Sprache des Dokuments : ECLI:EU:C:2019:172

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

5. März 2019(*)

Inhaltsverzeichnis


Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95

Verordnung (EG) Nr. 659/1999

Verordnung Nr. 794/2004

Verordnung (EG) Nr. 1083/2006

Verordnung Nr. 800/2008

Leitlinien

Estnisches Recht

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

Zur Beantwortung der Fragen

Zur ersten Frage bezüglich des Anreizeffekts der Beihilfe

Zur zweiten Frage und zum zweiten Teil der vierten Frage bezüglich der Verpflichtung, eine rechtswidrige Beihilfe zurückzufordern

Zur dritten Frage bezüglich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

Zum ersten Teil der vierten Frage bezüglich der auf die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe anwendbaren Verjährungsfrist

Zur fünften Frage bezüglich der Verpflichtung, Zinsen zu verlangen

Kosten


„Vorlage zur Vorabentscheidung – Staatliche Beihilfen – Verordnung (EG) Nr. 800/2008 (Gruppenfreistellungsverordnung) – Art. 8 Abs. 2 – Beihilfen, die einen Anreizeffekt haben – Begriff ‚Beginn des Vorhabens‘ – Befugnisse der nationalen Behörden – Rechtswidrige Beihilfe – Fehlen eines Beschlusses der Europäischen Kommission oder einer Entscheidung eines nationalen Gerichts – Verpflichtung der nationalen Behörden, eine rechtswidrige Beihilfe aus eigener Initiative zurückzufordern – Rechtsgrundlage – Art. 108 Abs. 3 AEUV – Allgemeiner unionsrechtlicher Grundsatz des Vertrauensschutzes – Entscheidung der zuständigen nationalen Behörde, mit der eine Beihilfe gemäß der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt wird – Kenntnis von Umständen, die die Förderfähigkeit des Beihilfeantrags ausschließen – Begründung eines berechtigten Vertrauens – Fehlen – Verjährung – Aus einem Strukturfonds kofinanzierte Beihilfen – Anwendbare Vorschriften – Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 – Nationale Regelung – Zinsen – Verpflichtung, Zinsen zu verlangen – Rechtsgrundlage – Art. 108 Abs. 3 AEUV – Anwendbare Vorschriften – Nationale Regelung – Effektivitätsgrundsatz“

In der Rechtssache C‑349/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tallinna Ringkonnakohus (Bezirksgericht Tallinn, Estland) mit Entscheidung vom 18. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juni 2017, in dem Verfahren

Eesti Pagar AS

gegen

Ettevõtluse Arendamise Sihtasutus,

Majandus- ja Kommunikatsiooniministeerium

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), M. Vilaras und E. Regan, der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter E. Juhász, M. Ilešič, J. Malenovský, L. Bay Larsen, D. Šváby und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Eesti Pagar AS, vertreten durch R. Paatsi und T. Biesinger, vandeadvokaadid,

–        der Ettevõtluse Arendamise Sihtasutus, vertreten durch K. Jakobson-Lott,

–        der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou, D. Tsagkaraki, E. Tsaousi und A. Dimitrakopoulou als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche, B. Stromsky, K. Blanck-Putz und K. Toomus als Bevollmächtigte im Beistand von L. Naaber-Kivisoo, vandeadvokaat,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. September 2018

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) (ABl. 2008, L 214, S. 3), die Verpflichtung der nationalen Behörden, eine rechtswidrige Beihilfe aus eigener Initiative zurückzufordern, die Auslegung des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes im Bereich der Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe, die Verjährungsfrist, die für die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe gilt, wenn die nationalen Behörden aus eigener Initiative tätig werden, und schließlich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei einer solchen Rückforderung Zinsen zu verlangen.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Eesti Pagar AS auf der einen Seite und der Ettevõtluse Arendamise Sihtasutus (Stiftung zur Entwicklung des Unternehmertums, im Folgenden: EAS) sowie dem Majandus- ja Kommunikatsiooniministeerium (Wirtschafts- und Kommunikationsministerium, Estland, im Folgenden: Ministerium) auf der anderen Seite über die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der EAS, die vom Ministerium nach Einlegung eines Widerspruchs bestätigt wurde und mit der die EAS von Eesti Pagar die Rückzahlung einer Beihilfe in Höhe von 526 300 Euro, die sie ihr zuvor gezahlt hatte, zuzüglich Zinsen verlangt.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95

3        Art. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1995, L 312, S. 1) bestimmt:

„(1)      Zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften wird eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht getroffen.

(2)      Der Tatbestand der Unregelmäßigkeit ist bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe.“

4        Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 2988/95 sieht vor:

„Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Artikel 1 Absatz 1. Jedoch kann in den sektorbezogenen Regelungen eine kürzere Frist vorgesehen werden, die nicht weniger als drei Jahre betragen darf.

Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung beginnt die Verjährungsfrist von neuem.“

5        In Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 2988/95 heißt es:

„(1)      Jede Unregelmäßigkeit bewirkt in der Regel den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils

–        durch Verpflichtung zur … Rückerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geldbetrags;

(2)      Die Anwendung der Maßnahmen nach Absatz 1 beschränkt sich auf den Entzug des erlangten Vorteils, zuzüglich – falls dies vorgesehen ist – der Zinsen, die pauschal festgelegt werden können.“

6        Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2988/95 bestimmt:

„Unregelmäßigkeiten, die vorsätzlich begangen oder durch Fahrlässigkeit verursacht werden, können zu folgenden verwaltungsrechtlichen Sanktionen führen:

b)      Zahlung eines Betrags, der den rechtswidrig erhaltenen oder hinterzogenen Betrag, gegebenenfalls zuzüglich der Zinsen, übersteigt; …“

 Verordnung (EG) Nr. 659/1999

7        In Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) heißt es:

„Die aufgrund einer Rückforderungsentscheidung zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen, die nach einem von der Kommission festgelegten angemessenen Satz berechnet werden. Die Zinsen sind von dem Zeitpunkt, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung zahlbar.“

8        Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 bestimmt:

„Die Befugnisse der Kommission zur Rückforderung von Beihilfen gelten für eine Frist von zehn Jahren.“

 Verordnung Nr. 794/2004

9        In Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 (ABl. 2004, L 140, S. 1, und, Berichtigung, ABl. 2005, L 25, S. 74) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 271/2008 der Kommission vom 30. Januar 2008 (ABl. 2008, L 82, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 794/2004) heißt es:

„(1)      Soweit per Entscheidung nicht anders bestimmt, entspricht der Zinssatz, der bei der Rückforderung einer unter Verstoß gegen Artikel [108] Absatz 3 [AEUV] gewährten staatlichen Beihilfe anzuwenden ist, dem effektiven Jahreszins, der für jedes Kalenderjahr im Voraus von der Kommission festgesetzt wird.

(2)      Zur Berechnung des Zinssatzes wird der Geldmarktsatz für ein Jahr um 100 Basispunkte erhöht. Liegt dieser Satz nicht vor, so wird der Geldmarktsatz für drei Monate oder, falls auch dieser nicht vorliegt, die Rendite staatlicher Schuldverschreibungen für die Berechnung verwendet.

(3)      Bei Fehlen zuverlässiger Daten zum Geldmarktsatz bzw. zur Rendite staatlicher Schuldverschreibungen und gleichwertiger Daten oder unter außergewöhnlichen Umständen kann die Kommission den Rückforderungszinssatz in enger Zusammenarbeit mit den betreffenden Mitgliedstaaten nach einer anderen Methode auf der Grundlage der ihr vorliegenden Angaben festsetzen.

(4)      Der Rückforderungszinssatz wird einmal jährlich angepasst. Der Basissatz wird auf der Grundlage des Geldmarktsatzes für ein Jahr im September, Oktober und November des betreffenden Jahres berechnet. Der berechnete Satz gilt für das gesamte folgende Jahr.

(5)      Um erheblichen plötzlichen Schwankungen Rechnung zu tragen, wird zusätzlich immer dann eine Aktualisierung vorgenommen, wenn der über die drei Vormonate berechnete Durchschnittssatz um mehr als 15 v. H. vom geltenden Satz abweicht. Dieser neue Satz tritt am ersten Tag des zweiten Monats in Kraft, der auf den für die Berechnung verwendeten Monat folgt.“

10      Art. 11 der Verordnung Nr. 794/2004 lautet:

„(1)      Anzuwenden ist der zu dem Zeitpunkt, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger das erste Mal zur Verfügung gestellt wurde, geltende Zinssatz.

(2)      Der Zinssatz wird bis zur Rückzahlung der Beihilfe nach der Zinseszinsformel berechnet. Für die im Vorjahr aufgelaufenen Zinsen sind in jedem folgenden Jahr Zinsen fällig.

(3)      Der in Absatz 1 genannte Zinssatz gilt während des gesamten Zeitraums bis zum Tag der Rückzahlung. Liegt jedoch mehr als ein Jahr zwischen dem Tag, an dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zum ersten Mal zur Verfügung gestellt wurde, und dem Tag der Rückzahlung der Beihilfe, so wird der Zinssatz ausgehend von dem zum Zeitpunkt der Neuberechnung geltenden Satz jährlich neu berechnet.“

 Verordnung (EG) Nr. 1083/2006

11      Art. 101 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (ABl. 2006, L 210, S. 25) sieht vor:

„Eine finanzielle Berichtigung durch die Kommission berührt nicht die Verpflichtungen des Mitgliedstaats, Einziehungen gemäß Artikel 98 Absatz 2 dieser Verordnung weiter zu verfolgen und die staatlichen Beihilfen gemäß Artikel [107 AEUV] und Artikel 14 der Verordnung … Nr. 659/1999 ... zurückzufordern.“

 Verordnung Nr. 800/2008

12      In den Erwägungsgründen 1, 2, 5, 28 und 29 der Verordnung Nr. 800/2008 heißt es:

„(1)      Durch die Verordnung (EG) Nr. 994/98 [des Rates vom 7. Mai 1998 über die Anwendung der Artikel (107 und 108 AEUV) auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen (ABl. 1998, L 142, S. 1)] ist die Kommission ermächtigt worden, nach Artikel [107 AEUV] zu erklären, dass Beihilfen zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen (‚KMU‘), Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen, Umweltschutzbeihilfen, Beschäftigungs- und Ausbildungsbeihilfen sowie Beihilfen, die im Einklang mit der von der Kommission für jeden Mitgliedstaat zur Gewährung von Regionalbeihilfen genehmigten Fördergebietskarte stehen, unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind und nicht der Anmeldepflicht nach Artikel [108] Absatz 3 [AEUV] unterliegen.

(2)      Die Kommission hat die Artikel [107] und [108 AEUV] in zahlreichen Entscheidungen angewandt und … ausreichende Erfahrungen gesammelt, um allgemeine Vereinbarkeitskriterien für Beihilfen zugunsten von KMU in Form von Investitionsbeihilfen innerhalb und außerhalb von Fördergebieten, in Form von Risikokapitalbeihilferegelungen sowie im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation festzulegen.

(5)      Diese Freistellungsverordnung sollte für alle Beihilfen gelten, die sämtliche einschlägigen Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen, wie auch für alle Beihilferegelungen, bei denen gewährleistet ist, dass auf der Grundlage solcher Regelungen gewährte Einzelbeihilfen ebenfalls sämtliche einschlägigen Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen. …

(28)      Um sicherzustellen, dass die Beihilfe notwendig ist und als Anreiz dafür dient, dass mehr Tätigkeiten oder Vorhaben in Angriff genommen werden, sollte diese Verordnung nicht für Beihilfen zugunsten von Tätigkeiten gelten, die der Empfänger auch ohne Beihilfe unter Marktbedingungen durchführen würde. Im Falle von Beihilfen, die auf der Grundlage dieser Verordnung an ein KMU vergeben werden, sollte ein solcher Anreizeffekt als gegeben angesehen werden, wenn das betreffende KMU bei dem Mitgliedstaat einen Beihilfeantrag stellt, bevor es mit der Durchführung des geförderten Vorhabens oder der geförderten Tätigkeiten beginnt. …

(29)      Bei Beihilfen, die auf der Grundlage dieser Verordnung an ein Großunternehmen vergeben werden, sollte der Mitgliedstaat über die für KMU geltenden Voraussetzungen hinaus auch dafür Sorge tragen, dass der Empfänger in einem internen Dokument die Durchführbarkeit des geförderten Vorhabens oder der geförderten Tätigkeit mit und ohne Beihilfe analysiert hat. …“

13      Art. 3 der Verordnung Nr. 800/2008 sieht vor:

„(1)      Beihilferegelungen, die alle Voraussetzungen des Kapitels I erfüllen sowie den einschlägigen Bestimmungen des Kapitels II entsprechen, sind im Sinne von Artikel [107] Absatz 3 [AEUV] mit dem Gemeinsamem Markt vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Artikel [108] Absatz 3 [AEUV] freigestellt, wenn alle Einzelbeihilfen auf der Grundlage solcher Regelungen ebenfalls alle Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen und die Regelungen einen ausdrücklichen Verweis auf diese Verordnung unter Angabe des Titels sowie einen ausdrücklichen Verweis auf die Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union enthalten.

(2)      Einzelbeihilfen auf der Grundlage einer unter Absatz 1 genannten Regelung sind im Sinne von Artikel [107] Absatz 3 [AEUV] mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Artikel [108] Absatz 3 [AEUV] freigestellt, wenn diese Einzelbeihilfemaßnahmen alle Voraussetzungen des Kapitels I erfüllen sowie den einschlägigen Bestimmungen des Kapitels II entsprechen und einen ausdrücklichen Verweis auf die einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung unter Angabe der einschlägigen Bestimmungen, des Titels dieser Verordnung sowie der Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union enthalten.

(3)      Ad-hoc-Beihilfen, die alle Voraussetzungen des Kapitels I erfüllen sowie den einschlägigen Bestimmungen des Kapitels II entsprechen, sind im Sinne von Artikel [107] Absatz 3 [AEUV] mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Artikel [108] Absatz 3 [AEUV] freigestellt, wenn diese Beihilfen einen ausdrücklichen Verweis auf die einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung unter Angabe der einschlägigen Bestimmungen, des Titels dieser Verordnung sowie der Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union enthalten.“

14      Art. 8 Abs. 1 bis 3 und 6 der Verordnung Nr. 800/2008 bestimmt:

„(1)      Mit dieser Verordnung werden nur Beihilfen freigestellt, die einen Anreizeffekt haben.

(2)      KMU-Beihilfen, die unter diese Verordnung fallen, gelten als Beihilfen mit Anreizeffekt, wenn der Beihilfeempfänger den Beihilfeantrag im betreffenden Mitgliedstaat vor Beginn des Vorhabens oder der Tätigkeit gestellt hat.

(3)      Beihilfen für Großunternehmen, die unter diese Verordnung fallen, gelten als Beihilfen mit Anreizeffekt, wenn die Voraussetzung von Absatz 2 erfüllt ist und der Mitgliedstaat zudem vor der Bewilligung der betreffenden Einzelbeihilfe überprüft hat, dass der Beihilfeempfänger die Erfüllung eines oder mehrerer der folgenden Kriterien in seinen Unterlagen nachgewiesen hat:

(6)      Sind die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 nicht erfüllt, so wird die gesamte Beihilfemaßnahme nach dieser Verordnung nicht freigestellt.“

 Leitlinien

15      In Punkt 38 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007–2013 (2006/C 54/08) (ABl. 2006, C 54, S. 13, im Folgenden: Leitlinien) heißt es:

„Es ist wichtig, dass eine Regionalbeihilfe Anreiz zu Investitionen gibt, die sonst in den geförderten Regionen nicht getätigt würden. Daher können Beihilfen im Rahmen von Beihilferegelungen nur gewährt werden, wenn der Empfänger diese beantragt hat und die für die Verwaltung der Regelung zuständige Behörde vor Beginn der Arbeiten schriftlich bestätigt(39) hat, dass das Vorhaben vorbehaltlich einer detaillierten Überprüfung die Förderwürdigkeitsbedingungen grundsätzlich erfüllt(40). In sämtlichen Beihilferegelungen ist ausdrücklich auf diese beiden Voraussetzungen zu verweisen(41). Bei Ad-hoc-Beihilfen muss die zuständige Behörde vor Beginn der Arbeiten eine schriftliche Absichtserklärung zur Gewährung der Beihilfe abgeben, die von der Genehmigung der Beihilfe durch die Kommission abhängig ist. Werden die Arbeiten begonnen, bevor diese Bedingungen erfüllt sind, so kann das Vorhaben keine Beihilfen erhalten.“

16      Fn. 40 (Fn. 39 in der estnischen Fassung) der Leitlinien enthält die folgende Klarstellung:

„Unter dem ‚Beginn der Arbeiten‘ ist entweder die Aufnahme der Bauarbeiten oder die erste verbindliche Verpflichtung zur Bestellung von Anlagen zu verstehen, wobei Durchführbarkeitsstudien ausgeschlossen sind.“

 Estnisches Recht

17      § 26 („Rückforderung der Beihilfe“) des Perioodi 2007–2013 struktuuritoetuse seadus (Gesetz über die Strukturbeihilfe für den Zeitraum 2007–2013) vom 7. Dezember 2006 (RT I 2006, 59, 440) in der vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: STS) sieht in den Abs. 5 und 6 vor:

„(5)      Die Entscheidung über die Rückforderung kann spätestens am 31. Dezember 2025 erlassen werden. Im in Art. 88 der Verordnung ... Nr. 1083/2006 ... geregelten Fall kann die Entscheidung über die Rückforderung bis zum Ablauf der von der Regierung der Republik für die Aufbewahrung der Unterlagen bestimmten Frist erlassen werden.

(6)      Die Regierung der Republik legt die Voraussetzungen und das Verfahren für die Rückforderung und die Rückzahlung der Förderung fest.“

18      In § 28 („Zinsen und Verzugszinsen“) Abs. 1 bis 3 STS heißt es:

„(1)      Auf den ausstehenden Betrag einer auf der Grundlage von § 26 Abs. 1 und 2 dieses Gesetzes zurückzuzahlenden Förderung werden Zinsen verlangt. Der Zinssatz auf den ausstehenden Betrag der zurückzuzahlenden Förderung ist der Euribor für sechs Monate zuzüglich 5 % jährlich. Die Zinsberechnungsgrundlage ist ein Zeitraum von 360 Tagen.

(11)      Zinsen werden nicht verlangt, wenn ein erzielter Gewinn zurückgefordert wird und der Empfänger der Beihilfe die Verpflichtungen zur Mitteilung des Gewinns aus dem Projekt erfüllt hat, die ihm nach Maßgabe des Verfahrens gemäß § 21 Abs. 2 dieses Gesetzes auferlegt wurden.

(2)      Die Zinsen werden ab dem Tag berechnet, an dem die Entscheidung über die Rückforderung wirksam wird, wobei der Zinssatz zugrunde gelegt wird, der am letzten Werktag des dem Kalendermonat, in dem die Entscheidung erlassen wurde, vorangegangenen Monats galt. Wenn bei der Beantragung oder der Verwendung der Förderung eine Straftat begangen wurde, so werden die Zinsen ab dem Tag der Auszahlung der Förderung berechnet, wobei der an diesem Tag geltende Zinssatz zugrunde gelegt wird.

(3)      Die Zinsen werden bis zum Tag der Rückzahlung der Förderung berechnet, jedoch nicht länger als bis zum Termin für die Rückzahlung, im Fall einer Stundung bis zum endgültigen Termin für die Rückzahlung. …“

19      § 11 Abs. 1 des Vabariigi Valitsuse määrus nr 278 „Toetuse tagasinõudmise ja tagasimaksmise ning toetuse andmisel ja kasutamisel toimunud rikkumisest teabe edastamise tingimused ja kord“ (Regierungsverordnung Nr. 278 über die Voraussetzungen und das Verfahren für die Rückforderung und die Rückzahlung der Förderung und für die Übermittlung der Information über einen bei der Gewährung und der Verwendung der Förderung aufgetretenen Verstoß) vom 22. Dezember 2006 (RT I 2006, 61, 463), das u. a. auf der Grundlage von § 26 Abs. 6 STS erlassen wurde, lautet:

„Die Entscheidung über die Rückforderung der Förderung ist eine Ermessensentscheidung; sie ergeht innerhalb von 45 Kalendertagen, bei einer Rückforderung von mehr als 127 823 Euro innerhalb von 90 Kalendertagen, gerechnet ab dem Tag der Kenntniserlangung von den Gründen für die Rückforderung der Förderung. In begründeten Fällen kann die Frist für den Erlass der Entscheidung um eine angemessene Frist verlängert werden.“

20      § 1 („Anwendungsbereich“) des Majandus- ja kommunikatsiooniministri määrus nr 44 „Tööstusettevõtja tehnoloogiainvesteeringu toetamise tingimused ja kord“ (Verordnung Nr. 44 des Wirtschafts- und Kommunikationsministers über die Voraussetzungen und das Verfahren für die Förderung von Technologieinvestitionen von Industrieunternehmen) vom 4. Juni 2008 (RTL 2008, 48, 658) bestimmt u. a.:

„(1)      Die Voraussetzungen und das Verfahren für die Förderung von Technologieinvestitionen von Industrieunternehmen … werden zur Umsetzung der Ziele der Prioritätsachse ‚Innovations- und Wachstumspotenzial der Unternehmen‘ des operationellen Programms ‚Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen‘ festgelegt.

(2)      Im Rahmen [dieser] Maßnahme können bewilligt werden: 1. eine nach Maßgabe der Verordnung ... Nr. 800/2008 ... gewährte und den Bestimmungen dieser Verordnung sowie des § 342 des konkurentsiseadus (Wettbewerbsgesetz) unterliegende Regionalbeihilfe; …“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

21      Am 28. August 2008 schloss Eesti Pagar mit der Kauko-Telko Oy einen Vertrag, in dem sie sich zum Erwerb einer Fertigungslinie für Kasten- und Toastbrot zum Preis von 2 770 000 Euro verpflichtete. Nach den Bestimmungen des Vertrags wurde dieser nach Leistung einer ersten Zahlung in Höhe von 5 % des Kaufpreises, die am 3. September 2008 erfolgte, wirksam.

22      Am 29. September 2008 schloss Eesti Pagar mit der AS Nordea Finance Estonia einen Leasingvertrag, woraufhin am 13. Oktober 2008 ein dreiseitiger Kaufvertrag geschlossen wurde, in dem Kauko-Telko sich verpflichtete, die betreffende Brotfertigungslinie an Nordea Finance Estonia zu verkaufen, die sich verpflichtete, diese an Eesti Pagar zu verleasen. Dieser Vertrag galt ab seiner Unterzeichnung.

23      Am 24. Oktober 2008 stellte Eesti Pagar bei der EAS auf der Grundlage von § 1 der Verordnung Nr. 44 vom 4. Juni 2008 einen Antrag auf eine Beihilfe für die Anschaffung und die Installation der erwähnten Brotfertigungslinie. Die EAS gab diesem Antrag mit Entscheidung vom 10. März 2009 in Höhe von 526 300 Euro statt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof wurde erläutert, dass diese Beihilfe aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert wurde.

24      Mit Schreiben vom 22. Januar 2013 wurde Eesti Pagar von der EAS darüber informiert, dass der am 28. August 2008 geschlossene Kaufvertrag gegen die in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 vorgesehene Voraussetzung des Anreizeffekts der Beihilfe verstoße, weshalb Eesti Pagar eine rechtswidrige staatliche Beihilfe gewährt worden sei. Da Eesti Pagar der Auffassung war, dass die ihr gewährte staatliche Beihilfe sehr wohl einen Anreizeffekt gehabt habe, stellte sie – entgegen der von der EAS in dem Schreiben gegebenen Empfehlung – bei der Kommission keinen Antrag auf Genehmigung der Beihilfe.

25      Mit Schreiben vom 12. Juli 2013 teilte die EAS Eesti Pagar mit, dass sie wegen dieser Unregelmäßigkeit ein Nonkonformitätsverfahren eingeleitet habe und beabsichtige, die ihr gewährte Beihilfe in Höhe von 526 300 Euro zurückzufordern.

26      Am 8. Januar 2014 erließ die EAS eine Entscheidung, mit der sie von Eesti Pagar den Betrag der in Rede stehenden Beihilfe zuzüglich Zinsen und Zinseszinsen in Höhe von insgesamt 98 454 Euro für die Zeit von der Zahlung der Beihilfe bis zu deren Rückforderung gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 794/2004 und § 28 STS zurückforderte. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, dass als Ergebnis einer im Dezember 2012 durchgeführten Nachprüfung festgestellt worden sei, dass der Kaufvertrag vom 28. August 2008 vor der Einreichung des Beihilfeantrags bei der EAS geschlossen worden sei, weshalb der nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 erforderliche Anreizeffekt nicht nachgewiesen sei.

27      Am 10. Februar 2014 legte Eesti Pagar gegen diese Entscheidung Widerspruch ein, der mit Entscheidung Nr. 14-0003 des Ministeriums vom 21. März 2014 zurückgewiesen wurde.

28      Am 21. April 2014 erhob Eesti Pagar beim Tallinna Halduskohus (Verwaltungsgericht Tallinn, Estland) Klage auf Nichtigerklärung der Rückforderungsentscheidung der EAS sowie der bestätigenden Entscheidung des Ministeriums, hilfsweise auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidungen hinsichtlich der Rückzahlung der in Rede stehenden Beihilfe und weiter hilfsweise auf ihre Nichtigerklärung hinsichtlich der Zinsforderung. Mit Urteil vom 17. November 2014 wies dieses Gericht die Klage in vollem Umfang ab.

29      Gegen dieses Urteil legte Eesti Pagar am 16. Dezember 2014 bei dem vorlegenden Gericht Berufung ein, die mit Urteil vom 25. September 2015 zurückgewiesen wurde.

30      Am 26. Oktober 2015 legte Eesti Pagar Kassationsbeschwerde ein, der das Riigikohus (Oberstes Gericht, Estland) mit Urteil vom 9. Juni 2016 insoweit teilweise stattgab, als es das Urteil des vorlegenden Gerichts aufhob und Nr. 1.1 des verfügenden Teils der Rückforderungsentscheidung vom 8. Januar 2014 sowie den die Zinsen betreffenden Teil von Nr. 1.2 dieser Entscheidung für nichtig erklärte. Im Übrigen verwies es die Sache an das vorlegende Gericht zu erneuter Prüfung zurück. Das Urteil des Riigikohus (Oberstes Gericht) beruht u. a. auf den folgenden Erwägungen:

–        Eine vor der Beantragung der Beihilfe geschlossene verbindliche Vereinbarung zum Zweck des Erwerbs von Anlagen schließe einen Anreizeffekt nicht aus, wenn sich der Käufer bei einer Versagung der Beihilfe ohne übermäßige Schwierigkeiten von dem Vertrag lossagen könne, was im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen erscheine.

–        Es gebe keine Vorschrift des Unionsrechts, die die Mitgliedstaaten ausdrücklich und zwingend verpflichte, eine rechtswidrige Beihilfe ohne einen entsprechenden Beschluss der Kommission zurückzufordern, weshalb die Rückforderung einer solchen Beihilfe auf eigene Initiative des betreffenden Mitgliedstaats eine Ermessensentscheidung seiner Behörden sei.

–        Werde eine Beihilfe auf Initiative des betreffenden Mitgliedstaats zurückgefordert, so sei bei der Ausübung des Ermessens das berechtigte Vertrauen des Begünstigten zu berücksichtigen, das auch durch die Tätigkeit einer nationalen Behörde entstehen könne.

–        Zwar sei im vorliegenden Fall unklar, ob die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 festgelegte Verjährungsfrist von vier Jahren bei der Rückforderung der von dem betreffenden Mitgliedstaat gezahlten Strukturbeihilfen anwendbar sei; jedenfalls könne aber die in Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 vorgesehene Verjährungsfrist von zehn Jahren keine Anwendung finden, wenn die Kommission keinen Beschluss über die Rückforderung einer Beihilfe erlassen habe.

–        Weder im estnischen noch im Unionsrecht gebe es eine Rechtsgrundlage dafür, Zinsen für die Zeit zwischen der Auszahlung der in Rede stehenden Beihilfe und ihrer Rückforderung zu verlangen, da insbesondere die Art. 9 und 11 der Verordnung Nr. 794/2004 gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 659/1999 nur Zinsen beträfen, die für eine aufgrund eines Kommissionsbeschlusses zurückzuzahlende Beihilfe anfielen, und da in Art. 4 Abs. 2 sowie in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2988/95 keine Verpflichtung zur Zinszahlung festgelegt, sondern vielmehr vorausgesetzt werde, dass eine solche Verpflichtung durch Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten geregelt werde.

31      In dem vor dem vorlegenden Gericht wieder aufgenommenen Verfahren macht Eesti Pagar u. a. geltend, die von ihr am 28. August, 29. September und 13. Oktober 2008 geschlossenen Verträge seien nicht bindend gewesen, da sie davon bei einer Verweigerung der Beihilfe durch Zahlung einer geringen Rücktrittsgebühr ohne Weiteres hätte zurücktreten können. Das Vorhaben des Erwerbs und der Einrichtung einer Brotfertigungslinie wäre ohne die beantragte Beihilfe nicht realisiert worden, und die EAS hätte deren Anreizeffekt inhaltlich prüfen müssen.

32      Eesti Pagar trägt auch vor, dass der Abschluss dieser Verträge der EAS bei Einreichung des Beihilfeantrags bekannt gewesen sei und dass ein Vertreter der EAS ihr empfohlen habe, sie vor der Einreichung dieses Antrags abzuschließen. Durch die Gewährung der beantragten Beihilfe habe die EAS daher bei Eesti Pagar ein berechtigtes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Beihilfe begründet.

33      Ferner macht Eesti Pagar geltend, dass die EAS nicht verpflichtet sei, die in Rede stehende Beihilfe zurückzufordern, dass deren Rückforderung nach der in § 11 Abs. 1 der Regierungsverordnung Nr. 278 und in § 26 Abs. 6 STS bzw. in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 vorgesehenen Verjährungsregel nicht mehr möglich sei und dass die Zinsforderung im Widerspruch zu § 27 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 bis 3 STS stehe.

34      Die EAS und das Ministerium sind der Ansicht, dass der Beihilfeantrag den Anforderungen nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 nicht entspreche und dass die EAS insbesondere gemäß Art. 101 der Verordnung Nr. 1083/2006 verpflichtet gewesen sei, die in Rede stehende Beihilfe von Eesti Pagar zurückzufordern.

35      Die EAS bestreitet, von den Verträgen, die Eesti Pagar am 28. August, 29. September und 13. Oktober 2008 geschlossen habe, bei der Prüfung des Beihilfeantrags Kenntnis gehabt und zu deren Abschluss geraten zu haben. Sie habe somit bei Eesti Pagar kein berechtigtes Vertrauen begründet. Das Ministerium meint, dass jedenfalls weder die Gutgläubigkeit des Beihilfeempfängers noch das Verhalten eines Verwaltungsorgans von der Verpflichtung befreiten, eine rechtswidrige Beihilfe zurückzuzahlen.

36      Die EAS und das Ministerium tragen vor, dass im vorliegenden Fall die zehnjährige Verjährungsfrist nach Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 zumindest entsprechend gelte und dass sich die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen u. a. aus Art. 14 Abs. 2 dieser Verordnung ergebe.

37      Am 30. Dezember 2016 reichte die Kommission bei dem vorlegenden Gericht als amicus curiae eine Stellungnahme ein.

38      Das vorlegende Gericht führt erstens aus, dass es zwar aufgrund einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift an die im Urteil des Riigikohus (Oberstes Gericht) vom 9. Juni 2016 vorgenommene rechtliche Beurteilung gebunden sei, sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch ergebe, dass ihm eine solche Rechtsvorschrift nicht die in Art. 267 AEUV vorgesehene Befugnis nehmen könne, dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts vorzulegen.

39      Zweitens sei die Analyse des Riigikohus (Oberstes Gericht), wonach es möglich gewesen sei, die Frage zu beurteilen, ob sich die Person, die die Beihilfe beantragt habe, im Fall einer Versagung der Beihilfe ohne übermäßige Schwierigkeiten von den Verträgen hätte lossagen können, durch eine Rechtsprechung des Gerichtshofs inspiriert, die nicht die Zuständigkeit der nationalen Behörden im Kontext einer Gruppenfreistellungsverordnung betreffe, sondern eine von der Kommission gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV vorgenommene individuelle Prüfung. Es sei jedoch nicht klar, ob diese Rechtsprechung auf die von dem betreffenden Mitgliedstaat auf der Grundlage der Verordnung Nr. 800/2008 vorgenommene Beurteilung des Anreizeffekts übertragbar sei und ob die Behörde dieses Mitgliedstaats dafür zuständig sei, inhaltlich zu prüfen, ob die in Rede stehende Beihilfe einen Anreizeffekt habe.

40      Drittens ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht klar hervorgehe, ob ein Mitgliedstaat, wenn er beschließe, ohne einen entsprechenden Beschluss der Kommission eine rechtswidrige Beihilfe zurückzufordern, befugt sei, von den innerstaatlichen Verwaltungsverfahrensgrundsätzen auszugehen und ein beim Empfänger der in Rede stehenden Beihilfe durch die nationale Behörde hervorgerufenes berechtigtes Vertrauen zu berücksichtigen.

41      Viertens sei ferner unklar, ob bei der von einer mitgliedstaatlichen Stelle erlassenen Entscheidung über die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe von der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 vorgesehenen Verjährungsfrist von vier Jahren oder der in Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 vorgesehenen Verjährungsfrist von zehn Jahren auszugehen sei.

42      Fünftens legt das vorlegende Gericht dar, auch wenn das Riigikohus (Oberstes Gericht) den Rechtsstreit über die Zinsen zum Teil entschieden und die Rückforderungsentscheidung insoweit für nichtig erklärt habe, als Eesti Pagar darin zur Zahlung von Zinsen verpflichtet worden sei, sei es für die Entscheidung über die bei ihm anhängige Sache weiterhin erforderlich, Klarheit darüber zu gewinnen, welche Anforderungen sich aus dem Unionsrecht bei einer von einem Mitgliedstaat aus eigener Initiative vorgenommenen Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe hinsichtlich der Zahlung von Zinsen ergäben.

43      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehe aber nicht mit hinreichender Klarheit hervor, ob sich die mitgliedstaatliche Stelle, wenn sie eine rechtswidrige Beihilfe aus eigener Initiative zurückfordere, unabhängig von den im innerstaatlichen Recht für die Forderung von Zinsen festgelegten Regeln an den Zielen von Art. 108 Abs. 3 AEUV orientieren und die Zinsen gemäß den Art. 9 und 11 der Verordnung Nr. 794/2004 berechnen müsse.

44      Vor diesem Hintergrund hat das Tallinna Ringkonnakohus (Bezirksgericht Tallinn, Estland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 dahin auszulegen, dass im Kontext dieser Bestimmung mit der „[Durchführung] des Vorhabens oder der Tätigkeit“ begonnen wurde, wenn die zu fördernde Tätigkeit beispielsweise im Erwerb einer Anlage besteht und der Kaufvertrag über die entsprechende Anlage abgeschlossen wurde? Sind die mitgliedstaatlichen Stellen befugt, einen Verstoß gegen das in der genannten Bestimmung aufgestellte Kriterium anhand der Kosten eines Rücktritts von dem Vertrag, der gegen das Erfordernis des Anreizeffekts verstößt, zu beurteilen? Wenn die mitgliedstaatlichen Stellen eine solche Befugnis haben, bei wie hohen Kosten (in Prozent), die für den Rücktritt vom Vertrag anfallen, lässt sich dann davon ausgehen, dass sie unter dem Aspekt der Erfüllung des Erfordernisses des Anreizeffekts hinreichend marginal sind?

2.      Ist eine mitgliedstaatliche Stelle verpflichtet, eine von ihr gewährte rechtswidrige Beihilfe auch dann zurückzufordern, wenn die Kommission keinen entsprechenden Beschluss erlassen hat?

3.      Kann eine mitgliedstaatliche Stelle, die entscheidet, eine Beihilfe zu gewähren – in der falschen Annahme, dass es sich um eine Beihilfe handelt, die den Voraussetzungen der Verordnung Nr. 800/2008 entspricht, während sie in Wirklichkeit eine rechtswidrige Beihilfe gewährt – bei den Empfängern der Beihilfe ein berechtigtes Vertrauen begründen? Genügt für die Begründung eines berechtigten Vertrauens bei den Empfängern insbesondere, dass die mitgliedstaatliche Stelle bei der Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe die Umstände kennt, die dazu führen, dass die Beihilfe nicht von der Gruppenfreistellung erfasst wird?

Wenn die vorstehende Frage bejaht wird, müssen das öffentliche Interesse und das Interesse des Einzelnen gegeneinander abgewogen werden. Ist es im Kontext der entsprechenden Abwägung von Bedeutung, ob die Kommission in Bezug auf die in Rede stehende Beihilfe einen Beschluss erlassen hat, mit dem sie sie für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt hat?

4.      Welche Verjährungsfrist gilt für die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe durch eine mitgliedstaatliche Stelle? Beträgt diese Frist zehn Jahre entsprechend dem Zeitraum, nach dem die Beihilfe gemäß den Art. 1 und 15 der Verordnung Nr. 659/1999 zu einer bestehenden Beihilfe wird und nicht mehr zurückgefordert werden kann, oder vier Jahre gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95?

Was ist die Rechtsgrundlage für eine solche Rückforderung, wenn die Beihilfe aus einem Strukturfonds gewährt wurde: Art. 108 Abs. 3 AEUV oder die Verordnung Nr. 2988/95?

5.      Wenn eine mitgliedstaatliche Stelle eine rechtswidrige Beihilfe zurückfordert, ist sie dann dabei verpflichtet, von dem Empfänger Zinsen auf die rechtswidrige Beihilfe zu verlangen? Wenn ja, welche Regeln finden dann auf die Berechnung der Zinsen u. a. hinsichtlich des Zinssatzes und des Berechnungszeitraums Anwendung?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

45      Nach Ansicht von Eesti Pagar hat das Riigikohus (Oberstes Gericht) mit seinem Urteil vom 9. Juni 2016 den Ausgangsrechtsstreit auf nationaler Ebene im Wesentlichen entschieden, so dass die Vorlagefragen angesichts des Verfahrensstadiums, in dem sie gestellt würden, außer der vierten Frage unzulässig seien.

46      Zudem seien die Fragen 1 bis 4, wie sie von dem vorlegenden Gericht formuliert worden seien, irrelevant und beruhten u. a. auf unzutreffenden Prämissen und einer unvollständigen Darstellung des Sachverhalts, was die Verbindlichkeit oder Unverbindlichkeit des am 28. August 2008 geschlossenen Vertrags, den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des am 29. September 2008 geschlossenen Vertrags, die Verpflichtungen, die durch den am 28. August 2008 geschlossenen Vertrag gegenüber Eesti Pagar begründet worden seien, den Zeitpunkt, zu dem die EAS von diesen Verträgen Kenntnis erlangt habe, und deren Empfehlung, diese Verträge vor der Stellung des Beihilfeantrags abzuschließen, betreffe.

47      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen ihm und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegten Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Zu Letzterem ist darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht dienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, es erforderlich macht, dass dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in dem sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen die Fragen beruhen. Dieses Erfordernis gilt ganz besonders im Bereich des Wettbewerbs, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist (Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass das vorlegende Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der Vorlagefragen eindeutig festgelegt hat und dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, dessen Richtigkeit zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Mai 2010, Ioannis Katsivardas – Nikolaos Tsitsikas, C‑160/09, EU:C:2010:293, Rn. 27).

51      Des Weiteren geht aus diesem tatsächlichen Rahmen eindeutig hervor, dass das Riigikohus (Oberstes Gericht) mit seinem Urteil vom 9. Juni 2016 die Sache an das vorlegende Gericht zu erneuter Prüfung der Problemstellungen, die Gegenstand der Fragen 1 bis 4 sind, zurückverwiesen hat.

52      Im Übrigen kann nach einer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Vorschrift, nach der die nicht in letzter Instanz entscheidenden Gerichte durch die Beurteilung des höheren Gerichts gebunden sind, diesen Gerichten nicht die Möglichkeit nehmen, ihm Fragen der Auslegung des Unionsrechts vorzulegen, um das es in dieser rechtlichen Beurteilung geht. Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass es einem Gericht, das nicht in letzter Instanz entscheidet, freistehen muss, dem Gerichtshof die Fragen vorzulegen, bei denen es Zweifel hat, wenn es der Ansicht ist, dass es aufgrund der rechtlichen Beurteilung des übergeordneten Gerichts zu einem unionsrechtswidrigen Urteil gelangen könnte (Urteil vom 5. Oktober 2010, Elchinov, C‑173/09, EU:C:2010:581, Rn. 27).

53      Schließlich stellt das vorlegende Gericht zwar fest, dass das Riigikohus (Oberstes Gericht) mit seinem Urteil vom 9. Juni 2016 den Ausgangsrechtsstreit hinsichtlich der Zinsen teilweise dadurch entschieden habe, dass es die Entscheidung über die Rückforderung der streitigen Beihilfe für nichtig erklärt habe, soweit Eesti Pagar damit verpflichtet worden sei, die Zinsen zu zahlen, die durch diese Beihilfe von ihrer Auszahlung bis zu ihrer Rückforderung angefallen seien. Es weist jedoch auch darauf hin, dass es für die Entscheidung dieses Teils des Rechtsstreits weiterhin notwendig sei, dass der Gerichtshof die fünfte Frage beantworte, damit Klarheit geschaffen werde über die Voraussetzungen, von denen das Unionsrecht die Zahlung von Zinsen im Fall der Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe abhängig mache.

54      Daraus folgt, dass das Vorabentscheidungsersuchen insgesamt zulässig ist.

 Zur Beantwortung der Fragen

 Zur ersten Frage bezüglich des Anreizeffekts der Beihilfe

55      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 dahin auszulegen ist, dass mit der „[Durchführung] des Vorhabens oder der Tätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung begonnen wurde, wenn vor der Stellung eines Beihilfeantrags durch den Abschluss eines Kaufvertrags eine erste Bestellung von Anlagen, die für dieses Vorhaben oder für diese Tätigkeit bestimmt sind, aufgegeben wurde, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Beihilfe einen Anreizeffekt im Sinne dieser Bestimmung hatte, oder ob die zuständigen nationalen Stellen trotz des Abschlusses eines solchen Vertrags überprüfen müssen, ob in Anbetracht der Höhe der Kosten des Rücktritts von diesem Vertrag das Erfordernis eines Anreizeffekts im Sinne dieser Bestimmung erfüllt ist oder nicht.

56      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Anmeldepflicht ein Grundbestandteil des mit dem AEU-Vertrag im Bereich der staatlichen Beihilfen eingerichteten Kontrollsystems ist. Im Rahmen dieses Systems sind die Mitgliedstaaten zum einen verpflichtet, bei der Kommission alle Maßnahmen anzumelden, mit denen eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingeführt oder umgestaltet werden soll, und zum anderen, gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV solche Maßnahmen nicht durchzuführen, solange die Kommission nicht abschließend über sie entschieden hat (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 31 und 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Nach Art. 109 AEUV kann der Rat der Europäischen Union indessen alle zweckdienlichen Durchführungsverordnungen zu den Art. 107 und 108 AEUV erlassen und insbesondere die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie die Arten von Beihilfen festlegen, die von dem in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahren ausgenommen sind. Ferner kann die Kommission nach Art. 108 Abs. 4 AEUV Verordnungen zu den Arten staatlicher Beihilfen erlassen, für die der Rat nach Art. 109 AEUV festgelegt hat, dass sie von dem in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Verfahren ausgenommen werden können (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 33 und 34).

58      Die Verordnung Nr. 994/98, auf deren Grundlage später die Verordnung Nr. 800/2008 erlassen wurde, wurde gemäß Art. 94 des EG-Vertrags (später Art. 89 EG, jetzt Art. 109 AEUV) erlassen (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 35).

59      Daraus ergibt sich unabhängig von der den Mitgliedstaaten nach den Verträgen obliegenden und einen Grundbestandteil des Kontrollsystems von staatlichen Beihilfen darstellenden Pflicht zur vorherigen Anmeldung aller Maßnahmen, mit denen eine neue Beihilfe eingeführt oder umgestaltet werden soll, dass sich ein Mitgliedstaat, wenn eine von ihm erlassene Beihilfemaßnahme die einschlägigen Voraussetzungen der Verordnung Nr. 800/2008 erfüllt, darauf berufen kann, dass er gemäß Art. 3 dieser Verordnung von seiner Anmeldepflicht freigestellt ist. Umgekehrt ergibt sich aus dem siebten Erwägungsgrund dieser Verordnung, dass staatliche Beihilfen, die nicht von dieser Verordnung erfasst werden, weiterhin der in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht unterliegen (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 36).

60      Darüber hinaus sind die Verordnung Nr. 800/2008 und die in ihr vorgesehenen Voraussetzungen als Ausnahme von der allgemeinen Regel der Anmeldepflicht eng auszulegen. Denn wenn die Kommission Gruppenfreistellungsverordnungen für Beihilfen erlassen kann, um eine wirksame Überwachung der Wettbewerbsregeln im Bereich staatlicher Beihilfen zu gewährleisten und die Verwaltungsabläufe zu vereinfachen – ohne ihre Kontrollbefugnis in diesem Bereich zu schwächen –, so haben diese auch die Erhöhung der Transparenz und der Rechtssicherheit zum Ziel. Die Einhaltung der in diesen Verordnungen – also auch der Verordnung Nr. 800/2008 – vorgesehenen Voraussetzungen ermöglicht es, die vollständige Erreichung dieser Ziele zu gewährleisten (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 37 und 38).

61      Wie die estnische Regierung und die Kommission geltend machen, verlangen die Ziele, eine wirksame Überwachung der Wettbewerbsregeln im Bereich staatlicher Beihilfen sicherzustellen, die Verwaltungsabläufe zu vereinfachen und die Transparenz sowie die Rechtssicherheit zu erhöhen, ebenso wie das Gebot, eine kohärente Anwendung der vorgesehenen Freistellungsvoraussetzungen innerhalb der Union zu gewährleisten, dass die Kriterien für die Anwendung einer Freistellung klar und von den nationalen Stellen einfach anzuwenden sind.

62      Nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 gelten KMU-Beihilfen, die unter diese Verordnung fallen, als Beihilfen mit Anreizeffekt, wenn der Beihilfeempfänger den Beihilfeantrag im betreffenden Mitgliedstaat vor Beginn des Vorhabens oder der Tätigkeit gestellt hat.

63      Hierzu geht zunächst aus dem 28. Erwägungsgrund dieser Verordnung hervor, dass die Kommission das Kriterium der Einreichung des Beihilfeantrags vor Beginn der Durchführung des in Rede stehenden Vorhabens vorgesehen hat, um sicherzustellen, dass die Beihilfe notwendig ist und als Anreiz dafür dient, dass neue Tätigkeiten oder neue Vorhaben in Angriff genommen werden, und um damit vom Anwendungsbereich dieser Verordnung die Beihilfen zugunsten von Tätigkeiten auszuschließen, die der Empfänger auch ohne Beihilfe unter Marktbedingungen durchführen würde.

64      Die Einreichung des Beihilfeantrags vor Beginn der Durchführung des Investitionsvorhabens stellt ein einfaches, relevantes und angemessenes Kriterium dar, das es der Kommission erlaubt, den Anreizeffekt der geplanten Beihilfe zu vermuten.

65      Des Weiteren ergibt sich u. a. aus den Erwägungsgründen 1, 2 und 5 sowie aus Art. 3 der Verordnung Nr. 800/2008, dass die Kommission durch den Erlass dieser Verordnung im Wesentlichen ex ante die Befugnisse wahrgenommen hat, die ihr Art. 107 Abs. 3 AEUV einräumt, und zwar für alle diejenigen Beihilfen, die die in dieser Verordnung vorgesehenen Kriterien erfüllen, und nur für diese.

66      Hierzu geht u. a. aus dem 28. Erwägungsgrund und aus Art. 8 Abs. 3 und 6 der Verordnung Nr. 800/2008 hervor, dass die nationalen Stellen, bevor sie auf der Grundlage dieser Verordnung eine Beihilfe gewähren, zu überprüfen haben, ob die in Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen hinsichtlich des Anreizeffekts der Beihilfe für KMU eingehalten werden.

67      Zum einen deutet nämlich nichts in der Verordnung Nr. 800/2008 darauf hin, dass die Kommission durch den Erlass dieser Verordnung die Absicht gehabt hätte, den nationalen Stellen die Aufgabe zu übertragen, das Vorliegen eines tatsächlichen Anreizeffekts zu überprüfen. Dass Art. 8 Abs. 6 dieser Verordnung bestimmt, dass die Beihilfemaßnahme insgesamt nicht freigestellt wird, wenn die in den Abs. 2 und 3 dieses Artikels genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, spricht vielmehr dafür, dass sich die Rolle der nationalen Stellen in Bezug auf die in Abs. 2 genannte Voraussetzung darauf beschränkt, zu überprüfen, ob der Beihilfeantrag vor dem Beginn der Durchführung des in Rede stehenden Vorhabens oder der in Rede stehenden Tätigkeit gestellt wurde und aus diesem Grund davon auszugehen ist, dass der Beihilfe ein Anreizeffekt zukommt.

68      Zum anderen ist festzustellen, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines solchen Effekts nicht als klares und von den nationalen Stellen einfach anzuwendendes Kriterium angesehen werden kann, da seine Überprüfung u. a. die Vornahme komplexer wirtschaftlicher Beurteilungen im Einzelfall erfordern würde. Ein solches Kriterium stünde daher nicht mit den in Rn. 61 des vorliegenden Urteils dargestellten Anforderungen im Einklang.

69      Daher ist davon auszugehen, dass die Verordnung Nr. 800/2008 den nationalen Stellen nicht die Aufgabe überträgt, das Vorliegen eines tatsächlichen Anreizeffekts der in Rede stehenden Beihilfe zu prüfen, sondern zu überprüfen, ob die ihnen vorgelegten Beihilfeanträge die Voraussetzungen erfüllen, die in Art. 8 dieser Verordnung vorgesehen sind und aufgrund deren davon ausgegangen werden kann, dass Beihilfen ein Anreizeffekt zukommt.

70      Es obliegt somit den nationalen Stellen, u. a. zu prüfen, ob die in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 vorgesehene Voraussetzung erfüllt ist, nämlich dass der Beihilfeantrag „vor Beginn des Vorhabens oder der Tätigkeit“ gestellt wurde; andernfalls wird die gesamte Beihilfemaßnahme nicht freigestellt, wie es Abs. 6 dieses Artikels vorsieht.

71      In Bezug auf die Auslegung dieser Voraussetzung hat die Kommission in Punkt 38 der Leitlinien klargestellt, dass „Beihilfen im Rahmen von Beihilferegelungen nur gewährt werden [können], wenn der Empfänger diese beantragt hat und die für die Verwaltung der Regelung zuständige Behörde vor Beginn der Arbeiten schriftlich bestätigt ... hat, dass das Vorhaben vorbehaltlich einer detaillierten Überprüfung die Förderwürdigkeitsbedingungen grundsätzlich erfüllt“.

72      Ferner hat die Kommission in diesem Punkt den Begriff „Beginn der Arbeiten“ definiert als „entweder die Aufnahme der Bauarbeiten oder die erste verbindliche Verpflichtung zur Bestellung von Anlagen ..., wobei Durchführbarkeitsstudien ausgeschlossen sind“.

73      Wie der Generalanwalt in Nr. 81 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist diese Definition, obwohl die Leitlinien nicht bindend sind, sachdienlich, da sie den in Rn. 61 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Zielen und Anforderungen genügt.

74      Daraus folgt, dass sich in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Aufgabe der nationalen Stellen hinsichtlich der in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 vorgesehenen Voraussetzung darauf beschränkt, zu überprüfen, ob der potenzielle Empfänger seinen Beihilfeantrag vor der ersten durch Eingehen einer rechtsverbindlichen Verpflichtung erfolgten Bestellung von Anlagen gestellt hat.

75      Hierbei obliegt es, wie der Generalanwalt in Nr. 82 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, den zuständigen nationalen Stellen, im Einzelfall die genaue Art der Verpflichtungen zu prüfen, die ein potenzieller Beihilfeempfänger vor der Stellung eines Beihilfeantrags gegebenenfalls eingegangen ist.

76      Zwar kann insoweit ein Vertrag über den Kauf von Anlagen, der unter der Bedingung geschlossen wird, dass die zu beantragende Beihilfe gewährt wird, im Hinblick auf die Anwendung von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 als nicht rechtsverbindliche Verpflichtung angesehen werden, wie die EAS und die estnische Regierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof zutreffend vorgetragen haben, dies gilt jedoch nicht gleichermaßen für eine entsprechende bedingungslose Verpflichtung, die unabhängig von den eventuellen Kosten für den Rücktritt vom Vertrag grundsätzlich als rechtsverbindlich anzusehen ist.

77      Gemäß der Struktur und den Zielen dieser Bestimmung dürfen nämlich wirtschaftliche Erwägungen wie diejenigen im Zusammenhang mit den Rücktrittskosten von einer nationalen Stelle im Fall einer bedingungslosen und rechtsverbindlichen Verpflichtung nicht berücksichtigt werden.

78      Was das Urteil vom 13. Juni 2013, HGA u. a./Kommission (C‑630/11 P bis C‑633/11 P, EU:C:2013:387), betrifft, das von dem vorlegenden Gericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen angeführt wird, hat der Gerichtshof in Rn. 109 jenes Urteils zwar im Wesentlichen ausgeführt, dass im Kontext von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV die Notwendigkeit einer Beihilfe für ein regionales Investitionsprojekt auf der Grundlage anderer Kriterien als der Einreichung des Beihilfeantrags vor Beginn der Durchführung des Projekts nachgewiesen werden kann.

79      Wie die Kommission vorträgt, ist diese Schlussfolgerung jedoch nicht auf die Beurteilung übertragbar, die eine nationale Stelle nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 vornehmen muss, da die Kommission für die Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV über ein weites Ermessen verfügt, bei dessen Ausübung komplexe wirtschaftliche und soziale Wertungen vorzunehmen sind (Urteile vom 11. September 2008, Deutschland u. a./Kronofrance, C‑75/05 P und C‑80/05 P, EU:C:2008:482, Rn. 59, und vom 8. März 2016, Griechenland/Kommission, C‑431/14 P, EU:C:2016:145, Rn. 68).

80      Im vorliegenden Fall geht aus der Darstellung des Sachverhalts in der Vorlageentscheidung hervor, dass Eesti Pagar am 28. August 2008 einen Kaufvertrag abschloss, in dem sie sich verpflichtete, eine Fertigungslinie für Kasten- und Toastbrot zu erwerben, dass dieser Vertrag nach der ersten – am 3. September 2008 erfolgten – Zahlung von 5 % des vereinbarten Kaufpreises wirksam wurde, dass Eesti Pagar am 29. September 2008 einen Leasingvertrag abschloss und dass die Partien dieser beiden Verträge in der Folge am 13. Oktober 2008 einen dreiseitigen Kaufvertrag schlossen, der ab seiner Unterzeichnung galt.

81      Offenbar ist Eesti Pagar, was allerdings vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist, somit vor der Stellung ihres Beihilfeantrags am 24. Oktober 2008 bedingungslose und rechtsverbindliche Verpflichtungen eingegangen, so dass unabhängig von den Kosten für den Rücktritt von diesen Verträgen davon auszugehen ist, dass sie für die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Beihilferegelung nicht in Betracht kommt.

82      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 dahin auszulegen ist, dass mit der „[Durchführung] des Vorhabens oder der Tätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung begonnen wurde, wenn vor der Stellung des Beihilfeantrags durch das Eingehen einer bedingungslosen und rechtsverbindlichen Verpflichtung eine erste Bestellung von Anlagen, die für dieses Vorhaben oder für diese Tätigkeit bestimmt sind, aufgegeben wurde, egal wie hoch die eventuellen Kosten für den Rücktritt von dieser Verpflichtung sind.

 Zur zweiten Frage und zum zweiten Teil der vierten Frage bezüglich der Verpflichtung, eine rechtswidrige Beihilfe zurückzufordern

83      Mit seiner zweiten Frage und dem zweiten Teil seiner vierten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es der nationalen Stelle obliegt, aus eigener Initiative eine Beihilfe zurückzufordern, die sie nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt hat, wenn sie in der Folge feststellt, dass die in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt waren, und auf welcher Rechtsgrundlage eine solche Rückforderung beruhen muss, wenn die Beihilfe durch einen Strukturfonds kofinanziert wurde.

84      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 108 Abs. 3 AEUV die beabsichtigte Einführung neuer Beihilfen einer vorbeugenden Prüfung unterwirft. Die damit geschaffene Verhütungsregelung ist darauf gerichtet, dass nur vereinbare Beihilfen durchgeführt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Durchführung eines Beihilfevorhabens ausgesetzt, bis die Zweifel an seiner Vereinbarkeit durch die abschließende Entscheidung der Kommission beseitigt sind (Urteil vom 21. November 2013, Deutsche Lufthansa, C‑284/12, EU:C:2013:755, Rn. 25 und 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      In Rn. 56 des vorliegenden Urteils wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Anmeldepflicht ein Grundbestandteil dieser Kontrolle ist und dass die Mitgliedstaaten somit verpflichtet sind, bei der Kommission alle Maßnahmen anzumelden, mit denen eine Beihilfe eingeführt oder umgestaltet werden soll, und solche Maßnahmen nicht durchzuführen, solange die Kommission nicht abschließend über sie entschieden hat.

86      In Rn. 59 des vorliegenden Urteils wurde ferner darauf hingewiesen, dass sich ein Mitgliedstaat nur dann darauf berufen kann, dass er von seiner Anmeldepflicht gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 800/2008 freigestellt ist, wenn eine von ihm erlassene Beihilfemaßnahme die einschlägigen Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllt, und dass umgekehrt die staatlichen Beihilfen, die nicht von dieser Verordnung erfasst werden, weiterhin der in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht unterliegen.

87      Daraus folgt, dass, wenn eine Beihilfe nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt wurde, obwohl die in dieser Verordnung aufgestellten Voraussetzungen für eine Freistellung nicht erfüllt wurden, diese Beihilfe unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht gewährt wurde und daher als rechtswidrig anzusehen ist.

88      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof klargestellt, dass das in Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV angeordnete Verbot der Durchführung von Beihilfevorhaben unmittelbare Wirkung hat und dass die unmittelbare Anwendbarkeit des in dieser Bestimmung enthaltenen Durchführungsverbots jede Beihilfemaßnahme betrifft, die durchgeführt wird, ohne dass sie angezeigt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 2013, Deutsche Lufthansa, C‑284/12, EU:C:2013:755, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass die nationalen Gerichte nach ihrem nationalen Recht sicherstellen müssen, dass sämtliche Konsequenzen aus einer Verletzung von Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV sowohl hinsichtlich der Gültigkeit der Durchführungsakte als auch hinsichtlich der Wiedereinziehung der unter Verletzung dieser Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen gezogen werden, und dass Gegenstand ihrer Aufgabe somit die Anordnung von Maßnahmen ist, die geeignet sind, der Rechtswidrigkeit der Durchführung der Beihilfen abzuhelfen, damit der Empfänger in der bis zur Entscheidung der Kommission noch verbleibenden Zeit nicht weiterhin frei über sie verfügen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 2013, Deutsche Lufthansa, C‑284/12, EU:C:2013:755, Rn. 30 und 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Jede Bestimmung des Unionsrechts, die die Voraussetzungen erfüllt, um unmittelbare Wirkung zu entfalten, gilt für alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, d. h. nicht nur für die nationalen Gerichte, sondern auch für alle Träger der Verwaltung, einschließlich der dezentralen Stellen, und diese Stellen sind verpflichtet, sie anzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2012, Amia, C‑97/11, EU:C:2012:306, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind nämlich sowohl die nationalen Verwaltungsbehörden als auch die nationalen Gerichte, die im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden haben, gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen (Urteil vom 14. September 2017, The Trustees of the BT Pension Scheme, C‑628/15, EU:C:2017:687, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Wenn eine nationale Stelle feststellt, dass eine Beihilfe, die sie nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt hat, nicht die Voraussetzungen für die in dieser Verordnung vorgesehene Freistellung erfüllt, obliegt es ihr folglich entsprechend, dieselben Verpflichtungen einzuhalten wie die in Rn. 89 des vorliegenden Urteils genannten, wozu die Verpflichtung gehört, eine rechtswidrig gewährte Beihilfe aus eigener Initiative zurückzufordern.

93      Angesichts nicht nur der Folgen, die eine solche Rückforderung der Beihilfe für das betreffende Unternehmen nach sich ziehen kann, sondern auch der in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV aufgestellten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen zu ergreifen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben, ist es indessen Sache der nationalen Stelle, bei der ein Beihilfeantrag gestellt wurde, der unter die Verordnung Nr. 800/2008 fallen kann, unter Berücksichtigung der ihr vorgelegten Gesichtspunkte sorgfältig zu prüfen, ob die beantragte Beihilfe sämtliche einschlägigen Voraussetzungen erfüllt, die in dieser Verordnung aufgestellt werden, und den Antrag abzulehnen, wenn eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist.

94      Was die Rechtsgrundlage einer solchen Rückforderung betrifft, geht u. a. aus den Erwägungen in den Rn. 89 bis 92 des vorliegenden Urteils hervor, dass Art. 108 Abs. 3 AEUV den nationalen Stellen vorschreibt, aus eigener Initiative die Beihilfen zurückzufordern, die sie u. a. unter fehlerhafter Anwendung der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt haben. Diese Erwägungen gelten unterschiedslos für aus einem Strukturfonds kofinanzierte Beihilfen. Art. 101 der Verordnung Nr. 1083/2006 weist nämlich auf diese Verpflichtung hin. Ferner legt in den Fällen, in denen die Verordnung Nr. 2988/95 zur Anwendung kommt, ihr Art. 4 Abs. 1 dieselbe Verpflichtung auf.

95      Nach alledem ist auf die zweite Frage und den zweiten Teil der vierten Frage zu antworten, dass Art. 108 Abs. 3 AEUV dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung von der nationalen Stelle verlangt, aus eigener Initiative eine Beihilfe zurückzufordern, die sie nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt hat, wenn sie in der Folge feststellt, dass die in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt waren.

 Zur dritten Frage bezüglich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

96      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass die nationale Stelle, wenn sie eine Beihilfe unter fehlerhafter Anwendung der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt, beim Empfänger der Beihilfe ein berechtigtes Vertrauen in deren Rechtmäßigkeit begründen kann, ob es, falls diese Frage bejaht wird, notwendig ist, das öffentliche Interesse gegen das Interesse des Einzelnen abzuwägen, und ob dabei das Vorliegen eines Beschlusses der Kommission zur Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt von Belang ist.

97      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt das Recht, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, voraus, dass die zuständigen Unionsbehörden dem Betroffenen klare, unbedingte und übereinstimmende, aus befugten und zuverlässigen Quellen stammende Zusicherungen erteilt haben. Auf dieses Recht kann sich nämlich jeder berufen, bei dem ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union durch klare Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat. Klare, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Zusicherungen dar (Urteil vom 13. Juni 2013, HGA u. a./Kommission, C‑630/11 P bis C‑633/11 P, EU:C:2013:387, Rn. 132).

98      Da die Überwachung der staatlichen Beihilfen durch die Kommission in Art. 108 AEUV zwingend vorgeschrieben ist, dürfen nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung zum einen die von einer Beihilfe begünstigen Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn sie unter Einhaltung des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde; zum anderen ist es einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer regelmäßig möglich, sich zu vergewissern, dass dieses Verfahren eingehalten wurde. Insbesondere kann der Empfänger einer Beihilfe, wenn sie ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission gewährt wurde, so dass sie gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig ist, in diesem Moment kein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit ihrer Gewährung haben (Urteile vom 15. Dezember 2005, Unicredito Italiano, C‑148/04, EU:C:2005:774, Rn. 104, und vom 19. März 2015, OTP Bank, C‑672/13, EU:C:2015:185, Rn. 77).

99      In den Rn. 59 und 87 des vorliegenden Urteils wurde bereits festgestellt, dass ein Mitgliedstaat nur dann, wenn eine von ihm erlassene Beihilfemaßnahme die in der Verordnung Nr. 800/2008 vorgesehenen einschlägigen Voraussetzungen erfüllt, von seiner Anmeldepflicht befreit ist und dass umgekehrt eine Beihilfe, die nach dieser Verordnung gewährt wurde, obwohl die für die Gewährung aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt waren, unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht gewährt wurde und als rechtswidrig anzusehen ist.

100    Ferner wurde in den Rn. 89 bis 92 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen, dass es in einer solchen Situation sowohl den nationalen Gerichten als auch den Trägern der Verwaltung der Mitgliedstaaten obliegt, sicherzustellen, dass alle Konsequenzen, die sich aus dem Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ergeben, gezogen werden, insbesondere was die Gültigkeit der Durchführungsakte und die Wiedereinziehung der unter Verstoß gegen diese Bestimmung gewährten Beihilfen betrifft.

101    Daraus ergibt sich zum einen, dass eine nationale Stelle, die eine Beihilfe gemäß der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt, nicht als dazu befugt angesehen werden kann, eine endgültige Entscheidung zu erlassen, mit der festgestellt wird, dass keine Verpflichtung besteht, die beantragte Beihilfe nach Art. 108 Abs. 3 AEUV bei der Kommission anzumelden.

102    Da die Kommission durch den Erlass der Verordnung Nr. 800/2008 im Wesentlichen selbst ex ante die Befugnisse ausgeübt hat, die ihr Art. 107 Abs. 3 AEUV verleiht, und zwar für alle Beihilfen, die die in dieser Verordnung vorgesehenen Kriterien erfüllen – und nur für diese, wie in Rn. 65 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde –, hat sie nämlich den nationalen Stellen keine Entscheidungsbefugnis eingeräumt, was die Reichweite der Befreiung von der Anmeldung betrifft, so dass sich diese Stellen somit auf derselben Ebene wie die potenziellen Beihilfeempfänger befinden und sich, wie in Rn. 93 des vorliegenden Urteils hervorgehoben wurde, vergewissern müssen, dass ihre Entscheidungen im Einklang mit dieser Verordnung stehen; andernfalls ergeben sich die Folgen, auf die in Rn. 100 dieses Urteils hingewiesen wurde.

103    Zum anderen ergibt sich daraus, dass, wenn eine nationale Stelle eine Beihilfe unter fehlerhafter Anwendung der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt, sie dies unter Missachtung sowohl dieser Verordnung als auch von Art. 108 Abs. 3 AEUV tut.

104    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann der Grundsatz des Vertrauensschutzes aber nicht gegen eine klare unionsrechtliche Bestimmung angeführt werden, und das unionsrechtswidrige Verhalten einer mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten nationalen Behörde kann kein berechtigtes Vertrauen eines Wirtschaftsteilnehmers darauf begründen, in den Genuss einer unionsrechtswidrigen Behandlung zu kommen (Urteile vom 20. Juni 2013, Agroferm, C‑568/11, EU:C:2013:407, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. August 2018, Ministru kabinets, C‑120/17, EU:C:2018:638, Rn. 52).

105    Folglich ist es von vornherein ausgeschlossen, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden eine nationale Stelle wie die EAS bei einem Empfänger einer zu Unrecht gemäß der Verordnung Nr. 800/2008 gewährten Beihilfe wie Eesti Pagar ein berechtigtes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit dieser Beihilfe begründet haben konnte.

106    Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass eine nationale Stelle, wenn sie eine Beihilfe unter fehlerhafter Anwendung der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt, kein berechtigtes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der betreffenden Beihilfe zugunsten ihres Empfängers begründen kann.

 Zum ersten Teil der vierten Frage bezüglich der auf die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe anwendbaren Verjährungsfrist

107    Mit dem ersten Teil seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass, wenn eine nationale Stelle unter fehlerhafter Anwendung der Verordnung Nr. 800/2008 eine Beihilfe aus einem Strukturfonds gewährt hat, die auf die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe anwendbare Verjährungsfrist die in Art. 15 der Verordnung Nr. 659/1999 genannte zehnjährige Frist, die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 genannte vierjährige Frist oder die im anwendbaren nationalen Recht vorgesehene Frist ist.

108    Hierzu geht aus der in Rn. 89 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hervor, dass die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe nach den im anwendbaren nationalen Recht vorgesehenen Durchführungsvorschriften zu erfolgen hat, wenn unionsrechtliche Vorschriften in diesem Bereich fehlen.

109    Insbesondere kann entgegen dem Vorbringen der estnischen und der griechischen Regierung sowie der Kommission auf eine solche Rückforderung weder unmittelbar noch mittelbar noch entsprechend die in Art. 15 der Verordnung Nr. 659/1999 genannte Frist von zehn Jahren angewandt werden.

110    Zum einen hat der Gerichtshof nämlich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 149 und 152 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, in den Rn. 34 und 35 seines Urteils vom 5. Oktober 2006, Transalpine Ölleitung in Österreich (C‑368/04, EU:C:2006:644), klargestellt, dass die Verordnung Nr. 659/1999, soweit sie Vorschriften verfahrensrechtlicher Art enthält, die auf alle staatliche Beihilfen betreffenden Verwaltungsverfahren anwendbar sind, die bei der Kommission anhängig sind, die Praxis der Kommission auf dem Gebiet der Prüfung staatlicher Beihilfen kodifiziert und verstärkt und keine Vorschrift über die Befugnisse und Verpflichtungen der nationalen Gerichte enthält, für die weiter die Bestimmungen des Vertrags in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof gelten.

111    Aus den Erwägungen in den Rn. 89 bis 92 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass dies genauso für die Befugnisse und Pflichten der nationalen Verwaltungsbehörden gilt.

112    Zum anderen ist es ständige Rechtsprechung, dass Verjährungsfristen allgemein den Zweck erfüllen, Rechtssicherheit zu gewährleisten (Urteil vom 13. Juni 2013, Unanimes u. a., C‑671/11 bis C‑676/11, EU:C:2013:388, Rn. 31), dass die betreffende Frist, um diesen Zweck zu erfüllen, im Voraus festgelegt sein muss und dass jede „analoge“ Anwendung einer Verjährungsfrist für den Betroffenen hinreichend vorhersehbar sein muss (Urteil vom 5. Mai 2011, Ze Fu Fleischhandel und Vion Trading, C‑201/10 und C‑202/10, EU:C:2011:282, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

113    In Anbetracht der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung kann eine entsprechende Anwendung der in Art. 15 der Verordnung Nr. 659/1999 genannten Frist von zehn Jahren unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht als hinreichend vorhersehbar für einen Betroffenen wie Eesti Pagar angesehen werden.

114    Wie der Generalanwalt in Nr. 147 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, lässt jedenfalls der bloße Umstand, dass nationale Verjährungsvorschriften grundsätzlich auf die aus eigener Initiative der nationalen Stellen erfolgte Rückforderung einer rechtswidrig gewährten Beihilfe anwendbar sind, die Möglichkeit unberührt, dass die Rückforderung dieser Beihilfe später in Durchführung eines entsprechenden Beschlusses der Kommission erfolgt, der es, wenn sie Informationen – egal aus welchen Quellen – über die mutmaßliche Rechtswidrigkeit dieser Beihilfe in ihrem Besitz hat, nach Ablauf der nationalen Verjährungsfristen weiterhin freisteht, sich innerhalb der in Art. 15 der Verordnung Nr. 659/1999 genannten Frist von zehn Jahren der Prüfung dieser Beihilfe anzunehmen.

115    Was speziell die Beihilfen betrifft, die aus einem Strukturfonds der Union wie im vorliegenden Fall dem EFRE kofinanziert werden, kann darüber hinaus die Verordnung Nr. 2988/95 anwendbar sein, da finanzielle Interessen der Union auf dem Spiel stehen.

116    Mit dem Erlass der Verordnung Nr. 2988/95 und insbesondere ihres Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 hat der Unionsgesetzgeber nämlich beschlossen, eine allgemeine Verjährungsregelung für diesen Bereich einzuführen, in der zum einen eine in allen Mitgliedstaaten geltende Mindestfrist festgelegt und zum anderen auf die Möglichkeit der Verfolgung einer die finanziellen Interessen der Europäischen Union beeinträchtigenden Unregelmäßigkeit nach Ablauf von vier Jahren seit ihrer Begehung verzichtet werden sollte (Urteil vom 22. Dezember 2010, Corman, C‑131/10, EU:C:2010:825, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

117    Folglich kann seit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2988/95 jede die finanziellen Interessen der Union beeinträchtigende Unregelmäßigkeit grundsätzlich – und soweit es nicht ausnahmsweise um Sektoren geht, für die der Unionsgesetzgeber eine kürzere Frist vorgesehen hat – von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten innerhalb einer Frist von vier Jahren verfolgt werden (Urteil vom 22. Dezember 2010, Corman, C‑131/10, EU:C:2010:825, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

118    Hierzu ist festzustellen, dass gemäß Art. 1 dieser Verordnung in ihren Anwendungsbereich „Unregelmäßigkeiten“ in Bezug auf das Unionsrecht fallen und dass diese definiert werden als jeder Verstoß gegen eine Unionsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Union oder die Haushalte, die von der Union verwaltet werden, bewirkt hat oder bewirkt haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für die Rechnung der Union erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe.

119    Speziell in Bezug auf die Voraussetzung, dass der Verstoß gegen eine Bestimmung des Unionsrechts die Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers sein muss, hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Verjährungsregelung des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung nicht für die Verfolgung von Unregelmäßigkeiten gilt, die auf Fehler der nationalen Behörden zurückzuführen sind, die im Namen und zulasten des Haushalts der Union einen finanziellen Vorteil gewähren (Urteil vom 21. Dezember 2011, Chambre de commerce et d’industrie de l’Indre, C‑465/10, EU:C:2011:867, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

120    In einer Situation wie der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden obliegt es jedoch zunächst demjenigen, der eine Beihilfe beantragt, sich zu vergewissern, dass er die in der Verordnung Nr. 800/2008 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt, um eine nach dieser Verordnung freigestellte Beihilfe zu erhalten, so dass die Gewährung einer Beihilfe unter Missachtung dieser Voraussetzungen nicht als ausschließlich auf einem von der betreffenden nationalen Stelle begangenen Fehler beruhend angesehen werden kann.

121    Das gilt auch dann, wenn die betreffende Stelle vom Empfänger der in Rede stehenden Beihilfe über Umstände informiert wurde, die zu einem Verstoß gegen eine Bestimmung des Unionsrechts führen. Ein solcher Umstand wirkt sich als solcher nicht auf die Einstufung als „Unregelmäßigkeit“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 aus (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Chambre de commerce et d’industrie de l’Indre, C‑465/10, EU:C:2011:867, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

122    Im Übrigen erfasst die Definition einer „Unregelmäßigkeit“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 sowohl vorsätzlich begangene oder durch Fahrlässigkeit verursachte Unregelmäßigkeiten, die nach Art. 5 dieser Verordnung zu einer verwaltungsrechtlichen Sanktion führen können, als auch Unregelmäßigkeiten, die nach Art. 4 dieser Verordnung lediglich den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils bewirken (Urteil vom 24. Juni 2004, Handlbauer, C‑278/02, EU:C:2004:388, Rn. 33).

123    Die Begehung einer Unregelmäßigkeit, die die Verjährungsfrist in Lauf setzt, ist von der Erfüllung zweier Voraussetzungen abhängig, nämlich von einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers, die sich als Verstoß gegen das Unionsrecht darstellt, und einem Schaden oder einem potenziellen Schaden für den Unionshaushalt (Urteil vom 6. Oktober 2015, Firma Ernst Kollmer Fleischimport und ‑export, C‑59/14, EU:C:2015:660, Rn. 24).

124    Wenn der Verstoß gegen das Unionsrecht nach dem Eintritt des Schadens aufgedeckt wurde, beginnt die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Begehung der Unregelmäßigkeit zu laufen, d. h. zu dem Zeitpunkt, zu dem sich sowohl die Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers, die sich als Verstoß gegen das Unionsrecht darstellt, als auch der Schaden für den Unionshaushalt oder die Haushalte, die von der Union verwaltet werden, ereignet haben (Urteil vom 6. Oktober 2015, Firma Ernst Kollmer Fleischimport und ‑export, C‑59/14, EU:C:2015:660, Rn. 25).

125    Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 kann die Verfolgungsverjährung durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs‑ oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen werden.

126    Hierzu geht aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 hervor, dass der Begriff „betreffende Person“ den Wirtschaftsteilnehmer bezeichnet, der im Verdacht steht, die Unregelmäßigkeiten begangen zu haben, dass der Begriff „Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung“ jede Handlung erfasst, die die Vorgänge, auf die sich der Verdacht von Unregelmäßigkeiten bezieht, hinreichend genau umschreibt, und dass daher die in dieser Bestimmung genannte Voraussetzung als erfüllt anzusehen ist, wenn eine Gesamtheit tatsächlicher Umstände den Schluss zulässt, dass eine solche Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der betreffenden Person tatsächlich zur Kenntnis gebracht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen, C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 36, 38 et 43).

127    Im vorliegenden Fall geht vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht aus dieser Rechtsprechung hervor, dass die Verordnung Nr. 2988/95 auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, dass eine Unregelmäßigkeit im Sinne ihres Art. 1 von Eesti Pagar begangen worden ist, dass eine eventuelle Kenntnis der EAS von einer Bestellung von Anlagen durch das Eingehen einer bedingungslosen und rechtsverbindlichen Verpflichtung durch Eesti Pagar vor der Stellung ihres Beihilfeantrags das Bestehen einer solchen Unregelmäßigkeit nicht berühren würde, dass die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 vorgesehene Verjährungsfrist von vier Jahren somit am 10. März 2009 zu laufen begann, zu dem Zeitpunkt, zu dem, wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, die EAS dem von Eesti Pagar gestellten Beihilfeantrag stattgegeben hat und zu dem damit dem Unionshaushalt ein Schaden zugefügt wurde, und dass diese Frist durch das in Rn. 24 des vorliegenden Urteils genannte Schreiben vom 22. Januar 2013 oder sogar, wenn die in Rn. 126 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllt sind, durch die im Dezember 2012 durchgeführte und in Rn. 26 des vorliegenden Urteils erwähnte Nachprüfung unterbrochen wurde.

128    Nach alledem ist auf den ersten Teil der vierten Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass, wenn eine nationale Stelle unter fehlerhafter Anwendung der Verordnung Nr. 800/2008 eine Beihilfe aus einem Strukturfonds gewährt hat, die auf die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe anwendbare Verjährungsfrist gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 vier Jahre beträgt, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Verordnung erfüllt sind, oder, wenn dies nicht der Fall ist, die im anwendbaren nationalen Recht vorgesehene Frist gilt.

 Zur fünften Frage bezüglich der Verpflichtung, Zinsen zu verlangen

129    Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Stelle, wenn sie eine von ihr zu Unrecht nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährte Beihilfe aus eigener Initiative zurückfordert, obliegt, vom Empfänger dieser Beihilfe Zinsen zu verlangen, und, falls diese Frage bejaht wird, welche Regeln auf die Berechnung dieser Zinsen anwendbar sind, insbesondere was den Zinssatz und den Zeitraum, in dem diese Zinsen anfallen, betrifft.

130    In den Rn. 99 und 100 des vorliegenden Urteils wurde festgestellt, dass eine Beihilfe, die nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt wurde, obwohl die Voraussetzungen dieser Verordnung nicht erfüllt waren, als rechtswidrig anzusehen ist und es unter solchen Umständen sowohl den nationalen Gerichten als auch den Trägern der Verwaltung der Mitgliedstaaten obliegt, sicherzustellen, dass alle Konsequenzen, die sich aus dem Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ergeben, gezogen werden, insbesondere was die Gültigkeit der Durchführungsakte und die Wiedereinziehung der unter Verstoß gegen diese Bestimmung gewährten Beihilfen betrifft.

131    In Bezug auf diese Konsequenzen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die logische Folge der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beihilfe deren Aufhebung durch Rückforderung ist, um die frühere Lage wiederherzustellen. Das Hauptziel der Rückerstattung einer rechtswidrig gezahlten staatlichen Beihilfe besteht nämlich darin, die Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen, die durch den mit einer solchen Beihilfe verbundenen Wettbewerbsvorteil verursacht wurde. Durch die Rückzahlung der Beihilfe verliert der Empfänger den Vorteil, den er auf dem Markt gegenüber seinen Mitbewerbern besaß, und die Lage vor der Zahlung der Beihilfe wird wiederhergestellt (Urteil vom 8. Dezember 2011, Residex Capital IV, C‑275/10, EU:C:2011:814, Rn. 33 und 34).

132    Aus der Sicht des Beihilfeempfängers besteht der nicht gerechtfertigte Vorteil indessen auch in der Nichtzahlung von Zinsen, die er auf den fraglichen Betrag der Beihilfe gezahlt hätte, wenn er sich diesen Betrag während der Dauer der Rechtswidrigkeit auf dem Markt hätte leihen müssen, sowie in der Verbesserung seiner Wettbewerbsposition gegenüber den anderen Marktteilnehmern während dieser Dauer (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Februar 2008, CELF und Ministre de la Culture et de la Communication, C‑199/06, EU:C:2008:79, Rn. 51).

133    Damit wäre in einer Situation wie der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden unbeschadet der auf sie anwendbaren Verjährungsvorschriften eine nur in einer Verpflichtung zur Rückforderung ohne Zinsen bestehende Maßnahme grundsätzlich nicht geeignet, den Auswirkungen der Rechtswidrigkeit vollständig abzuhelfen, da sie die frühere Situation nicht wiederherstellen und die Wettbewerbsverzerrung nicht vollständig beseitigen würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Februar 2008, CELF und Ministre de la Culture et de la Communication, C‑199/06, EU:C:2008:79, Rn. 52 bis 54, sowie vom 8. Dezember 2011, Residex Capital IV, C‑275/10, EU:C:2011:814, Rn. 33 und 34).

134    Die nationale Stelle ist daher gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV verpflichtet, dem Beihilfeempfänger aufzugeben, für die Dauer der Rechtswidrigkeit Zinsen zu zahlen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Februar 2008, CELF und Ministre de la Culture et de la Communication, C‑199/06, EU:C:2008:79, Rn. 52, sowie vom 8. Dezember 2011, Residex Capital IV, C‑275/10, EU:C:2011:814, Rn. 33 bis 35).

135    Was die auf die Berechnung der Zinsen anwendbaren Vorschriften betrifft, geht aus der in Rn. 89 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung hervor, dass die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe in Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften in diesem Bereich gemäß den Vorschriften des anwendbaren nationalen Rechts zu erfolgen hat.

136    Insbesondere können aus den u. a. in den Rn. 110 und 111 des vorliegenden Urteils angeführten Gründen weder Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 noch die Art. 9 und 11 der Verordnung Nr. 794/2004 als eine solche Unionsvorschrift in diesem Bereich angesehen werden. Entgegen dem Vorbringen der estnischen und der griechischen Regierung sowie der Kommission können diese Bestimmungen aus denselben Gründen auch nicht mittelbar oder entsprechend angewendet werden.

137    Allerdings dürfen nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften nicht ungünstiger sein als die, die bei ähnlichen internen Sachverhalten gelten (Grundsatz der Äquivalenz), und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung eingeräumten Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (Urteil vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen, C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 40).

138    Zum Grundsatz der Effektivität hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist (Urteil vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen, C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 41).

139    In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass das nationale Recht nicht zur Folge haben darf, die Anwendung des Unionsrechts insofern zu verhindern, als es es den nationalen Gerichten oder Behörden unmöglich macht, ihrer Verpflichtung nachzukommen, die Beachtung von Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen, C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 42 und 45).

140    Eine nationale Rechtsvorschrift, die die nationalen Gerichte oder eine nationale Behörde daran hinderte, sämtliche Konsequenzen aus einem Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV zu ziehen, ist nämlich als mit dem Effektivitätsgrundsatz unvereinbar anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen, C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 42 und 45).

141    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe zwar gemäß den Vorschriften des anwendbaren nationalen Rechts zu erfolgen hat, Art. 108 Abs. 3 AEUV jedoch verlangt, dass diese Vorschriften eine vollständige Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe sicherstellen und dass dem Beihilfeempfänger somit u. a. aufgegeben wird, für den gesamten Zeitraum, in dem er in den Genuss der Beihilfe gekommen ist, Zinsen in Höhe eines Zinssatzes zu zahlen, der genauso hoch ist wie der, der angewandt worden wäre, wenn er den Betrag der in Rede stehenden Beihilfe während dieses Zeitraums auf dem Markt hätte leihen müssen.

142    Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Stelle, wenn sie eine von ihr zu Unrecht nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährte Beihilfe aus eigener Initiative zurückfordert, obliegt, vom Empfänger dieser Beihilfe Zinsen gemäß den Vorschriften des anwendbaren nationalen Rechts zu verlangen. Hierbei verlangt Art. 108 Abs. 3 AEUV, dass diese Vorschriften es erlauben, eine vollständige Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe sicherzustellen, und dass dem Beihilfeempfänger somit u. a. aufgegeben wird, für den gesamten Zeitraum, in dem er in den Genuss der Beihilfe gekommen ist, Zinsen in Höhe eines Zinssatzes zu zahlen, der genauso hoch ist wie der, der angewandt worden wäre, wenn er den Betrag der in Rede stehenden Beihilfe während dieses Zeitraums auf dem Markt hätte leihen müssen.

 Kosten

143    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) ist dahin auszulegen, dass mit der „[Durchführung] des Vorhabens oder der Tätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung begonnen wurde, wenn vor der Stellung des Beihilfeantrags durch das Eingehen einer bedingungslosen und rechtsverbindlichen Verpflichtung eine erste Bestellung von Anlagen, die für dieses Vorhaben oder für diese Tätigkeit bestimmt sind, aufgegeben wurde, egal wie hoch die eventuellen Kosten für den Rücktritt von dieser Verpflichtung sind.

2.      Art. 108 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung von der nationalen Stelle verlangt, aus eigener Initiative eine Beihilfe zurückzufordern, die sie nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt hat, wenn sie in der Folge feststellt, dass die in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt waren.

3.      Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass eine nationale Stelle, wenn sie eine Beihilfe unter fehlerhafter Anwendung der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt, kein berechtigtes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der betreffenden Beihilfe zugunsten ihres Empfängers begründen kann.

4.      Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass, wenn eine nationale Stelle unter fehlerhafter Anwendung der Verordnung Nr. 800/2008 eine Beihilfe aus einem Strukturfonds gewährt hat, die auf die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe anwendbare Verjährungsfrist gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vier Jahre beträgt, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Verordnung erfüllt sind, oder, wenn dies nicht der Fall ist, die im anwendbaren nationalen Recht vorgesehene Frist gilt.

5.      Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Stelle, wenn sie eine von ihr zu Unrecht nach der Verordnung Nr. 800/2008 gewährte Beihilfe aus eigener Initiative zurückfordert, obliegt, vom Empfänger dieser Beihilfe Zinsen gemäß den Vorschriften des anwendbaren nationalen Rechts zu verlangen. Hierbei verlangt Art. 108 Abs. 3 AEUV, dass diese Vorschriften es erlauben, eine vollständige Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe sicherzustellen, und dass dem Beihilfeempfänger somit u. a. aufgegeben wird, für den gesamten Zeitraum, in dem er in den Genuss der Beihilfe gekommen ist, Zinsen in Höhe eines Zinssatzes zu zahlen, der genauso hoch ist wie der, der angewandt worden wäre, wenn er den Betrag der in Rede stehenden Beihilfe während dieses Zeitraums auf dem Markt hätte leihen müssen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Estnisch.