlich ihrer voraussichtlichen Auswirkungen zu geben.

63      Ferner habe der Gerichtshof in Rn. 41 des Urteils vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a. (C‑526/14, EU:C:2016:570), für Recht erkannt, dass der Erlass einer Mitteilung die Kommission nicht von ihrer Pflicht entbinde, bei der Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV die spezifischen Umstände zu prüfen.

64      Schließlich folge aus dem Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), dass es, da die beihilferechtlichen Regeln Teil der im AEU-Vertrag vorgesehenen Wettbewerbsregeln seien, systemwidrig wäre, bei der Anwendung von Art. 107 AEUV auf eine Prüfung der Auswirkungen einer Beihilfe zu verzichten, während eine solche Prüfung bei der Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV erforderlich sei.

65      Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es nicht festgestellt habe, dass die Kommission es im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV versäumt habe, ihre Ermittlungsbefugnisse auszuüben, um die Zweifel hinsichtlich der Abgrenzung des betroffenen Marktes und ihrer Stellung auf diesem Markt auszuräumen, und das, obwohl allein diese Aspekte zur Einleitung dieses Verfahrens geführt hätten.

66      Der Mitteilung von 2009 sei aber zu entnehmen, dass die Kommission die betroffenen Märkte abgrenzen müsse und dass etwaige hohe Marktanteile, die als Indikator für eine Wettbewerbsverfälschung angesehen würden, im Rahmen einer eingehenden Prüfung ausführlich untersucht werden müssten.

67      Hätte die Kommission im vorliegenden Fall den Referenzmarkt und die Marktverhältnisse zutreffend ermittelt, hätte sie festgestellt, dass eine dem gemeinsamen Interesse im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV zuwiderlaufende Handelsbeeinträchtigung nicht zu erwarten sei, und hätte keine Kürzung der Beihilfe für geboten gehalten.

68      Die Kommission hält die ersten drei Teile des ersten Rechtsmittelgrundes für unzulässig. Sie macht im Wesentlichen geltend, diese Teile stellten neue Angriffsmittel dar bzw. genügten nicht den Anforderungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. Auf jeden Fall seien sie unbegründet.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

69      Zur Zulässigkeit der ersten drei Teile des ersten Rechtsmittelgrundes ist erstens darauf hinzuweisen, dass das Rechtsmittel nach Art. 170 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand nicht verändern kann. Im Rahmen eines Rechtsmittels sind die Befugnisse des Gerichtshofs nämlich auf die Beurteilung der rechtlichen Entscheidung über das im ersten Rechtszug erörterte Vorbringen beschränkt. Eine Partei kann daher vor dem Gerichtshof nicht erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringen, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, da ihr damit letztlich gestattet würde, den Gerichtshof, dessen Befugnisse bei Rechtsmitteln begrenzt sind, mit einem weiter reichenden Rechtsstreit zu befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte (vgl. in diesem Sinne etwa Urteile vom 17. September 2015, Total/Kommission, C‑597/13 P, EU:C:2015:613, Rn. 22, sowie vom 20. Dezember 2017, Comunidad Autónoma de Galicia und Retegal/Kommission, C‑70/16 P, EU:C:2017:1002, Rn. 88).

70      Im vorliegenden Fall wirft die Kommission der Rechtsmittelführerin jedoch zu Unrecht vor, im Stadium des vorliegenden Rechtsmittels erstmals einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV zur Stützung der ersten drei Teile des ersten Rechtsmittelgrundes geltend zu machen. Denn auch wenn die Rechtsmittelführerin in dem Vorbringen, das sie zur Stützung dieses Abschnitts des ersten Rechtsmittelgrundes entwickelt, diese Vorschrift anführt, ist festzustellen, dass sie dem Gericht mit diesem Vorbringen unzweideutig vorwirft, nicht gegen diese Vorschrift, sondern gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV verstoßen zu haben, da es im angefochtenen Urteil im Rahmen der Vereinbarkeitsprüfung der Beihilfe deren Notwendigkeit fehlerhaft beurteilt habe.

71      Zweitens geht nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aus Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hervor, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Insoweit ist nach Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung erforderlich, dass die geltend gemachten Rechtsgründe und ‑argumente die beanstandeten Punkte der Begründung der Entscheidung des Gerichts genau bezeichnen (Urteil vom 20. September 2016, Mallis u. a./Kommission und EZB, C‑105/15 P bis C‑109/15 P, EU:C:2016:702, Rn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Im vorliegenden Fall hat die Kommission jedoch ebenfalls unrecht, soweit sie geltend macht, der erste und der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes genügten diesen Anforderungen nicht. Aus dem Vorbringen, das die Rechtsmittelführerin zur Stützung dieses Abschnitts des ersten Rechtsmittelgrundes entwickelt, geht nämlich klar hervor, dass sie dem Gericht unter explizitem Verweis auf die Rn. 145 bis 149 des angefochtenen Urteils vorwirft, einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem es bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe sowohl die Prüfung, ob die Beihilfe zu Wettbewerbsverfälschungen auf dem betroffenen Markt führen könne, als auch die Abgrenzung des betroffenen Marktes und die Ermittlung der Stellung der Rechtsmittelführerin auf diesem Markt unterlassen habe.

73      Drittens und letztens ist zu dem Vorbringen der Kommission, der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes sei unzulässig, soweit er auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV gestützt sei, festzustellen, dass sich aus den Ausführungen der Kommission, mit denen sie der Rechtsmittelführerin vorwirft, „der Sache nach einen unzulässigen Rechtsmittelgrund“ geltend zu machen, nicht erschließt, weshalb dieser Teil unzulässig sein soll.

74      Demnach sind die ersten drei Teile des ersten Rechtsmittelgrundes zulässig.

75      Zur Begründetheit dieses Abschnitts des ersten Rechtsmittelgrundes ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Rahmen der Prüfung der von der Rechtsmittelführerin erhobenen Rügen bezüglich der Frage, ob die fragliche Regionalbeihilfe zugunsten eines großen Investitionsvorhabens im Hinblick auf Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, zunächst in den Rn. 83 bis 142 des angefochtenen Urteils, die nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittels sind, festgestellt hat, dass der Anreizeffekt und die Angemessenheit der fraglichen Beihilfe, die sich auf 49 Mio. Euro belief, gemäß den Nrn. 21, 22 und 25 bzw. 33 der Mitteilung von 2009 der Differenz zwischen den Nettokosten einer Investition in München (Deutschland) und denen einer Investition in Leipzig entsprächen, konkret also, wie sich insbesondere aus den Rn. 119 und 131 dieses Urteils ergibt, einem Betrag von 17 Mio. Euro.

76      Des Weiteren hat das Gericht in den Rn. 143 bis 150 des angefochtenen Urteils die Rügen der Rechtsmittelführerin zurückgewiesen, mit denen geltend gemacht wurde, die Kommission habe das Vorliegen einer Wettbewerbsverfälschung nicht geprüft. Insoweit hat das Gericht in den Rn. 145 und 146 dieses Urteils entschieden, dass die Kommission, da die Angemessenheit der fraglichen Beihilfe gemäß Nr. 33 der Mitteilung von 2009 für den über 17 Mio. Euro hinausgehenden Teil nicht nachgewiesen worden sei, die negative Auswirkung dieser Beihilfe, die sich aus einer möglichen Wettbewerbsverfälschung ergebe, habe vermuten dürfen. In den Rn. 147 bis 149 des Urteils hat das Gericht ausgeführt, diese Beurteilung werde auch durch die Nrn. 7 und 52 dieser Mitteilung gestützt, aus denen hervorgehe, dass die Kommission die positiven und die negativen Folgen einer von der Mitteilung erfassten Beihilfe nur dann gegeneinander abzuwägen habe, wenn sie festgestellt habe, dass eine Beihilfe als Anreiz für eine Investition in einem bestimmten Gebiet notwendig sei. Daher sei die Kommission im vorliegenden Fall nicht verpflichtet gewesen, eine wirtschaftliche Analyse der tatsächlichen Lage auf dem betreffenden Markt vorzunehmen.

77      Mit den Argumenten, die sie zur Stützung der ersten drei Teile des ersten Rechtsmittelgrundes entwickelt, zielt die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen darauf ab, diese Beurteilungen in Frage zu stellen, indem sie dem Gericht vorwirft, entschieden zu haben, dass die fragliche Beihilfe das Erfordernis der Angemessenheit nach Nr. 33 der Mitteilung von 2009 nicht erfülle, und zur Begründung nur darauf abgestellt zu haben, dass der Betrag der Beihilfe entgegen dieser Norm die Differenz zwischen den Nettokosten einer Investition im Fördergebiet und denen einer Investition in einem anderen Gebiet übersteige, ohne nach Abwägung der positiven und der negativen Folgen der Beihilfe dargelegt zu haben, dass die Beihilfe zu einer Wettbewerbsverfälschung auf dem betroffenen Markt führe.

78      Es ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin mit diesen Argumenten nicht die Gültigkeit der Mitteilung von 2009 im Hinblick auf die Regeln des AEU-Vertrags, zu denen u. a. Art. 107 Abs. 3 gehört, in Abrede stellt. Insbesondere ist zu beachten, dass sie mit dem vorliegenden Rechtsmittel nicht danach strebt, die Entscheidung des Gerichts in Rn. 96 des angefochtenen Urteils, ihre hierzu im ersten Rechtszug vorgebrachten Argumente als unzulässig zurückzuweisen, in Frage zu stellen.

79      In diesem Zusammenhang ist zum Zweck der Prüfung des vorliegenden Rechtsmittelgrundes darauf hinzuweisen, dass für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV ausschließlich die Kommission zuständig ist, die dabei der Kontrolle der Unionsgerichte unterliegt (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Hierbei verfügt die Kommission über ein weites Ermessen, dessen Ausübung komplexe wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Bei der Ausübung dieses Ermessens kann die Kommission Leitlinien erlassen, um die Kriterien festzulegen, auf deren Grundlage sie die Vereinbarkeit der von den Mitgliedstaaten geplanten Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt zu beurteilen beabsichtigt (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 39).

82      Dadurch, dass die Kommission Verhaltensnormen erlässt und durch ihre Veröffentlichung ankündigt, dass sie diese von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, beschränkt sie selbst die Ausübung ihres Ermessens und kann grundsätzlich nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Zwar kann die Kommission, wie die Rechtsmittelführerin zu Recht hervorhebt, durch Erlass von Verhaltensnormen nicht auf die Ausübung des Ermessens, das ihr Art. 107 Abs. 3 AEUV verleiht, verzichten. Der Erlass der Mitteilung von 2009 entbindet die Kommission also nicht von ihrer Pflicht, die spezifischen außergewöhnlichen Umstände zu prüfen, auf die sich ein Mitgliedstaat in einem bestimmten Fall bei dem Ersuchen um unmittelbare Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV beruft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Im vorliegenden Fall haben allerdings, wie der Generalanwalt in Nr. 60 seiner Schlussanträge festgestellt hat, weder die Rechtsmittelführerin noch der Freistaat Sachsen geltend gemacht, dass die Bundesrepublik Deutschland spezifische Umstände angeführt habe, die eine unmittelbare Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles gerechtfertigt hätte.

85      Im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels ist aber unstreitig, dass das Gericht in den Rn. 83 bis 142 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt hat, dass die fragliche Beihilfe, wie in Rn. 75 des vorliegenden Urteils dargelegt, nicht das Erfordernis der Angemessenheit nach Nr. 33 der Mitteilung von 2009 erfüllt, da ihr Betrag die Differenz zwischen den Nettokosten einer Investition in München und denen einer Investition in Leipzig übersteigt. Diese Differenz entsprach im Übrigen dem Betrag der Beihilfe, der gemäß den Nrn. 21, 22 und 25 dieser Mitteilung als notwendig anerkannt wurde, um einen Anreizeffekt zu schaffen. Wie das Gericht in den Rn. 118 und 145 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, gilt nämlich nach Nr. 29 der Mitteilung, dass „Regionalbeihilfen … dem Grundsatz der Angemessenheit [entsprechen], wenn ihre Höhe und Intensität auf das für die Investition in dem Fördergebiet erforderliche Minimum beschränkt sind“.

86      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Gericht Nr. 52 der Mitteilung von 2009 korrekt ausgelegt hat, als es in Rn. 148 des angefochtenen Urteils ausführte, dass die Kommission nicht verpflichtet gewesen sei, die positiven Auswirkungen der Beihilfe – die sich gemäß den Nrn. 11 bis 36 dieser Mitteilung aus der Prüfung des Anreizeffekts und der Angemessenheit der Beihilfe ergeben – und ihre negativen Auswirkungen – die ihrerseits nach den Nrn. 37 bis 51 der Mitteilung aus der Beurteilung der Auswirkungen der Beihilfe auf den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt hervorgehen – gegeneinander abzuwägen.

87      Zwar folgt aus dem Wortlaut von Nr. 52 der Mitteilung von 2009, dass die Kommission von ihrer Pflicht, die positiven und die negativen Auswirkungen einer Regionalbeihilfe für ein großes Investitionsvorhaben gegeneinander abzuwägen, entbunden ist, wenn sie festgestellt hat, dass die Beihilfe „als Anreiz“ für die Investition in einem bestimmten Gebiet nicht notwendig ist.

88      Wie sich aber bereits aus Rn. 85 des vorliegenden Urteils ergibt und wie das Gericht selbst in den Rn. 108 und 128 des angefochtenen Urteils sinngemäß festgestellt hat, ohne dass die Rechtsmittelführerin es im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels bestritte, deckt sich die Voraussetzung des Anreizeffekts der Beihilfe im vorliegenden Fall mit der Voraussetzung der Angemessenheit der Beihilfe, da der Betrag der fraglichen Beihilfe, der als die letztere Voraussetzung erfüllend angesehen wurde, genau dem Betrag entspricht, der als Anreiz notwendig war.

89      Im Übrigen kann, wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, eine Beihilfe, deren Betrag über das hinausgeht, was notwendig ist, damit eine Investition im Fördergebiet realisiert wird, nicht allein deshalb für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, weil sie keine negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb hat.

90      Folglich konnte das Gericht nach der Feststellung, dass die fragliche Beihilfe nicht das Erfordernis der Angemessenheit nach Nr. 33 der Mitteilung von 2009 erfülle, daraus in Rn. 146 des angefochtenen Urteils zu Recht folgern, dass die Kommission im Einklang mit Nr. 52 dieser Mitteilung bei der Prüfung der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe anhand der in der Mitteilung genannten Voraussetzungen vermuten durfte, dass die Beihilfe zu einer Wettbewerbsverfälschung auf dem betroffenen Markt führe.

91      Daraus folgt, dass die Kommission aus denselben Gründen auch nicht verpflichtet war, für die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe anhand dieser Voraussetzungen den betroffenen Markt abzugrenzen. Demnach ist dem Gericht kein Rechtsfehler unterlaufen, als es in Rn. 149 des angefochtenen Urteils entschied, dass die Kommission nicht verpflichtet gewesen sei, zum Zweck dieser Beurteilung die Stellung der Rechtsmittelführerin auf diesem Markt zu bestimmen.

92      Dabei ist klarzustellen, dass sich aus dem Vorstehenden, anders als die Rechtsmittelführerin suggeriert, keineswegs ergibt, dass die Kommission somit der Verpflichtung entbunden wäre, für die Einstufung einer Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nachzuweisen, dass diese Maßnahme alle in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt, also u. a., dass sie den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht (vgl. etwa Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 53).

93      Die Vereinbarkeitsprüfung einer nationalen Maßnahme nach Art. 107 Abs. 3 AEUV setzt nämlich in jedem Fall voraus, dass diese Maßnahme eine „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt.

94      Um das Vorliegen einer „staatlichen Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV festzustellen, bleibt die Kommission also verpflichtet, zu prüfen, ob die fragliche Maßnahme den Wettbewerb verfälschen könnte, und dabei in ihrer Entscheidung alle maßgeblichen Angaben zu ihren voraussichtlichen Auswirkungen darzulegen (Urteil vom 30. April 2009, Kommission/Italien und Wam, C‑494/06 P, EU:C:2009:272, Rn. 57).

95      Die Rechtsmittelführerin macht aber, wie bereits in Rn. 70 des vorliegenden Urteils festgestellt, zur Stützung des vorliegenden Rechtsmittelgrundes – ebenso wenig wie zur Stützung des zweiten Rechtsmittelgrundes – kein Argument geltend, mit dem ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gerügt würde.

96      Folglich sind die ersten drei Teile des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

–       Vorbringen der Parteien

97      Mit dem vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht habe die Tatsachen und Beweise verfälscht, als es angenommen habe, dass eine Beihilfe in Höhe von 17 Mio. Euro für die Auslösung der Investitionsentscheidung ausreichend gewesen sei. Eine Beihilfe in dieser Höhe sei nicht in den Entscheidungsprozess der Rechtsmittelführerin eingegangen. Vielmehr sei die Standortentscheidung aufgrund der Zusage einer Förderung in Höhe von ca. 50 Mio. Euro getroffen worden.

98      Die Kommission trägt vor, der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes sei unzulässig und jedenfalls unbegründet.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

99      Nach ständiger Rechtsprechung muss ein Rechtsmittelführer gemäß Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs genau angeben, welche Beweise das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben. Außerdem muss sich eine solche Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (vgl. etwa Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 86).

100    Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Rechtsmittelführerin aber auf den Vorwurf, das Gericht habe die Tatsachen und Beweise verfälscht, als es angenommen habe, dass eine Beihilfe in Höhe von 17 Mio. Euro als Anreiz für die fragliche Investition ausgereicht habe. Dabei bezeichnet sie entgegen den in Rn. 71 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen weder die beanstandeten Punkte der Begründung des angefochtenen Urteils, noch legt sie dar, aus welchen Gründen das Gericht insoweit Feststellungen getroffen haben soll, die in offenkundigem Widerspruch zum Akteninhalt stehen, oder den Akten eine Bedeutung beigemessen haben soll, die sie offensichtlich nicht haben.

101    Daraus folgt, dass die Rechtsmittelführerin, während sie vorgibt, dem Gericht eine Verfälschung vorzuwerfen, in Wirklichkeit danach strebt, den Gerichtshof zu einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung zu veranlassen, die an die Stelle derjenigen des Gerichts treten soll, wofür der Gerichtshof aber im Rahmen eines Rechtsmittels nicht zuständig ist.

102    Der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

103    Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

104    Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund, der aus zwei Teilen besteht, rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe mehrere Rechtsfehler begangen, als es in den Rn. 165 bis 181 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die Kommission die in Rede stehende Beihilfe zu Recht auf einen Betrag unterhalb der Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 beschränkt habe.

105    Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht habe damit im angefochtenen Urteil gegen Art. 288 AEUV sowie gegen Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung verstoßen.

106    Was erstens den Verstoß gegen Art. 288 AEUV anbelangt, wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, es der Kommission gestattet zu haben, mit dem Erlass des streitigen Beschlusses von der Verordnung Nr. 800/2008 abzuweichen, da die aus Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung folgende Erklärung der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt zu einer bloßen Vermutung degradiert werde.

107    Die Kommission sei zwar befugt, eine angemeldete Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar zu erklären, wenn ihr Betrag die Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 überschreite. Die Beachtung der Normenhierarchie schließe jedoch aus, dass sie denjenigen Teil einer solchen Beihilfe, der diese Schwelle nicht überschreite, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erkläre. Insoweit habe das Gericht verkannt, dass die Kommission mit dem Erlass dieser Verordnung ihre Kompetenz zur Prüfung der Vereinbarkeit von Beihilfen, die die Schwelle nicht überschritten, auf die Mitgliedstaaten übertragen habe.

108    Die Verordnung Nr. 800/2008 beruhe nämlich auf einer pauschalierten Abwägung zwischen den positiven und den negativen Auswirkungen von Regionalbeihilfen, wie etwa möglichen Wettbewerbsverfälschungen durch solche Beihilfen. Diese pauschalierte Abwägung sei in Art. 6 Abs. 2 dieser Verordnung durch Einführung der Schwellenwerte verankert, bis zu denen die mögliche Wettbewerbsverfälschung hinter das Ziel der Regionalförderung und Kohäsion zurücktrete. Die nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV geforderte Abwägung zwischen den positiven und den negativen Auswirkungen von Regionalbeihilfen sei somit durch die Verordnung Nr. 800/2008 verbindlich geregelt worden.

109    Folglich gebe die Verordnung Nr. 800/2008 den förderungsfähigen Unternehmen einen Anspruch darauf, dass Beihilfen, die im Einklang mit dieser Verordnung gewährt worden seien, als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen würden. Die Verordnung räume den Mitgliedstaaten das Recht ein, entweder eine Beihilfe, deren Betrag die Einzelanmeldeschwelle überschreite, zu notifizieren oder eine Beihilfe unterhalb dieser Schwelle zu gewähren, ohne sie zu notifizieren. Der vom Gericht im angefochtenen Urteil verfolgte Ansatz führe aber dazu, dass der Mitgliedstaat, der eine den Schwellenwert überschreitende Beihilfe anmelde, den Vorteil der in der Verordnung Nr. 800/2008 vorgesehenen Gruppenfreistellung verliere, da die Beihilfe dem Ermessen der Kommission unterstellt werde. Dies stehe im Widerspruch zu der Angabe in der Fußnote zu Nr. 56 der Mitteilung von 2009, wonach eine Beihilfe stets bis zur Einzelanmeldeschwelle gewährt werden dürfe.

110    Diese Auslegung werde durch Art. 7 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 659/1999 gestützt, der dem betreffenden Mitgliedstaat die Möglichkeit einräume, die angemeldete Maßnahme im Laufe des förmlichen Prüfverfahrens zu ändern. Der Mitgliedstaat könne also nicht gezwungen sein, auf seine Anmeldung zu verzichten, um die Genehmigung zu erreichen, eine Beihilfe unterhalb der Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 zu gewähren. Auch der siebte Erwägungsgrund dieser Verordnung gehe von der Interdependenz des Einzelanmeldeverfahrens und der Gruppenfreistellung aus, da nach diesem Erwägungsgrund die Kommission im Einzelanmeldeverfahren verpflichtet sei, sich bei der rechtlichen Würdigung der Beihilfen auf diese Verordnung zu stützen.

111    Dies werde auch durch die Rechtsprechung zu den Beihilferegelungen bestätigt, wie sie sich insbesondere aus dem Urteil vom 6. März 2002, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission (T‑127/99, T‑129/99 und T‑148/99, EU:T:2002:59, Rn. 228 und 229), ergebe, in dem das Gericht ausgeführt habe, dass eine Einzelbeihilfe, die von der Genehmigung der betreffenden allgemeinen Beihilferegelung nicht vollständig gedeckt sei, von der Kommission nur insoweit überprüfbar sei, als sie über die in der Genehmigungsentscheidung festgelegte Höchstgrenze hinausgehe.

112    Was zweitens den Verstoß gegen Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 800/2008 anbelangt, trägt die Rechtsmittelführerin vor, aus diesen Vorschriften folge, dass eine Beihilfe unterhalb der Einzelanmeldeschwelle, die den Bedingungen dieser Verordnung entspreche, mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Eine solche Beihilfe sei daher als „bestehende Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 659/1999 anzusehen und nicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV der Kommission zu notifizieren.

113    Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das angefochtene Urteil verstoße gegen das Diskriminierungsverbot, da ihre Wettbewerber nach dem IZG einen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Beihilfe unterhalb der Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 hätten.

114    Die Kommission hält den zweiten Rechtsmittelgrund für unzulässig, da es sich dabei um ein neues Angriffsmittel handle. Jedenfalls sei er unbegründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

115    Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht im Wesentlichen vor, es habe unter Verstoß gegen Art. 288 AEUV die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verkannt sowie gegen Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 800/2008 und das Diskriminierungsverbot verstoßen, indem es in den Rn. 165 bis 181 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die Kommission berechtigt gewesen sei, die Unvereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt für den Teil der Beihilfe festzustellen, der nicht die Einzelanmeldeschwelle erreiche, die in Art. 6 Abs. 2 dieser Verordnung für Regionalbeihilfen zugunsten großer Investitionsvorhaben vorgesehen sei.

116    Mit diesem Rechtsmittelgrund wird also geltend gemacht, das angefochtene Urteil sei rechtsfehlerhaft in Bezug auf die Prüfung der Vereinbarkeit desjenigen Teils der fraglichen Beihilfe, der den für angemessen im Sinne von Nr. 33 der Mitteilung von 2009 erachteten Betrag, d. h. 17 Mio. Euro, übersteigt und bis zur Einzelanmeldeschwelle reicht, die nach übereinstimmender Auffassung der Parteien bei 22,5 Mio. Euro liegt.

117    Zur Zulässigkeit dieses zweiten Rechtsmittelgrundes ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsmittelführerin zwar, wie die Kommission ausführt, zur Stützung ihrer Klage vor dem Gericht nicht explizit einen Verstoß gegen Art. 288 AEUV sowie Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 800/2008 geltend machte.

118    Gleichwohl ergibt sich eindeutig aus der Klageschrift, dass die Rechtsmittelführerin mit ihrer Klage vor dem Gericht, wie aus den Rn. 162 und 163 des angefochtenen Urteils hervorgeht, der Kommission mit einem hilfsweise angeführten dritten Klagegrund, der „eine Begrenzung der Beihilfehöhe auf einen geringeren als den von der Notifizierungspflicht ausgenommenen Betrag“ betraf, einen Verstoß gegen „die Verordnung Nr. 800/2008“ vorwarf. Die Rechtsmittelführerin machte insoweit geltend, dass im Fall einer Notifizierung stets ein Betrag bis zur Höhe der in dieser Verordnung geregelten Anmeldeschwelle als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen sei, so dass der Mitgliedstaat auf jeden Fall die Möglichkeit haben müsse, eine Beihilfe bis zu dieser Schwelle zu gewähren.

119    Des Weiteren machte die Rechtsmittelführerin nach dem eindeutigen Wortlaut der Klageschrift vor dem Gericht geltend, dass die Kommission, indem sie die Beihilfe auf einen Betrag unterhalb der Anmeldeschwelle begrenze, nämlich auf 17 Mio. Euro, unzulässig in die Kompetenzen der Bundesrepublik Deutschland eingreife, was die Rechtsmittelführerin im Übrigen „in rechtswidriger Weise gegenüber Beihilfeempfängern diskriminier[t], die den nach dem [IZG] anmeldefreien Betrag von 22,5 Millionen [Euro] erhalten“.

120    Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass die Rechtsmittelführerin mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund entgegen der in Rn. 69 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ein neues Angriffsmittel vorbringt.

121    Somit ist der zweite Rechtsmittelgrund zulässig.

122    Zur Begründetheit dieses Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass er auf der doppelten Prämisse beruht, dass die Kommission mit dem Erlass der Verordnung Nr. 800/2008 erstens die Zuständigkeit für die Beurteilung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen, die die Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 dieser Verordnung nicht überschreiten, mit dem Binnenmarkt auf die Mitgliedstaaten übertragen habe und zweitens solche Beihilfen gemäß Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt habe, soweit sie alle Voraussetzungen der Verordnung erfüllten, so dass sie als „bestehende Beihilfen“ im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 659/1999 genehmigt seien.

123    Wenn eine Beihilfe diese Einzelanmeldeschwelle überschreite, sei die Kommission im Rahmen der Prüfung einer nach Art. 108 Abs. 3 AEUV erfolgten Einzelanmeldung folglich nur dafür zuständig, nach Art. 107 Abs. 3 AEUV die Vereinbarkeit des über der Schwelle liegenden Teils der Beihilfe zu beurteilen. Hingegen dürfe sie in ihrer abschließenden Entscheidung, die sie nach dieser Vorschrift erlasse, nicht den unterhalb der Schwelle liegenden Teil der Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären, da in einer solchen Entscheidung nicht von Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 800/2008 abgewichen werden könne, ohne dass dies gegen Art. 288 AEUV verstieße.

124    Allerdings ist festzustellen, dass die doppelte Prämisse, auf der dieses Vorbringen beruht, unzutreffend ist, da sie sowohl das mit dem AEU-Vertrag eingerichtete beihilfenrechtliche Kontrollsystem als auch die Reichweite der Verordnung Nr. 800/2008 verkennt.

125    Zur ersten dieser Prämissen, die die jeweiligen Beihilfenkontrollbefugnisse der Kommission und der Mitgliedstaaten betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten, wie das Gericht in Rn. 165 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, im Rahmen des mit dem AEU-Vertrag eingerichteten Kontrollsystems zum einen verpflichtet sind, bei der Kommission alle Maßnahmen anzumelden, mit denen eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingeführt oder umgestaltet werden soll, und zum anderen, gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV solche Maßnahmen nicht durchzuführen, solange die Kommission nicht abschließend über sie entschieden hat (vgl. etwa Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

126    Diese dem betroffenen Mitgliedstaat obliegende Verpflichtung, jede neue Beihilfe bei der Kommission anzumelden, wird in Art. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 präzisiert (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 32)

127    Jedoch kann der Rat – worauf das Gericht in den Rn. 167 bis 169 des angefochtenen Urteils ebenfalls hingewiesen hat – nach Art. 109 AEUV alle zweckdienlichen Durchführungsverordnungen zu den Art. 107 und 108 AEUV erlassen und insbesondere die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie die Arten von Beihilfen festlegen, die von dem in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahren ausgenommen sind. Ferner kann die Kommission nach Art. 108 Abs. 4 AEUV Verordnungen zu den Arten staatlicher Beihilfen erlassen, für die der Rat nach Art. 109 AEUV festgelegt hat, dass sie von dem in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Verfahren ausgenommen werden können. Dementsprechend wurde gemäß Art. 94 des EG-Vertrags (später Art. 89 EG, jetzt Art. 109 AEUV) die Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates vom 7. Mai 1998 über die Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen (ABl. 1998, L 142, S. 1) erlassen, auf deren Grundlage später die Verordnung Nr. 800/2008 erging (vgl. etwa Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 57 und 58 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

128    Daraus ergibt sich, wie vom Gericht in Rn. 170 des angefochtenen Urteils ausgeführt, unabhängig von der den Mitgliedstaaten nach den Verträgen obliegenden und einen Grundbestandteil des Kontrollsystems von staatlichen Beihilfen darstellenden Pflicht zur vorherigen Anmeldung aller Maßnahmen, mit denen eine neue Beihilfe eingeführt oder umgestaltet werden soll, dass sich ein Mitgliedstaat, wenn eine von ihm erlassene Beihilfemaßnahme die einschlägigen Voraussetzungen der Verordnung Nr. 800/2008 erfüllt, darauf berufen kann, dass er gemäß Art. 3 dieser Verordnung von seiner Anmeldepflicht freigestellt ist. Umgekehrt ergibt sich aus dem siebten Erwägungsgrund dieser Verordnung, dass staatliche Beihilfen, die nicht von dieser Verordnung erfasst werden, weiterhin der in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht unterliegen (vgl. etwa Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

129    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die fragliche Beihilfe die maßgebliche Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 überschreitet und dass eine solche Beihilfe allein aus diesem Grund, da sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, von der insbesondere in Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Freistellung von der Einzelanmeldepflicht ausgeschlossen ist (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Juli 2011, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission, C‑459/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:515, Rn. 30).

130    Folglich war der betroffene Mitgliedstaat in der vorliegenden Rechtssache verpflichtet, diese Beihilfe nach Art. 108 Abs. 3 AEUV einzeln bei der Kommission anzumelden, was die Bundesrepublik Deutschland auch unzweifelhaft getan hat.

131    Gemäß dieser Vorschrift durfte die Beihilfe nicht durchgeführt werden, solange die Kommission keine abschließende Entscheidung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 659/1999 über sie erlassen hatte.

132    Für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer solchen Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 AEUV ist nach ständiger Rechtsprechung, wie bereits in Rn. 79 des vorliegenden Urteils festgestellt, ausschließlich die Kommission zuständig, die dabei der Kontrolle der Unionsgerichte unterliegt.

133    Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin hat die Kommission mit dem Erlass der Verordnung Nr. 800/2008 diese Zuständigkeit für die von dieser Verordnung erfassten Beihilfen, deren Betrag die Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung nicht übersteigt, nicht auf die Mitgliedstaaten übertragen.

134    Zum einen wurde ihr diese Zuständigkeit nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 100 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, in den Art. 107 und 108 AEUV durch das Primärrecht der Union als eine ausschließliche Zuständigkeit zugewiesen, so dass sie davon nicht durch Erlass einer Verordnung abweichen kann, und sei es auch nur für eine bestimmte Kategorie von Beihilfen.

135    Zum anderen hat die Kommission durch die Verordnung Nr. 800/2008 im Wesentlichen nur ex ante die Befugnisse wahrgenommen, die ihr Art. 107 Abs. 3 AEUV für alle Beihilfen einräumt, die die Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 65).

136    Zu diesem Zweck nennt die Verordnung Nr. 800/2008, wie aus ihren Erwägungsgründen 2 bis 4 hervorgeht, allgemeine Vereinbarkeitskriterien, die auf der Grundlage der von der Kommission bei der Anwendung der Art. 107 und 108 AEUV gesammelten Erfahrungen ausgearbeitet wurden. Bei Erfüllung dieser Kriterien ist die fragliche Beihilfe nach insbesondere Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung mit dem Binnenmarkt vereinbar im Sinne von Art. 107 Abs. 3 AEUV und von der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV freigestellt.

137    Wird ein Beihilfeantrag gemäß der Verordnung Nr. 800/2008 an die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats gerichtet, prüft allerdings zunächst nur diese nationale Behörde unter Berücksichtigung der ihr unterbreiteten Angaben, ob die beantragte Beihilfe alle maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt, die in dieser Verordnung aufgestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 66 und 93).

138    Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist ein Mitgliedstaat aber nur dann von seiner Anmeldepflicht befreit, wenn eine von ihm erlassene Beihilfemaßnahme tatsächlich alle in der Verordnung Nr. 800/2008 vorgesehenen einschlägigen Voraussetzungen erfüllt. Umgekehrt ist eine Beihilfe, die nach dieser Verordnung gewährt wurde, obwohl nicht alle für die Gewährung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt waren, unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht gewährt worden und muss als rechtswidrig angesehen werden (Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 99).

139    In einer solchen Situation obliegt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl den nationalen Gerichten als auch den Trägern der Verwaltung der Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass alle Konsequenzen, die sich aus dem Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ergeben, gezogen werden, insbesondere was die Gültigkeit der Durchführungshandlungen und die Wiedereinziehung der unter Verstoß gegen diese Bestimmung gewährten Beihilfen betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 89 bis 92, 100 und 130).

140    Im Übrigen obliegt es der Kommission nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999, eine solche unter Verstoß gegen die Verordnung Nr. 800/2008 gewährte Beihilfe entweder von Amts wegen oder im Rahmen der Beschwerde eines Beteiligten anhand der Art. 107 und 108 AEUV zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 114).

141    Denn auch wenn die Kommission Gruppenfreistellungsverordnungen für Beihilfen erlassen kann, um eine wirksame Überwachung der Wettbewerbsregeln im Bereich staatlicher Beihilfen zu gewährleisten und die Verwaltungsabläufe zu vereinfachen, können solche Verordnungen in keiner Weise ihre Kontrollbefugnis in diesem Bereich schwächen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 38, und vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 60).

142    Daraus folgt, dass die Kommission mit dem Erlass der Verordnung Nr. 800/2008 den nationalen Stellen keine Befugnis zur endgültigen Entscheidung eingeräumt hat, was die Reichweite der Freistellung von der Anmeldepflicht betrifft und folglich, was die Beurteilung der durch diese Verordnung aufgestellten Voraussetzungen betrifft, von der eine solche Freistellung abhängt. Insoweit befinden sich diese Stellen auf derselben Ebene wie die potenziellen Beihilfeempfänger und müssen sich vergewissern, dass ihre Entscheidungen im Einklang mit dieser Verordnung stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 101 und 102).

143    Wenn eine nationale Stelle eine Beihilfe unter fehlerhafter Anwendung der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt, tut sie dies folglich unter Missachtung sowohl dieser Verordnung als auch von Art. 108 Abs. 3 AEUV (Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 103).

144    Das Gericht hat also keinen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 177 des angefochtenen Urteils entschied, dass für eine Beihilfe, die nach Auffassung eines Mitgliedstaats die Voraussetzungen der Verordnung Nr. 800/2008 erfüllt, allenfalls eine Vermutung der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gilt. Ob eine solche Beihilfe tatsächlich diesen Voraussetzungen entspricht, kann nämlich nach der in den Rn. 139 und 140 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung sowohl vor einem nationalen Gericht oder einer nationalen Behörde als auch vor der Kommission in Frage gestellt werden.

145    Insoweit ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgeschlossen ist, dass eine nationale Stelle gegenüber einem Empfänger einer zu Unrecht nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährten Beihilfe ein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit dieser Beihilfe geschaffen hat. Denn da die Überwachung der staatlichen Beihilfen durch die Kommission in Art. 108 AEUV zwingend vorgeschrieben ist, darf ein beihilfebegünstigtes Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn diese unter Einhaltung des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

146    Demnach ändert die Verordnung Nr. 800/2008 nichts an der ausschließlichen Zuständigkeit, über die die Kommission verfügt, um nach Art. 107 Abs. 3 AEUV die Vereinbarkeit einer nach dieser Verordnung gewährten Beihilfe zu beurteilen. Es bleibt also dabei, dass allein die Kommission berechtigt ist, eine solche Beihilfe nach dieser Vorschrift für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, gleich ob die Beihilfe die Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 dieser Verordnung übersteigt oder nicht.

147    Zur zweiten der in Rn. 122 des vorliegenden Urteils genannten Prämissen, die die Reichweite der Verordnung Nr. 800/2008 betrifft – und dahin geht, dass die Kommission mit dem Erlass dieser Verordnung die staatlichen Beihilfen, deren Betrag die Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung nicht übersteige, für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt habe, wenn sie alle Voraussetzungen der Verordnung erfüllten, so dass diese Beihilfen als „bestehende Beihilfen“ im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 659/1999 genehmigt seien –, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 800/2008 zwar vorsehen, dass Beihilfen, die die Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen, im Sinne von Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Binnenmarkt „vereinbar [sind]“.

148    Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin folgt daraus aber nicht, dass eine solche Beihilfe als „bestehende Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung Nr. 659/1999 „genehmigt“ wäre. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift muss eine Beihilferegelung oder eine Einzelbeihilfe nämlich, um dahin gehend qualifiziert zu werden, „von der Kommission oder vom Rat“ genehmigt worden sein.

149    Eine von einem Mitgliedstaat nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährte Beihilfe kann aber nicht als von der Kommission genehmigt angesehen werden. Wie sich aus den Rn. 137 bis 142 des vorliegenden Urteils ergibt, sind es nämlich die zuständigen nationalen Stellen, die prüfen, ob eine nach dieser Verordnung gewährte Beihilfe im konkreten Fall die Voraussetzungen der Verordnung erfüllt, ohne jedoch selbst über eine Befugnis zur endgültigen Entscheidung zu verfügen, was die Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt anbelangt.

150    Im Übrigen enthält auch die Verordnung Nr. 800/2008 ihrem Wesen nach keine derartige konkrete Beurteilung der Vereinbarkeit einer bestimmten Beihilferegelung oder Einzelbeihilfe anhand der in ihr aufgestellten Voraussetzungen, da eine solche Verordnung, wie in Rn. 136 des vorliegenden Urteils dargelegt, lediglich auf der Grundlage der von der Kommission bei der Anwendung der Art. 107 und 108 AEUV gesammelten Erfahrungen allgemeine Vereinbarkeitskriterien für bestimmte Kategorien von Beihilfen nennt.

151    Folglich kann bei einer Beihilfe, die nach Ansicht eines Mitgliedstaats die Voraussetzungen der Verordnung Nr. 800/2008 erfüllt, allein wegen dieses Umstands nicht angenommen werden, dass sie von der Kommission als mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe genehmigt worden sei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 50).

152    Nur eine von der Kommission auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 AEUV erlassene Entscheidung, wie etwa eine Entscheidung nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999, die eine konkrete Beurteilung der Beihilfe enthält, kann eine solche Genehmigung darstellen.

153    Somit kann eine von einem Mitgliedstaat nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährte Beihilfe, wie das Gericht in den Rn. 176, 179 und 180 des angefochtenen Urteils sinngemäß – und zutreffend – ausgeführt hat, nicht allein deshalb, weil sie alle in dieser Verordnung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, als eine von der Kommission genehmigte bestehende Beihilfe angesehen werden.

154    Erst recht kann der bloße Umstand, dass der Betrag einer Beihilfe die Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 erreicht, entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin keineswegs einen Rechtsanspruch auf einen solchen Betrag begründen.

155    Denn zum einen – abgesehen davon, dass eine solche Beihilfe in Anbetracht der Reichweite der Verordnung Nr. 800/2008 in keinem Fall als eine von der Kommission genehmigte bestehende Beihilfe angesehen werden könnte – gehört die Voraussetzung, dass der Beihilfebetrag diese Schwelle nicht übersteigt, zwar zu den Voraussetzungen, die einzuhalten sind, damit eine Beihilfe nach Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung von der Anmeldung freigestellt und mit dem Binnenmarkt vereinbar sein kann, ist aber insofern rein verfahrensrechtlicher Natur, als der Beihilfebetrag, der dieser Schwelle entspricht, keineswegs eine von der Kommission nach Art. 107 Abs. 3 AEUV vorgenommene Beurteilung in Bezug auf die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt, insbesondere bezüglich der Notwendigkeit einer solchen Beihilfe, widerspiegelt.

156    Die in Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 vorgesehene Einzelanmeldeschwelle ergibt sich nämlich aus einer arithmetischen Berechnung auf der Grundlage des Beihilfehöchstbetrags, den eine Investition mit beihilfefähigen Kosten in Höhe von 100 Mio. Euro erhalten könnte, würde die zum Bewilligungszeitpunkt geltende, in der genehmigten Fördergebietskarte festgelegte Regel-Obergrenze für Beihilfen zugunsten großer Unternehmen zugrunde gelegt. Im vorliegenden Fall lag diese Obergrenze gemäß den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 für die Region Leipzig bei einer maximalen Intensität von 30 % (siehe Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 – Nationale Fördergebietskarte: Deutschland [ABl. 2006, C 295, S. 6]).

157    Zum anderen muss eine regionale Investitionsbeihilfe, um gemäß Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 800/2008 mit dem Binnenmarkt vereinbar zu sein, alle materiellen Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen, insbesondere die Voraussetzung des Anreizeffekts der Beihilfe gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. e dieser Verordnung, wonach Beihilfen für Großunternehmen, die unter diese Verordnung fallen, als Beihilfen mit Anreizeffekt gelten, wenn der Mitgliedstaat vor der Bewilligung der betreffenden Einzelbeihilfe überprüft hat, dass der Beihilfeempfänger in seinen Unterlagen nachgewiesen hat, dass das Investitionsvorhaben ohne die Beihilfe im betreffenden Fördergebiet nicht in der Form durchgeführt worden wäre.

158    Daraus folgt, dass eine Beihilfe, deren Betrag die Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 nicht übersteigt, nicht nur nicht mit einer von der Kommission genehmigten bestehenden Beihilfe gleichgestellt werden kann, sondern darüber hinaus auch nur dann als gemäß Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann, wenn sie außerdem alle materiellen Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllt, insbesondere diejenige, dass ihr Betrag die Voraussetzung des Anreizeffekts der Beihilfe gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung einhält.

159    Dies bedeutet, dass eine die Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 übersteigende Beihilfe, die, wie bereits in Rn. 129 des vorliegenden Urteils festgestellt, nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt und daher nach Art. 108 Abs. 3 AEUV bei der Kommission anzumelden ist, hinsichtlich ihres Teils, der diese Schwelle nicht übersteigt, nicht als eine durch diese Verordnung genehmigte Beihilfe angesehen werden kann, erst recht nicht, wenn nicht nachgewiesen ist, dass dieser Teil der Beihilfe alle materiellen Voraussetzungen dieser Verordnung, insbesondere diejenige des Anreizeffekts der Beihilfe, erfüllt.

160    Nach alledem ist dem Gericht kein Rechtsfehler unterlaufen, als es in den Rn. 173, 176 und 181 des angefochtenen Urteils entschied, dass eine die Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 übersteigende Beihilfe hinsichtlich ihres gesamten Betrags, einschließlich des diese Schwelle nicht übersteigenden Teils, als „neue Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999 im Rahmen einer Einzelprüfung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV zu beurteilen sei.

161    Somit war die Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt hinsichtlich ihres gesamten Betrags im Rahmen einer Einzelanmeldung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV zu beurteilen, und zwar auf der Grundlage, wie sich auch aus dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 800/2008 ergibt, sowohl der materiellen Voraussetzungen dieser Verordnung als auch der Kriterien, die in den spezifischen von der Kommission angenommenen Leitlinien und Rahmenregelungen festgelegt sind. Hingegen ist die Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 dieser Verordnung, wie sich bereits aus den Rn. 155 und 156 des vorliegenden Urteils ergibt, insoweit ohne Belang (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Juli 2011, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission, C‑459/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:515, Rn. 30 und 31).

162    Folglich hat das Gericht mit der Feststellung in Rn. 173 des angefochtenen Urteils, dass die Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 3 AEUV insbesondere anhand der Anforderungen der Mitteilung von 2009 zu prüfen sei, keinen Rechtsfehler begangen.

163    Wie aber bereits im Rahmen der Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes festgestellt worden ist, ist unstreitig, dass das Gericht insbesondere in den Rn. 119 und 131 des angefochtenen Urteils zu Recht angenommen hat, dass die fragliche Beihilfe einen Betrag von 17 Mio. Euro nicht übersteigen durfte, um den Erfordernissen des Anreizeffekts und der Angemessenheit der Beihilfe zu genügen, wie sie in den Nrn. 21, 22 und 25 bzw. 33 dieser Mitteilung vorgesehen sind.

164    Es ist zwar richtig, dass die in der Verordnung Nr. 800/2008 festgelegten materiellen Kriterien, wie die Rechtsmittelführerin in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat und wie sich aus der in Rn. 161 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, auch bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe im Rahmen einer Einzelanmeldung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV zu berücksichtigen sind. Wenn ein Mitgliedstaat eine Beihilfe, die den Voraussetzungen der Verordnung Nr. 800/2008 entspricht, bei der Kommission anmeldet, ist diese nämlich grundsätzlich verpflichtet, diese Beihilfe zu genehmigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 43).

165    Anders als die Rechtsmittelführerin suggeriert, kann jedoch die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt nicht je nachdem variieren, ob sie anhand der Voraussetzungen der Verordnung Nr. 800/2008 oder derjenigen der Mitteilung von 2009 erfolgt; dies verstieße gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV, der die Rechtsgrundlage sowohl dieser Verordnung als auch dieser Mitteilung darstellt. Insbesondere hat die Rechtsmittelführerin unrecht mit ihrer Behauptung, dass sie bei Anwendung dieser Verordnung einen Rechtsanspruch auf einen höheren Beihilfebetrag hätte als denjenigen, der von der Kommission im streitigen Beschluss im Rahmen einer Einzelanmeldung genehmigt worden sei.

166    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 107 Abs. 3 AEUV muss eine regionale Investitionsbeihilfe nämlich, um mit dem Binnenmarkt vereinbar zu sein, für die Durchführung der Investition und somit für die Verwirklichung der Ziele dieser Vorschrift notwendig sein (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Juli 2011, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission, C‑459/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:515, Rn. 33, vom 13. Juni 2013, HGA u. a./Kommission, C‑630/11 P bis C‑633/11 P, EU:C:2013:387, Rn. 104 und 105, sowie vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 49).

167    In diesem Sinne entsprechen die in den Nrn. 21, 22, 25 und 33 der Mitteilung von 2009 vorgesehenen Erfordernisse des Anreizeffekts und der Angemessenheit der Beihilfe im Einklang mit Art. 107 Abs. 3 AEUV im Wesentlichen der Voraussetzung des Anreizeffekts der Beihilfe gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 800/2008, wonach die Anwendung der Freistellung, die in dieser Verordnung für die von deren Art. 13 Abs. 1 erfassten Regionalbeihilfen, die Großunternehmen gewährt werden, vorgesehen ist, wie bereits in Rn. 157 des vorliegenden Urteils dargelegt, von dem Nachweis abhängt, dass das Vorhaben ohne die Beihilfe im betreffenden Fördergebiet nicht in der Form durchgeführt worden wäre.

168    Folglich wäre, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichtshofs hin ausgeführt hat, der notwendige Beihilfebetrag, den die Kommission, wie in der vorliegenden Rechtssache, im Rahmen einer anhand der Voraussetzungen der Mitteilung von 2009 geprüften Einzelanmeldung für mit dem Binnenmarkt vereinbar hält, identisch mit dem Beihilfebetrag, von dem angenommen wird, dass er den Bestimmungen der Verordnung Nr. 800/2008 entspricht.

169    Jedenfalls ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass das Gericht den Anreizeffekt und die Angemessenheit der Beihilfe zwar hauptsächlich anhand der in der Mitteilung von 2009 vorgesehenen Erfordernisse beurteilt hat, da diese detaillierter sind, bei dieser Beurteilung jedoch, wie aus Rn. 80 des angefochtenen Urteils – die die Rechtsmittelführerin übrigens in ihrer Rechtsmittelschrift nicht angegriffen hat – hervorgeht, auch explizit auf Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 800/2008 Bezug genommen hat, der den Anreizeffekt der Beihilfe betrifft.

170    Soweit die Rechtsmittelführerin hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, die Anwendung dieser Vorschrift sei im vorliegenden Fall durch Abs. 4 dieses Artikels ausgeschlossen, da die fragliche Beihilfe eine „steuerliche Maßnahme“ im Sinne dieses Absatzes sei, genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen, mit dem im Stadium des Rechtsmittels erstmals Rn. 80 des angefochtenen Urteils angegriffen wird, nicht nur nach der in Rn. 69 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung unzulässig ist, sondern auch jeder Grundlage entbehrt, da die fragliche Beihilfe offensichtlich keine steuerliche Maßnahme ist. Überdies hat die Rechtsmittelführerin keineswegs geltend gemacht, geschweige denn nachgewiesen, dass sie im Sinne von Art. 8 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 800/2008 nach dem IZG einen Rechtsanspruch auf diese Beihilfe habe, ohne dass die zuständigen Behörden über das geringste Ermessen in Bezug auf die zu finanzierenden Investitionen verfügten.

171    Die Rechtsmittelführerin trägt daher zu Unrecht vor, dass die fragliche Beihilfe, wäre sie auf einen Betrag unterhalb der Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 beschränkt worden, gemäß Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung von der Anmeldepflicht hätte freigestellt werden können, selbst wenn dieser Betrag das für die Verwirklichung der Investition Erforderliche überstiegen hätte.

172    Folglich hat das Gericht im angefochtenen Urteil keinen Rechtsfehler begangen, als es in dessen Rn. 179 feststellte, die Kommission habe zu Recht angenommen, dass die fragliche Beihilfe nur dann nach Art. 107 Abs. 3 AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden könne, wenn sie nicht den Betrag übersteige, der der Differenz zwischen den Nettokosten einer Investition in München und denen einer Investition in Leipzig entspreche, da diese Differenz den Betrag darstelle, der erforderlich sei, damit die Investition im Fördergebiet verwirklicht werde.

173    Diese Erwägungen werden, wie das Gericht in Rn. 179 des angefochtenen Urteils ebenfalls zu Recht entschieden hat, nicht durch die Fußnote zu Nr. 56 der Mitteilung von 2009 entkräftet, wonach ein Mitgliedstaat „die Möglichkeit [behält], derartige Beihilfen bis zu einer Höhe zu gewähren, die dem zulässigen Höchstbetrag entspricht, der im Rahmen der anwendbaren Bestimmungen für eine Investition mit beihilfefähigen Ausgaben von 100 Mio. [Euro] gewährt werden darf“. Diese Möglichkeit besteht nämlich, wie sich schon aus dem Wortlaut der Fußnote ergibt, nur für Beihilfen, die „auf der Grundlage einer bestehenden Regionalbeihilferegelung“ gewährt werden. Dies ist aber, wie aus den Rn. 147 bis 153 des vorliegenden Urteils hervorgeht, bei der hier in Rede stehenden Beihilfe nicht der Fall.

174    Aus denselben Gründen kann die Rechtsmittelführerin auch nicht geltend machen, das Diskriminierungsverbot sei verletzt worden, da ihre Wettbewerber einen Rechtsanspruch auf eine Beihilfe unterhalb der Einzelanmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 hätten, ohne dass sie nach Art. 108 Abs. 3 AEUV bei der Kommission angemeldet werde. Dieses Vorbringen fußt nämlich einmal mehr auf der unzutreffenden Prämisse, dass eine Beihilfe in dieser Höhe eine von der Kommission genehmigte bestehende Beihilfe darstelle. Es beruht überdies auf der irrigen Annahme, dass eine solche Beihilfe notwendigerweise alle weiteren materiellen Voraussetzungen dieser Verordnung erfülle, darunter die des Anreizeffekts der Beihilfe.

175    Daraus folgt außerdem, dass die Rechtsmittelführerin entgegen ihrem Vorbringen auch keine Benachteiligung erlitten hat, weil sich der betreffende Mitgliedstaat dafür entschieden hat, die fragliche Beihilfe gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV bei der Kommission anzumelden.

176    Ganz im Gegenteil stellt diese Beihilfe, nachdem sie von der Kommission im streitigen Beschluss für den Teil genehmigt wurde, von dem angenommen wurde, dass er die Erfordernisse des Anreizeffekts und der Angemessenheit der Beihilfe gemäß der Mitteilung von 2009 erfülle, nunmehr in diesem Ausmaß eine bestehende Beihilfe dar, wohingegen sie ohne eine solche Anmeldung, wenn die nationale Stelle die Verordnung Nr. 800/2008 zu Unrecht angewandt hätte, als eine unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährte und somit rechtswidrige neue Beihilfe qualifiziert worden wäre, was die in den Rn. 139 und 140 des vorliegenden Urteils dargelegten Folgen gehabt hätte.

177    Nach alledem sind beide Teile des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

178    Infolgedessen ist das Hauptrechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

 Kosten

179    Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

180    Da die Kommission die Verurteilung der Rechtsmittelführerin beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die der Kommission im Rahmen des Hauptrechtsmittels entstandenen Kosten aufzuerlegen.

181    Gemäß Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung trägt der Freistaat Sachsen seine eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem Hauptrechtsmittel.

182    Was das Anschlussrechtsmittel anbelangt, ist die Kommission mit ihren Rechtsmittelgründen unterlegen, und die Rechtsmittelführerin sowie der Freistaat Sachsen haben ihre Verurteilung zur Tragung der Kosten beantragt, so dass ihr neben ihren eigenen Kosten die der Rechtsmittelführerin und dem Freistaat Sachsen im Rahmen des Anschlussrechtsmittels entstandenen Kosten aufzuerlegen sind.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Hauptrechtsmittel und das Anschlussrechtsmittel werden zurückgewiesen.

2.      Die Bayerische Motoren Werke AG trägt im Zusammenhang mit dem Hauptrechtsmittel neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten.

3.      Der Freistaat Sachsen trägt seine eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem Hauptrechtsmittel.

4.      Die Europäische Kommission trägt im Zusammenhang mit dem Anschlussrechtsmittel neben ihren eigenen Kosten die der Bayerischen Motoren Werke AG und dem Freistaat Sachsen entstandenen Kosten.

Regan

Lycourgos

Juhász

Ilešič

 

Jarukaitis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Juli 2019.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Fünften Kammer

A. Calot Escobar

 

E. Regan


*      Verfahrenssprache: Deutsch.